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Die Sternkammer – Band 3 – Kapitel 8

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 3
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Achtes Kapitel

Whitehall

Die Rennbahn in Whitehall, wo das Turnier abgehalten werden sollte, lag an der westlichen Seite eines großen Platzes vor dem alten Banketthaus, welches bald nach der Zeit dieser Geschichte durch Feuer zerstört und durch das noch vorhandene von Inigo Jones entworfene stattliche Gebäude ersetzt wurde, und bildete einen Teil einer langen Reihe von Gebäuden, die zum Palast gehörten, in nördlicher Richtung von Westminster mit demselben parallel liefen und zu Zwecken der körperlichen Übungen und der Erholung bestimmt waren und den Ballhof, die Kegelallee, die Reitbahn und das für den Hahnenkampf bestimmte Gebäude enthielt.

Eine Reihe von Mauern aus Ziegelsteinen von verschiedener Höhe, mit Dächern von verschiedener Form und Größe bezeichneten die Lage dieser Gebäude vom St. James Park aus, den sie auf der Seite zur King Street zu umgaben. Sie wurden größtenteils im Jahr 1532 von Heinrich VIII. errichtet, als ihm Whitehall, welches Wolsey früher besessen hatte, zufiel und er alle nicht eingeschlossenen Ländereien in der Nähe des Palastes von dem Abt und dem Kloster von Westminster erhielt, die er sogleich einzäunen und in einen Park verwandeln ließ.

Für einen Monarchen, der die männlichen Spiele und Übungen so sehr liebte, wie unser biederer alter Heinrich, war ein Turnierplatz unentbehrlich, und er errichtete einen solchen im großartigen Stil, der fleißig besucht wurde. Indem er einen Raum von hundertfünfzig Ellen lang und fünfzig breit einschloss und mit hohen Mauern umgab, ließ er an der inneren Seite Sitze für die Zuschauer anbringen, die gleich den Logen eines Theaters voneinander getrennt waren. Am südlichen Ende der Einzäunung erhob er eine prachtvolle Galerie, die er für seine Gemahlin und ihre Hofdamen bestimmte. Diese Galerie war mit Samt verziert und mit Vorhängen von Goldstoff versehen. Bei feierlichen Gelegenheiten, wenn der ganze Hof zugegen war, waren sämtlichen Sitze auf dem Gerüst mit helläugigen Schönen angefüllt, deren Blicke und Beifall die Ritter, die sich ihre Diener nannten und sich Gunstbezeugungen in Gestalt von Schärpen, Schleiern, Ärmeln, Armbändern, Haarlocken oder Bandschleifen erbaten, zu hohen Waffentaten anspornten. Zu solchen Zeiten pflegte Heinrich selber in die Schranken zu treten, und in seinen früheren Tagen, ehe er zu korpulent zur tätigen Anstrengung wurde, konnte man keinen stärkeren Gegner für Schwert oder Lanze finden. In jenen Tagen gab es Männer, sehr verschieden an körperlicher Stärke und Abhärtung von den entnervten Schwächlingen zu der Zeit Jakob des Ersten, welche die Waffentaten ihrer Großväter nachäfften.

Aber der Turnierplatz wurde von Elisabeth keineswegs vernachlässigt. Diese löwenherzige Königin begünstigte den Geschmack an ritterlichen Übungen und fand fast ebenso viel Vergnügungen an solchen Schaustellungen, wie ihr rüstiger Vater. Während ihrer langen Regierung hielt man keine Festlichkeit für vollständig, wenn kein Turnier dabei stattfand. Der Name des tapferen Sir Philipp Sidney darf nur erwähnt werden, um zu zeigen, dass sie wenigstens einen vollkommenen Spiegel der Ritterschaft unter ihren Hofleuten hatte, aber ihre vorzüglichsten Günstlinge Essex und Leicester, zeichneten sich beide durch ritterliche Tapferkeit aus. Manche Lanze wurde von ihnen ihr zu Ehren zersplittert. Als die französische Gesandtschaft in London ankam, um über die Vermählung der Elisabeth mit dem Herzog von Anjou zu unterhandeln, und als man ein großartiges Banketthaus, dreihundertdreißig Fuß lang und mit Segeltuch bedeckt zu dieser Gelegenheit errichtete, wurde ein prächtiges Turnier zu Ehren der ausgezeichneten Gäste gegeben. Der alte Holinshed erzählt uns: »Die Galerie oder die Stelle am Ende des Platzes, die an das Haus Ihrer Majestät in Whitehall grenzte, wurde nicht ohne Ursache die Burg oder Festung der vollkommenen Schönheit genannt, weil Ihre Majestät mit diesem Ausdruck mit bezeichnet wurde.« Auch erteilt er eine interessante Beschreibung von der Vorrichtung, deren sich die Belagerer der Festung bedienten. »Sie waren mit einem hölzernen Rahmen versehen«, sagt er, »der mit Leinwand bedeckt und so bemalt war, als wäre es natürliche Erde oder Mauerwerk gewesen. Diese Vorrichtung nannte man eine bewegliche Schanze und konnte von den Personen, die sich darin befanden, nach Gefallen gelenkt werden. Oben darauf standen zwei hölzerne Kanonen, die so gut angemalt waren, dass sie in der Tat zwei schöne Feldstücke zu sein schienen. Neben denselben standen zwei Männer als Artilleristen, in rotem Samt mit Körben voll Erde zu ihrem Schutz. Auf der Höhe der Schanze stand auch ein Fahnenträger in demselben Anzug wie die Artilleristen, und in der Schanze waren Musikanten verborgen, welche verschiedene Instrumente spielten und auf die Festung der Schönheit zugeführt wurden. Als dies alles in Bereitschaft war, näherten sich die Herausforderer und kamen zum Turnierplatz herunter.« Die Herausforderer waren: der Graf von Arundel, Lord Windsor, Sir Philipp Sidney und Sir Fulke Greville; und die Verteidiger waren sehr zahlreich und unter ihnen der tapfere Sir Harry Lee, der als unbekannter Ritter sehr geschickt sechs Lanzen brach. Alle Reden, welche die Herausforderer und die Verteidiger hielten, werden von Holinshed berichtet, der seine Erzählung von dem Triumph des ersten Tages in folgender Weise schließt: »Als diese Reden beendet waren, gingen sie und die Übrigen rings um den Turnierplatz und kehrten an das untere Ende zurück, wo sie sich vorbereiteten, jeder Verteidiger nach der Reihe sechs Gänge zu machen gegen sechs Herausforderer, die von beiden Seiten so tapfer fochten, dass ihre Kühnheit eine beständige Erinnerung verdient, und sie gewannen. Ehre für sich und ihr Vaterland, so wie der Ruf darüber berichtet hat.« Und vom zweiten Tag schreibt er so: »Dann gingen sie zum Turnier, wo sie sich sehr tapfer zeigten, wie das Zerbrechen der Schwerter zu erkennen gab. Dann ging es zu den Schranken, wo sie mutig stritten, als ob die Griechen und Trojaner ihren tödlichen Kampf ausgefochten hätten. Keine Partei wurde verschont, kein Rang ausgenommen, sondern jeder Ritter strebte, das goldene Vlies zu gewinnen, welches entweder in Ruhm oder in der Gunst seiner Geliebten bestand; und diese Belustigung währte den ganzen Tag.« Solche Schauspiele kamen häufig vor und die Blätter des oben erwähnten malerischen alten Chronisten sind voll von Beschreibungen derselben. Doch trotz der Bemühungen Elisabeths, ihren Glanz ungetrübt zu erhalten, war der Stern des ritterlichere Lebens im raschen Abnehmen, um während der Regierung ihres Nachfolgers gänzlich unterzugehen.

Der Schimmer des gehärteten Stahls, das Klirren der Waffen, der wilde Kampf und alle die anderen Umstände, welche die kriegerische Belustigung begleiteten und welche seinen Vorgängern so viel Entzücken gewährt hatten, gewährten Jakob wenig Vergnügen. Wie sollten sie auch einem Fürsten Vergnügen gewähren, dessen angeborene Furchtsamkeit so groß war, dass er beim Anblick eines bloßen Schwertes schauderte und die mimischen Darstellungen des Krieges verabscheute! Ebenso wenig passten für ihn die strengen Grundsätze der Ehre, worauf das Rittertum gegründet war, oder die Verpflichtungen, die dasselbe auferlegte. Zu treulos von Natur, um die Gesetze des Gerichtshofes der Ehre anzunehmen, verspottete er diese Einrichtung als veraltet. Dennoch, da Prüfungen der Geschicklichkeit und Stärke auf dem Turnierplatz noch in der Mode waren, sah er sich, wenn auch gegen seine Neigung, genötigt, Zeuge davon zu sein und sie einigermaßen zu fördern. Der Tag seiner Thronbesteigung, der 24. März, wurde immer durch ein Turnier und Ringstechen verherrlicht. Ähnliche Schauspiele wurden beständig zu Ehren jedes bedeutenden Gastes am Hofe aufgeführt.

Selbst unter dieser Regierung belebte sich der alte Eifer für die ritterlichen Belustigungen während der kurzen Laufbahn des Prinzen Heinrich, der, wenn er gelebt hätte, um die Verheißungen seiner Jugend zu erfüllen, einen ruhmvollen Platz in der Geschichte seines Vaterlandes eingenommen und es aller Wahrscheinlichkeit nach von den folgenden Zerrüttungen und inneren Kämpfen errettet haben würde. Schon früh an die Last der Rüstung gewöhnt, wurde dieser junge Prinz außerordentlich erfahren in der Anwendung aller Waffen – konnte die Pike schwingen, die Lanze einlegen und das Schwert, die Streitaxt oder die Keule besser schwingen als irgendjemand von seinen Jahren. Der Turnierplatz und der Ballhof wurden beständig von ihm besucht und er war immer mit kräftigen Übungen beschäftigt – zu viel für seine nicht sehr starke Konstitution. Prinz Heinrich hegte den Traum, Calais von Frankreich wiederzugewinnen und würde gewiss den Versuch gemacht haben, wenn er am Leben geblieben wäre.

Mehr zum Nachdenken geneigt und von weniger kriegerischem Geschmack, kultivierte Prinz Karl dennoch mit allem Fleiß die einem Kavalier angemessenen Fähigkeiten. Ein vollkommener Reiter und wohl geübt in allen Künsten des Turnierplatzes – war er ein Muster der Höflichkeit und Grazie, aber er hatte nicht Prinz Heinrichs fieberhafte und verzehrende Leidenschaft für kriegerische Übungen, auch machte er dieselben nicht, wie er, zu seiner einzigen Lebensaufgabe. Noch brannte die reine Flamme der Ritterlichkeit in seiner Brust, er erkannte vollkommen die hohen und veredelnden Grundsätze derselben an und fügte sich den Verpflichtungen, die sie ihm auferlegten. In dieser, wie in den meisten anderen Beziehungen war er wesentlich von seinem königlichen Vater verschieden.

Der Turnierplatz und die verschiedenen anstoßenden Gebäude, die wir bereits aufgezählt haben, hatten als Zugänge zwei schöne Tore, die Heinrich VIII.  ebenfalls erbauen ließ. Zu dem einen, welches von außerordentlicher Schönheit war und Cockpit Gate genannt wurde, hatte der berühmte Maler Hans Holbein den Riss entworfen. Aus einer gewissen Quelle erfahren wir, »dass es von viereckigen Steinen mit kleinen Quadraten von zierlich eingesetzten Kieselsteinen erbaut war, Zinnen und vier hohe Türme hatte und dass das Ganze mit Statuen, Rosen und Fallgattern versehen und verziert war.« Das äußere Tor, kaum weniger schön, und Westminster Gate genannt, war mit Statuen, Brustbildern und dem Wappen des Hauses Tudor in Stein gehauen verziert.

Vom Gipfel eines der hohen Türme des Holbeintores angesehen, war das Aussehen des Palastes von Whitehall zur Zeit unserer Geschichte außerordentlich malerisch und anfallend – vielleicht mehr, als zu irgendeiner anderen vorhergehenden oder folgenden Periode, da die verschiedenen Gebäude, woraus er bestand, gerade alt genug waren, um einen ehrwürdigen Charakter anzunehmen und doch noch gut erhalten zu sein schienen.

Lasst es uns also von diesem Gesichtspunkt aus ansehen und uns zuerst zu dem Banketthaus wenden, welches uns eine lange und schöne Front darstellt und eine prächtige und hohe Halle enthält, die fast den ganzen Raum einnimmt, außer mehreren anderen Zimmern von königlicher Pracht und Größe. In diesem Gebäude, worin er einen ebenso fürstlichen Haushalt führte, wie der König selber, bewirtete Wolsey seinen königlichen Herrn so oft und mit solchem Aufwand, dass er endlich seinen Zorn über seine Prunksucht erregte und seiner prächtigen Wohnung beraubt wurde. Zufrieden mit unserer Ansicht des Banketthauses wollen wir unseren Blick über den großen Hof jenseits und auf die zahlreichen, unregelmäßigen, aber malerischen und schönen Gebäude dahinschweifen lassen, wovon dieser Hofplatz – ein Viereck kann man ihn nicht nennen, denn man hatte keine Gleichmäßigkeit in der Anlage der Gebäude beobachtet – umgeben ist. Hier wird das Auge von einer verwirrten Masse von Dächern angezogen, einige flach, mit Türmen und Zinnen, einige spitz, mit fantastischen Giebeln und hohen Schornsteinen, andere mit Kuppeln und hohen Glockentürmen, noch andere mit durchbrochenen Türmchen und fast alle mit großen vergoldeten Wetterfahnen versehen. Ein großer Palast ist eine Stadt im Kleinen, und so war es mit Whitehall.

Es hat noch zwei andere Höfe außerdem, welchen wir eben überblickt haben, ebenso sehr mit Gebäuden angefüllt, ebenso der Gleichmäßigkeit entbehrend, aber ebenso malerisch. Östlich erstreckt er sich bis Scotland Yard und westlich bis zu dem freien Raum vor Westminster Hall. Die Prunkgemächer gehen auf den Fluss hinaus und die großen Fenster gewähren die Aussicht auf den Strom.

Die hohe Stellung verlassend, die wir bisher eingenommen haben, und Whitehall von einer Barke auf der Themse anblickend, finden wir, dass es ein strenges und düsteres Ansehen hat, denn es ist mit Zinnen und Türmen versehen, gleich denen über dem Verrätertor, und beherrscht die Stufen, die vom Fluss hinauf führen.

Die Privatgärten sind schön angelegt mit breiten Terrassengängen, mit zierlichen Blumenbeeten, wovon jedes eine Statue in der Mitte hat, während sich ein Springbrunnen in der Mitte der Einzäunung befindet. Zu den Gärten gehört noch ein geräumiger Kegelplatz, der von demselben durch einen hohen Baumgang getrennt ist. Zudem wir wieder unseren Standort verändern, entdecken wir an der südlichen Seite der Gärten, und mit den Prunkgemächern in Verbindung stehend, einen langen bedeckten Spaziergang, die steinerne Galerie genannt. Zudem wir dann zu unserem ersteren Beobachtungsposten zurückkehren und das Ganze aus der Vogelperspektive ansehen, nachdem wir es, wie oben erwähnt, im Einzelnen betrachtet haben, kommen wir zu dem Schluss, dass der Palast von Whitehall, wenn gleich außerordentlich unregelmäßig und ohne Ansprüche an Plan und Anordnung, sehr malerisch und wegen seines ungeheuren Umfanges höchst imposant ist. In Verbindung mit Westminster Hall, dem Parlamentshaus und der alten Abtei – mit den beiden turmartigen Torwegen, auf den einen wir selber uns stellen – mit den verschiedenen Gebäuden, die dazu gehören und St. James Park umgeben, und mit dem herrlichen gotischen Kreuz in Charing gestehen wir gern zu, dass er ein höchst imposantes Bild darstellt.

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