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Die Blume der Prärie – Die Reise

Gabriel Ferry
Die Blume der Prärie
oder die deutschen Kolonisten an den Ufern des Colorado
Grimme und Leipzig, Druck und Verlag des Verlags-Comptoirs, 1852

Zehntes Kapitel

Die Reise

Die Indianer des Westens unterscheiden sich wesentlich von ihren roten Brüdern im Norden, die, durch das Blei und die Laster der gegen sie andringenden Zivilisation unaufhörlich dezimiert, in wenigen Dezennien vielleicht ganz verschwunden sein werden.

Erben jener hohen, wenngleich eigentümlichen Kultur, welche die Eroberer der Neuen Welt vor­fanden, bewohnen sie die weiten, fruchtbaren Prärien, die wie ein grünes Meer die kleinen Inseln der europäischen Ansiedlungen umfluten.

Es mögen vielleicht noch gegen sechzehn bis zwanzig Millionen Menschen sein, die hier in viele, sich unaufhörlich untereinander befehdendeStämme geteilt, in patriarchalischer Einfachheit von Jagd, Viehzucht und geringem Ackerbau leben.

Der bevorzugteste und zahlreichste Stamm ist der der Comanchen. Ausgezeichnet durch hervor­ragende Körperschönheit, natürlichen Verstand und große Lebhaftigkeit des Geistes, verbinden sie da­mit eine gewisse Ritterlichkeit der Gesinnung, die sich in ihren würdevollen Umgangsformen, in der Behandlung ihrer Frauen, in ihrem Verkehr mit den Weißen, in ihrer kleinen Industrie, in ihren Unterkünften und in ihrer Kleidung überraschend angenehm widerspiegelt.

Die Geschirre ihrer Pferde, vielleicht der schön­sten und dauerhaftesten Rasse der Welt, ihre Behausungen und ihre Kleidung zeigen jene Hinneigung zu luxuriösem Glanz, die als das erste Zeichen emporstrebender Bildungsfähigkeit betrachtet werden kann. Ihr Haar, obwohl auch bei ihnen die furchtbare Sitte des Skalpierens noch nicht abge­schafft ist, wallt frei in langen Locken, von einem Reif gehalten, der bei den Häuptlingen von ge­diegenem Gold und je nach ihrem Rang mit einer oder mehreren Reiherfedern geziert ist, auf ihre Schultern herab. Ihre Kleidung besteht, wie wirbereits erwähnten, in Weste und Beinkleidern aus gegerbter Hirschhaut, niedlich verzierte Mokassins schützen ihre Füße, während ein leichtes Staubhemd von buntem Baumwollzeug den Oberkörper bedeckt. Auf der Jagd und auf Reisen tragen sie malerisch drapiert oder nach Art unserer Militärmäntel die wollene Decke, Sarape, über den Schultern, die sie gegen Unwetter und die Frische des Nachttaus schützt.

Anstatt der Pfeile und des Bogens sind nun fast alle mit Feuerwaffen versehen, obwohl die meisten beides zu gleicher Zeit bei sich führen. An ihrer Seite hängt der glänzende Tomahawk, eine beilartige Waffe, mit haarscharfer Schneide und ziemlich langem Stiel von Ahorn- oder Dogwoodholz. Ein langes, scharfes und starkes Messer fehlt niemals bei ihrer Bewaffnung.

Sie sind stets beritten und nur bei Waldjagden zu Fuß.

Sie wohnen nicht in Hütten oder Wigwams von Birkenrinde, sondern in kleinen, viereckigen, allerliebsten Häuschen von behauenen Balken, deren Wände mit buntfarbigen Matten behängt sind. Ihre Geräte sind einfach, aber geschmackvoll und zeichnen sich wie die Wohnungen durch auffallende Sauberkeit aus. Betten und Matratzen kennen sie natürlich nicht. Die Männer schlafen auf übereinander gelegten, mit wollenen Decken überbreiteten Bärenfellen, die Frauen und die kleinen Kinder in Hängematten, die an jedem Abend an bunten Schnüren in der Mitte des Gemachs aufgehängt werden.

Jede Familienwohnung besteht in der Regel aus zwei nebeneinander stehenden und durch eine Tür miteinander verbundenen Häusern, deren eines von den Frauen und Kindern der Familie bewohnt wird.

Mit dem zehnten Jahr verlassen die Knaben die Wohnungen der Mütter und treten unter die Obhut und Zucht ihrer Väter oder Verwandten.

Das Los der Frauen ist freundlicher als das der Frauen aller übrigen Stämme. Sie besorgen, wie überall in der Welt, die Geschäfte des Hauses und die Erziehung der Kinder, aber die Last des Feldbaues fällt den Jünglingen und Greisen anheim.

Weniger schön als die Männer, zeichnen sie sich durch Grazie, reizende Naivität und die appetitliche Frische aus, die bei den Frauen der Naturvöl­ker so selten ist.

Ihre Haut hat die samtartige Weiche der Kreolinnen, Hände und Füße sind fast durchgän­gig zierlich und klein, während ihr Haar in langen Flechten fast bis auf die Erde herabfällt.

Sie sind sanft, schüchtern und keusch, und werden von den Männern mit ritterlicher Auf­merksamkeit behandelt. Romantische Liebeshändel sind nicht selten bei ihnen und oft schon hat das hübsche Gesicht einer roten Dame zu blutigen Kriegen unter ganzen Stämmen geführt.

Ihre Verfassung ist eine Art aristokratischer Oligarchie. Die Häuptlinge, eine erbliche Würde, treten unter dem Vorsitz desjenigen aus ihrer Mitte zu einem Hohen Rat zusammen, der sich durch überwiegende Vorzüge zu dieser Würde er­hoben und beschließen durch Stimmenmehrzahl über alle Angelegenheiten des Stammes.

Wenn die einzelnen Häuptlinge unter Ver­hältnissen selbstständig handeln, so haben sie stets diesem Rat Rechenschaft über ihre Handlungen abzulegen. Auch über die Streitigkeiten der Stammesgenossen untereinander entscheidet dieser Ratund seine Urteile sind selten unbillig und unge­recht.

Ihre Religion ist ein einfacher Deismus, viel­leicht weniger mit abergläubischen Flitter behangen als das Christentum mancher Sekten, die eben ihr Christentum zur Basis chimärischer Aus­wüchse gemacht haben.

Sie glauben an Manitu, den Großen Geist, den Schöpfer und Erhalter aller Dinge ohne Mit­telsperson, ohne Mutter Gottes und ohne selbstfabrizierte Heilige und wenden sich an ihn im Gebet, ohne der Repräsentation durch Holz- oder Steinbil­der zu bedürfen. Sie glauben an die Personifikation eines bösen Prinzips, wie fast alle Völker der Erde, wie wir noch heute von den Kanzeln der protestantischen Gemeinden im Herzen des gebilde­ten Deutschlands vom Teufel sprechen hören.

Sie glauben an die Unsterblichkeit der Seele, teilweise verbunden mit einer Auferstehung des Körpers. Wie bei allen Völkern ist diese Un­sterblichkeitslehre der Spiegel ihrer gesellschaftlichen Physiognomie. Wenn der Indianer an die Fort­setzung seiner Jagden in den immergrünen, wild­reichen Jagdgründen des Paradieses glaubt, so ister weniger zu tadeln oder zu belächeln als der ehr­liche Österreicher, der mit dem unvernichtbaren Glauben an eine ununterbrochene Reihenfolge von Pra­terfahrten, gebackenen Hähnerl und anderer guter Dinge dieser Welt in die Ewigkeit geht.

Einen bestimmten Kultus haben sie nicht, we­nigstens habe ich ihn nicht kennen gelernt. Ihre Priester sind zugleich Zauberer und Ärzte, düstere Scharlatane mit etwas von der Frechheit der ostindischen Fakirs, von der Schlauheit der Derwische und einem guten Teil von der himmelnden Miene unterer frömmelnden Pfaffen.

Unter diesem Volk mit dem ritterlichen Geist, kräftig und eines höheren Ausschwungs fähig, hatte Tartaruga das Licht der Welt erblickt. Der Zu­fall hatte ihm eine Erziehungzuteilwerden lassen, die ihn befähigte, der Reformator seiner Lands­leute zu werden.

Diese Idee begeisterte ihn.

Er kannte die Schwierigkeiten seines Unter­nehmens, aber er kannte auch die Mittel für seinen Zweck.

Den eigentümlichen Charakter der roten Rasse durchschauend, begann er mit der allmählichen Amortisation der Gewohnheiten und Vorurteile, welche noch allen Reformatoren ihr Werk erschwert und unmöglich gemacht haben. Er will keine europäische Zivilisation unter seinen Landsleuten einführen, er will der indianischen Kultur Einheit und Vollendung verleihen. Die Einigung der westlichen Stämme zu einer kompakten Masse ist das Ziel, das er noch heute mit rastlosem Eifer erstrebt. Einmal unter einem Zepter vereinigt, ergibt sich von selbst das Bedürfnis der staatlichen Organisation.

Tartaruga genießt einer unermesslichen Popularität bei den Stämmen und versteht es, diese Popularität zu erhalten. Ohne Glanz und Prunk und dennoch sich hoheitlich sondernd von seinesgleichen, fast beständig von einem Hofstaat der Abgesandten der verschiedenen Stämme umgeben, herrscht er, ohne dass man es fühlt, und ist vielleicht berufen, den Rest seiner Rasse, durch eine ihrer Natur zusagende Zivilisation vor dem Verschwinden aus der Reihe der Urvölker des Erdballs zu bewahren.

 

*

 

Kehren wir nun zu unserer Geschichte zurück.

Trotz der Besorgnisse, welche die Nachrichten des Hausierers und der nächtliche Kampf des alten Jägers in Verbindung mit dem Erscheinen des Majors hervorgerufen hatten, den man nun sehr für das zu halten geneigt war, was er war, und der bei genauerer Prüfung der Umstände selbst von Mrs. Mertens, seiner wärmsten Verteidigerin, aufgegeben worden war, hatte der Pflanzer sich dennoch entschlossen, der Einladung des Häuptlings Folge zu leisten.

Das Hilfskorps aus dem Lager Tartarugas zur Verstärkung der Streitkräfte der Pflanzung war eingetroffen und so in der Tat jede Befürchtung beseitigt.

Außerdem mochte Mr. Mertens sich dem liebenswürdigen Häuptling, dessen Freundschaft für ihn so wichtig war und leicht noch wichtiger werden konnte, gern gefällig bezeigen, während er zugleich selbst neugierig war, die Sitten der Indianer näher kennen zu lernen.

Mrs. Mertens hatte es nach langer Überlegung vorgezogen, bei ihrem Schwager zurückzubleiben und so verließen denn eines Morgens Mr. Mertens, Horst, der alte Jäger, Girofleé, der mitVergnügen die Gelegenheit benutzte, sicher zu sei­nen alten Handelsfreunden, den Indianern, zu ge­langen, die beiden jungen Damen, von einer schwar­zen, unaufhörlich lachenden Dienerin begleitet, mit Tartaruga und zwanzig gut bewaffneten Indianern den Hof der Pflanzung und sprengten lustig den grünen Prärien zu.

Das indianische Lager war nur zwei kleine Tagereisen von der Pflanzung entfernt, man musste also eine Nacht unter freiem Himmel biwakieren. Ein Maultier war deshalb, mit allem Nötigen beladen, von der Pflanzung mitgenommen worden und so wurde der unbeschwerliche und romantische Weg unter heiteren Scherzen zurückgelegt. Es ver­steht sich von selbst, dass Horst ununterbrochen zur Seite der fröhlichen Anna galoppierte und bald diese, bald jene Gelegenheit zu vertraulicher An­näherung fand, während Tartaruga, glücklich und stolz wie ein König, seine Aufmerksamkeit zwischen dem Pflanzer und Louise teilte, die, eine dreiste und geschickte Leiterin, vielseicht weniger der Für­sorge des unermüdlichen Häuptlings bedurft hätte.

Die Sonne begann zu sinken, als man sich einer sanften Anschwellung näherte, deren höchsterPunkt von einem schmalen Waldrand umgeben, die Gegend beherrschte.

»Dort werden wir rasten«, sagte der Häuptling, auf die Spitze des Hügels deutend, flüsternd zur Blume der Prärie. »Hat die Tochter des weißen Häuptlings jemals ihr Haupt unter dem Sternenschleier des nächtlichen Himmels zur Ruhe gelegt?«

»Kann man schöner gedeckt sein, Señor Tartaruga?«, erwiderte sie ebenfalls flüsternd. Die erhabene Szenerie der Umgebung und der glühende Blick des Häuptlings hatten ihr Herz mit einem süßem, nie gefühltem Schauer erfüllt.

»He! Les diables!«, unterbrach der Hausierer das Geflüster, »welche Satan sein in die rote chevaliers nein gefahren? Voilà Señor Tartaruga! O les diables!«

»Es ist ihre Natur!«, antwortete ruhig lächelnd der Häuptling, seinen Leuten nachblickend, die mit lautem, über die Ebene hallendem Geheul in wütender Karriere den Hügel hinauf sprengten.

»Was haben sie?«, fragte nicht ohne Bestürzung Mr. Mertens.

»Nichts! Wir nähern uns dem Lagerplatz … Eine Proben indianischen Kriegsgeschreis … Möge es nie als zum Scherz in Eure Ohren dringen, weißer Freund!«

Mit diesen Worten ließ auch der Häuptling seinem ungeduldigen Renner die Zügel, der wie der Blitz seinen vorangeeilten Artgenossen nachsprengte.

Die erstaunte Gesellschaft – denn es liegt keineswegs in der indianischen Natur, Überraschungen zu bereiten – ritt langsam die kleine Anhöhe hinauf.

Welche Überraschung!

Ein kleines niedliches Haus erhob sich im Hintergrund, nach indianischer Sitte mit Blumen, Kränzen und farbigen Tüchern geschmückt.

Ein mächtiges Feuer brannte wenige Schritte entfernt von der Tür in der Mitte des Platzes, von den dunklen Gestalten indianischer Frauen und Mädchen, wie von Gespenstern umhuscht.

Eine bedeutende Anzahl indianischer Krieger, wie zur Schlacht geschmückt und gemalt waren, durch die Vorangerittenen vermehrt, hielt auf ihren prächtigen Rossen im Halbkreis auf der vorderen Fläche des Hügels, in dessen Mitte sich der Häuptling befand.

Nachdem die Gesellschaft der Sitte gemäß in eine Reihe nebeneinander aufgeritten war, näherte sich der Häuptling einige Schritte, senkte mit dem Anstand eines Königs sein unbedecktes, lockiges Haupt ein wenig und sprach mit feierlicher Stimme: »Ich heiße sich willkommen im Land deiner roten Brüder, weißer Häuptling und Freund! Dort jener Silberstreifen«, er deutete mit der Hand auf ein kleines Gewässer, das mit leichter Welle sich durch die blumige Präriefläche schlän­gelte, »ist die Grenze des Gebiets der Comanchen! Möge nie dieses klare Gewässer sich vom Blut unserer kämpfenden Brüder röten! Mögen wir friedlich nebeneinander wohnen und der Toma­hawk ewig zwischen uns begraben sein! Möge die Flamme des gastlichen Feuers nie verlöschen auf unserem Herde, möge das Haus Tartarugas stets das Haus meiner weißen Freunde sein! Der Große Geist hört meine Worte und meine Worte sind wahr.«

Nachdem Mr. Mertens in entsprechender Weise auf diese Anrede geantwortet hatte, entstand eine Pause. Ein grauhaariger Häuptling mit einer langen,geschmückten Pfeife in der Hand, trat zwischen die Gäste und ihre Wirte.

»Zünde das Kalumet des Friedens am Feuer der Gastlichkeit an!«, gebot Tartaruga.

Der Häuptling gehorchte und die Pfeife machte schnell die gewöhnliche Runde.

Dann stieg Tartaruga vom Pferd, hieß die Gesellschaft noch einmal willkommen, half der Dame seines Herzens mit ritterlichem Anstand aus dem Sattel und führte sie, gefolgt von Horst, der der lächelnden Anna den gleichen Beistand leistete, ihre Hand mit den Spitzen seiner Finger berührend, zur Tür des eigens zu diesem Zweck erbauten Hauses, wo Mutter und Schwester Tartarugas sie in feierlicher Freundlichkeit empfingen.

Zur Seite des Hügels war bereits ein zweites indianisches Lager aufgeschlagen, in welches nun die Krieger mit den Pferden hinabzogen, denn nur einigen verwandten Häuptlingen war es gestattet, in der Nähe des großen Häuptlings auf dem Hügel zu verweilen.

Der Häuptling hatte die europäische Geschichte hinreichend studiert, um mit dem richtigen Takt des beginnenden Imperators seine Untertanen an die besondere Stellungseine Person und seiner Familie zu gewöhnen.

Vor dem Haus war ein Tisch nach europäi­scher Sitte gedeckt. Die Gerätschaften waren ein Erbstück von Tartarugas Erzieher und seitdem in seinem Haus im Gebrauch geblieben.

Nachdem Girofleé, der die Gesellschaft der übrigen Indianer vorzuziehen schien und der auch von der Seite des Hügels herauf appetitliche Bra­tendüfte eingeatmet hatte, sich mit seinem Pack unter dem Arm empfohlen hatte, setzte sich die Gesellschaft zu Tisch, vermehrt durch die Damen, der Mutter und Schwester des Häuptlings, die beide sich geläufig im Englischen und Französischen aus­zudrücken vermochten und von der Bildung ihres Sohnes und Bruders ihren Anteil empfangen zu haben schienen.

Es war ein eigentümlicher Anblick, den Häuptling mit dem Goldreif und der Feder die Honneurs an einer europäischen Tafel machen zu sehen.

»Versuchen Sie es einmal mit der Küche der Wüste«, sagte lächelnd Tartaruga, das indianische Pathos mit unserer Ausdrucksweise vertauschend,als die indianischen Köchinnen ein gewaltiges Stück Rehbraten auf die Tafel setzten, dessen Zerlegung der alte Trapper mit kunstgerechter Geschicklichkeit übernahm.

»Die alte Süzon hat nie einen Besseren aus ihrer Küche geschickt, Miss Ännchen«, bemerkte schmunzelnd Job Jenkins, indem er sein Messer aus dem Braten zog und den Saft langsam daran herunterträufeln ließ. »Die indianische Art ist die einzige wahre, ein Stück Fleisch zu bereiten, dass Saft und Kraft darin bleiben! …Help your self, Mr. Mertens!«

»Vortrefflich, ausgezeichnet!«, sagte Herr Mer­tens, der ein großer Freund der guten Dinge dieser Erde war. »Ihr müsst des Häuptlings Mut­ter und Schwester bitten, Euch in die Schule zu nehmen, Ihr Mädchen.«

»Und worin besteht das Geheimnis der Zubereitung eines solchen Stückes, das ich selbst für unübertrefflich erklären muss?«, wendete Louise sich fragend an die indianischen Damen.

»Wir werden unsere weißen Schwestern in unsere Küche führen«, antwortete die Schwester des Häuptlings, eine schlanke Jungfrau mit ernsten,aber milden Zügen, die viel Ähnliches mit denen ihres Bruders hatten.

»Job, geht hinab, alter Bursche, und seht, wo unsere Flaschenfutter liegen«, sagte nun Mr. Mertens. »Ihr nehmt es nicht übel, Tartaruga … es ist meine alte Gewohnheit … hoffe, die Gentlemen werden ein Glas alten Burgunders auf gute Nachbarschaft trinken und die Damen ein Gläschen schäumenden Champagner nicht abschlagen?«

»Verzeiht, Mr. Mertens, die einfache Tafel des roten Mannes …«

»Kein Wort, Tartaruga! Wir sitzen hier nicht im Bremer Ratskeller, mein Junge … Nie hat ein Wildbraten meiner Zunge schöner geschmeckt … Ha! Und diese kostbaren Forellen … Ist Eure Tafel stets so besetzt, so werde ich öfter Euer Gast sein, als Euch vielleicht angenehm ist.«

Der alte Jäger brachte Flaschen und Gläser und neugierig schlürften die Indianerinnen den perlenden Schaumwein, dessen Kork sie eben erstaunt hatten emporspringen sehen.

»Mein Sohn hat uns oft von diesem knallenden Wein erzählt«, bemerkte die Mutter, ihr Glas zum zweiten Mal füllend.Auch dieSchwester des Häuptlings folgte auf freundliches Zureden dem Beispiel der jungen Damen.

Die indianischen Gentlemen, in deren mäßiger Lebensweise die Rumflasche noch seine Rolle gespielt hatte, fanden den Burgunder nach ihrem Geschmack, und die Gesellschaft trennte sich erst in strahlender Heiterkeit, als der Nachttau stärker zu fallen begann.

Die Frauen zogen sich in das Häuschen zurück, die Männer streckten sich unter einem schützenden Zeltdach nieder, nur der Häuptling saß, nachdem er die Wachen inspiziert hatte, noch lange an dem zusammensinkenden Feuer. Seine Blicke weilten träumerisch auf dem kleinen fantastischen Haus, bis auch ihm der erlösende Gott freundlich seine Schlummerkörner auf das lockige Haupt streute,

Die Stimmen der Wüste, diese wunderbaren Laute, die das Herz mit schauernder Furcht erfüllen, tönten über die rauschenden Graswogen der Prärien, das Gebrüll des Jaguars brach sich widerhallend an den grünen Mauern der Waldsäume, der schwere Flügelschlag der Geier,die angelockt vom Duft der Speisen, hoch über dem Lager schwebten, peitschte klatschend die Luft. Die Schlafenden hörten es nicht und über die Wüste, in der sie schlummerten, zog der Traumgott mit seiner tollen fantastischen Schar.

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