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Kriminalakte 15 – Wenn der Gaskassierer kommt

Wenn der Gaskassierer kommt

Harald Sassak wurde am 28. Juni 1947 in der burgenländischen Bezirkshauptstadt Oberwart als Sohn eines Maurers und einer Kellnerin geboren. Er erlernte den Beruf eines Installateurs und arbeitete nach seinem Grundwehrdienst beim österreichischen Bundesheer von 1966 bis 1969 im Krankenhaus Lainz als Hilfspfleger. Da er nach einer Gelbsuchterkrankung seinem Arbeitgeber keine weiteren ärztlichen Atteste einreichte und auch nicht zur Arbeit erschien, wurde er schließlich entlassen. Er fand anschließend wieder Arbeit als Zuckerbäcker, gab diese Stelle jedoch schnell wieder auf, nachdem ihm ein Zufall aufgezeigt hatte, wie man schnell an Geld kommen konnte, ohne dafür arbeiten zu müssen.

Es muss so um 1970 gewesen sein, als Harald Sassak, der, wie man im Volksmund sagt, die Arbeit nicht gerade erfunden hatte, durch glückliche Umstände vor Augen geführt bekam, wie man relativ einfach relativ schnell an Geld kam. Da er als umgänglicher, freundlicher und hilfsbereiter Mensch galt – in der Schule erhielt er in Betragen stets ein Sehr Gut, Freunde, Verwandte und Vorgesetzte wussten nur Gutes von ihm zu berichten und auch vom Bundesheer wurden keine militärischen Ahndungen gemeldet –, sprach ihn eines Tages eine ältere Frau aus der Nachbarschaft an und bat ihn um Hilfe.

Ihr Gasgerät sei kaputt, sagte sie, sie könne weder kochen noch heizen, ob er ihr helfen könnte?

Sassak, gelernter Installateur, ging zu ihr und fand den Fehler aufgrund seiner Kenntnisse ziemlich schnell heraus. Die Frau war vor Freude außer sich, ging in einen Nebenraum, wo sie immer einen größeren Geldbetrag für Notfälle aufbewahrte, und gab Sassak ein fürstliches Trinkgeld.

Dies war der Moment, in dem im Kopf des Mannes ein teuflischer Plan heranreifte.

Die Idee vom sogenannten Gas-Trick wurde geboren und potenzielle Opfer, sprich alleinstehende ältere Menschen, gab es in Wien zur Genüge. Eine passende Uniform und ein gefälschter Ausweis waren schnell beschafft und über Fachkenntnisse verfügte er durch seinen erlernten Beruf sowieso. Als Hilfe sicherte er sich die Dienste des Kleinkriminellen Johann Scharaditsch, den er in einer Wiener Likörstube kennengelernt hatte.

Schon kurz darauf wurden die Wiener Bezirke von einer bisher nie dagewesenen Welle an Morden und Raubüberfällen erfasst, deren Opfer ausschließlich ältere, alleinstehende Personen waren.

Vom 31. August 1970 bis einschließlich 12. Februar 1972 verübte Harald Sassak sieben Raubmorde und neun Raubüberfälle, bei denen ihm in vier Fällen Johann Scharaditsch als Handlanger diente.

 

*

 

»Die Gas ist da!«

Mit diesen Worten erschleicht sich ein junger Mann in den Wiener Bezirken zwischen 1970 und 1972 das Vertrauen älterer Menschen und den Zutritt zu ihrer Wohnung. Da gerade dieser Personenkreis noch einen gewissen Respekt vor der Obrigkeit hatte, erstickte der Mann, der niemand anderes als Sassak war, mit seinem Auftreten und seiner Erscheinung jegliche Zweifel im Keim. Selbstverständlich öffnete man die Tür, wenn jemand von den Stadtwerken davor stand, und dass dieser Mann einer ihrer Angestellten war, stand außer Frage. Die Uniform, der Dienstausweis und die große Sachkenntnis beim Überprüfen der Gasanlage ließen jegliches Misstrauen schwinden.

Erst recht, nachdem der Mann auch noch Ratschläge und Kniffe zum Besten gab, wie man in Zukunft bei der Gasrechnung sparen konnte. Da bezahlte man doch gerne die Gebühr für die angeblich jedes Jahr anfallende Prüfung der Gasanlage, auch wenn sie jetzt etwas unverhofft kam. Denn genau das war Sassaks Masche.

Er wusste, dass die »oide Leit« in der Wohnung kaum größere Beträge in der Geldbörse mit sich herumtrugen, sondern diese meist im Schlafzimmer zwischen der Wäsche oder im Wohnzimmer in einer Keksdose oder anderswo versteckt hatten. Sobald er wusste, wo sich diese Geldverstecke befanden, lenkte er seine Opfer ab, indem er zum Beispiel um ein Glas Wasser bat oder nach der Toilette fragte, um sich danach schnell aus dem Staub zu machen.

Wurde er aber beim Diebstahl des Geldes ertappt, schlug er sie alten Leute brutal zusammen und flüchtete dann.

Die Polizei tat sich lange schwer.

Bis auf einen einzigen Fingerabdruck, der jedoch keiner Person aus den Kriminalakten der Polizei zugeordnet werden konnte, gab es nur vage Täterbeschreibungen der überlebenden Opfer. Der Mann sei nett, dunkelhaarig und etwas mollig gewesen, ein Aussehen, das auf mindestens zehntausend Wiener zutraf.

Die Suche nach dem Täter wurde erst konkreter, als die Nachbarin eines der Opfer, eine Grafikerin, aufgrund ihres Berufes zusammen mit dem Zeichner des Sicherheitsbüros ein fast passbildgetreues Phantombild erstellte, das in allen Medien veröffentlicht wurde. Es dauerte dann auch nicht lange, bis der entscheidende Anruf bei der Polizei einging.

Ein Kellner des bekannten Hotels Reiser erkannte ihn aufgrund des Phantombilds als Harald Sassak. Als die Polizei erschien, führte sie der Kellner zu einem Mann, der gerade im Hotelrestaurant an einem der Tische saß und ein Glas Wein trank. Noch im Hotel wurde Sassak von einem seiner Opfer, das von der Polizei benachrichtigt wurde, identifiziert. Sassak gestand noch auf dem Weg ins Polizeipräsidium seine Taten.

 

*

 

Am 22. Januar 1974 begann der Prozess gegen Harald Sassak, wobei die Verlesung der Anklageschrift allein über eine Stunde in Anspruch nahm. Sassak gestand zwar seine Verbrechen, behauptete jedoch, nie in Tötungsabsicht gehandelt zu haben. Eine Aussage, welche von der Gerichtsmedizin klar widerlegt wurde. Bei dem 79jährigen Richard Langer, übrigens dem einzigen männlichen Opfer, wurden 20 Rippenbrüche, ein zertrümmerter Kehlkopf und Dutzende von Riss- und Quetschwunden festgestellt. Die 86-jährige Josefa Fierlinger starb ebenfalls an den Folgen massiver Gewaltanwendung. Die 69 Jahre alte Aloisia Meschnark verstarb durch Gewalteinwirkung 17 Tage nach ihrer Einlieferung im Krankenhaus an Nierenversagen, die 66-jährige Rosa Schwarz nach sieben Tagen an Gehirnerweichung, die 86-jährige Maria Aberle und die 85 Jahre alte Eleonore Hauer nach zehn bzw. 38 Tagen in Zusammenhang mit Gewaltanwendung durch eine Lungenentzündung. Nur bei Gabriela Hammer, einer der Toten, die 54 Tage, nachdem sie von Sassak überfallen worden war, verstarb, konnte kein Hinweis auf Gewalt mehr nachgewiesen werden. Zudem wurde festgestellt, dass Sassak eines seiner Opfer, eine 83-jährige Frau nicht nur beraubt, sondern auch vergewaltigt hatte.

Am 7. Februar 1974 wurde Harald Sassak aufgrund dieser ihm nachgewiesenen Morde sowie einer Vergewaltigung und räuberischen Diebstahls und schwerem Raub in neun weiteren Fällen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Johann Scharaditsch, sein Komplize, wurde wegen Diebstahl und Raub in zwei Fällen und wegen Beihilfe und räuberischen Diebstahls in weiteren Fällen zu 18 Jahren Haft verurteilt.

Harald Sassak ging als Serienmörder unter dem Namen Gaskassierer in die österreichische Kriminalgeschichte ein. Er war der am längsten in Österreich inhaftierte Verurteilte.

Kurz nachdem er nach mehr als 39-jähriger Haft aus dem Gefängnis entlassen wurde, starb er am 21. August 2013 nach längerer Krankheit in einem Pflegeheim im niederösterreichischen Weitra.

Quellenhinweise: