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Der Welt-Detektiv Band 6

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Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg 3

Die wilde Jagd

Eine Sage, welche noch vor allen aus der alten Heidenzeit herstammt, ist die vom wilden Jäger. Besonders knüpft sie sich an waldreiche Gegend. Unter Brausen zieht da die gespenstige Erscheinung meist des Nachts durch die Luft. Man hört lärmende Stimmen und zwischendurch das Giff Gaff der Hunde. Es ist ein Gejuche, heißt es, dass einem die Haare zu Berge stehen. Dabei fliegt den Hunden Feuer aus Maul und Nase und der wilde Jäger selbst erscheint oft ohne Kopf, bald zu Fuß, bald zu Pferde. Gewöhnlich sagt man kurzweg der wilde Jäger oder die wilde Jagd, doch hat man in einzelnen Gegenden dafür noch besondere Namen. So lässt man zum Beispiel bei Prenden im Barnimer Kreis den alten Sparr, den bekannten General aus der Zeit des Großen Kurfürsten, welcher dort in der Gegend ansässig war, mit der wilden Jagd ziehen, gerade wie in dem westlichen Teil der Uckermark den alten Schlippenbach.

Überall weiß man noch viel davon zu erzählen. Ganz in der Nähe von Berlin, in der Jungfernheide, hatte sie ein Knecht noch vor 10 oder 15 Jahren einmal gehört, der draußen beim Vieh war. Es war eine stille Nacht, kein Wind. Da kam es an, als ob 20 Wagen rollten, erst so an der Erde, dann hoch in die Luft. Dazwischen tönte das Gegiff und Gegaff der Hunde und dann rief eine Stimme: »Hier her!« Und eine andere: »Immer drauf!« Es war entsetzlich anzuhören. Das Vieh wurde auch so ängstlich und drängte sich in einen Haufen zusammen. Als es vorbeigezogen war, wurde alles wieder still, als wäre nichts gewesen.

Ebenso trieb einmal ein Junge bei Jänickendorf unweit Luckenwalde sein Vieh in der Nähe des Rennebergs. Da hörte er plötzlich über sich eine wunderschöne Musik, dazwischen aber ein gewaltiges Heulen und Bellen der Hunde und den Ruf der Jäger. Da hatte er sich still zur Erde geduckt, und die wilde Jagd war über ihn fort gezogen, ohne ihm etwas zu Leide zu tun.

Nicht so gut war eine Frau im Blumenthal nordöstlich von Straußberg davongekommen. Wie es denn überhaupt im Blumenthal eine verzauberte Geschichte ist, schon mit der dort untergegangenen Stadt, so hörte auch einmal eine Frau, als sie mit anderen eines Sommerabends vom Beerensuchen heimkam, von fern ein lautes Hoho, Peitschenknall und Hundegebell. Da ihr nun ein so arger Lärm im Wald noch nie vorgekommen war, fragte sie die Übrigen, was das wäre, und erfuhr, dass es die wilde Jagd sei, wurde aber zugleich gewarnt, nicht näher heranzugehen. Sie aber war neugierig und wollte doch den Zug, von dem sie schon so viel hatte erzählen hören, gern sehen. Als sie nun wenige Schritte vorgegangen war, wurde der Lärm immer gewaltiger, und indem sie sich umblickte, sah sie das Pferd des wilden Jägers dicht an ihrer Schulter. In demselben Augenblick war sie aber auch schon zu Boden gerannt und der Topf mit all den schönen Beeren lag zerbrochen auf der Erde.

Schlimmer freilich war es noch einem bei Templin ergangen, der einmal der wilden Jagd begegnete. An einem Silvesterabend hatte nämlich ein Spielmann in einem Dorf bei Templin zum Tanz aufgespielt und ging um Mitternacht nach Hause. Wie er aber in den Wald kam, da hörte er die wilde Jagd daherbrausen. Weil er ein furchtsamer Geselle war, versteckte er sich hinter einem Eichstamm. Das half ihm aber nichts, denn die wilde Jagd zog an der Erde hin, kam immer näher und näher, und im Nu stürzte einer der Jäger auf den Baum los und rief: »Hier will ich mein Beil hineinhauen.« In demselben Augenblick bekam der Spielmann einen gewaltigen Schlag auf den Rücken und fühlte auch eine große Last auf demselben, sodass er eilig und in Angst davonlief. Erst in seinem Haus machte er Halt und wurde nun zu seinem Schrecken inne, dass er einen großen Buckel bekommen hatte. Da war er sehr betrübt. Am anderen Morgen lief die ganze Nachbarschaft zusammen, um das Wunder zu sehen. Zuletzt kam auch einer, der riet ihm, er solle übers Jahr um dieselbe Stunde sich wieder hinter demselben Eichbaum stellen, da werde ihm geholfen sein. Das tat denn auch der Spielmann. Als es nun gegen Mitternacht ging, da kam auch wieder die wilde Jagd, und derselbe Jäger, wie damals, stürzte auf den Eichbaum zu und rief: »Hier habe ich vor einem Jahr mein Beil hineingehauen, hier will ich es auch wieder herausziehen«. Und im selbigen Augenblick gab es im Rücken des Spielmanns einen gewaltigen Ruck und fort war der Buckel.

Namentlich aber darf man nicht in das Hallo der wilden Jagd einstimmen oder ihr nachrufen, sonst wirft es eine Pferdekeule mit dem Ruf herab:

Hast du mit helfen jagen,
musst du auch mit helfen knagen.

Die kann man dann nicht wieder loswerden, die ist einem auf dem Rücken festgebannt oder riecht so übel, dass sie das ganze Haus mit Modergeruch erfüllt. Manchmal hat es auch gar eine Menschenlende heruntergeworfen, wie es einem bei Prenden begegnet ist, wo, wie schon oben erwähnt, der alte Sparr mit der wilden Jagd zieht. Als da ein Bauer in das Hallo mit einstimmte, kam eine Menschenlende herunter und, ehe er sich es versah, saß sie ihm auf dem Rücken und eine Stimme rief:

Hast da helfen jagen,
sollst du auch helfen tragen.

Selbst wenn man unter Dach und Fach ist, kann die wilde Jagd einem etwas antun. Das erfuhr einmal ein Herr von Arnstädt in Groß Kreutz bei Brandenburg. Der lag eines Abends bereits im Bett, als er die wilde Jagd daherbrausen hörte. Nun war er ein sehr lustiger und übermütiger Herr und rief darum hinaus »Halb Part«, schlief darauf ein und erwachte erst früh am Morgen. Aber wie war er verwundert, als er die Augen ausschlug! Dicht vor seinem Fenster hing an einem gewaltigen Haken eine große Pferdekeule. Von solcher Jagdbeute hatte er nun nicht der Halbpartner sein mögen. Darum ließ er sie fortbringen, aber kaum war es geschehen, hing sie auch schon wieder da. Das kam ihm doch gar wunderbar vor und er dachte, vielleicht liegt es am Hacken, und ließ den, obwohl es große Mühe kostete, herausziehen, doch mit dem ging es ebenso. Er war nur eben heraus und man hatte den Rücken gewandt, so saß er schon wieder so fest darin, wie zuvor, und die Pferdekeule hing auch wieder da, und so mag sie wohl auch heute noch dort hängen.

Ähnlich erging es auch einem Bauer aus Schönermark in der Uckermark. Als der einmal des Abends von Schapow zurückkam und beim sogenannten Weinberg vorbeifuhr, da sah er den alten Schlippenbach, der dort, wie oben erwähnt, mit der wilden Jagd ziehen sollte, mit allen seinen Jägern und vielen fremden Herrn an großen Tischen sitzen. Auf den Tischen standen Braten und allerhand Gebäck in Hülle und Fülle, und da wurde gegessen und getrunken nach Herzenslust, auch Karten wurden gespielt. Der alte Schlippenbach hatte sie gerade in der Hand und gab jedem der Reihe nach. Wie das der Bauer sah, sagte er: »Spielt’s gut, meine Herren?« Da blickte der alte Schlippenbach auf, sah den Bauer an, ergriff eine Schüttgabel und reichte ihm eine Ochsenkeule hin, indem er sagte: »Hast du mithelfen spielen, musst du auch mithelfen essen.« Der Bauer aber fiel vor Schreck rücklings über in den Wagen und war fast halbtot, als die Pferde mit ihm in Schönermark ankamen. Erst allmählich kam er wieder zu sich und konnte erzählen, was ihm passiert war.

Es ist kein gewöhnliches Wild, was der wilde Jäger jagt, sondern auch eine solche gespenstige Geschichte, ein eben solches Gespenst. Das hat unter anderen einmal ein Pferdeknecht in Priort im Havelland erfahren. Der war gerade des Nachts in der Koppel und die lag an einem Kreuzweg, da kam eilig eine Frau dahergelaufen, die bat ihn, er möge sie doch über den Weg bringen, denn einen Kreuzweg können Geister nicht so leicht passieren. Anfänglich wollte er es nicht, aber da sie ihn so flehentlich bat, tat er es doch zuletzt. Als sie nun hinüber war, da lief sie so eilig fort, wie sie nur immer vermochte, und wurde wunderbarerweise immer kleiner und kleiner, bis sie zuletzt nur noch auf den Knien lief. Gleich danach kam aber der wilde Jäger mit feinen Hunden daher und verlangte von dem Hirten auch über den Kreuzweg gebracht zu werden, denn er jage nun schon seit sieben Jahren nach jener Frau. Wenn er sie aber in dieser Nacht nicht bekäme, so sei sie erlöst. Da brachte ihn denn der Hirt samt seinen Hunden hinüber. Es dauerte auch nicht lange, so kam der wilde Jäger wieder zurück und hatte die Frau quer vor sich auf dem Pferd liegen. Ähnliches erzählt man an verschiedenen Orten, so soll es unter anderem einem Bauer passiert sein, dem hatte der wilde Jäger dann als Dank dafür, dass er ihn über den Kreuzweg gebracht hatte, ein Stück von einer Pferdekeule abgeschnitten und auf den Wagen geworfen. Davon solle er sich morgen eine Suppe kochen. Als der Bauer aber nach Hause kam und es seiner Frau geben wollte, wie erstaunte er, als es ein Klumpen Goldes war.

Der wilde Jäger soll aber verwünscht sein, ewig zu jagen, weil er so von Jagdlust besessen war, wie die einen sagen, dass er erklärte, wenn er immer jagen könne, so wolle er Gott seinen Himmel wohl lassen. Andere sagen, er hätte am Weihnachtstag oder am Karfreitag oder an einem Sonntag während der Kirche gesagt und sich verschworen, er müsse an dem Tag einen Hasen haben und sollte er ewig jagen! Wegen dieses Frevels jagt er nun noch immer.