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Die Sternkammer – Band 4 – Kapitel 8

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 4
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Achtes Kapitel

Der geheime Freund

Als Sir Jocelyn sich seiner wieder bewusst wurde, bemerkte er, dass man ihn in eine andere Zelle gebracht hatte, die im Vergleich mit dem steinernen Sarg reinlich und bequem war. Die Wände waren von Stein und das Lager, auf dem er ausgestreckt war, von Stroh, aber der Ort trocken und frei von der schädlichen Atmosphäre, welche die unteren Kerker erfüllte. Die Rücksicht, die man ihm gegenüber nahm, hatte ihren Grund in der Überzeugung des Aufsehers, dass der junge Mann sterben müsse, wenn er in seinem verwundeten Zustand in jenem ungesunden Gewölbe gelassen werde, und so fand die Entfernung ungeachtet der Einwendungen statt, die Sir Giles Mompesson dagegen erhob, der es gern gesehen hätte, wenn er umgekommen wäre. Aber Tunstall fürchtete eine Untersuchung, da der Gefangene von dem Gericht noch nicht verurteilt war.

Nachdem er sich in seiner Zelle umgesehen und versuchte, sich an die Ereignisse zu erinnern, die ihn dorthin geführt hatten, wollte Sir Jocelyn sich aufrichten, doch fand er seine Glieder so starr, dass er seinen Zweck nicht erreichen konnte und mit einem Seufzer wieder zurücksank. In diesem Augenblick ging die Tür auf und Grimbald, von einem abstoßend aussehenden Mann begleitet, dessen Gesicht einer grinsenden Maske glich, näherte sich seinem Lager.

»Dies ist der Verwundete, Herr Lucas Hatton«, sagte der Gefangenenwärter. »Ihr müsst all Eure Geschicklichkeit anwenden, ihn zu heilen, und zwar so schnell wie möglich zu Werke gehen, im Fall er vor das Gericht gerufen werden sollte.«

»Das Gericht muss zu ihm kommen, wenn es ihn jetzt zu befragen wünscht«, versetzte Lucas Hatton und fügte hinzu, während er die Verletzungen untersuchte, die der junge Ritter erhalten hatte: »Er ist schwer verwundet, aber nicht so schwer, wie ich erwartete. Ich will es unternehmen, ihn in drei Tagen wiederherzustellen. Ich tat dasselbe für Sir Giles Mompesson, und er war auf dieselbe Weise verwundet.«

»Ei! Dies ist der junge Ritter, der Sir Giles im Turnier zu Boden schlug!«, sagte Grimbald. »Seltsam, dass Ihr zwei tödliche Feinde zu behandeln habt.«

»Ist dies Sir Jocelyn Mounchensey?«, fragte Lucas Hatton mit deutlicher Neugierde. »Ihr sagtet mir es nicht vorher.«

»Vielleicht hätte ich es Euch auch jetzt nicht sagen sollen«, entgegnet der andere. »Aber nehmt Ihr irgendein Interesse an ihm?«

»Nicht viel«, versetzte der Apotheker, »aber ich habe seinen Namen in der letzten Zeit oft nennen hören. Ihr dürft nicht unruhig sein, dass dieser junge Mann vor die Sternkammer gerufen werden sollte. Die große Sache der Gräfin von Exeter gegen Lady Lake wird morgen oder übermorgen vor dem König und den Richtern verhandelt und nimmt all ihre Aufmerksamkeit in Anspruch. Sie werden keine Zeit zu etwas anderem haben.«

»Welches Urteil erwartet Ihr in jener Sache?«, fragte Grimbald.

»Ich habe meine eigene Ansicht darüber, die ich nicht gerne bekannt machen möchte«, entgegnete der Apotheker mit bedeutungsvollem Lächeln. »Ich bin selber Zeuge in dieser Sache und mein Zeugnis dürfte von einiger Wichtigkeit sein. Ihr fragtet mich eben, ob ich ein Interesse an diesem jungen Mann nehme. Ich will Euch sagen, was mich überraschte, ihn hier zu finden. Sir Francis Mitchell hat es sich in den Kopf gesetzt, ihn seiner Braut zu berauben.«

»Ei, wirklich!«, rief der Gefangenenwärter lachend. »Der alte Geck will sie doch nicht heiraten?«

»Freilich will er das – und es soll eine glänzende Hochzeit werden. Ich will Euch sogleich mehr davon erzählen.«

Sir Jocelyn, der bisher mit geschlossenen Augen dagelegen hatte, stieß in diesem Augenblick einen qualvollen Schrei aus und versuchte wieder vergebens, sich zu erheben.

»Aveline sollte Sir Francis heiraten?«, rief er.

»Sagtet Ihr, sie sollte zu einer Verbindung mit jenem grauen Sünder genötigt werden? Man muss es verhindern.«

»Ich sehe nicht, wie es geschehen könnte, Sir Jocelyn«, versetzte Lucas Hatton, »da sie in der Macht des Sir Giles Mompesson ist. Überdies wird der graue Sünder, wie Ihr ihn nennt, Mittel finden, ihre Zustimmung zu gewinnen.«

»Mittel! Welche Mittel?«, fragte Sir Jocelyn mit qualvollem Ausdruck.

»Durch einen Liebestrank«, versetzte Lucas Hatton ruhig. »Ich bin im Begriff, einen Trank für sie zu bereiten und will für die Wirkung desselben einstehen. Sie wird dem alten Ritter ohne Widerstand ihre Hand reichen.«

»Teuflischer Schurke! Und ich muss hier liegen und bin nicht imstande, ihr Beistand zu leisten!«

Von seiner Gemütsbewegung sowie von heftigem körperlichen Schmerz überwältigt, versank Sir Jocelyn wieder in Bewusstlosigkeit.

Man ließ ihn nicht lange in diesem Zustand. Lucas Hatton wendete Stärkungsmittel an, die ihn bald wieder zu Bewusstsein brachten. Der erste Gegenstand, auf den sein Blick fiel, war der Apotheker, und er war im Begriff, seine Wut in Worten auszulassen, als der Letztere seinen Finger zu seinen Lippen erhob und leise sagte: »Ich bin ein Freund. Grimbald steht nur draußen vor der Tür und ein einziger Ausruf von Euch wird mich verraten.« Dann beugte er sich nieder, näherte seine Lippen dem Ohr des jungen Ritters und flüsterte: »Was ich vor dem Gefangenenwärter sagte, war richtig. Sir Francis hat mich aufgefordert, einen Trank für Mistress Aveline zu bereiten und ich habe es ihm versprochen; aber ich bin insgeheim in Clemens Lanyeres Dienste und werde die bösen Pläne des alten Wucherers vereiteln.«

Sir Jocelyn konnte ein Freudengeschrei nicht unterdrücken. Grimbald trat in die Zelle.