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Adventskalender 2021 – 16. Türchen

Der verwünschte Esel
Aus: Deutsche Märchen von Karl Simrock, Stuttgart, 1864

Es war einmal ein junger Taugenichts, der steckte aller Teufeleien voll und hatte sein Leben nichts getan als was Gott und alle Rechtschaffenen verdross. Zuletzt durfte er sich unter den ehrlichen Leuten nicht mehr sehen lassen und nahm sich vor, unter die Spitzbuben zu gehen.

Da lief er in den Wald zu einer Räuberbande und sagte, er hätte auch ihre Profession gelernt, sie sollten ihn unter sich aufnehmen. Sie sagten Ja, er müsste aber erst sein Probestück machen.

Da kam just ein Bauer durch das Holz, der zog einen Esel hinter sich her.

Da sagten die Räuber: »Geh hin und nimm dem Bauer den Esel weg, dass er nichts davon merkt.

Er ging leise hinter dem Bauer her und streifte dem Esel den Halfterzaum vom Kopf, tat ihn sich selber um und ließ den Esel ins Holz laufen, wo ihn die Räuber fingen.

Merkte denn der Bauer nichts? Bewahre. Der Bauer schritt immer zu durch das Holz und der Dieb an dem Strang hinter ihm her.

Als er es aber müde wurde, blieb er stehen und sagte: »Ach, lieber Herr, schenkt mir die Freiheit!«

Der Bauer sah sich um und erschrak gewaltig, als er sah, dass er einen Menschen am Baum hatte. »Herrje«, rief er, »ich meinte, du wärst ein Esel. Wie kommt es, dass du auf einmal ein Mensch bist?«

»Ach Herr, als ich ein kleiner Junge war, hab ich kein Gut getan und hab immer Karten gespielt. Da hat mich meine Mutter auf sieben Jahre in einen Esel verwünscht. Schenkt mir doch die Freiheit!«

Darauf sagte der Bauer: »Was soll ich mit dir machen? Ich kann dich doch nicht mehr für einen Esel brauchen«, und ließ ihn gehen.

Da kam er zu den anderen Spitzbuben und fragte, ob er sein Probestück gut gemacht hätte. Sie sagten Ja; er müsste aber morgen auf den Markt, den Esel zu verkaufen. Der Bauer aber ging nach Hause und sagte zu seiner Frau: »Denk an, unser Esel ist unterwegs zu einem Menschen geworden, denn seine Zeit war um.«

»Habe ich es dir nicht immer gesagt«, versetzte die Frau, »unser Esel wär ein kluges Tier und hätte mehr Verstand als mancher Mensch. Nun musst du morgen auf den Markt einen neuen zu gelten. Aber nimm dich in Acht, dass es dir nicht wieder so geht.«

Am anderen Morgen ging also der Bauer auf den Markt, einen neuen Esel zu kaufen. Wie er dahin kam, standen da viele Esel in einer Reihe, und wie er recht zusah, war auch sein alter Esel darunter. Der Bauer fing an zu schmunzeln und dachte bei sich: Mit dem wird heute wieder einer betrogen. Da wies er mit Fingern auf ihn und sagte: »Wer den kennt, der kauft ihn nicht. Mehr will ich nicht sagen.«

Damit gab er dem Esel eins über den Rücken und raunte ihm ins Ohr: » Sag, hast du wieder Karten gespielt? Mich sollst du nicht wieder anführen.«