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Der Fluch von Capistrano – Kapitel 35

Johnston McCulley
Der Fluch von Capistrano
New York. Frank A. Munsey Company. 1919
Ursprünglich in fünf Teilen in der All-Story Weekly ab der Ausgabe vom 9. August 1919 als Serie veröffentlicht.

Kapitel 35

Erneutes Aufeinanderprallen der Klingen

Zorro stand wie eine Statue in der Hütte eines Dorfbewohners, eine Hand streichelte die Mähne seines Pferdes. Der Bauer hockte an seiner Seite.

Die Straße hinunter ertönte das Trommeln der Pferdehufe. Dann fegte die Verfolgung vorbei, die Männer riefen einander zu, verfluchten die Dunkelheit und eilten das Tal hinunter.

Zorro öffnete die Tür und warf einen Blick hinaus, lauschte einen Moment und führte dann sein Pferd hinaus. Er bot dem Eingeborenen eine Münze an.

»Nicht von Ihnen, Señor«, sagte dieser.

»Nimm sie. Du brauchst sie dringender als ich«, sagte der Wegelagerer.

Er schwang sich in den Sattel und lenkte sein Pferd den steilen Hang des Hügels hinter der Hütte hinauf. Das Tier machte kaum Geräusche, als es den Gipfel erklomm. Zorro stieg in die Senke auf der anderen Seite hinab und erreichte einen schmalen Pfad, auf dem er im langsamen Galopp ritt, wobei er sein Pferd ab und zu anhielt, um auf Geräusche anderer Reiter zu lauschen, die in der Nähe sein könnten.

Er ritt in Richtung Reina de Los Angeles, aber er schien es nicht eilig zu haben, das Pueblo zu erreichen. Zorro hatte für diese Nacht noch ein weiteres Abenteuer geplant, das zu einer bestimmten Zeit und unter bestimmten Bedingungen stattfinden musste.

Zwei Stunden später erreichte er den Kamm des Hügels oberhalb der Stadt. Er saß einige Zeit ruhig im Sattel und betrachtete die Umgebung. Das Mondlicht war nur noch spärlich, aber ab und zu konnte er den Platz erkennen.

Er sah keine Kavalleristen, hörte nichts von ihnen und kam zu dem Schluss, dass sie zurückgeritten waren, um ihn zu verfolgen, und dass diejenigen, die Don Carlos und der Dona Catalina nachgeschickt worden waren, noch nicht zurückgekehrt sein mussten. In der Taverne brannten Lichter, ebenso im Presidio und im Haus, in dem Seine Exzellenz zu Gast war.

Zorro wartete, bis es dunkel war, und trieb dann sein Pferd langsam vorwärts, aber abseits der Hauptstraße. Er umrundete das Pueblo und näherte sich allmählich dem Presidio von hinten.

Er stieg nun ab und führte sein Pferd langsam vorwärts, wobei er oft anhielt, um zu lauschen, denn dies war eine sehr heikle Angelegenheit, die bei einem Fehler in einer Katastrophe enden konnte.

Er hielt das Pferd hinter dem Presidio an, wo die Wand des Gebäudes einen Schatten werfen würde, wenn der Mond wieder hinter den Wolken hervorkäme, und ging vorsichtig weiter, indem er der Wand folgte, wie er es in der anderen Nacht getan hatte.

Als er an das Fenster des Büros kam, spähte er hinein. Capitano Ramón war dort allein und sah sich einige Berichte an, die auf dem Tisch vor ihm ausgebreitet waren, und wartete offensichtlich auf die Rückkehr seiner Männer.

Zorro schlich bis zur Ecke des Gebäudes und stellte fest, dass es keine Wache gab. Er hatte vermutet und gehofft, dass der Comandante jeden verfügbaren Mann auf die Jagd geschickt hatte, aber er wusste, dass er schnell handeln musste, denn einige der Soldaten könnten zurückkehren.

Er schlüpfte durch die Tür, durchquerte den großen Aufenthaltsraum und gelangte so an die Tür des Büros. Er hielt seine Pistole in der Hand, und hätte jemand hinter die Maske sehen können, könnte er bemerkt haben, dass Zorros Lippen zu einer dünnen, geraden Linie der Entschlossenheit zusammengepresst waren.

Wie an jenem Abend wirbelte Capitano Ramón auf seinem Stuhl herum, als er hörte, wie sich die Tür hinter ihm öffnete. Erneut sah er die Augen von Zorro durch seine Maske hindurch funkeln, sah die Mündung der Pistole, die ihn bedrohte.

»Nicht eine Bewegung. Keinen Ton. Es würde mir eine Freude sein, Euren Körper mit heißem Blei zu füllen«, sagte Zorro. »Ihr seid allein – Eure albernen Kavalleristen jagen mich, wo ich nicht bin.«

»Bei den Heiligen …«, hauchte Hauptmann Ramón.

»Nicht mehr als ein Flüstern, Señor, wenn Ihr leben wollt. Kehrt mir den Rücken zu.«

»Ihr wollt mich ermorden?«

»So einer bin ich nicht, Comandante. Und ich sagte, Ihr sollt keinen Laut von Euch geben. Legt Eure Hände auf den Rücken, denn ich werde Euch die Handgelenke fesseln.«

Capitano Ramón gehorchte. Zorro trat schnell vor und fesselte die Handgelenke mit seiner eigenen Schärpe, die er sich von der Hüfte riss. Dann wirbelte er Ramón herum, sodass er ihm gegenüberstand.

»Wo ist Seine Exzellenz?«, fragte er.

»Im Haus von Don Juan Estados.«

»Das wusste ich, aber ich wollte sehen, ob Ihr es vorzieht, heute Abend die Wahrheit zu sagen. Es ist gut, wenn Ihr das tut. Wir werden den Gouverneur aufsuchen.«

»Aufsuchen …«

»Zu Seiner Exzellenz, sagte ich. Und sprecht nicht weiter. Folgt mir.«

Er packte Capitano Ramón am Arm und eilte mit ihm aus dem Büro, durch den Aufenthaltsraum und zur Tür hinaus. Er führte ihn um das Gebäude herum, wo das Pferd wartete.

»Aufsteigen!«, befahl er. »Ich werde hinter Euch sitzen, mit der Mündung dieser Pistole an Eurem Schädel. Macht keinen Fehler, Comandante, es sei denn, Ihr seid des Lebens überdrüssig. Ich bin heute Nacht ein entschlossener Mann.«

Capitano Ramón hatte es bemerkt. Er stieg auf, wie ihm befohlen wurde, und der Wegelagerer stieg hinter ihm auf, hielt die Zügel in der einen und die Pistole in der anderen Hand.

Ramón spürte den kalten Stahl an seinem Hinterkopf.

Zorro lenkte sein Pferd mit den Knien und nicht mit den Zügeln. Er trieb das Tier den Hang hinunter und umrundete die Stadt noch einmal, wobei er sich von den ausgetretenen Pfaden fernhielt, und näherte sich so der Rückseite des Hauses, in dem Seine Exzellenz zu Gast war.

Hier lag der schwierige Teil des Abenteuers. Er wollte Capitano Ramón vor den Gouverneur bringen, um mit beiden zu sprechen, und zwar ohne dass sich jemand einmischte. Er zwang den Comandante abzusteigen und führte ihn zur Rückwand des Hauses. Dort gab es einen Innenhof, den sie betraten.

Es schien, dass Zorro das Innere des Hauses gut kannte. Er betrat es durch ein Dienstbotenzimmer, nahm Capitano Ramón mit sich und ging in eine Art Diele, ohne die schlafende Bewohner zu wecken. Sie gingen langsam den Flur entlang. Aus einem Zimmer ertönten Schnarchgeräusche. Unter der Tür eines anderen Raumes drang Licht hervor.

Zorro blieb vor dieser Tür stehen und richtete einen Blick auf einen Spalt an der Seite. Falls Ramón daran dachte, Alarm zu schlagen oder sich zum Kampf zu stellen, ließ ihn die auf seine Hinterkopf gerichtete Pistole diese Gedanken vergessen.

Er hatte kaum Zeit, über einen Ausweg aus dieser misslichen Lage nachzudenken, denn plötzlich stieß Zorro die Tür auf, schleuderte Comandante Ramón hindurch, folgte ihm und schloss die Tür schnell hinter sich. In dem Raum befanden sich Seine Exzellenz und sein Gastgeber.

»Schweigen Sie und bewegen Sie sich nicht«, sagte Zorro. »Der geringste Alarm, und ich jage dem Gouverneur eine Pistolenkugel durch den Kopf. Ist das klar? Sehr gut, Señores.«

»Señor Zorro!«, keuchte der Gouverneur.

»Derselbe, Eure Exzellenz. Ich bitte Euren Gastgeber, sich nicht zu fürchten, denn ich will ihm nichts Böses, wenn er ruhig sitzen bleibt, bis ich fertig bin. Capitano Ramón, setzen Sie sich bitte dem Gouverneur gegenüber. Ich freue mich, dass das Staatsoberhaupt wach ist und auf Nachrichten von denen wartet, die mich verfolgen. Sein Verstand wird klar sein, und er kann besser verstehen, was gesagt wird.«

»Was bedeutet dieser Frevel?«, rief der Gouverneur aus. »Capitano Ramón, wie kommt das? Ergreift diesen Mann! Ihr seid ein Offizier…«

»Geben Sie nicht dem Comandante die Schuld«, sagte Señor Zorro. «Er weiß, dass ihn der Tod ereilt, wenn er etwas unternimmt. Es gibt eine kleine Angelegenheit, die einer Erklärung bedarf, und da ich nicht am helllichten Tag zu Euch kommen kann, wie es sich für einen Mann gehört, bin ich gezwungen, diese Methode anzuwenden. Machen Sie es sich bequem, Señores. Das kann ein wenig dauern.«

Seine Exzellenz zitterte in seinem Stuhl.

»Ihr habt heute eine Familie guten Blutes beleidigt, Eure Exzellenz«, fuhr Zorro fort. »Ihr habt die Anstandsregeln so sehr vergessen, dass Ihr einen Hidalgo, seine sanfte Frau und seine unschuldige Tochter in Euer erbärmliches Gefängnis werfen lasst. Ihr habt zu solchen Mitteln gegriffen, um eine Beleidigung zu befriedigen…«

»Sie sind Verräter«, sagte Seine Exzellenz.

»Was haben sie an Verrat begangen?«

»Sie sind ein Geächteter, auf den ein Kopfgeld ausgesetzt ist. Sie haben sich schuldig gemacht, Ihnen Unterschlupf zu gewähren und Sie zu unterstützen.«

»Woher haben Sie diese Informationen?«

»Capitano Ramón hat eine Fülle von Beweisen.«

»Ha! Der Comandante, was? Das werden wir ja sehen! Capitano Ramón ist anwesend, und wir können die Wahrheit herausfinden. Darf ich fragen, was für Beweise Sie haben?«

»Sie waren auf der Hacienda Pulido«, sagte der Gouverneur.

»Ich gebe es zu.«

»Ein Einheimischer hat Sie gesehen und die Nachricht zum Presidio gebracht. Die Soldaten eilten hinaus, um Sie zu fangen.«

»Einen Moment. Wer sagt, dass ein Einwohner Alarm geschlagen hat?«

»Das hat mir Capitano Ramón versichert.«

»Das ist die erste Gelegenheit für den Capitano, die Wahrheit zu sagen. War es nicht Don Carlos Pulido selbst, der den Mann geschickt hat, Comandante? Die Wahrheit!«

»Es war ein Einheimischer, der die Nachricht brachte.«

»Und er hat deinem Sargento nicht gesagt, dass Don Carlos ihn geschickt hat? Hat er nicht gesagt, Don Carlos habe ihm die Information zugeflüstert, während er seine ohnmächtige Frau in ihr Zimmer trug? Stimmt es nicht, dass Don Carlos sein Bestes tat, um mich auf seiner Hazienda festzuhalten, bis die Soldaten eintrafen, die mich gefangen nehmen könnten? Hat Don Carlos damit nicht versucht, seine Loyalität gegenüber dem Gouverneur zu zeigen?«

»Bei den Heiligen, Ramón, das haben Sie mir nicht gesagt!«, rief Seine Exzellenz.

»Es sind Verräter«, erklärte der Capitano hartnäckig.

»Welche anderen Beweise?«, fragte Señor Zorro.

»Als die Soldaten kamen, haben Sie sich durch eine List versteckt«, sagte der Gouverneur. »Und als Comandante Ramón selbst eintraf, schlichen Sie sich aus einem Schrank, durchbohrten ihn heimtückisch von hinten und machten sich aus dem Staub. Es ist offensichtlich, dass Don Carlos Sie in dem Schrank versteckt hatte.«

»Bei allen Heiligen!« Señor Zorro fluchte. »Ich hatte gedacht, Capitano Ramón, Ihr wärt Manns genug, eine Niederlage einzugestehen, obwohl ich Euch in anderen Dingen als Schurken kannte. Sagen Sie die Wahrheit!«

»Was heißt – die Wahrheit.«

»Die Wahrheit!«, gebot Zorro, trat näher an ihn heran und hob die Pistole. »Ich bin aus dem Schrank gekommen und habe mit Euch gesprochen. Ich habe Euch Zeit gegeben, die Klinge zu ziehen und Euch in Sicherheit zu bringen. Wir haben volle zehn Minuten lang gefochten, nicht wahr? Ich gebe unumwunden zu, dass Ihr mich einen Moment lang verwirrt habt, und dann habe ich Eure Art, den Kampf zu führen, durchschaut und wusste, dass Ihr mir ausgeliefert seid. Und dann, als ich Euch leicht hätte töten können, habe ich Euch nur die Schulter gekratzt. Ist das nicht die Wahrheit? Antwortet, wenn Ihr am Leben bleiben wollt!«

Capitano Ramón leckte sich die trockenen Lippen und konnte dem Gouverneur nicht in die Augen sehen.

»Antwortet!«, donnerte Señor Zorro.

»Es ist die Wahrheit«, gab der Capitano zu.

»Ha! Ich habe Euch also von hinten durchbohrt, was? Es ist eine Beleidigung für meine Klinge, dass sie in Euren Körper eindrang. Ihr seht, Eure Exzellenz, was für einen Mann Ihr hier als Comandante habt. Gibt es noch mehr Beweise?«

»Die gibt es«, sagte der Gouverneur. »Als die Pulidos im Haus von Don Diego de la Vega zu Gast waren und Don Diego nicht da war, ging Capitano Ramón hin, um seine Aufwartung zu machen, und fand Sie dort allein mit der Señorita.«

»Und das beweist was?«

»Dass Sie mit den Pulidos im Bunde sind. Dass sie Euch sogar im Haus von Don Diego, einem loyalen Mann, beherbergt haben. Und als der Capitano Euch dort entdeckte, stürzte sich die Señorita auf ihn und hielt ihn fest – oder besser gesagt, hinderte ihn daran, Euch festzunehmen, bis Ihr durch ein Fenster entkommen konntet. Ist das nicht genug?«

Zorro beugte sich vor, seine Augen schienen durch die Maske hindurch in die des Capitano Ramón zu blicken.

»Das ist also die Geschichte, die Ihr erzählt habt?«, sagte der Wegelagerer. »Tatsächlich ist Capitano Ramón in die Señorita verliebt. Er ging zum Haus, fand sie allein vor, drängte ihr seine Aufmerksamkeit auf, sagte ihr sogar, sie solle sich nicht wehren, da ihr Vater beim Gouverneur in Ungnade gefallen sei. Er versuchte, sie zu streicheln, und sie rief um Hilfe. Ich reagierte darauf.«

»Wie kam es, dass Sie dort waren?«

»Das möchte ich nicht beantworten, aber ich schwöre, dass die Señorita nichts von meiner Anwesenheit wusste. Sie rief um Hilfe, und ich tat ihr den Gefallen.

Ich habe dieses Etwas, das Ihr Comandante nennt, dazu gebracht, vor ihr niederzuknien und sich zu entschuldigen. Dann brachte ich ihn zur Tür und warf ihn in den Staub hinaus! Danach besuchte ich ihn im Presidio und sagte ihm, dass er eine edle Señorita beleidigt habe.«

Der Gouverneur sagte: »Es sieht so aus, als ob Sie selbst eine gewisse Liebe für sie hegen.«

»Das tue ich, Eure Exzellenz, und ich bin stolz, es zuzugeben.«

»Ha! Mit dieser Aussage verurteilen Sie sie und ihre Eltern! Leugnen Sie jetzt, dass sie mit Ihnen im Bunde sind?«

»Das tue ich. Ihre Eltern wissen nichts von unserer Liebe.«

»Diese Señorita ist nicht sehr konventionell.«

»Señor! Gouverneur oder nicht, noch so ein Gedanke und ich vergieße Ihr Blut«, rief Zorro. »Ich habe Ihnen erzählt, was in jener Nacht im Haus von Don Diego de la Vega geschah. Capitano Ramón wird bezeugen, dass das, was ich gesagt habe, genau der Wahrheit entspricht. Ist es nicht so, Comandante? Antwortet!«

»Ja, es ist die Wahrheit.« Der Comandante schluckte und blickte auf die Mündung der Pistole des Wegelagerers.

»Dann haben Sie mir die Unwahrheit gesagt und können nicht länger mein Offizier sein«, rief der Gouverneur. »Es scheint, dass dieser Straßenräuber mit Euch machen kann, was er will. Ha! Aber ich glaube immer noch, dass Don Carlos Pulido ein Verräter ist, und die Mitglieder seiner Familie. Es hat Euch nichts genützt, Señor Zorro, diese kleine Szene zu spielen.

»Meine Soldaten werden sie weiter verfolgen – und Euch! Und bevor sie fertig sind, werde ich die Pulidos in den Dreck ziehen lassen und mit Eurem Kadaver ein Seil knüpfen lassen!«

»Eine recht kühne Rede«, bemerkte Zorro. »Ihr habt Euren Soldaten eine schöne Aufgabe gestellt, Eure Exzellenz. Ich habe heute Nacht Eure drei Gefangenen befreit, und sie sind geflohen.«

»Wir werden sie wieder einfangen.«

»Das wird die Zeit zeigen. Und jetzt habe ich hier noch eine andere Aufgabe zu erfüllen. Eure Exzellenz, Ihr werdet mit Eurem Stuhl in die hintere Ecke gehen und dort Platz nehmen, und Euer Gastgeber wird sich neben Euch setzen. Und dort werdet Ihr bleiben, bis ich fertig bin.«

»Was wollt Ihr tun?«

»Gehorchen Sie mir«, rief Señor Zorro. »Ich habe kaum Zeit für Diskussionen, selbst mit einem Gouverneur nicht.«

Er sah zu, wie die beiden Stühle aufgestellt wurden und der Gouverneur und sein Gastgeber sich setzten. Dann trat er näher an Capitano Ramón heran.

»Ihr habt ein reines und unschuldiges Mädchen beleidigt, Comandante«, sagte er. »Dafür werdet Ihr kämpfen. Eure verletzte Schulter ist nun geheilt, und Ihr tragt Eure Klinge an Eurer Seite. Ein Mann wie Ihr ist nicht geeignet, die reine Luft Gottes zu atmen. Das Land ist besser dran, wenn Ihr nicht mehr unter uns weilt. Stehen Sie auf, Señor, und seien Sie auf der Hut!«

Capitano Ramón war weiß vor Wut. Er wusste, dass er zugrunde gerichtet war. Man hatte ihn gezwungen, zu gestehen, dass er gelogen hatte. Er hatte vernommen, dass der Gouverneur ihn degradierte. Und dieser Mann vor ihm war die Ursache für all das gewesen.

Vielleicht konnte er in seinem Zorn diesen Señor Zorro töten, diesen Fluch von Capistrano auf dem Boden zerschmettern, während sein Lebensblut weiterhin durch seinen Adern floss. Vielleicht würde Seine Exzellenz einlenken, wenn er das täte.

Er sprang von seinem Stuhl auf und ging rückwärts an die Seite des Gouverneurs.

»Macht mir die Handgelenke los!«, rief er. »Lasst mich diesen Hund züchtigen!«

»Ihr wart schon vorher so gut wie tot – nach diesem Wort seid Ihr garantiert tot«, sagte Zorro ruhig.

Die Handgelenke des Comandante wurden losgebunden. Er zückte seine Klinge, sprang mit einem Schrei vor und stürzte sich wütend auf den Wegelagerer.

Zorro wich vor diesem Ansturm zurück und brachte sich so in eine Position, in der das Licht des Kerzenleuchters seine Augen nicht störte. Er war geübt im Umgang mit der Klinge, hatte schon viele Male um sein Leben gefochten und kannte die Gefahr, die von einem wütenden Mann ausging, der nicht nach den Regeln focht. Und er wusste auch, dass sich ein solcher Zorn schnell entlädt, es sei denn, ein glücklicher Stich macht denjenigen, der ihn hat, fast augenblicklich zum Sieger. So zog er sich Schritt für Schritt zurück, parierte heftig geführte Schläge und war auf eine unerwartete Bewegung gefasst.

Der Gouverneur und sein Gastgeber saßen in ihrer Ecke, beugten sich aber vor und beobachteten den Kampf.

»Macht ihn fertig, Ramón, und ich setze Euch wieder ein und befördere Euch!«, rief Seine Exzellenz.

So wurde der Comandante gedrängt, es zu tun. Zorro stellte fest, dass sein Gegner viel besser kämpfte als zuvor in Don Carlos Pulidos Haus auf der Hazienda. Er sah sich gezwungen, aus einer gefährlichen Ecke heraus zu kämpfen. Die Pistole, die er in seiner linken Hand hielt, um den Gouverneur und seinen Gastgeber in Schach zu halten, störte ihn.

Plötzlich warf er sie auf den Tisch und schwang sich herum, sodass keiner der beiden Männer aus der Ecke kommen und sie holen konnte, ohne Gefahr zu laufen, eine Klinge zwischen die Rippen zu bekommen. Und dort blieb er stehen und kämpfte.

Capitano Ramón konnte ihn nun nicht mehr zum Einlenken zwingen. Seine Klinge schien eine Partitur zu spielen. Sie huschte hin und her und versuchte, einen Platz im Körper des Comandante zu finden, denn Zorro wollte der Sache ein Ende setzen und dann verschwinden. Er wusste, dass die Morgendämmerung nicht mehr lange auf sich warten ließ, und fürchtete, dass ein Soldat mit einem Bericht für den Gouverneur zum Haus kommen könnte.

»Kämpft, Mädchenschänder!«, rief er. »Kämpft, Mann, der eine Lüge erzählt, um eine edle Familie zu verletzen! Kämpft, Feigling und Halunke! Jetzt starrt Euch der Tod ins Gesicht, und bald wird er Euch einholen! Ha! Da hätte ich Euch fast gehabt! Kämpft, Hund!«

Capitano Ramón fluchte und griff an, aber Zorro wehrte ihn ab und trieb ihn zurück, sodass er seine Stellung halten konnte. Der Schweiß stand dem Capitano in großen Tropfen auf der Stirn. Sein Atem strömte schwer zwischen seinen geschürzten Lippen hervor. Seine Augen leuchteten und waren gewölbt.

»Kämpft, Schwächling!« Der Wegelagerer verspottete ihn. »Diesmal greife ich nicht von hinten an. Wenn Ihr Gebete zu sprechen habt, dann sprecht sie, denn Eure Zeit wird knapp.«

Das Klirren der Klingen, das Scharren der Füße auf dem Boden, das schwere Atmen der Kämpfer und der beiden Zuschauer dieses Kampfes auf Leben und Tod waren die einzigen Geräusche im Raum. Seine Exzellenz saß weit vorne auf seinem Stuhl, die Hände umklammerten die Stuhlkanten, sodass seine Knöchel weiß waren.

»Tötet mir diesen Straßenräuber!«, schrie er. »Nutzt Euer gutes Geschick, Ramón! Auf ihn!«

Capitano Ramón stürzte sich erneut auf ihn, setzte seine letzte Kraft ein und focht mit allem, was er konnte. Seine Arme waren wie Blei, sein Atem war schnell. Er stieß zu, er stürzte – und irrte sich um den Bruchteil eines Zolls.

Wie die Zunge einer Schlange schoss die Klinge von Zorro nach vorn. Dreimal schnellte sie vor, und auf Ramóns schöner Stirn, genau zwischen den Augen, flammte plötzlich ein roter, blutiger Buchstabe Z auf.

»Das Zeichen des Zorro!«, rief der Wegelagerer. »Ihr tragt es jetzt für immer, Comandante!«

Zorros Gesicht wurde noch finsterer. Seine Klinge schoss wieder vor und kam rot triefend wieder heraus. Der Comandante keuchte und rutschte zu Boden.

»Ihr habt ihn umgebracht!«, schrie der Gouverneur. »Ihr habt ihm das Leben genommen, Schuft!«

»Ha! Das glaube ich auch. Der Stich ging durch das Herz, Exzellenz. Er wird nie wieder eine Señorita beleidigen.«

Zorro blickte auf seinen gefallenen Feind herab, betrachtete den Gouverneur einen Moment lang und wischte dann seine Klinge an der Schärpe ab, die die Handgelenke des Comandante gefesselt hatte. Er steckte die Klinge wieder in ihre Scheide und nahm seine Pistole vom Tisch.

»Mein Werk der Nacht ist getan«, sagte er.

»Und dafür sollt Ihr hängen!«, rief Seine Exzellenz.

»Vielleicht – wenn Ihr mich erwischt«, antwortete der Fluch von Capistrano und verbeugte sich feierlich.

Dann, ohne noch einmal einen Blick auf den zuckenden Körper dessen zu werfen, der Capitano Ramón gewesen war, wirbelte er durch die Tür und war in der Halle, durch die er zum Innenhof und zu seinem Pferd eilte.