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Nick Carter – Ein Kampf um Millionen – Kapitel 7

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Ein Kampf um Millionen
Ein Detektivroman

Der Kampf auf den Dächern

Als die drei Detektive nun wieder die Straße betraten, war es morgens zwei Uhr geworden.

»Well«, gab Nick Carter seiner Meinung Ausdruck, als er mit seinen beiden Gefährten die stille Straße entlangging. »Ich halte die jetzigen Hausbewohner für anständige Leute und ihre Angaben für glaubhaft. Immerhin kann man noch manches von ihnen erfahren; oder meinst du nicht, Chick, dass dir dies möglich wäre?«

»So glaubst du, sie haben mit etwas Wichtigem zurückgehalten?«

»Nicht absichtlich«, fuhr Nick fort, »doch sie befinden sich jetzt noch unter der Einwirkung des erlittenen Schreckens. Sucht man sie morgen wieder auf, sind sie ruhiger geworden, und da mag ihnen noch manches einfallen, was für unsere Zwecke von Wichtigkeit sein kann.«

Sie waren inzwischen eine der Seitenstraßen bis zur 3th Avenue hinaufgeschritten. Als sie um die Ecke bogen, sahen sie, mit dem Rücken ihnen zugewendet, zwei Männer unter dem Pfosten einer elektrischen Bogenlampe herumlungern. Zwei oder drei andere Personen standen nahebei in einem Hauseingang, wo es so dunkel war, dass man ihre Gesichtszüge nicht erkennen konnte.

Die beiden Männer unter der Laterne schienen auf etwas zu warten. Beim Auftauchen Nicks und seiner beiden Gehilfen ließen sie einen leisen, aber gleichwohl durchdringenden Pfiff hören, der seltsamerweise sowohl von der 3th Avenue aus als auch von der 2th Avenue her erwidert wurde.

Die Eigenart des Pfiffes und die ihn von verschiedenen Richtungen beantwortenden Signale zogen natürlich sofort die Aufmerksamkeit Nicks und seiner Begleiter auf sich. Der Detektiv blickte sich nach den beiden Männern unter der Laterne um und gewahrte, wie diese auf ihn zustürzten. Ein Warnungsruf Nicks verständigte die Gefährten von der plötzlich auftauchenden Gefahr. Im selben Moment sprangen auch schon die Kerle unter der Tornische, die Gesichter durch dunkle Tuchlappen maskiert, in welche Löcher für die Augen geschnitten waren, auf die Männer zu.

Der gleichzeitig von zwei Seiten ausgeführte Angriff geschah so unvermutet plötzlich, dass keinem der drei Detektive Zeit zum Ziehen einer Waffe übrig blieb. Doch im Nu standen sie mit den Schultern gegeneinander und bildeten so nach allen Seiten eine Verteidigungsfront.

Mit kurzen Gummiknüppeln, sogenannten Totschlägern, drangen die vier Kerle gleichzeitig auf die Bedrohten ein. Doch diese wussten nicht nur gewandt den ihnen zugedachten Hieben auszuweichen, sondern hatten in der nächsten Sekunde zweien der Angreifer die Waffen aus den Fäusten geschlagen. Im Handumdrehen waren auch die anderen beiden entwaffnet, und nun kam es zu einem regelrechten Faustkampf, bei welchem die Angreifer übel genug wegkamen. Doch noch immer schrillten die Signalpfiffe, und von verschiedenen Seiten wurden hurtig sich nähernde Schritte laut.

»Gebt es ihnen ordentlich«, schrie Nick, indem er dem Nächsten einen heftigen Faustschlag ins Gesicht versetzte. Seine Gefährten folgten seinem Beispiel. Die Burschen taumelten blutend zurück, und sofort zogen die Bedrängten ihre Revolver. Nick Carter feuerte einen blinden Warnschuss ab, Chick und Patsy taten desgleichen, und im Nu rannten die vier Kerle nebst zwei anderen, die sich inzwischen mit ihnen vereinigt hatten, die Straße hinunter. Sofort nahmen die Detektive in der Richtung nach dem East River zu die Verfolgung auf.

An der Ecke von Avenue A. schwenkte einer der Rowdys zur Rechten ab, während die fünf anderen in gerader Richtung weiterliefen, verfolgt von den unermüdlichen drei Detektiven. Aber als sie um die Ecke von Avenue C. bogen, sahen sie die Kerle gerade in einem offenen Hausflur, fünf Häuser von der Ecke entfernt, einbiegen und verschwinden. Gerade als die drei Verfolger das Tor erreichten, wurde es ihnen vor der Nase zugeschlagen und verriegelt.

Doch ohne Besinnen warfen sich die drei Männer mit voller Kraft gegen das Tor, und das morsche Holz zersplitterte ohne Weiteres. Die Türflügel gaben nach, und die Detektive drangen ein.

Vom Treppenhaus her hörten sie die hastigen Schritte der Verfolgten, wie diese die Treppen hinaufeilten. Wohl war es dunkel im Haus und keiner der Detektive mit der inneren Lokalität des Gebäudes bekannt. Doch das hielt sie keine Sekunde zurück, womöglich noch schneller als die Verfolgten hinter diesen her die Stufen hinaufzustürmen.

Als sie den obersten Flur erreichten, hörten die Treppen auf. Über ihnen sahen sie jedoch eine Dachluke, zu der jedenfalls eine Leiter führte. Aber diese hatten die schlauen Rowdys mit hinaufgezogen, um die auf ihren Fersen Befindlichen von weiterer Verfolgung abzuhalten.

Doch Nick Carter lachte nur. Ein kurzer Zuruf an seine Gefährten genügte, um jene von seiner Absicht zu verständigen. Die Sekunde darauf stand er auch schon auf Chicks Schultern und war im Nu auf dem Dach. Patsy folgte ihm, und dann zog der Detektiv Chick zu sich herauf.

Der hierbei unvermeidliche Aufenthalt gab den Flüchtigen einen Vorsprung. Aber schon hatte sich Patsy auf ihre Spuren begeben, und im nächtlichen Dunkel vermochten die beiden Detektivs deutlich die Silhouetten der verschiedenen dahineilenden Gestalten zu sehen. Mit Riesenschritten griffen Nick und Chick aus. Bald hatten sie Patsy eingeholt, doch nur, um gleich diesem bald darauf vor einem neuen Hindernis innezuhalten.

Sie waren ans Ende der Dächer gelangt. Eine schmale, kaum zwölf Fuß breite Gasse trennte sie von dem nächstliegenden Hause. Jenseits dieser waren die Dächer um ein Stockwerk niedriger. Deutlich vermochten die Detektive auf dem flachen Dach ihnen gegenüber eine mindestens 16 Fuß breite Gangplanke zu entdecken. Sie war von den Verfolgern benutzt und dann fortgezogen worden. Nun hatten sich die Rowdys hinter den Schornsteinen versteckt und lachten spöttisch im Gefühl ihrer vollkommenen Sicherheit.

Doch sie hatten ihre Rechnung ohne Nick Carter gemacht.

»Damned!«, rief dieser. »Ich lasse mich doch von solchem Gelichter nicht narren. Chick, du und ich können hinüberspringen, dagegen soll Patsy umkehren und von der Straße aus dort aufs Dach zu kommen versuchen!«

Damit nahm der Detektiv, in jeder Hand schussbereit einen Revolver, einen mächtigen Anlauf und sprang. Sicher landete er auf dem tieferen Dach, und in der Sekunde darauf befand sich auch schon Chick wieder neben ihm, der den gefährlichen Sprung ebenfalls gewagt hatte.

Noch standen sie jedoch nicht fest auf den Füßen, als ein dunkler Körper an ihnen vorüberschoss und wohl noch drei Fuß weiter sprang. Es war Patsy, den es gewurmt hatte, nicht mit von der Partie sein zu sollen. »Ich hasse allen Ungehorsam, Meister«, meinte er kurz, »doch das ist der nächste Weg!«

Nick musste lachen. »Nun, dann vorwärts!«, meinte er lakonisch.

Schon vom nächsten Haus aus erblickten sie wieder die in voller Flucht dahineilenden Rowdys. Doch mochten sie auch die Dächer hinauf- und hinunterklettern, schließlich kamen sie wieder an eine Stelle, wo die Straße zum Überspringen zu breit war, und im selben Moment waren die drei Verfolger auch schon heran. Hier blieben die Männer stehen und wendeten sich zur verzweifelten Gegenwehr nach ihren Angreifern um.

»Hände hoch!«, donnerte der Detektiv. »Oder es ist euer Letztes!«

Als Antwort pfiff ihm eine Kugel hart am Ohr vorüber. Im gleichen Augenblick krachte Nicks Revolver, und mit einem lauten Aufschrei brach der Schütze zusammen.

Im selben Moment waren Chick und Patsy auch schon vorgestürzt und hatten je einen der Kerle gepackt. Als dies die beiden noch Übrigen sahen, ergaben sie sich ohne Weiteres.

Mit Leichtigkeit hatte Chick seinen Gegner überwältigt und gefesselt; nun wendete er sich dem nächsten zu. Anders stand es um Patsy. Dieser hatte einen wahren Riesen zu packen bekommen, dem der junge Mann bei Weitem nicht gewachsen war. Hohnlachend hatte jener den schwächeren Gegner umfasst und  versuchte ihn zu dem Dachrand zu drängen.

»Hallo, Chick – herbei!«, ächzte der verzweifelt Ringende. »Der Kerl wird mit mir fertig statt ich mit ihm!«

Mit einem Blick nahm Chick die Gefahr wahr, in welcher sein Kollege schwebte. Schon war es dem anderen gelungen, Patsy bis an den Dachrand zu drängen; in der nächsten Sekunde musste er den Unglücklichen aufs Straßenpflaster hinuntergeschleudert haben. Doch da war auch schon Chick herbeigekommen, und seine Riesenfaust zwang den ungeschlachten Burschen auf die Knie nieder. Patsy sah sich kaum befreit, als er auch schon von Neuem auf seinen Gegner losstürzte, der sich gegen Chick zu wehren hatte, ihm mit verblüffender Geschicklichkeit die Arme durch Umdrehen der Handgelenke auf den Rücken zwang und im Nu fesselte.

Inzwischen hatte Nick einen nicht minder gefährlichen Kampf mit den beiden anderen Rowdys zu bestehen gehabt, deren scheinbares Ergeben nur eine Finte gewesen war und die sich mit vereinten Kräften auf den Detektiv geworfen hatten. Doch dieser spielte ihnen übel mit, und ehe sie noch recht wussten, wie ihnen geschah, jammerte der eine über seine zerbrochene Kinnlade, und der andere schrie, seine Nase sei in Stücken.

In der Minute darauf waren auch die beiden letzten Gegner überwältigt und gefesselt.

»Warum greift ihr uns an?«, fragte Nick streng. »Wusstet ihr, wer wir sind?«

Er bekam nicht gleich Antwort. Dann knurrte der eine: »Nick Carter bist du.«

»Warum habt ihr uns überfallen?«

»Weil wir dazu gedungen waren!«, murrte der gefesselte Riese.

»Wer bezahlte euch dafür, uns das Lebenslicht auszublasen? Nun, gib Antwort, Kerl!«

Der Bursche lachte. »Well, sind wir in des Teufels Küche, mag der andere auch dran glauben. So ein Artist war es, er nannte sich Renfrew. Ihr müsst ihn doch gesehen haben!«

»Aha, es war der Mann, der nach Avenue A. abbog, was?«, rief Nick Carter überrascht.

»Jawohl, er gab als Erster Fersengeld, als ihr hinter uns her wart!«

Wie der Rowdy weiter berichtete, waren sie kaum eine Stunde zuvor gedungen worden. Renfrew hatte sie aus einem Saloon geholt. Der Detektiv begriff augenblicklich, dass der von ihnen Gesuchte sich in der Nähe des möblierten Hauses versteckt behalten und sie in dieses eintreten gesehen hatte. Jedenfalls war Renfrew in der Spelunke, in welcher er die Rowdys aufgetrieben hatte, von früher her bekannt und hatte die Gelegenheit auszunutzen gesucht, sich seiner gefährlichen Verfolger mit einem kühnen Handstreich zu entledigen.

»Well«, meinte der Detektiv befriedigt. »Nun müssen wir die Kerle vom Dach schaffen.«

Chick hatte über den Dachrand nach der Straße hinuntergespäht und an der Ecke einen Policeman wahrgenommen. Es gelang ihm ohne Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit des Sicherheitswächters zu erregen und sich ihm verständlich zu machen. Wenige Minuten darauf erschien der Policeman mit einigen seiner Kameraden, die sämtlich höchst erstaunt waren, in den fünf Gefangenen des berühmten Detektivs berüchtigte Mitglieder einer den betreffenden Stadtteil unsicher machenden Diebesbande zu entdecken. Ohne dass die Hauseinwohner viel von der Störung gewahrten, wurden die Gefesselten nun über die Feuertreppe hinunter zur Straße und in die unweit befindliche Polizeistation gebracht, wo sie in sichere Zellen eingesperrt wurden.

Als Nick mit seinen Gehilfen wieder das Stationshaus verließ, meinte er bedächtig: »Well, wir werden morgen nicht vor Gericht erscheinen, um gegen die Kerle zu zeugen.«

»Aber dann muss sie der Richter entlassen«, warf Chick erstaunt ein.

»Das bezwecke ich gerade«, fuhr der Detektiv fort. »Was wir von den Kerlen erfahren konnten, wissen wir. Doch wir werden sie beobachten, denn sicherlich setzt sich Renfrew wieder mit ihnen in Verbindung. Er gehört wohl selbst zu jener Bande. Darum mietete er sich hier in der Gegend ein.«

»Eins ist sicher, er denkt nicht daran, New York zu verlassen«, bemerkte Patsy.

»Das ist klar!«, entgegnete Nick Carter. »Er rechnet ganz richtig, dass ihm Gefahr in der Trapezgeschichte nur von uns droht. Darum wird er alles aufbieten, um mit uns quitt zu werden … und eine Ahnung sagt mir, dass er sich hierzu wiederum seiner Freunde von heute Nacht bedient … Doch es ist spät geworden«, brach er ab. »Lasst uns nach Hause gehen.«