Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Aus dem Wigwam – Wawanosch und seine Tochter

Karl Knortz
Aus dem Wigwam
Uralte und neue Märchen und Sagen der nordamerikanischen Indianer
Otto Spamer Verlag. Leipzig. 1880

Noch vierzig Sagen
Mitgeteilt vom Navajohäuptling El Zol

Wawanosch und seine Tochter

or vielen Jahren lebte am Ufer des Superiorsees ein Tschippewä-Krieger, namens Wawanosch. Er stammte aus einer sehr berühmten Familie und hatte sich auch selber durch kühne Taten seinen Vorfahren würdig gezeigt.

Wawanosch war ein großer, stattlicher Mann, wegen seiner Stärke und Kriegstüchtigkeit allgemein bekannt und geehrt, weshalb man ihm auch gern in den Ratsversammlungen das erste Wort ließ.

Er hatte eine einzige Tochter, ein schönes Mädchen von achtzehn Som­mern, das von einem jungen Mann zur Ehe begehrt wurde.

»Höre, junger Mann«, sagte Wawanosch zu ihm, »meine Tochter ist die Freude meines Alters und ich kann sie nur demjenigen zur Frau geben, der an Ruhm ihrem Vater gleichkommt. Welcher Taten aber kannst du dich bisher rühmen? Hast du dich je auf dem Schlachtfeld ausgezeichnet und Be­weise deiner Tapferkeit nach Hause gebracht? Ist dein Name auch außerhalb unseres Dorfes bekannt? Gehe also zuerst hin und zeichne dich aus, denn vorher kann ich dich unmöglich als Schwiegersohn anerkennen.«

Der junge Mann ging fort und beschloss, entweder auf dem Kriegspfad zu sterben oder der Schwiegersohn von Wawanosch zu werden. Er versam­melte seine Kameraden um sich und beredete sie zu einem Überfall auf die Dakota. Alle notwendigen Vorbereitungen wurden getroffen und am Abend vor der Abreise hielten sie einen feierlichen Kriegstanz. Dann nahm der Führer Abschied von seiner Geliebten und sagte, dass, obwohl seine Träume nicht ermutigend gewesen seien, er doch den Großen Geist durch Bitten und Flehen bewegen würde, ihm seine Gunst zuzuwenden.

Das Mädchen hörte lange Zeit nichts von ihm. Als sie endlich Nach­richt bekam, war dieselbe keine tröstliche. Ihr Geliebter hatte sich als der Tapferste von allen bewiesen. Er hatte eine Masse Skalpe erbeutet, auf der Heimreise aber war er meuchlings getötet worden.

Im Wigwam von Wawanosch, wo man sonst nur Singen und Scherzen hörte, hörte man nun nur Stöhnen und Wehklagen. Das Mädchen wurde von Tag zu Tag bleicher, mied jede frohe Gesellschaft und saß den ganzen Tag allein unter einem Baum vor ihrer Hütte. Auf diesem Baum saß ein Vogel, wie man ihn bisher noch nie gesehen hatte. Derselbe unterhielt sie mit seinen süßen Liedern und sie glaubte, es sei der Geist ihres Geliebten.

Zuletzt wurde sie krank. Und da ihr kein Medizinmann mehr helfen konnte, sang sie ihren Sterbegesang und verschied.

Der Vogel wurde nach ihrem Tod nicht mehr gesehen und die Leute meinten, er sei mit ihrem Geist davongeflogen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert