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Der Welt-Detektiv Band 6

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Carrier, der Erzteufel – Teil 9

Carrier, der Erzteufel, in eine Menschenhaut eingenäht, der in wenigen Monaten in der französischen Stadt Nantes mehr als fünfzehntausend Menschen von jedem Alter und Geschlecht erwürgen, ersäufen, erschießen, martern und guillotinieren ließ, ein blutdürstiges Ungeheuer und höllischer Mordbrenner
Zur Warnung vor blutigen Revolutionen
Von Dr. F. W. Pikant (Friedrich Wilhelm Bruckbräu)
Verlag der J. Lutzenbergerschen Buchhandlung, Altötting, 1860

Geheime Liebe

Im ehemaligen Kloster zu Nantes, seit längerer Zeit der Sitz des grausamen republikanischen Tribunals, saß der Kerkermeister Sarot in einer Stube, die eine Mitteltür und auf jeder Seite ein Fenster hatte, an einen Tisch in der Nähe des Fensters und las in einem Verzeichnis. Der Sergeant Bernet, in Uniform, stand am anderen, halb geöffneten Fenster und schnitt mit einem Feuerstein einen Namen in eine Fensterscheibe.

»Ein hübsches Sümmchen!«, sagte Sarot. »397 Gefangene! Ei, ei! Mein Magazin dürfte schon halb wieder ausgefegt werden, weil ich sonst die täglichen Zufuhren nicht mehr unterbringen kann. Wahrhaftig, die Gefangenen hier sehen es gar nicht ein, wie gut sie es haben im Vergleich mit früheren Zeiten. Damals mussten die armen Teufel jahrelang schmachten, jetzt oft kaum so viele Tage. Unser Revolutionstribunal, hier in Nantes, achtet auch weit mehr die Freiheit und Gleichheit bei den Gefangenen als das Revolutionstribunal in Paris. Bei uns hat jeder Gefangene die Freiheit, zu wählen, ob er guillotiniert oder in den Steinbrüchen von Gigan erschossen werden will. Das dies ohne Unterschied des Standes geschieht, so herrscht auch völlige Gleichheit. Nicht wahr, Bernet?«

In diesem Augenblick trat Fernant, Bote des Tribunals, mit einem Schreiben in der Hand hastig ein.

»Guten Morgen, Bürger Sarot!«, grüßte er.

»Ah! Guten Morgen, Bürger Fernant! Schon so früh? Es ist erst sechs Uhr morgens. Was bringst du mir Neues?«

»Ich weiß es nicht. Vermutlich steht es in diesem Schreiben des Tribunals, dass ich dir schleunigst zu überbringen beauftragt bin.«

Sarot nahm das Schreiben, brach es auf und las laut:

Sämtliche Gefangene in der ehemaligen Klosterkirche, je 50 bis 60 zusammengebunden, sind auf den beiden Seiten der Straße, 100 Schritte vor der Loire-Brücke, aufzustellen, um von dem großen Republikaner, Bürger Carrier, gemustert zu werden, dessen Ankunft bis zur Mittagsstunde erwartet wird.

Nantes, den 8. Oktober 1793
Fouquet, Tribunalpräsident

»Nun, da bekommen wir beide genug zu tun«, sagte Fernant. »Ich gehe.«

»Auf Wiedersehen, Fernant, wenn ich selbst bei der Musterung nicht ausgemustert werde! Der Bürger Carrier soll verflucht streng sein.«

»Jetzt begreife ich«, erwiderte verneint im Fortgehen, »warum die Mitglieder des Tribunals, die immer ihre Nasen so hoch tragen, seit der Ankunft eines Kuriers vor zwei Stunden so kleinlaut geworden sind.«

»Was sagst du zu dieser Nachricht, Bernet?«, fragte Sarot. »Keine Antwort! Nun, beim Teufel, hörst du mich nicht, Bernet?«

Wieder keine Antwort!

Er stand auf, schlich sich hinter Bernet und schaute über die linke Schulter desselben seinem Treiben zu. Plötzlich brach er in ein lautes Gelächter aus.

Damit wendete sich überrascht um und stellte sich mit dem Rücken gegen die verräterische Fensterscheibe.

»Was soll ich tun, Vater Sarot?«

»Da haben wir es«, rief Sarot. »Du bist verliebt, armer Bernet, und deshalb hast du meine Worte nicht gehört.«

Er fasste Bernet bei den Schultern und schob ihn sachte beiseite.

»Richtig! Eugenie heißt die Auserwählte. Du musst von Sinnen sein, nimm es mir nicht übel, lieber Bernet da du in dieser wilden Zeit mit Gedanken an das Weibervolk dich plagen magst. Weiß doch keiner, der heute seine Herzallerliebste küsst, ob er oder sie morgen noch einen Kopf zwischen den Schultern tragen werde!«

»Erinnere dich, Vater Sarot, dass meine Mutter Eugenie hieß; leider sah ich sie seit meinem vierten Jahr nicht mehr. Ich bin ein armer Findling, den du aus Barmherzigkeit aufgenommen und großgezogen hast. Gönne mir also das harmlose Vergnügen, mich meiner Mutter in Liebe zu erinnern!«

»Sag ja keinem sogenannten guten Republikaner, dass du einer Aristokraten, für die ich deine Mutter halte, in Liebe gedenkst, obwohl sie deine Mutter ist. Nach dem Gesetz müsstest du selbst dem Revolutionstribunal ihren Aufenthalt anzeigen, wenn er dir bekannt wäre.«

»Ein grausames, unnatürliches Gesetz!«, erwiderte Bernet entrüstet.