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Ein Ostseepirat Band 1 – Das Herzensgeheimnis

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman
Erster Band
XXIV.

Das Herzensgeheimnis

Es kommt selten ein Unglück allein. Nach der Feuersbrunst im Dorf Kloster während der Nacht war das Zusammentreffen der feindlichen Schiffe bei Hiddengee als ein Unglück anzusehen.

Erschreckt eilten sowohl die Bewohner der Insel als auch die von Wittow zu den höheren Punkten des Landes oder an den Strand, als sich das regelmäßige Rollen der Salven über Land und See wälzte.

Vielleicht, dass es einigen von ihnen ein interessan­tes Schauspiel bot, ein paar Schiffe im Kampf zu sehen; doch die meisten standen bleich und starr da und eilten auch wieder in Sicherheit zu kommen, als einzelne Kugeln bei den verschiedenen Wendungen der Schiffe in der Nähe der Gruppen einschlugen.

Dalström war sicher ein tüchtiger Seemann, doch der alte Swieten tat ihm gewiss in keiner Hinsicht nach. Die Beschädigung des Schoners machte höchstens die Schiffe gleich, da die Brigg bei Weitem schwerer als jener war.

Einen Vorteil hatte jedoch Swieten für sich, und dieser bestand in seinen besseren oder vielmehr stär­keren Geschützen.

Bekanntlich sind die eigentlichen Schiffskanonen schwächer konstruiert als die Feldgeschütze und können daher auch nur mit schwächerer Ladung versehen werden.

Swieten benutzte diesen Umstand aufs Beste und seine Kolberger Jungen pfefferten die Mörser voll bis zur Mündung. Jede treffende Kugel ging daher durch die Brigg und bald hatte dieselbe eine Wunde zwischen Wind und Wasser.

Zum Überfluss riss auch noch eines jener mörde­rischen Geschosse, deren Anwendung heute als völker­rechtwidrig gilt, die jedoch zu jener Zeit allgemein in Gebrauch waren, sogenannte Kettenkugeln, den Toppmast weg. Dalström sah sich genötigt, das Feuer einzustellen. Da sich die Pumpen zur Fort­schaffung des eindringenden Wassers nicht als genügend erwiesen, ließ er die Brigg gegen den Strand laufen.

Swieten ließ ebenfalls mit Feuern einhalten, kommandierte jedoch einen Teil der Mannschaft in die Boote, um den vermutlich an Land festgenommenen Kapitän zu befreien. Vierzig bewaffnete Männer stießen zu diesem Zweck ab und ruderten dem Strand zu.

Inzwischen hatte sich die im Gesellschaftssaal von Grieben begonnene Szene weiter entwickelt. Mut­ter und Schwester waren der ohnmächtigen Clara bei­gesprungen, einige eindringende Leute des Majors versuchten sie zu unterstützen.

»Ist das wahr!«, rief dagegen der Major, »sind Sie … heißen Sie Jacobson?«

»Ja, ich bin es!«, entgegnete der Freischiffer, sich stolz emporrichtend, »ich führe als Peter Jacobson Krieg auf Leben und Tod mit Schweden, doch mit niemand anders, denn ich bin kein Seeräuber. Keine Nation nennt mich so wie die des Herrn hier.«

»Welche Schmach!«, murmelte der Major.

Der Prediger bekreuzigte sich.

Jacobson blickte beide mit einem leichten Lächeln an und wendete sich wieder zu Staelswerd, der, die Hand an das Gefäß seines Säbels gelegt, dastand.

»Nun, Herr«, fragte der Baron, »werden Sie gutwillig folgen?«

»Nein!«, sagte Jacobson bestimmt, »aber ich will Ihnen einen Vorschlag machen, der uns wenigstens aus dieser Situation zu bringen geeignet ist und den Herrschaften hier weitere unangenehme Szenen erspart.«

»Ich darf von Euch keine Vorschläge anhören, noch weniger annehmen!«, erwiderte der Baron stolz.

»Das Letztere steht in Ihrem Belieben«, antwor­tete Jacobson ruhig. »Doch hören werden Sie, mein Herr. Dessen Schiff draußen siegt, der möge auch den Kapitän des Besiegten als seinen Gefangenen betrach­ten, und sollte ich in dieser Lage sein, so ist Ihnen sofort Ihre Freiheit gewährleistet!«

Der Baron errötete dunkel über das ganze Ant­litz und schoss zornige Blicke auf den Sprecher.

»Ein Pirat muss stets dem bewaffneten Schiff der Marine unterliegen!«, sagte er stolz. »Es helfen Euch keine Ausflüchte weiter, das Haus ist besetzt, folgt mir!«

Der Major hustete; er betrachtete den Freibeuter mit scheuen Blicken, doch bei alledem schien es, als ob plötzlich in ihm etwas zu dessen Gunsten spreche. Er warf einen scharfen Blick auf den Baron.

»Mein friedliches Haus hätte eigentlich nicht zum Tummelplatz des Krieges werden sollen!«, sagte er, »und ich glaube ein Recht zu haben, beide Herren zu bitten, dieser Szene ein Ende zu machen!«

»Wohl, Herr Major!«, antwortete Jacobson, »jener Herr behauptet Rücksicht auf Sie genommen zu haben. Ich tue dies auch, denn Peter Jacobson hätte schon längst ein anderes Wort mit seinem Gegner gesprochen!«

»Herr, Gott im Himmel, sei uns gnädig und beuge den harten Sinn dieser wilden Männer!«, betete der gute Huldrich, jedoch ohne Erfolg.

Jacobson machte schon, während er sprach, eine Bewegung, als wolle er der Tür zueilen. Baron Staelswerd kam ihm indessen zuvor und riss jene auf, wodurch ein halbes Dutzend bewaffneter Matrosen sichtbar wurde, denen er einen Wink gab, einzutreten. Ein lauter Schrei mischte sich in das Geräusch ihrer Tritte.

Clara war vor Schreck ohnmächtig geworden, doch der Schrecken wirkte auch noch während ihres bewusstlosen Zustandes nach. Sie erwachte aus demselben, als man sie eben hinausführen wollte. Ihr irrer Blick fiel sofort auf die eintretenden Seeleute, deren Erscheinen ihr jenen Schrei auspresste. Dann jedoch riss sie sich mit stürmischer Hast los und eilte auf Jacobson zu.

»Kapitän Dyk!«, rief das halb aufgeregte, halb entsetzte Mädchen, »oder wie Sie sonst heißen mögen. Sie sind kein Seeräuber, kein Pirat, nein, Sie sind es nicht. Ein Mann, der wie Sie zu handeln vermag, kann kein Bösewicht sein!«

»Clara!«, rief der Vater.

»Clara!«, mahnte auch die Mutter.

»Gnädiges Fräulein!«, sagte der Prediger mit noch immer gefalteten Händen.

»,Sie haben recht, Fräulein Clara!«, antwortete der Kapitän, »ich bin kein Bösewicht, obwohl die Bezeichnung meines Treibens sich der Wahrheit nä­hert. Erinnern Sie sich dessen, was ich zu Ihnen bei unserem Abschied sagte!«

»Ich wünschte einen Augenblick, Sie wären wirt­lich ertrunken!«, rief das Mädchen mit einer flammenden Röte im Gesicht. » Aber hier meine Hand, Sie mögen sein, wer Sie wollen und was Sie wollen. Ich werde nie vergessen, was ich und wir Ihnen schul­dig sind, was Sie überhaupt für Ihre Mitmenschen getan haben!«

Der Kapitän hatte die ihm gereichte Hand genommen, um sie an seine Lippen zu bringen; und wenn gesagt wird, das neues Entsetzen alle bei dieser Bewegung erfüllte, so ist dies nicht zu viel behauptet.

Die Eltern und die Schwester wurden ganz starr, als Clara den Gebrandmarkten berührte. Der Baron dagegen wurde blass wie eine Leiche. Nun erkannte er, wem er in der Gunst der jungen Dame nachstehen musste, und wie sehr dies seinen Stolz verletzen musste, ist begreiflich.

Doch die Szenen sollten heute einmal schnell wechseln, ein heftiger Eindruck stets den anderen jagen. Ehe noch jemand eine Bemerkung zu machen imstande war, drängte sich der Verwalter des Majors durch die an der Tür befindlichen Matrosen.

»Der Schoner hat gesiegt!«, rief der Mann. »Die Brigg ist entmastet und jagt dem Strand zu. Die Piraten kommen in Booten an das Land, vielleicht werden sie plündern!« Alle starrten den Sprecher verdutzt an, die Schwestern erbleichten, nur Jacobson lächelte.

»So werden Sie auch noch sogar meinen Vorschlag annehmen müssen, Herr Baron«, sagte er ruhig, »fürchten Sie nicht vor meinen Leuten, sie werden niemand ein Haar krümmen, der sie nicht angreift. Leben Sie wohl, Herr Major, vielleicht werden Sie noch besser über mich denken!«

Der Kapitän verbeugte sich nach diesen Worten und schritt hinaus. Niemand versuchte ihn aufzuhalten.

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