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Ein Ostseepirat Band 2 – Kapitel 32

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman, Zweiter Band
XXXII. Dennoch misslungen

Ob es zu rechtfertigen ist, unter gewissen Umständen einen Menschen zu töten, ist eine Frage, die vielfach erörtert, vielfach verneint und ebenso oft bejaht worden.

So weit wir Jacobson kennengelernt haben, war er, obwohl ohne allen Zweifel sein Gewerbe ganz nahe an Seeraub und Verbrechen streifte, nicht eigentlich blutdürstig.

Er bekämpfte Schweden und im Kampf mit den Bewohnern dieses Landes musste er deren Blut vergießen, doch tat er es jedenfalls nicht aus reiner Lust zum Morden.

Übrigens wäre gewiss der Leutnant Dalström einer der Letzten gewesen, an die er seine Hand legen mochte, und wenn er es getan hätte, so geschah es lediglich, weil das unabweisliche Gebot der Notwendigkeit es so verlangte.

Denn nicht einmal zu Unterhandlungen war Zeit. Obwohl Jacobson nicht begreifen konnte, wie der Mann dahin kam, wo er ihn gefunden hatte, war ihm doch so viel klar, dass es nicht aus Zufall geschehen sein könne.

Dass er den sich ihm als Gegner und Angreifer präsentierenden Offizier getötet hatte, darüber blieb ihm kein Zweifel, denn er hatte es so gewollt, weil er unter den obwaltenden Umständen den Mann mehr als jeden anderen fürchten musste.

»Beruhigen Sie sich, meine Damen!«, sagte er nach einiger Zeit zu den bebenden Frauen, »ich bedaure aufrichtig, dass ich den Menschen töten musste, es ist die Schuld des schändlichen Verräters, konnte ich seine Absichten ahnen, würde ich meine Maßregeln anders getroffen haben.«

Die Damen antworteten nicht, der eilige Schritt benahm ihnen überdem die Luft.

»Geht zu dem Gouvernementshaus voraus!«, sagte Jacobson zu seinen Leuten. »Seht nach, ob alles sicher ist – doch was ist das?«

»Offenbar der Tritt eines Militärtrupps!«, erwiderte einer der Männer.

»Also eine Jagd auf uns!«, rief der Kapitän, »es lässt sich denken – biegen wir in diese Seitengasse.«

Man tat so und eilte auf einem Umweg weiter. Von den Soldaten war bald nichts mehr zu sehen.

»Sie werden vorläufig«, begann der Kapitän, »bei einer Dame Unterkunft finden, an die Sie sicher nicht denken. Es ist die Frau von Staelswerd, die sich unser annimmt. Sie macht gut, was ihr Herr Gemahl böse gemacht hat.«

Clara ließ einen Ausruf der Verwunderung hören.

Man kam schnell weiter, und erreichte das Gouvernementsgebäude; es war alles still in der Straße, und man betrat jenes ungefährdet. Die Baronin erwartete ihre Gäste und empfing sie im Flur. sie nötigte dieselben, schnell einzutreten, was auch geschah.

Im Zimmer bat sie Platz zu nehmen, versuchte selbst Zofendienste zu leisten und zeigte sich überhaupt sehr liebenswürdig.

»Ich bin glücklich!«, sagte sie dabei, »Sie bei mir zu sehen. Legen Sie nichts von der Schuld meines Gemahls Ihrer ergebenen Dienerin zur Last, ich habe keinen Teil daran.«

»Sie sind so überaus freundlich!«, antwortete die Mutter.

»Ihr Freund Jacobson ist auch ein wenig mein Freund«, sagte die Dame zu Clara gewendet, »und ihm diene ich gern. Doch fürchten Sie nichts, unsere Freundschaft hat durchaus keinen ernsten Charakter.«

Clara konnte nicht antworten, denn Jacobson fragte an der Tür, ob er eintreten dürfe und erhielt die Erlaubnis dazu.

»Jetzt, meine gnädige Baronin«, sagte er eilig, »Sie wissen noch nicht, dass wir verraten wurden!«

»Wirklich!«, rief die Baronin erschreckend.

»Ja! Der Mensch, den ich gewonnen hatte, hat meine Vermutungen gerechtfertigt, und in Folge seines Verrats sind wahrscheinlich, er selbst auch, zwei Menschenleben draufgegangen, es wird also Lärm werden und das bald.«

»Ganz unzweifelhaft!«

»Ich muss also fort, einmal meiner Sicherheit wegen und dann, um die Verfolger von der Spur der Damen abzulenken; ich muss Ihnen dieselben sowie deren Fortschaffung überlassen.

»Ich werde tun, was sich tun lässt!«

»Ich bin davon überzeugt, meine Damen. Hoffentlich sehen Sie recht bald den Herrn von der Grieben wieder, ich hoffe übermorgen, melden Sie ihm von mir viel Grüße.« Jacobson verbeugte sich, und Mutter wie Töchter eilten auf ihn zu, ihm ihre Hände reichend, die er küsste.

»Vergessen Sie nicht übermorgen, gnädige Frau Baronin!«

»Gewiss nicht!” antwortete diese und mit einer neuen Verbeugung verabschiedete sich der Capitain, um auch sogleich das Haus zu verlassen.

Draußen angekommen, sah er sich vergeblich nach seinen beiden Begleitern um; er ließ in der Meinung, dass sie sich verborgen hätten, einen leisen Pfiff als Signal ertönen. Derselbe wurde sofort beantwortet und Jacobson wendete sich zu der Richtung hin, von wo jener Pfiff gekommen war.

Er erreichte sehr bald eine Wandnische, in der er zwei menschliche Gestalten bemerkte; unvorsichtigerweise trat er zu ihnen und fühlte sich im nächsten Moment ergriffen und trotz seiner Gegenwehr zu Boden geworfen. Ein neuer Pfiff tönte durch die Straße, die sich sofort belebte; mindestens zwanzig Gestalten zeigten sich und umringten den Gefangenen, noch zwei andere mit sich schleppend.

Jacobson hatte seine Rechnung für den heutigen Abend in der Übereilung, ohne die stets sehr gute Stadtwache, gemacht; ein Mitglied derselben hatte die Gruppe, welche er, seine Leute und die Damen bildeten, gesehen und verdächtig gefunden. Er hatte Gefolgsleute benachrichtigt und folgte. Der gefasste Verdacht dieser Leute wurde bald verstärkt und zur Verhaftung der beiden Begleiter geschritten, endlich auch Jacobson ergriffen. Als dieser auf die Frage, wer er sei, nicht antwortete, wurden alle drei zum Rathaus gebracht. Ein Teil der Scharwache und deren Führer blieb vor dem Haus, um weiter zu beobachten.