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Die Sternkammer – Band 3 – Kapitel 12

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 3
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Zwölftes Kapitel

Das Turnier

Nachdem alle Mitbewerber um den Preis auf dem Platz ihr Glück versucht hatten, wurde Sir Jocelyn zum Sieger erklärt. Der Ring wurde von dem Grafen von Pembroke und Lord Mordaunt davongetragen, aber nach dem Ausspruch der Marschälle zeigte keiner von diesen Edelleuten so viel Grazie und Geschicklichkeit wie Mounchensey. Die Entscheidung wurde vom König bestätigt.

Der Beifall, der bei der Ankündigung, dass unser schöner junger Ritter den ersten Preis gewonnen habe, über den Turnierplatz erscholl, erhöhte die Bitterkeit der Gefühle Buckinghams gegen ihn. Er sprach in leisem Ton gegen Sir Giles Mompesson sein Bedauern aus, dass es nur ein Kampf zum Vergnügen und nicht auf Leben oder Tod sei.

Statt der Antwort lächelte Sir Giles grimmig.

Eine kurze Zeit verging, während welcher Vorbereitungen zum Turnier gemacht wurden. Es herrschte eine große Aufregung in der Versammlung.

Der König fragte lachend den spanischen Gesandten, ob er noch gewiss sei, die Wette zu gewinnen, worauf Gondomar antwortete, er habe in dieser Hinsicht nicht die geringste Furcht, aber nun sei er mehr als je überzeugt, dass der Erfolg des Kampfes seine Erwartungen rechtfertigen werde. Auf der Damengalerie zeigte sich ein ungewöhnliches Interesse an dem, was vorging. Mancher Wunsch wurde von den schönen Damen für Mounchensey ausgesprochen.

Endlich ertönten die Trompeten und man hörte den Ruf der Herolde, welche die Streiter, als sie sich vorbereiteten, wild aufeinander loszurennen, aufforderten, tapfer ihre Pflicht zu tun, da glänzende Augen auf sie niederblickten. Dieser Antrieb zur Tapferkeit wäre kaum nötig, denn die Ritter waren begierig, ihre Tapferkeit zu beweisen . Einzeln unter ihren Gerüsten hervorgehend und die Ungeduld ihrer Rosse zügelnd, bis sie von den Marschällen die Erlaubnis erhielten, eilten sie mit Blitzesschnelle vorwärts, um einander in der Mitte der Bahn mit donnerndem Zusammenstoß zu begegnen. Der Erfolg der Streiter war verschieden, aber im Ganzen war der Vorteil offenbar auf Seiten des Herzogs von Lennor, von dessen Partei keiner eine wesentliche Niederlage erlitten hatte, während auf der Seite des Prinzen Karl die Grafen von Montgomery und Rutland von ihren Pferden gestürzt waren.

Das Interesse der Zuschauer wurde bis zuletzt in atemloser Erwartung gehalten, denn es war angeordnet worden, dass das Turnier mit einem Kampf zwischen Buckingham und Mounchensey enden solle.

Als daher die Trompeten zum siebenten und letzten Mal ertönten und die beiden Ritter sich einander gegenüberstellten, war jeder Blick lebhaft auf sie gerichtet.

Nie schienen zwei Gegner einander vollkommener gewachsen wie sie; und es wäre vergebens gewesen, auf dem ganzen Feld ein von der Natur gleichbegabtes Paar zu finden, denn beide waren Muster der männlichen Schönheit hinsichtlich der Gesichtszüge und der Symmetrie des Wuchses. Sie waren einander fast gangähnlich an Gestalt und Größe. Wenn ihre Rüstung ähnlich und ihre Pferde von gleicher Farbe gewesen wären, hätte man sie fast nicht unterscheiden können. In einer Hinsicht stellte Buckingham eine edlere Figur dar wegen seines flatternden Federbusches, seiner eingelegten Rüstung und der prächtigen Decken seines Renners, aber an Anmut und ritterlichem Wesen sah ihm sein Gegner völlig gleich.

Als sie von den Trompeten aufgefordert wurden, machten die beiden Kämpfer eine halbe Volte und standen dann, jeder an seinem Ende der Schranken, völlig ruhig. Dann wählte jeder seine Lanze aus einer Menge Lanzen, die ihm von den Knappen dargereicht wurden, und schlossen dann ihre Visiere, die bis dahin offen gewesen waren.

Als sie sie in Bereitschaft sahen, gaben die Herolde das Zeichen zum Angriff. Wie Donnerkeile aufeinander losstürmend, begegneten sie einander in der Mitte der Rennbahn. Der Zusammenstoß war furchtbar und mancher Schrei entfuhr den weiblichen Lippen, während die mehr abgehärteten Zuschauer lauten Beifallsruf hören ließen.

Beide Lanzen zersplitterten, aber der Erfolg des Zusammentreffens war auf beiden Seiten verschieden. Mounchensey behauptete fest seinen Sitz im Sattel, obwohl sein Pferd durch den Stoß seines Gegners, der seine Halsberge traf, zurückgedrängt wurde. Mit aller Leichtigkeit, Kraft und Anmut weiterreitend, die unser junger Ritter schon vorher gezeigt hatte, warf er das abgebrochene Ende seiner Lanze nieder und öffnete seinen Panzerhandschuh, um zu zeigen, dass seine Hand gänzlich unverletzt sei.

Anders erging es Buckingham, dessen Niederlage nicht infrage zu ziehen war. Seines Helmes beraubt und vom Pferd geworfen, rollte er in den Staub. Als er wieder aufsprang, hatte er die Kränkung, den betäubenden Zuruf zu hören, womit der Sieg seines Gegners begrüßt wurde. Um seine Verwirrung zu verbergen, schwang er sich wieder auf sein Ross, welches ihm von einem Knappen gebracht wurde. Die Seiten des Tieres zitterten und es dampfte von dem schrecklichen Zusammentreffen. Er galoppierte mit sehr gedemütigtem Stolz unter das Gerüst, welches er eben erst verlassen hatte.

Während der geschlagene Günstling sich zurückzog, um sich wieder zu fassen, ritt Sir Jocelyn langsam auf die königliche Galerie zu. Da er nun sein Visier erhoben hatte, waren seine Gesichtszüge vollkommen zu sehen und vielleicht nie zeigten sie sich vorteilhafter, wie in diesem stolzen und glücklichen Augenblick. Seine Regungen waren in der Tat beneidenswert – aber eins fehlte, um seine Freude vollkommen zu machen – die Gegenwart derjenigen, vor welcher er sich besonders auszuzeichnen wünschte. Was lag ihm daran, dass die schönsten Damen des Landes ihm mit Schärpen und Tüchern zuwehten? Was lag ihm daran, dass sein Name laut genannt wurde und dass Handschuhe und Bandschleifen zu seinen Füßen niederfielen, als er an der Damengalerie vorüberritt? Lächeln und Blicke rührten sein Herz nicht. Er blieb nicht stehen, um eins von den Geschenken aufzuheben, womit er überhäuft wurde.

Doch was bedeutete diese plötzliche Veränderung in seinem Benehmen? Warum stutzte er und hielt an? Warum blickte er forschend in den Hintergrund der Galerie? Wen unterschied er unter dieser Menge von Schönen? Sollte es Aveline sein? Und wenn das so war, wie kam sie dorthin?

Während er stehen blieb, wendeten sich die Blicke aller zu der, auf die seine Augen gerichtet waren. Es fiel nicht schwer, den Gegenstand seiner Blicke zu entdecken, denn ihr Kleid war einfacher als das all jener schillernden Damen um sie her und von düsterer Farbe.

Schon ihre Verwirrung verriet sie. Sie mochte nicht gesehen werden von dem, den sie sehen wollte. Sie konnte ihr Gesicht verhüllen, aber es war zu spät und sie nicht nur völlig seinen Blicken ausgesetzt, sondern auch hundert anderen neugierigen Augen. Obwohl manches hochgeborene Fräulein sich über des jungen Ritters Unempfindlichkeit gegen ihre eigenen höheren Reize wunderte, so konnte doch keine leugnen, dass das unbekannte Mädchen ausnehmend schön war. Von allen Seiten fragte man lebhaft, wer sie wohl sein möge. Niemand konnte die Frage beantworten – und ihre Begleiterin löste auch das Rätsel nicht, denn die ältliche Dame, die sie bei sich hatte und die einer Duenna glich, war ebenfalls allen unbekannt.

Sobald Sir Jocelyn sich von seiner Überraschung erholt hat, bat er die Dame um ein Liebeszeichen und sie konnte es ihm nicht verweigern, denn sogleich machten ihr alle Damen auf der Galerie Platz, um sie vortreten zu lassen. Ihre blassen Wangen von Erröten übergossen und ihre dunklen Augen von gemischten Regungen der Scham und des Vergnügens sprühend, trat Aveline vor. Da sie ihrem Ritter kein anderes Geschenk zu geben hatte, so warf sie ihm ihr Taschentuch zu, welches er an seine Lippen drückte und nach einem graziösen Gruß seinen Weg fortsetzte. Dies war keine Zeit zu Erklärungen, er musste mit seinem Glück zufrieden sein, ohne zu fragen, wie er es erlangt hatte.

Der Umstand wurde indessen allgemein bekannt und verursachte viele Mutmaßungen unter der weiblichen Versammlung. Ein Mann aber war mit sehr verschiedenen Empfindungen von denen der übrigen Beobachter Zeuge dieser Szene. Dies war Sir Giles Mompesson. Ihm schien Avelines Gegenwart beim Turnier nicht unbekannt gewesen zu sein, obwohl er nicht erwartete, dass Sir Jocelyn sie auf diese Weise entdecken werde. Ein bitteres Lächeln umschwebte seine Lippen, als er die beiden beobachtete. Es lag ihm nichts daran, welches Entzücken sie nun empfanden und welche Hoffnungen sie für die Zukunft hegten. Er nahm sich vor, ihr Glück völlig zu zerstören.

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