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Der Hexer Band 38

Robert Craven (Wolfgang Hohlbein)
Der Hexer, Band 38
Das Auge des Satans

Horror, Grusel, Heftroman, Bastei, Bergisch-Gladbach, 16. September 1986, 64 Seiten, 1,70 DM, Titelbild: Sebastia Boada

Die Gesichter der Männer waren verzerrt vor Wut. Die Wüste hallte wider von ihren schrillen, überschnappenden Schreien, dem rasenden Stakkato der Pferdehufe und dem unablässigen Peitschen der Schüsse. Sie waren noch zu weit entfernt, und auf den bockenden Pferde- und Kamelrücken war ein Zielen so gut wie unmöglich, so dass nur dann und wann eine verirrte Kugel in unserer unmittelbaren Nähe in den Boden einschlug oder gegen einen Felsen klatschte, um als heulender Querschläger abzuprallen. Aber sie kamen näher. Unaufhaltsam.

Leseprobe

Die Welt des Hexers

Bei einer Arabien-Expedition findet Sir Henry Baskerville die verdorrte Leiche eines Tempelritters im Sand der Wüste. Chalef, Baskervilles Diener, glaubt zu wissen, dass ein gewisser Sill el Mot den Templer erst vor Tagen getötet hat. Jener Sill ist angeblich ein Wüstenprinz, der schon seit vielen Jahren gegen den Orden der Tempelritter zu Felde zieht. Bei der Leiche findet Baskerville eine Rose aus porösem Sandstein, die er mit sich nimmt, als er zurück nach England reist.

Dort trifft er auf Robert Craven, den HEXER. Doch der scheinbare Zufall entpuppt sich als magischer Bann – Robert fühlt sich plötzlich auf unerklärliche Weise zu Henry Baskerville hingezogen. Erst wehrt er sich gegen die mysteriöse Empfindung, folgt dann aber doch Sir Henry auf Schritt und Tritt – auch, als dieser nach Dartmoor reist, um das Erbe seines unter geheimnisvollen Umständen verstorbenen Onkels anzutreten.

Dort trifft Robert auf einen Mann, der Licht in das Dunkel bringt; Sherlock Holmes. Gemeinsam lösen sie das Rätsel um den Fluch der Baskervilles. und schließlich findet Holmes auch den Grund für Roberts Anhänglichkeit – die Sandrose, die Sir Henry bei sich trug. Als Robert die Rose berührt, verwirrt sich sein Geist. Durch eine mächtige Magie geleitet, eilt er zurück nach London, um sich in ein Tor der GROẞEN ALTEN zu stürzen. Er kommt mitten in der arabischen Wüste wieder zu sich – in einer Moschee. Vor der Lynchjustiz des aufgebrachten Mobs rettet ihn nur eine Abteilung Highlanders – schottische Soldaten Ihrer Majestät, die die Kolonialmacht Großbritannien in diesem entlegenen arabischen Dorf vertreten.

Die Tochter des Befehlshabers Colonel Trouwne, Letitia, freundet sich schnell mit Robert an (wenn auch gegen dessen Willen).

Mittlerweile spricht eine Abordnung der Tempelritter bei Nizar vor, dem Herrscher dieses Teils der Wüste, um von ihm das Auge des Satans zu fordern: einen großen, magischen Rubin. Nizar, ein sadistischer, fetter Zauberer, der seine Macht allein aus dem Rubin bezieht, wirft sie aus seiner Burg. Doch Guillaume de Saint Denis, Renard de Banrieux und Gouvin du Tourville geben nicht auf – selbst wenn sie nun einen riskanten, ja fast selbstmörderischen Plan in die Tat umsetzen. Sie nehmen die Hilfe eines Zauberwesens in Anspruch, das in der Schwarzen Stadt inmitten der Wüste gefangen ist – ein Flaschengeist. Bei der Aktion kommt Gouvin ums Leben.

Und auch Robert und die Highlanders sind in großer Gefahr. Sie werden von aufständischen Stämmen überfallen, und bis auf Robert und Letitia überlebt niemand die Attacke. Die beiden werden von dem Anführer der Stämme, Hassan bei Kurz, gefangengenommen. Im Lager der Beduinen machen sie die Bekanntschaft von Ali, einem Wüstenprinzen, dessen Vater von Nizar ermordet wurde und der sich ebenfalls in der Gewalt der Beduinen befindet.

Nizars Vasall, Dschakid, erreicht das Lager, um die drei zu Nizar zu bringen. Doch plötzlich fliegen Brandpfeile in die Nomadenzelte, Panik bricht aus, und die drei können entkommen. Die Tempelritter haben eingegriffen, denn sie verfolgen einen gut durchdachten Plan, um Nizar zu bezwingen und das Auge des Satans zu erlangen: sie wollen den fetten Magier mit Robert konfrontieren …

 

*

 

»Schneller!«, brüllte Ali. »Schneller, Giaur, oder du findest heraus, ob es die Hölle deines christlichen Aberglaubens wirklich gibt!«

Wie um seinen Worten den gehörigen Nachdruck zu verleihen, schlug in diesem Moment eine ganze Salve von Gewehrschüssen gegen einen der Felsen und überschüttete mich mit einem wahren Hagel von Stein- und glühenden Metallsplittern. Mein Reitkamel stieß einen schrillen Schmerzlaut aus und machte einen Satz, der mich um ein Haar von seinem Rücken geschleudert hätte. Mit letzter Kraft klammerte ich mich fest, versuchte ebenso tapfer wie vergeblich, das Tier wieder unter meine Kontrolle zu bringen, und sah mich gehetzt um.

Dass wir überhaupt noch lebten, verdankten wir eher unserer Umgebung als unserer Schnelligkeit. Für gut zehn Minuten waren wir durch offene Wüste geprescht, in der unsere Kamele zwar weit ausgreifen und ihre ganze Schnelligkeit ausspielen konnten, wir aber perfekte Zielscheiben boten – und außerdem nicht die mindeste Chance gehabt hatten, uns irgendwie zu verbergen, geschweige denn die Beni Ugad abzuschütteln. Ali war es gewesen, der mit seinen scharfen Augen die Felsformation am westlichen Horizont entdeckt hatte, und er war es auch gewesen, der lange vor mir die Schlucht ausmachte, in die wir uns geflüchtet hatten. Ein Teil der Beduinen hatte auf dem felsigen Boden auch tatsächlich unsere Spur verloren. Aber leider nur ein Teil.

Der Abstand zwischen uns und den Beni Ugad war weiter zusammengeschmolzen. Das Chaos, das der überraschende Angriff in ihrem Kriegslager hervorgerufen hatte, hatte uns Zeit zur Flucht verschafft, vielleicht sogar einen winzigen Vorsprung – aber lange nicht genug, die Beduinen wirklich abzuschütteln.

Ich schätzte, dass es an die dreißig waren, die uns noch verfolgten; vielleicht ein Zehntel der ursprünglichen Meute, aber immer noch mehr als genug, uns in Sekunden in der Luft zu zerreißen, wenn sie unserer habhaft wurden. Und so, wie es aussah, gab es nicht sehr viel, was dagegen sprach …

Der Anblick verlieh mir noch einmal zusätzliche Kraft. Wie von Sinnen schlug ich meinem Kamel die Absätze in die Flanken und feuerte es mit schrillen Schreien an, und das brave Tier griff auch tatsächlich noch einmal schneller aus, obgleich es bis zum Zusammenbrechen erschöpft sein musste. Dicht neben mir jagten Ali und Letitia dahin, und für einen ganz kurzen Moment sah es beinahe so aus, als würde unser Vorsprung doch noch reichen.

Aber wirklich nur für einen Moment.

Dann erreichten wir die Biegung der schmalen Sandsteinschlucht, und all meine Hoffnungen zerplatzten wie eine Seifenblase.

Die Schlucht setzte sich noch dreißig, vielleicht vierzig Yards weit fort – und endete vor einer lotrecht emporsteigenden, mindestens hundert Fuß hohen Wand aus sandbraunem Fels!

Im ersten Augenblick war ich so schockiert, dass ich nicht einmal reagierte, als Ali warnend aufschrie, und um ein Haar in vollem Kamelgalopp gegen den Fels gerast wäre, denn mein Reittier stürmte blindlings weiter. Erst im allerletzten Moment erwachte ich aus meiner Starre, riss verzweifelt am Zaumzeug des Tieres und brachte es kurz vor der Felswand zum Halten; eine Sekunde, bevor auch Letitia und Ali mit ihren Reittieren in einer Staubwolke zum Stehen kamen. Ali fluchte ungehemmt in seiner Muttersprache, sprang mit einem federnden Satz aus dem Kamelsattel und stürmte auf die Wand los, und auch Letitia und ich folgten ihm, wenn auch weit weniger elegant.

»Hinauf!«, brüllte der junge Beduinenprinz. »Wir müssen klettern – rasch!«

Ich sah, was er meinte. Die Wand strebte zwar vollkommen lotrecht in die Höhe, war aber übersät von Vorsprüngen und Rissen, sodass es unter normalen Umständen sicher nicht einmal allzu schwer gewesen wäre, die hundert Fuß – nur gute zwanzig Yards – zu überwinden. Aber die Umstände waren nicht normal. Wir waren erschöpft bis zum Rande des Zusammenbruches, und einen halben Gewehrschuss hinter uns raste eine ganze Meute blutdürstiger Beni Ugad heran, die nichts anderes im Sinn hatten, als sich für den Tod ihres Bei zu rächen. Und auf der Wand gaben wir perfekte Zielscheiben ab!

Aber das war nur der eine Teil von mir, der diese Gedanken erwog. Der andere – und im Moment stärkere – pfiff auf Logik und Chancen und rannte, so schnell er nur konnte. Vor allem, als hinter uns das Geheul der Beduinen noch an Lautstärke zunahm und die vorderste Reihe der brüllenden Horde um die Biegung geprescht kam. Ihre Wutschreie wandelten sich zu Triumphschreien, als sie die Falle erkannten, in die wir uns freundlicherweise selbst hineinmanövriert hatten.

Ali packte Letitia unter dem Arm und gebot mir mit einer herrischen Geste, es ihm gleichzutun, während seine freie Hand und sein Fuß bereits nach Halt in der Felswand tasteten. Hinter uns rasten die Beni Ugad heran, schnell wie der Wüstenwind und ungefähr fünfzigmal so tödlich. Und ich beschloss endgültig, das einzige zu tun, was in dieser Situation noch Sinn machte – mein logisches Denken abzuschalten und zu klettern, so schnell und solange ich es noch konnte. Letitia zwischen uns, die sich noch immer in einer Art Schockzustand zu befinden schien und alles widerstandslos mit sich geschehen ließ, begannen Ali und ich uns an der Felswand emporzuhangeln.

Zumindest verzichteten die Beni Ugad darauf, uns in aller Seelenruhe von der Wand herunterzuschießen – was nicht etwa bedeutete, dass unsere Lage dadurch auch nur um einen Deut besser geworden wäre, denn sie sprangen sofort von ihren Pferden und begannen mit schrillem Geheul hinter uns herzuklettern. Und sie waren sehr viel schneller als Ali und ich, die durch Letitia mehr als nur behindert wurden.

Wir hatten kaum ein Drittel der Wand erstiegen, da spürte ich auch schon den Griff einer kräftigen Hand um mein Fußgelenk. Ein triumphierender Schrei erscholl. Mit der Kraft der Verzweiflung riss ich mich los und trat kräftig auf die Finger, die mich vor einer halben Sekunde noch gepackt hatten.

Aus dem Triumph- wurde ein Schmerzens- und gleich darauf ein Entsetzensschrei, dem ein dumpfer Aufprall folgte, und gleich darauf ein ganzer Chor wütend brüllender Stimmen, aber ich gab mich nicht eine Sekunde der Illusion hin, damit auch nur irgendetwas gewonnen zu haben.

Letitia schrie neben mir auf. Ein harter Ruck ging durch ihren Leib, und als ich nach unten sah, blickte ich direkt in das hämische Grinsen eines Beni Ugad, der sich mit beiden Armen an Letitias Beine geklammert hatte und so ganz nebenbei noch unter ihren Rock stierte. Sein Grinsen wurde etwas gequält, als Ali ihm seinen rechten Fuß hineinsetzte, und verschwand eine Sekunde später vollends – zusammen mit seinem Besitzer, der mit einem gellenden Schrei nach hinten fiel und in der Tiefe verschwand.

Trotzdem war es aussichtslos. Von den dreißig Beduinen, die uns verfolgten, kletterten mehr als zwanzig hinter uns her – und sie hatten aus dem Schicksal ihrer beiden etwas übereifrigen Kameraden gelernt! Sie versuchten jetzt nicht mehr, uns von unten zu packen und von der Wand zu zerren, sondern kletterten geschickt wie große burnustragende Affen rechts und links an uns vorbei und attackierten uns mit ihren Schwertern; nicht, um uns zu töten, sondern um uns zu zwingen, wieder hinunterzuklettern.

Hätten sie versucht, uns umzubringen, wäre es in eben dieser Sekunde um uns geschehen gewesen.

Gleich zwei der Burschen hingen neben mir und schlugen mit Fäusten und den stumpfen Seiten ihrer Krummsäbel auf mich ein, und da ich beide Hände brauchte, um Letitia und mich selbst festzuhalten, hatte ich nicht mehr sehr viel, womit ich mich zur Wehr setzen konnte. Ich versuchte zwar, nach den Kerlen zu treten, aber es blieb bei einem Versuch. Dann tauchte ein Schatten über mir auf, und ein Fuß traf mein Gesicht, als ich dämlich genug war, tatsächlich nach oben zu sehen.

Für einen Moment drohte ich das Bewusstsein zu verlieren. Die Wand schien sich unter mir zu biegen; Himmel und Erde drehten wie sich in einem tödlichen Kaleidoskop um mich, und Letitias Gewicht wollte mich in die Tiefe zerren. Mit der Kraft der Verzweiflung krallte ich mich an den heißen Fels, kämpfte die Dunkelheit in meinen Gedanken nieder und biss die Zähne zusammen, um nicht vor Schmerz aufzuschreien. Der Bursche neben mir schlug noch immer mit der Faust auf meinen Rücken ein, nicht einmal allzu fest, aber sehr ausdauernd, und sein Kumpel über mir fuchtelte drohend mit dem rechten Fuß herum.

»Gib auf, Giaur«, stöhnte Ali. Seine Stimme wehte wie von weit, weit her an mein Ohr. Mühsam drehte ich den Kopf, blinzelte das Blut weg, das mir in die Augen gelaufen war, und sah ihn an. Auch er schien sich nunmehr mit letzter Kraft an der Wand zu halten. Sein Gesicht war verquollen und voller Blut. Er versuchte zu lächeln, aber es war wohl eher eine Grimasse.

»Sie haben uns«, stöhnte er, hob den Kopf und fügte ein Wort in seiner Muttersprache hinzu, das ich zwar nicht verstand, dessen Bedeutung mir aber klar war. Und tatsächlich hörten die Beni Ugad auch auf, auf mich und ihn einzuprügeln. Statt dessen richtete sich ein ganzer Wald von Messer- und Schwertspitzen auf uns.

Der Weg nach unten war wie ein Alptraum. Ich schätze, dass wir eine gute Viertelstunde für die paar Yards brauchten, und als ich endlich wieder sicheren Boden unter den Füßen hatte, war ich so erschöpft, dass ich schlichtweg zusammenbrach. Sofort wurde ich gepackt, von rauen Händen wieder auf die Beine gezerrt und gegen den Felsen geworfen. Ein paar Schläge trafen mein Gesicht, aber ich spürte sie kaum noch.

Dann packten sie mich, bogen mir die Arme auf den Rücken und schleiften mich zurück zu dem Kamel, auf dem unsere vergebliche Flucht begonnen hatte.