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Der Welt-Detektiv Band 6

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Abenteuer des Captains Bonneville 49

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Achundvierzigstes Kapitel

Ein festlicher Winter – Bekehrung der Shoshone – Fröhlichkeit im Lager – Ein Zug von zärtlicher Zuneigung – Die wieder in Anspruch genommene Squaw. – Eine indianische vornehme Dame – Ein Nachsetzen – Marktpreis einer bösen Frau

Wild hatten sie den ganzen Winter hindurch im Überfluss und das Lager war reichlich mit Vorräten versehen. Rindfleisch und Hochwildbret, Rücken- und Lendenstücke, Büffelzungen und Markknochen wurden beständig an allen Feuern gekocht und gebraten. Die Luft war beständig mit dem Wohlgeruch der Rostbraten angefüllt. Es war in der Tat ein beständiger Schmaus von fetten Bissen. Wenn auch der Lagerwein dabei fehlte, so haben wir doch gezeigt, dass sich bisweilen ein Ersatz dafür in Honig und Weingeist fand.

Beide, sowohl die Shoshone als auch die Etiwan, benahmen sich mit großer Schicklichkeit. Es ist wahr, dass sie ihren guten Freunden, den großherzigen Menschen einige Kleinigkeiten stahlen, wenn sie den Rücken verwendeten, allein ins Gesicht bezeigten sie ihnen die äußerste Achtung und Ehrerbietung und überboten die Trapper in allen Arten geschäftiger Gefälligkeit und lustigen Spielen. Die beiden Stämme behielten, gegeneinander über, eine friedliche Stellung, was den Captain hoffen ließ, dass alle frühere Erbitterung aufgehört habe.

Die beiden wetteifernden Horden hatten sich aber noch nicht lange auf diese gesellige Weise vereint, als ihre frühere Eifersucht in einer neuen Gestalt erwachte. Der oberste Häuptling der Shoshone war ein nachdenkender, einsichtsvoller Mann. Er war unter den Nez Percés gewesen, hatte ihre neuen, von den Weißen erhaltenen moralischen und religiösen Vorschriften beobachtet und ihren gottesdienstlichen Übungen beigewohnt. Er hatte die Wirkung hiervon in der Achtung gesehen, worin der Stamm bei den Weißen gestiegen war, und hatte den Entschluss gefasst, seinem eigenen Stamm eine Überlegenheit über ihre unwissenden Nebenbuhler, die Etiwan, durch dieselben Mittel zu verschaffen.

Er versammelte daher sein Volk und verkündigte demselben die Zwitterlehren und gottesdienstlichen Formen der Nez Percés, die er ihnen zur Annahme empfahl. Die Shoshone, denen wenigstens die Neuheit der Sache auffiel, traten dem Vorschlag mit Eifer bei. Sie fingen an, die Sonn- und Festtage zu feiern, an denselben feierliche andächtige Tänze aufzuführen, Gesänge anzustimmen und andere fromme Riten zu vollziehen, von welchen die unwissenden Etiwan nichts wussten, die es ihnen nur im Schießen, Reiten und dem berühmten Handspiele gleich zu tun suchten.

So standen die Sachen im Lager auf einem vergnügten und gedeihlichen Fuß, in dieser bunten Vereinigung von weißen und roten Menschen, als eines Morgens zwei rüstige, freie Trapper, die sich nach Art der Wilden äußerst herausgeputzt hatten und Pferde ritten, die ebenso aufgeputzt und mutig, wie sie waren, voller Falkenschellen, klirrend und klingelnd, mit tollem Jauchzen und Schreien in das Lager sprengten.

Sie kamen eben erst aus dem Winterlager der American Fur Company im Green River Valley und waren gekommen, um ihren alten Kameraden von Capitain Bonnevilles Brigade einen Besuch abzustatten. Man kann sich aus den bereits beschriebenen Gelagen der Wildnis leicht einen Begriff von der Weise machen, womit diese Strichvögel von jenen ihres Gelichters in dem Lager empfangen wurden; welche Schmausereien und Schwelgereien, welch ein Aufschneiden und Prahlen, Schwatzen, Jubeln, Wettrennen und Spielen, Streiten und Balgen unter den Herzensbrüdern erfolgte. Wohl hielt Capitain Bonneville einen gewissen Grad der Ordnung und der Subordination in seinem Lager aufrecht und unterdrückte jede zu weit getriebene Ausschweifung; allein die Trapper machen in dieser Zeit des Müßigganges und der Erholung auf eine gewisse Nachsicht und Ungebundenheit Anspruch, um sich für die langen Beraubungen und fast unglaublichen Strapazen zu entschädigen, die sie im aktiven Dienst erduldet haben.

Mitten in diesen fröhlichen Schmausereien kam ein Zug von Zärtlichkeit vor, der die Szene gänzlich umgestaltete. Unter den indianischen Schönen der Etiwan und Shoshone entdeckten die freien Trapper zwei, die vormals die Rolle ihrer Frauen gespielt hatten. Dergleichen Verbindungen dauern häufig nur eine gewisse Zeit, bisweilen auch jahrelang, wo nicht beständig, werden aber öfters abgebrochen, wenn der Biberfänger auf eine ferne und beschwerliche Expedition ausgehen muss.

Im gegenwärtigen Fall waren diese wilden Gesellen sehr verlegen, ihre Schönen wiederzuerhalten, auch Letztere gar nicht abgeneigt, sich noch einmal unter ihren Schutz zu begeben. Der freie Trapper vereinigt in den Augen eines indianischen Mädchens alles, was Vorzügliches und Heroisches an einem Krieger ihrer eigenen Nation sein kann, dessen Gang und Tracht er nachahmt und mit dessen Tapferkeit er wetteifert, mit allem, was brav und rühmlich an einem weißen Menschen ist. Die Nachsicht, womit er sie überdies behandelt, der Staat, mit dem er sie herausputzt, das Regiment, das sie über seine Person und seinen Beutel führt, statt das Packpferd und die Sklavin eines Indianers zu sein, genötigt sein Gepäck zu tragen, seine Zelthütte aufzuschlagen, sein Feuer anzumachen und seine mürrische Laune und Schläge zu ertragen; dies alles lässt in den Augen einer Anspruch machenden Schöne der Wildnis keinen Vergleich zwischen einem freien Trapper und einem indianischen Krieger zu.

Hinsichtlich des einen Teils der beiden Partien war die Sache bald in Ordnung gebracht. Die berühmte Schönheit war eine verschmitzte kleine Etiwan, die auf einem kriegerischen Streifzug von den Shoshone gefangen genommen worden war. Sie wurde gegen einige Artikel von geringem Wert leicht losgekauft und ließ sich hinfort, schön herausgeputzt, im Lager sehen, mit Ringen an den Fingern, Schellen an den Schuhen und einer aufgeblasenen, koketten Miene, die den Neid, die Bewunderung und den Abscheu aller in Leder gekleideter, mit schwerer Arbeit geplagter Squaws ihrer Bekanntschaft erregten.

Was die andere Schönheit anbelangt, so war dies eine ganz verschiedene Sache. Sie war die Frau eines Kriegers der Shoshone geworden. Er hatte eine andere Frau von einem etwas älteren Dato wie sie, die also den Oberbefehl in der Haushaltung führte und seine neue Frau Gemahlin wie eine Sklavin behandelte, allein die Letztere war die Frau seiner letzten Wahl und Laune und war ihm daher teuer in seinen Augen. Ein Versuch, sie ihm abzuhandeln, war daher vergeblich, der Vorschlag sogar wurde zornig und mit Verachtung abgewiesen. Die Begierde des Biberfängers wurde dadurch nur gereizt, sein Stolz war gekränkt worden und seine Leidenschaft erwacht. Er bemühte sich, seine ehemalige Geliebte zu vermögen, mit ihm zu entfliehen. Die Pferde wären flink, die Winternächte lang und dunkel, vor Tagesanbruch könnten sie so weit sein, dass es unmöglich wäre, sie einzuholen. Und wären sie einmal im Lager im Green River Valley angelangt, dann könnten sie der ganzen Shoshone-Horde trotzen.

Die Indianerin horchte und verlangte. Sie sehnte sich nach dem Wohlleben und der glänzenden Lage einer Trapperfrau und von dem Zwang befreit zu sein, den ihr der Eigensinn der älteren Squaw auflegte. Sie fürchtete sich aber vor dem Misslingen ihres Planes und der Wut ihres Mannes, des Shoshone. Sie trennten sich, die Indianerin in Tränen, und der Tollkopf von Trapper erhitzter von seiner Leidenschaft denn je.

Ihre Zusammenkünfte waren wahrscheinlich entdeckt und die Eifersucht des Shoshone-Kriegers aufgeregt worden; man hörte in seiner Hütte zornige Stimmen, hörte deutlich schlagen und eine Frau schreien und weinen. Nachts, als sich der Trapper auf seinem Lager hin und her wälzte, vernahm er eine leise Stimme, die ihm an seiner Zelthüttentür zurief. Seine Geliebte stand zitternd vor ihm, sie war bereit ihm zu folgen, wohin er sie führen würde.

Im Nu war er auf und draußen. Er hatte zwei gute, sichere, schnelle und ausdauernde Pferde. Verstohlen wurden sie herbeigebracht und gesattelt. In wenigen Minuten entfloh er mit seiner Prise über den Schnee, womit das ganze Land bedeckt war. In ihrer Eile wegzukommen, hatten sie keine Lebensmittel auf die Weise mitgenommen. Sie brauchten mehrere Tage, um in Sicherheit zu sein, und mussten über Gebirge und Prärien, die in winterlicher Öde dalagen. Für den Augenblick dachten sie an nichts als an die Flucht; ihre Pferde über die Schneewüsten forttreibend und in der Einbildung, in dem Heulen eines jeden Windstoßes das Schreien ihrer Verfolger zu vernehmen wähnend.

Bei Tagesanbruch wurde der Shoshone seinen Verlust gewahr. Er schwang sich auf sein schnellstes Pferd, um ihnen eiligst nachzusetzen. Er fand bald die Spur der Flüchtigen und spornte drauf los, in der Hoffnung, sie einzuholen. Die durch das Tal wehende Winde hatten jedoch die hinterlassene Spur der Hufe verweht.

Er kannte aber die Lage des Lagers, auf welches sie zuritten, und den direkten Weg durch die Gebirge, auf dem er eher als die Flüchtigen dort ankommen konnte. Durch die rauesten Engpässe eilte er demnach Tag und Nacht fort, sodass er sich kaum einem Halt zu machen erlaubte, bis er das Lager erreichte.

Dies geschah einige Zeit, ehe die Flüchtigen ankamen. Sechs Tage lang waren sie auf dem Weg durch die beschneiten Wildnis gewesen. Sie kamen abgezehrt von Hunger und Ermüdung, ihre Pferde brachen fast unter ihnen zusammen. Der erste Mensch, auf den ihre Blicke fielen, als sie ins Lager kamen, war der Krieger der Shoshone. Er stürzte, das Messer in der Hand, auf sie zu, um das Herz derjenigen zu durchbohren, welche die Falsche gegen ihn gespielt hatte. Der Trapper deckte die sich niederduckende Schöne mit seinem Körper und bereitete sich, schwach wie er war, zu einem Kampf auf Tod und Leben. Der Shoshone stutzte. Seine gewohnte Scheu vor den weißen Menschen hielt seinen Arm zurück; die Freunde des Trappers nahmen ihn fest.

Man unterhandelte. Es fand eine Conversatio criminalis, ein schiedsrichterlicher Vergleich in Scheidungssachen, statt, wie solches häufig im zivilisierten Leben geschieht. Man erklärte, dass ein Paar Pferde ein hinlänglicher Ersatz für eine Frau seien, die vorher schon ihr Herz verloren habe. Der Shoshone-Krieger war gezwungen, hiermit seine Leidenschaft zu beschwichtigen. Er kehrte etwas niedergeschlagen in Captain Bonnevilles Lager zurück, wich aber den dienstfertigen Beileidsbezeigungen seiner Freunde mit der Bemerkung aus, dass zwei gute Pferde eine gute Bezahlung für eine böses Frau wären.

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