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Hanns Heiling … – Teil 7

Friedrich Wilhelm Bruckbräu
Hanns Heiling, vierter und letzter Regent der Erd-, Luft-, Wasser- und Feuergeister und sein Kampf mit den Teufeln der Hölle
Eine höchst merkwürdige, abenteuerliche und wundervolle Ritter-, Räuber-, Geister- und Teufelsgeschichte
Verlag der J. Lutzenberger’schen Buchhandlung, Altötting, 1860

Nach dem Erwachen

Der Gesang, der durch die Bäume flatternden Vögel begrüßte sein Erwachen. Plötzlich erinnerte sich Ralf an den gestrigen Jahrtag im nahen Dorf, an die Jungfrau Walburg und an seine Rettung durch sie.

»Das war sicher nur ein lebhafter Traum«, sagte er halblaut, »denn sonst wäre gewiss schon meine Retterin Walburg gekommen, um mir die versprochenen Mitteilungen zu machen!«

»Ihr wartet vergebens auf die Walburg, Herr Minnesänger«, sprach eine Stimme hinter ihm. »Sie wird nicht mehr und kann nicht mehr zu Euch kommen.«

Ralf sprang auf und schaute um. Der Bettler stand lächelnd vor ihm.

»Warum?«, fragte er.

»Weil sie mit allen Bewohnern des verwünschten Dorfes Schwammau mit dem gewaltigen Donnerschlag in der Mitternachtsstunde versunten ist. Alle hundert Jahre, immer am gestrigen Tag, kommt dieses Dorf wieder auf die Oberfläche der Erde mit den nämlichen Leuten auf die Dauer von 24 Stunden. Während dieser Zeit wölbt sich eine Rauchdecke über das Dorf. Für die benachbarten Landleute, denen diese Geschichte wohl bekannt ist, ein Warnzeichen, sich nicht zu nähern. Die Wirtstochter ist der Lockengel, der auf den Grund und Boden rings um das Dorf aufgestellt wird, um harmlose Wanderer in das Dorf zu bringen und darin solange festzuhalten, bis sie mit dem Dorfe versinken.«

»Aber Walburg hat mich ja vom Verderben gerettet.«

»Du irrst; in dem Augenblick, da Walburg in das Haus trat, um ihren Mantel zu holen und dann mit dir im Dorf spazieren zu geben, bis du mit diesem und ihr in der verhängnisvollen Stunde versunken wärest, trat ich, in der Gestalt Walburg aus dem Haus und führte dich mitten durch die Aufpasser des Wirtes am Ende des Dorfes, deren Augen ich durch Schlaf schloss, in den Wald hinaus. Ich war dein Retter!«

»Wie war dir dies möglich?«

»Hanns Heiling hat eine große Macht, und der bin ich!«

Und alsogleich stand er in seinem prachtvollen Regentengewand vor dem sprachlos staunenden Jüngling.

»Durch deine Rettung vom Untergang ist mein Dank für dein mir gesungenes Loblied, nachdem du zuvor all dein Geld mir, dem armen Bettler, erbarmend geschenkt hattest, noch nicht erschöpft und sollst du auch deinen wohlverdienten Lohn dafür erhalten.

»Ich grüße Euch damit, Herr Graf Ralf von Hohen-Ilmen, der prachtvollen Burg vier Stunden von der Stadt Prag entfernt, von den Prunkgemächern bis zu den Ställen und Kellern köstlich eingerichtet, in der Mitte Eurer großen gleichnamigen Grafschaft.«

»Ihr scherzt, mächtiger Regent!«

»Nein, Herr Graf, es ist mein voller Ernst, und Ihr sollt Euch sogleich selbst von dem überzeugen. Seht, da kommen schon unsere Rosse!«

Hanns Heiling und Ralf bestiegen zwei auserlesene Tiere und zwei berittene Reisige im prunkreichen Gewand folgten ihnen. Im windschnellen Ritt erreichten sie die Burg Hohen-Ilmen in kurzer Zeit.

Ralf konnte die Schönheit der Burg schon von außen nicht genug bewundern. Als er aber über die Zugbrücke eintrat, ehrfurchtsvoll von mehr als 100 Knappen und Reisigen empfangen, und hinaufkam in die Prunkgemächer, öffnete Hanns Heiling die Tür eines Saales und sagte lächelnd: »Seht hier, Euer Brautgemach!«

Ralf schien vor Erstaunen an den Boden festgebannt. Er konnte kein Wort hervorbringen. Diese Pracht könnte keine Feder beschreiben.

»So oft Ihr Geld wollt, wird jeder Schrank, den Ihr öffnet, sowie jede Seitentasche Eures Wamses so viele Goldgulden enthalten, wie Ihr nur immer verlangt.«

»Wie kann ich Euch gebührend danken, mächtiger Regent?«

»Dadurch, dass Ihr mein Andenken fortan ehrt, immer ein ehrenhafter Ritter, ein zärtlicher liebevoller Gatte und Vater bleibt und ein menschenfreundlicher Herrscher über Eure Untertanen, ein Beschützer der Witwen und Waisen, barmherzig gegen die Armen.«

»Dies alles gelobe ich Euch, so wahr mir Gott helfe!«

»Amen! Und nun wähle die kostbarste Grafentracht in diesem Seitengemach, reitet an der Spitze von zwölf Knappen, wie sie prächtiger kein König hat, zur Burg Adlerstein und werbt dort um die Hand Eurer geliebten Bertha, die Euch jetzt gewiss nicht versagt wird. Für das Festbankett Eurer Vermählung werde ich persönlich sorgen und dann Euch wiedersehen. Bis dahin lebt wohl!«

Er verschwand, bevor noch Ralf danken konnte.

Bertha wurde seine Gemahlin und beide erreichten inmitten von sechs guten und liebenswürdigen Kindern in Liebe und Zufriedenheit ein hohes Alter. Da Ralf immer nach der Mahnung des Hanns Heiling lebte und handelte, so besuchte ihn dieser sehr oft auf seiner prächtigen Grafenburg, in welcher er auch bei dem Festbankett am Trauungstag als gefeierter Gast erschienen war.

 

*

 

Die freundlichen Leser haben nun zwei interessante Taten des berühmten Hanns Heiling, Regenten der Erd-, Luft-, Wasser- und Feuergeister aus seinen späteren Jahren vernommen. Es ist aber nun Zeit, auf die Erzählung seines Ursprunges und noch weit merkwürdigere Erlebnisse als die bisher mitgeteilten zurückzukommen.