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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Dritter Teil – 2. Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Dritter Teil

Zweite Erzählung

Die Geister im Kreuzgang des Dominikanerklosters zu Breslau

Als im Sommer des Jahres 1790 das preußische Heer sich in Schlesien zusammengezogen hatte, musste ich mich meines damaligen Berufes wegen mehrere Wochen lang in Breslau aufhalten, wo mir mein Quartier in dem dortigen Dominikanerkloster angewiesen war. Der gewöhnliche Eingang in dieses Kloster war über den äußeren Hof durch die große Haupttür, welche aber mit Einbruch der Nacht verschlossen zu werden pflegt. War dies geschehen, so konnte man nur durch eine an der Seite des Klostergebäudes hinter der Kirche, zur Straße zu befindlichen, Nebenpforte hineinkommen, welche der dort wohnende Pförtner öffnen musste.

Durch diese Pforte trat man zunächst in eine geräumige gewölbte Halle, in deren Mitte eine schmutzige Laterne herabhing, die nur ein sehr kärgliches Licht verbreitete. Durch ein eisernes Gittertor, welches geöffnet wurde, kam man dann in den Kreuzgang, der an beiden Seiten mit Altären und Heiligenbildern überall reichlich besetzt ist und dessen Fenster in den inneren Hof des Klosters gehen. Dieser führt erst eine ziemliche Strecke geradeaus, dann rechts um eine Ecke, zu einem an der Seite befindlichen Schwibbogen, durch welchen man endlich an die große, in das zweite Stockwerk führende Treppe gelangt.

Da häufige Dienstgeschäfte mir gewöhnlich nur einige Abendstunden zur Erholung übrig ließen, so war ich schon oft bei späterer Rückkehr durch diese Nebenpforte eingelassen worden und kannte daher das Lokale dieses Wegs so genau, dass ich keines Lichts bedurfte, sondern gewöhnlich all die Gänge im Dunkeln durchwandelte und ohne Anstoß meine Zimmer erreichte.

Einst hatte ein schöner Sommerabend im Monat August mich verleitet, einen etwas weiten Spazierritt zu machen, sodass ich erst nach elf Uhr in der Nacht zurückkam. Ich stieg gleich an der Nebenpforte des Klosters ab, pochte, wurde eingelassen und ging durch die Halle und das eiserne Tor, welches dann der Pförtner hinter mir wieder verschloss. Ein aufsteigendes Gewitter machte die Nacht sehr dunkel. Das schwach brennende Licht der Laterne in der Halle warf nur einen matten Schein durch das Gittertor auf die Gegenstände vorn am Eingang des Kreuzganges. Alles umher war still und in den öden Gewölben tönte nur mein Fußtritt. Ungefähr die Mitte des Kreuzganges mochte ich erreicht haben, als ich, der Ecke gegenüber, um welche ich mich rechts wenden musste, den Schimmer eines Lichtes wahrnahm, der ein da stehendes Heiligenbild spukhaft erleuchtete und sich mir zu nähern schien. Sonderbar, dass kein Fußtritt, kein Geräusch, die Nähe eines Menschen verriet. Ich setzte indessen meinen Weg fort, und indem ich mich um die Ecke wandte, erschienen zu meiner nicht geringen Verwunderung ganz nahe vor mir zwei weiße Gestalten, die auf einer Bahre einen fast ganz unverhüllt­ menschlichen Leichnam trugen, Diese rätselhafte Gruppe war von einem matten Licht erleuchtet. Unwillkürlich trat ich zur Seite. Der Zug ging still und schweigend langsam bei mir vorüber.

Anfangs war ich betroffen, doch bald fasste ich mich und redete die anscheinend lebenden Geistgestalten mit der Frage an: »Wo wollt Ihr hin?«

»Der Bursche ist heute Abend gestorben und wir tragen ihn in die Totenkammer«, war die Antwort.

In diesem Augenblick fiel es mir von den Augen wie Schuppen. Die ganze Erscheinung stand nun in ihrer natürlichen Gestalt vor mir da, sobald mir nur einfiel, dass das Regiment des Herzogs von Braunschweig, welches damals auch in Breslau stand, sein Lazarett ebenfalls in dem Kloster hatte. Hier war am Abend ein Kranker gestorben, die Leiche wurde in der Nacht in die sogenannte Totenkammer, ein neben dem Kreuzgang befindliches Zimmer gebracht, wo die Leichen bis zur Beerdigung aufbewahrt wurden. Es war nach dem schwülen Tag selbst noch in der Nacht warm, daher hatten sich die Träger aller überflüssigen Kleidungsstücke sich entledigt und erschienen in weißen Hemden, weißen leinenen Beinkleidern, Schlafmützen und weißen Strümpfen. Die Schuhe hatten sie entweder aus Achtung vor den übrigen Bewohnern des Klosters, um sie im Schlaf nicht zu stören oder aus Ökonomie ausgezogen, weshalb ich ihre Tritte nicht hören konnte. Eine kleine hellbrennende Handlaterne stand auf der Bahre zu den Füßen des Leichnams, wurde mir aber durch diesen und den vorderen Träger verdeckt, sodass ich nur das schwache Licht, welches sie verbreitete, wahrnehmen konnte.