Heftroman der Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Nick Carter – Inez Navarro, der weibliche Dämon – Kapitel 9

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Inez Navarro, der weibliche Dämon
Ein Detektivroman

Die geheime Tür

Die durch den Zwischenfall so seltsam veränderte Lage war dem in seinem Versteck wieder zusammengekauert liegenden Detektiv ohne Weiteres klar geworden. Patsy, der irgendwo in der Straße versteckt gelegen hatte, hatte kaum wahrgenommen, dass die beiden Haustüren nur angelehnt waren, als er auch schon der Versuchung nicht hatte widerstehen können, sich ins Haus zu schleichen und dieses auf eigene Rechnung und Gefahr ein wenig zu durchsuchen. Auf diese Weise war er in die für seinen Chef bereitgestellte Falle getappt.

Das war Pech, soweit es Patsy betraf; doch für Nick Carter war es ein halber Glücksfall. Mussten doch nun Inez und deren Begleiter annehmen, dass von Anfang an Patsy den Störenfried gespielt und Nick Carter nicht daran gedacht hatte, den nächtlichen Frieden der Hausbewohner zu stören.

Doch der Detektiv sollte nur zu bald gewahren müssen, dass der schöne Dämon ihm voll und ganz gewachsen war.

Sobald Pancho, ein großer und starker Mann, mit seinem Gefangenen im Zimmer erschien und diesen, nachdem er ihm alle Waffen abgenommen hatte, in einen großen Lehnstuhl gesetzt hatte, trat auch schon Inez auf ihn zu und fragte in scharfem Ton: »Wo befindet sich Nick Carter, Euer Herr und Meister?«

»Soll ich meines Meisters Hüter sein?«, entgegnete Patsy spöttisch.

Inez wendete sich betroffen an ihren Kumpan. »Der Kindskopf da hat eben erst das Haus betreten und ist plump in die Falle getappt! Er ist nicht der, dessen untere Körperhälfte wir in der Kleidernische gesehen haben. Nick Carter muss sich noch im Haus befinden!«

»Das scheint mir allerdings auch so.«

»Geh und verschließe die Tür!«

»All right, Inez, doch Nick Carter tappt nicht in die Falle, zumal er jedenfalls alles gehört hat, was sich inzwischen ereignete«, gab Pancho zu bedenken.

Das Mädchen stampfte zornig auf.

»Was mir daran liegt – nichts, rein gar nichts! Dieser Nick Carter mag das Haus verlassen, wie er es betreten hat – er mag meinethalben zum Teufel gehen – mir liegt nichts daran. Ich wünsche nur den Jüngling hier zu verhören – und im Übrigen«, setzte sie mit erhobener Stimme hinzu, sodass diese durch das ganze stille Haus dringen musste, »möchte ich nur wünschen, Nick Carter stände an der Tür und lauschte auf jedes unserer Worte. Dann würde er sich bald bemerkbar machen und sich beeilen, Frieden mit uns zu schließen – falls er nämlich seine Kreatur da retten will, denn das Knäblein da soll für seine Dreistigkeit zu Tode gemartert werden, eines grässlichen Todes sterben, macht sein Herr nicht Frieden mit uns!«

Sie wendete sich mit in die Seiten gestemmten Armen an den Gefangenen. »Nun, mein Bübchen – wie denkst du darüber?«, fragte sie höhnisch.

»Oha, ich denke gar nichts – das ist am allerbequemsten!«, gab Patsy grob zurück. Er hatte seinen Witz und seine Geistesgegenwart gleichmäßig zurückgefunden und lachte über die Drohungen.

»Warte nur, Bübchen!«, zischte der schöne Dämon. »Ich werde deinem schwerfälligen Hirn aufhelfen und dich zum Sprechen bringen, ehe wir beide miteinander fertig sind.«

»Mag sein, denn wir beide sind erst miteinander fertig, wenn Ihr Schatz auf den elektrischen Stuhl steigt und Sie ihm vielleicht nachfolgen«, meinte Patsy bedeutungsvoll.

»Schau, schau, was für ein witziges Jüngelchen du bist!«, höhnte die schöne Inez wieder. »Und doch warst du nicht gewitzt genug, um mich beschatten zu können, hahaha!«

»Hol Sie der Teufel!«, stammelte Patsy voll ehrlichen Ingrimms. »Das heißt, wie Sie es angestellt haben, mich zu übertölpeln, das möchte ich doch gern wissen … die Schande ist zu groß, von einem Frauenzimmer angeschmiert zu werden; wenn es noch ein Mann gewesen wäre … Pfui Teufel!«

»Du bist wirklich ein liebenswürdiges Jüngelchen … lernst du das alles bei deinem lieben Mr. Carter?«, spottete Inez. »Was möchtest du denn gern wissen?«

»Wie Sie mir heute Nacht wieder durch die Lappen gehen konnten, das möchte ich wissen, denn ich glaubte Sie todsicher zu haben. Meinen Sie etwa, ich hätte Sie in Ihren Männerkleidern nicht erkannt? Hoho, ich möchte darauf wetten, Sie haben den roten Hausrock da nur darüber geworfen – und dann muss ich auf einmal entdecken, dass Sie es plötzlich gar nicht mehr waren, sondern der Kerl da.« Er deutete mit dem Kopf zu dem grimmig lächelnden Pancho. »Na, da wollte ich mich wenigstens entschädigen und mir das Haus von innen ansehen. Als ich die Haustür nur angelehnt fand, da …«

»Da schlüpftest du herein, mein Bübchen – und kriegtest statt der Rute elektrische Schläge!«, sagte Inez, indem sie belustigt lachte.

»Erklären Sie mir wenigstens, wie es möglich gewesen ist, mich wiederum zu täuschen«, sagte Patsy trotzig.

»Auf dieselbe Weise wie verflossenen Nachmittag auf der Grand Central Station.«

»Well, spotten Sie nur, ich komm schon hinter Ihre Kniffe!«, stieß Patsy, auf welchen die Schönheit des Mädchens keinerlei Eindruck machte, ingrimmig hervor.

Nick Carter war derart mit dem Erlauschen der Vorgänge im Zimmer beschäftigt, dass er es gar nicht wahrnahm, wie sich der seltsame weiße Türvorhang neben ihm an der Wand ganz leise auseinanderschob. Das war zuerst, als ob eine durch den Vorhang verdeckte Tür geräuschlos geöffnet worden wäre und der entstandene Gegenzug nun sich blähend in die Portierenfalten gelegt habe. Aber im nächsten Moment schon hätte Nick Carter, wenn er über sich geblickt haben würde, die Finger eines Mannes, etwa in Gesichtshöhe, zum Vorschein kommen und sie die Portiere ganz langsam auseinanderschieben sehen müssen.

Doch die Bewegung geschah so leise und vorsichtig, dass sie nicht einmal die Aufmerksamkeit von Inez und Pancho erregte, welche sich doch mitten im Zimmer befanden.

Immer mehr weitete sich die Portiere, und schließlich kam zuerst ein Schnurrbart und dann ein stolzes, edel geformtes, wild und verwegen dreinblickendes Mannesantlitz zum Vorschein, in welchem Nick Carter zweifellos seinen Todfeind Morris Carruthers augenblicklich wiedererkannt haben würde.

Eine volle Minute blieb das Gesicht unbeweglich und beobachtete den sich zwischen Patsy und seinen beiden Bedrängern abspielenden Auftritt. Auch Morris Carruthers dachte so wenig daran, vor sich niederzuschauen, als es Nick Carter in den Sinn kam, in die Höhe zu blicken … und doch hätte der Erstere nur einen einzigen Schritt voran zu machen brauchen, und er hätte mit dem Fuß den Körper seines unerbittlichen Widersachers berühren müssen.

Einmal schien er schon im Begriff, ins Zimmer zu treten. Doch dann besann er sich wieder und blieb ein stiller Beobachter des Auftritts, der sich im Raum abspielte und ihn ganz besonders zu interessieren schien.

Erst nach einer Weile ließ er den Blick umherschweifen – und da wollte es der Zufall, dass sein Blick sich senkte und über die roten Polster der Chaiselongue glitt – dann hatte Morris Carruthers Auge sich ganz zu Boden gesenkt und auf diesem die Gestalt eines Mannes kauern gesehen.

Doch ob der Verbrecherkönig nur die Anwesenheit eines Mannes entdeckt oder ob er in der zusammengeschmiegten Gestalt seinen Todfeind Nick Carter erkannt hatte – einerlei. Nur sein Blick verriet die ungeheure Aufregung, die sich plötzlich seines Inneren bemächtigt hatte.

Sein Gesicht verschwand, wie auch seine Hand, hinter den Falten der Portiere – und Morris Carruthers schien von der Bildfläche wieder verschwunden zu sein … Fürchtete er eine neuerliche Begegnung mit dem Detektiv, obwohl er doch eben entschieden im Vorteil war und es nur einer Bewegung bedurfte, um sich auf den Verhassten zu werfen und diesen zu erwürgen, ehe der andere auch nur recht zur Besinnung kommen und sich zur Wehr setzen konnte?

Morris Carruthers Gesicht war verschwunden, und niemand von den im Zimmer anwesenden drei Personen schien von seinem Auftauchen auch nur die geringste Ahnung gehabt zu haben. Sie beschäftigten sich vielmehr nach wie vor mit ihren eigenen Angelegenheiten. Unter Drohungen drang Inez wiederum in den Gefangenen, ihr Nick Carters augenblicklichen Aufenthaltsort zu verraten.

Doch mitten im Wort unterbrach sie sich. Ihr Blick war auf die Wandportiere gefallen, welche sich plötzlich leicht bewegte. Aber hierüber verriet die jugendliche Hausherrin indessen nicht das geringste Erstaunen; ein sicheres Zeichen also, dass sie recht gut wusste, was sich eben hinter dem Vorhang begab. Sie stellte sich nur derartig auf, dass der durch Pancho mit einem Revolver in Schach gehaltene Patsy nicht gut auf die Gardine blicken konnte.

Wieder erschienen zuerst die Finger und zogen Zoll für Zoll die Ränder der Portiere auseinander. Dann folgte der Kopf, hierauf die Schultern und der Oberkörper.

Ein Lächeln umspielte die Lippen des schönen Dämons, und dieser schien im Begriff, den in solch ungewöhnlicher Weise in das Zimmer Eintretenden anzureden, als Morris Carruthers mit warnender Gebärde den Finger an den Mund legte und vor sich niederschaute.

Das schöne junge Weib besaß ein weitgehendes Anpassungsvermögen, verbunden mit großer Geistesgegenwart. So ließ sie sich auch nun nicht das Geringste anmerken, obwohl das stumme Gebaren des Verbrecherkönigs beunruhigend genug erschien, sondern sie wich einige Schritte zur Seite, um auf diese Weise unauffällig einen Blick hinter die Chaiselongue tun zu können.

Eine andere hätte an ihrer Stelle aufgeschrien, doch Inez tat nichts dergleichen. Nun begriff sie augenscheinlich auch, warum Carruthers einen Revolver in der Rechten trug. Sie nickte ihm billigend zu, als er nun, den Lauf der Waffe in der Faust, sich geräuschlos niederbeugte, um den von ihr inzwischen schon wahrgenommenen Detektiv niederzuschlagen.

Wohl konnte Inez nur undeutlich eine hinter der Chaiselongue kauernde Mannesgestalt erspähen. Doch sie begriff augenblicklich, dass dies nur Nick Carter sein konnte … er musste jene wenigen Minuten, während derer sie selbst erst in dunkle Zimmer getreten waren, ausgenutzt haben und ihnen fast auf dem Fuße nachgefolgt sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert