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Die Sternkammer – Band 3 – Kapitel 5

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 3
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Fünftes Kapitel

Ein Besuch in Sir Giles Mompessons Wohnung

Nach Verlauf von drei oder vier Monaten nach den zuletzt erzählten Ereignissen führen wir den Leser in eine große düstere Wohnung in der Nähe der Fleetbrücke.

Auf den ersten Anblick konnte man dieses Gebäude nach den steinernen Mauern, den Ecktürmen, der schweren Tür und den vergitterten Fenstern für einen Teil des alten Gefängnisses halten, welches sich in jener Gegend befand. Dies war indessen nicht der Fall. Der kleine Fluss Fleet, dessen schmutziger Strom zu sehen war, floss zwischen den beiden Gebäuden. Das düster und drohend aussehende Haus, welches wir beschreiben wollen, stand am westlichen Ufer gerade dem Torweg des Gefängnisses gegenüber.

Da nun niemand ein stärkeres Interesse an dem Fleetgefängnis hatte, als der Besitzer jenes düsteren Hauses, insofern er mehr Personen in dasselbe gebracht hatte, als irgendjemand vor ihm, so schien es fast, als habe er seine Wohnung zu dem Zweck ausgewählt, um der sicheren Bewachung der zahlreichen Opfer seiner Habsucht und Tyrannei gewiss zu sein. Dies war die allgemeine Vermutung und wir müssen gestehen, dass seine Handlungsweise dieselbe zu bestätigen schien.

Durch eine Öffnung im Turm am nordöstlichen Winkel des Hauses übersah man die Höfe des Gefängnisses. Hier stellte sich Sir Giles Mompesson häufig auf, um zu beobachten, was im Gefängnis vorgehe und das Aussehen und die Haltung derjenigen zu betrachten, die er im Gewahrsam hielt. Mancher Blick des Hasses und Trotzes wurde von jenen düsteren Höfen aus auf die enge Öffnung geworfen, vor welcher er bekanntlich stand; aber solche Blicke erregten nur des Wucherers Spott. Manche flehende Gebärde wurde zu ihm erhoben, aber diese Bitten um Mitleid wurden ebenso wenig beachtet. Als ein besonderer Freund des Oberaufsehers des Fleetgefängnisses, und indem die Gefangenenwärter ihm ebenso wie ihrem Vorgesetzten gehorchten, trat er in das Gefängnis, wann es ihn beliebte, und besuchte jeden Kerker zu jeder Stunde des Tages oder der Nacht. Obwohl die unglücklichen Gefangenen über die Belästigung klagten – und besonders die, welchen seine Gegenwart nachteilig war – so konnte man doch keine Abhilfe erhalten. Er erschien immer, wenn man ihn am wenigsten erwartete, und fand ein boshaftes Vergnügen daran, diejenigen zu belästigen, welche ihm am ängstlichsten auswichen.

Auch war Sir Giles nicht der einzige Besucher des Gefängnisses. Clemens Lanyere war ebenso häufig in den Höfen und Gebäuden zu sehen, wie sein Herr. Es schien ein ähnliches Einverständnis zwischen ihm und den Gefangenenwärtern zu herrschen. Daher war er fast ebenso sehr ein Gegenstand der Furcht und Abneigung, wie Sir Giles selber, und wenige sahen die maskierte und verhüllte Gestalt des Spions ohne Schrecken nahen.

Wegen des seltsamen und unerklärlichen Einflusses, den Sir Giles und der Ankläger im Gefängnis ausübten, wurden sie endlich als ein Teil desselben betrachtet, sodass die Unterbeamten sich ebenso häufig an sie wie an den Oberaufseher wendeten. Einige von den Gefangenen glaubten sogar, dass ein geheimer Verbindungsweg von der Wohnung des Sir Giles zu dem Gefängnis führe. Da aber er und Lanyere den Schlüssel zu dem Hinterpförtchen hatten, so war eine solche Vorrichtung offenbar unnötig und würde auch gefährlich gewesen sein, denn sie hätten doch einst von den bei der Entdeckung interessierten Personen aufgefunden werden müssen.

Wir haben indessen gezeigt, dass Sir Giles auf die eine oder andere Weise fast ebenso viel mit der Leitung des Fleetgefängnisses zu tun hatte, wie die, welchen scheinbar die Leitung desselben übertragen war, und dass er, wenn er wollte, die Leiden der unglücklichen Bewohner vermehren konnte, ohne sich dadurch einer Verantwortlichkeit auszusetzen. Er betrachtete die Sternkammer und das Fleetgefängnis als die Mittel, wodurch er die Gesellschaft plündern und den Schrei der Unterdrückten ersticken könne. Es war seine Sorge, darauf zu sehen, dass beide Maschinen in guter Ordnung erhalten wurden, sodass sie angemessen wirkten.

Aber wir wollen zu seiner Wohnung zurückkehren. Das Innere entsprach vollkommen dem abgrenzenden Äußeren. Die Zimmer waren groß, aber kalt und unwohnlich, und mit zwei oder drei Ausnahmen nur spärlich möbliert. Reich dekoriert, bildeten diese Zimmer einen auffallenden Kontrast zu den übrigen heilen des Hauses, aber sie wurden niemals anders als bei einem großen Gastmahl, was selten vorkam, geöffnet. Da war eine große Eingangshalle, wo die Anhänger des Sir Giles sich zu versammeln pflegten, mit einem großen Tisch in der Mitte, worauf niemals Speisen serviert wurden – wenigstens nicht auf Kosten des Erpressers – und einem mächtigen Kamin, worin niemals ein Feuer brannte. Von hier aus führte eine breite Treppe zum oberen Teile des Hause und stand durch dunkle Korridore und enge Gänge mit den verschiedenen Zimmern in Verbindung. Eine Wendeltreppe setzte den Turm, von wo Sir Giles das Fleetgefängnis überschaute, mit dem unteren Teil der Wohnung in Verbindung, und ähnliche Korkziehertreppen befanden sich auch in den anderen Winkeln des Gebäudes. Wenn Sir Giles vor dieser Öffnung stand, achtete er wenig auf die mächtige Kathedrale, die gleich dem beleidigten Auge des Himmels drohend auf ihn niederblickte. Sein Blick erhob sich selten zu der St. Paulskirche, oder wenn es geschah, beachtete er die Schönheit und Majestät der alten Kathedrale nicht. Der Gegenstand seines Interesse war gerade unter ihm. Er hatte nur mit der düstersten Wirklichkeit des Lebens zu tun und besaß keinen Geschmack für das Erhabene oder Schöne.

Sir Giles hatte eben einen Besuch im Gefängnis abgestattet und kehrte über die Fleetbrücke zurück, als ihm Sir Francis Mitchell begegnete, der ihn aufsuchte.

Dann gingen sie zusammen in seine Wohnung. Außer einem kurzen Gruß wurden auf der Straße keine Worte zwischen ihnen gewechselt, denn Sir Giles wünschte nicht, dass das Geringste seiner Worte behorcht werde. Er konnte an dem Benehmen seines Gefährten bemerken, dass ihm etwas begegnet sei, was ihn sehr belästigt und geärgert habe. Sir Giles war in keiner Hinsicht verändert, seitdem der Leser ihn zuletzt gesehen hatte. Er trug denselben dunklen Mantel, denselben Federhut und denselben langen Degen an seiner Seite. Seine Haltung war so gebieterisch, wie vorher, und sein Anblick ebenso streng und drohend.

Sir Francis war indessen den natürlichen Folgen der Strafe nicht entgangen, welche ihm die Lehrlinge auferlegt hatten, denn er litt so an Rheumatismus, dass er kaum gehen konnte, während ein heftiger Husten, der sich seiner von Zeit zu Zeit bemächtigte, sich von dem erwähnten unglücklichen Tag her schrieb und ihn seitdem nie verlassen hatte, seine schwache Gestalt zu sprengen drohte; dies nebst der Erbitterung, woran er litt, war fast zu viel für ihn. Drei Monate schienen ebenso viele Jahre auf sein Haupt gehäuft oder wenigstens seine Konstitution sehr geschwächt zu haben. Aber ungeachtet seiner zunehmenden Schwächen und seiner gänzlichen Unfähigkeit zu der Rolle, die er zu spielen übernommen hatte, affektierte er noch immer eine jugendliche Miene und äffte die Übertriebenheit und Widersinnigkeit in der Kleidung und dem Benehmen der jüngsten und galantesten Hofleute nach. Er war noch in Seide und Atlas von den prunkenden Farben gekleidet, Haar und Bart noch ebenso sorgfältig gekräuselt und ebenso reichlich von Pomade und Wohlgerüchen duftend.

Nicht ohne beträchtliche Ungeduld zu zeugen, war Sir Giles genötigt, seinen Gang nach den langsamen und schwankenden Schritten seines Begleiters einzurichten, und musste mehr als einmal stehen bleiben, wenn die Lungen des Letzteren krampfhaft angestrengt wurden. Endlich aber erreichten sie das Haus und traten in die große Halle, wo die Anhänger versammelt waren, welche alle bei ihrem Erscheinen aufstanden und sie begrüßten. Da war Captain Bludder mit seiner prahlerischen Miene, von einem halben Dutzend seiner Elsässer Eisenfresser begleitet; Lupo Vulp, mit seinen schlauen Blicken, und die Häscher, kurz, alle waren zugegen, außer Clemens Lanyere. Sir Giles wusste sich seine Abwesenheit sehr wohl zu erklären. Auf die Fragen des Captains Blubber und seiner Gefährten, ob sie an dem Tag wohl noch zu tun haben würden, erteilte Sir Giles eine unbestimmte Antwort, gab dem Elsässer einige Geldstücke in die Hand, um mit seinen Begleitern in das Gasthaus Zur Rose in Hanging Sword Court zu gehen, eine oder zwei Flaschen Wein zu trinken und dann zurückzukehren, um sich weitere Befehle zu holen – ein Auftrag, den der Capitain gern erfüllte. Gegen die Häscher machte Sir Giles keine Bemerkung, sondern befahl nur Lupo Vulp, sich in Bereitschaft zu halten, wenn er gerufen werden sollte, und ging mit seinem Gefährten in ein inneres Zimmer. Als Sir Francis dasselbe erreichte, sank er auf einen Stuhl nieder und hatte wieder einen Anfall von Husten, der ihn zu vernichten drohte. Als er aufhörte, machte er eine Anstrengung, die Unterredung zu beginnen. Sir Giles, welcher ungeduldig im Zimmer auf und ab gegangen war, blieb stehen, um ihn anzuhören.

»Ihr werdet Euch wundern, welches Geschäft mich heute hierher geführt hat, Sir Giles«, sagte er, »und ich will Euch nicht länger in Erwartung erhalten. Ich bin beleidigt worden, Sir Giles – schwer beleidigt.«

»Von wem?«, fragte der Wucherer.

»Von Sir Jocelyn Mounchensey«, versetzte Sir Francis, vor Leidenschaft zitternd. »Ich habe heute eine schwere Beleidigung erfahren, die nur mit seinem Blutgetilgt werden kann.«

»Was hat er Euch getan?«, fragte der andere.

»Ich will es Euch sagen, Sir Giles. Ich sah ihn zufällig auf dem Hofplatz von Whitehall, und da einige Hofleute in der Nähe waren, von welchen ich glaubte, dass sie meine Partei nehmen würden – uff uff! Welch einen lästigen Husten ich bekommen habe; aber ich verdanke ihn jenen verwünschten Lehrlingen – sie sollen alle zum Henker gehen! Habt nur Geduld, lieber Sir Giles, ich komme schon zur Sache – uff! uff! Da kommt es schon wieder. Nun gut, wie ich sagte, ich dachte, die Hofleute, mit welchen ich mich unterredete, würden mir beistehen. Als ich Mounchensey auf uns zukommen sah, dachte ich, ich dürfe wohl wagen …«

»Wagen!«, wiederholte Sir Giles verächtlich. »Lasst kein so herabwürdigendes Wort über Eure Lippen kommen.«

»Ich meine, ich dachte, ich könne wohl Gelegenheit nehmen, ihm trotzig zu begegnen. Hierauf setzte ich stolz meinen Hut auf die Seite, wie ich es Euch und Capitain Bludder habe tun sehen, Sir Giles.«

»Bringt mich nicht mit dem Elsässer zusammen, darum muss ich bitten, Sir Francis«, entgegnete der Erpresser heftig.

»Ich bitte um Verzeihung, Sir Giles – ich bitte um Verzeihung! Aber, wie ich sagte, ich betrachtete ihn mit finsterem Blick und schlug dabei an meinen Degengriff. Und was denkt Ihr, was der schurkische Kerl tat? Ich erröte fast bei der bloßen Erzählung. Zuerst riss er mir den Hut ab und sagte, in Gegenwart von Gentlemen müsse ich in bloßem Haupt dastehen. Dann zupfte er mir an der Nase, und als ich mich umwendete, um ihm auszuweichen, wendete er seinen Fuß – ja seinen Fuß – gegen die Hinterseite meiner spanischen Hosen an, und gut war es, dass sie stark wattiert waren. Feuer und Wu! Sir Giles, ich kann die Beleidigung nicht ertragen. Und was noch schlimmer war, die schamlosen Kerle, die mir hätten beistehen sollen, wollten vor Lachen fast platzen und erklärten, es wäre mir recht geschehen. Als ich in meinem Zorn Worte finden konnte, sagte ich dem Schurken, Ihr würdet es ihm vergelten. Er antwortete, er wolle auf gleiche Weise mit Euch verfahren, wenn Ihr ihm in den Weg kämt.«

»Ha! Sagte er das?«, rief Sir Giles, indem er seinen Degen halb aus der Scheide zog, und seine Augen Feuer sprühten. »Wir werden sehen, ob er seine Worte wahr machen wird. Doch nein! Die Rache darf nicht auf diese Weise geschehen. Ich habe Euch schon gesagt, ich will ihn seine gegenwärtige Laufbahn eine Zeit lang ungestört fortsetzen lassen, um seinen Fall desto größer zu machen. Ich halte ihn in meiner Hand und kann ihn zerschmettern wenn ich will.«

»Dann schiebt Euren Vorsatz nicht auf, Sir Giles«, sagte Sir Francis, »oder ich muss meine eigenen Mittel anwenden, um mich mit ihm auszugleichen. Ich kann mich bei der Beleidigung, die ich erduldet habe, nicht beruhigen.«

»Und was wird die augenblickliche Genugtuung, die sein Tod gewährt«, entgegnete Sir Giles, »im Vergleich damit sein, ihn von dem Punkt herunterzustürzen, den er erreicht hat, ihn seiner Ehre und seines erworbenen Reichtums zu berauben und ihn in das Fleetgefängnis zu werfen, wo er zollweise sterben wird und wo Ihr Eure Augen an seinen langsamen Qualen weiden könnt? Das ist wahre Rache; und Ihr seid nur ein Neuling in dieser Kunst, wenn Ihr glaubt, dass Euer Plan dem meinen gleich ist. Aus diesem Grund habe ich ihn so lange verschont. Ich habe zugegeben, dass er sich mit Stolz und Unverschämtheit bläht, bis er bereit ist, zu bersten. Aber sein Tag der Rechenschaft ist nahe, und dann soll er uns die große Rechnung zahlen, die er mir schuldig ist.«

»Nun, Sir Giles, ich bin bereit, Euch die Sache zu überlassen«, sagte Sir Francis, »aber es ist hart, sich öffentlich beleidigen zu lassen und keine unmittelbare Genugtuung zu erhalten.«

»Ich gebe es zu«, entgegnete Sir Giles, »aber Ihr wisst sehr wohl, dass Ihr ihm im Fechten nicht gewachsen seid.«

»Wenn ich es nicht bin, so sind andere es – Clemens Lanyere zum Beispiel!«, rief Sir Francis. »Er hat mehr als einmal einen Streit für mich ausgefochten.«

»Wenn es eine gewöhnliche Sache wäre, würde ich Euch raten, die Ausgleichung dieses Streites Lanyere zu überlassen«, sagte Sir Giles, »oder ich würde sie selber für Euch übernehmen. Aber das wäre nur eine halbe Rache. Nein, das Werk muss vollständig geschehen. Der Triumph, den Ihr am Ende haben werdet, wird Euch vollständig für den Aufschub entschädigen.«

»So mag es denn sein«, entgegnete Sir Francis. »Aber ehe ich den Gegenstand aufgebe, kann ich wohl bemerken, dass mich eins bei dem plötzlichen Steigen dieses Emporkömmlings in Verlegenheit setzt, nämlich, dass Buckingham ihm keinen Widerstand leistet. Selbst der König hat, wie ich höre, seine Überraschung ausgedrückt, dass der eifersüchtige Marquis einen Menschen, der sein Nebenbuhler werden könne, scheinbar mit so großem Wohlgefallen ansehe.«

»Es ist, weil Buckingham keine Furcht vor ihm hegt«, versetzte Sir Giles. »Er weiß, er darf nur ein Wort sagen, und die Puppe, die Gondomar eingeführt hat, und noch jetzt unterstützt, wird augenblicklich beseitigt; aber da er auch weiß, dass sogleich ein anderer würde eingeführt werden, so ist er zufrieden, ihn für jetzt an der Stelle zu lassen.«

»Gewiss, wenn Mounchensey mehr Weltkenntnis gehabt hätte, würde er Misstrauen gegen ihn hegen«, sagte Sir Francis, »denn meiner Meinung nach übertreibt Buckingham seine Rolle, und beweist ihm zu viel Aufmerksamkeit. Er lädt ihn, wie ich höre, zu all seinen Masken, Banketten und Lustbarkeiten in Work House ein und lässt sich sogar herab, ihm zu schmeicheln. Ein solches Benehmen würde bei jedem, außer bei dem Gegenstand desselben, Verdacht erwecken.«

»Ich habe Euch Buckinghams Beweggrund gesagt, und daher wird seine Handlungsweise Euch nicht mehr überraschen. Habt Ihr von der Wette zwischen Gondomar und dem Marquis gehört, infolge deren morgen auf dem Turnierplatz eine Prüfung der Geschicklichkeit stattfinden wird? Mounchensey wird gegen Buckingham rennen, und ich überlasse es Euch, zu erraten, welches der Erfolg sein wird. Ich selber werde unter den Streitern sein.«

»Ihr!«, rief Sir Francis.

»Ja, ich«, versetzte Sir Giles mit einem Lächeln der befriedigten Eitelkeit. »Nun hört mich an, Sir Francis. Ich habe eine Überraschung für Euch. Es ist nicht genug für Euch, diesen aufstrebenden Jüngling von seiner stolzen Stellung herunterzuwerfen und ihn mit Schande zu überhäufen – es ist nicht genug, ihn in das Fleetgefängnis zu sperren, ich will ihn auch seines köstlichsten Schatzes – des Gegenstandes seiner zärtlichen Neigung berauben.«

»Ei, wirklich!«, rief Sir Francis.

»Auf meinen Befehl hat Clemens Lanyere ihn beständig überwacht und entdeckt, dass das Herz des jungen Mannes einem jungen Mädchen von großer Schönheit, namens Aveline Calveley, der Tochter des wahnwitzigen Puritaners, zugewendet ist, der vor drei oder vier Monaten den König in Theobalds ermorden wollte.«

»Ich erinnere mich der Umstände sehr wohl«, sagte Sir Francis.

»Dieses Mädchen lebt in großer Abgeschiedenheit mit einer ältlichen Dame, aber ich habe dennoch ihren Aufenthalt entdeckt. Ich habe gesagt, dass Sir Jocelyn in sie verliebt ist, aber sie ist auch nicht unempfindlich für seine Leidenschaft. Aber es ist ein Hindernis für ihr Glück vorhanden. Fast mit seinem letzten Atemzug nahm Hugo Calveley seiner Tochter das Versprechen ab, ihre Hand unbedenklich dem zu geben, welchem er dieselbe versprochen, wenn sie innerhalb eines Jahres sollte gefordert werden; doch machte er sie mit dem Namen desselben nicht bekannt.«

»Und wird die Aufforderung geschehen?«

»Ja.«

»Und denkt Ihr, dass sie ihr Versprechen erfüllen wird?«

»Ich bin dessen gewiss. Die Befehle eines sterbenden Vaters sind heilig für eine Person wie sie.«

»Habt Ihr sie gesehen, Sir Giles? Ist sie so schön, wie man sie schildert?«

»Ich habe sie noch nicht gesehen; aber sie wird sogleich hier sein. Dann könnt Ihr selber urteilen.«

»Sie hier!«, rief Sir Francis. »Durch welchen Zauber wollt Ihr sie hierher bringen?«

»Durch einen unfehlbaren Zauber«, versetzte Sir Giles mit grimmigem Lächeln. »Ich habe sie in ihres Vaters Namen rufen lassen. Ich habe zu ihr geschickt, um ihr zu sagen, dass ihre Hand gefordert wird.«

»Von wem?«, fragte Sir Francis.

»Das ist mein Geheimnis«, versetzte Sir Giles.

In diesem Augenblick wurde an die Tür geklopft, und als Sir Giles Herein rief, wurde sie von Clemens Lanyere, dessen Gestalt in einen langen Mantel gehüllt und dessen Gesicht mit seiner Maske bedeckt war, geöffnet.

»Sie sind da«, sagte er.

»Das Mädchen und die ältliche Frau?«, rief Sir Giles.

Und eine bejahende Antwort von dem Ankläger erhaltend, befahl er ihm, sie sogleich hereinzuführen.

Im nächsten Augenblick trat Aveline, von einem anständig aussehenden Frauenzimmer in vorgerückten Jahren begleitet, herein. Clemens Lanyere folgte ihnen. Das Mädchen war in tiefe Trauer gekleidet, und wenn gleich sehr blass aussehend, machte ihre auffallende Schönheit einen starken Eindruck auf Sir Francis Mitchell, der sogleich aufstand und ihr eine tiefe und, wie er meinte, sehr graziöse Verbeugung machte.

Ohne ihm die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, wendete sich Aveline an Sir Giles, dessen Blick sie mit Schrecken erfüllte.

»Warum habt Ihr mich rufen lassen, mein Herr?«, fragte sie.

»Ich habe Euch rufen lassen, Aveline Calveley, um Euch an das Versprechen zu erinnern, welches Ihr Eurem sterbenden Vater abgelegt habt«, versetzte er.

»Ha!«, rief sie, »so bestätigt sich also meine üble Ahnung!«

»Ich weiß, Ihr betrachtet jenes Versprechen als bindend«, fuhr Sir Giles fort, »und ich habe Euch nur anzukündigen, dass von heute an in einer Woche Eure Hand zur Ehe gefordert werden wird.«

»Ach! Ach!«, rief sie in Tönen der Verzweiflung. »Aber wer fordert sie? Und wie kann der Anspruch geltend gemacht werden?«, fügte sie hinzu, indem sie sich einigermaßen fasste.

»Ihr werdet es zu der bestimmten Zeit erfahren«, versetzte Sir Giles. »Nachdem ich Euch nun aufgefordert habe, Euch auf die Erfüllung Eures feierlich abgelegten Versprechens vorzubereiten, will ich Euch nicht länger aufhalten.«

Aveline sah ihn mit Verwunderung und Schrecken an und würde eine weitere Erklärung gesucht haben; da sie aber an dem unbeugsamen Ausdruck seines Gesichts bemerkte, dass jede Bitte vergebens sein würde, verließ sie mit ihrer Begleiterin das Zimmer.

»Ich würde mein halbes Vermögen darum geben, dieses Mädchen zu besitzen«, rief Sir Francis, von Bewunderung ihrer Schönheit berauscht.

»Hm!«, rief Sir Giles; »es sind schon schwierigere Dinge bewerkstelligt worden. Euer halbes Vermögen, sagt Ihr? So viel ist sie nicht wert. Schreibt mir Euren Anteil an den Besitzungen der Familie Mounchensey zu und sie soll die Eure sein.«

»Ich will es tun, Sir Giles – ich will es tun!«, rief der alte Wucherer lebhaft, »aber Ihr müsst mir vorher beweisen, dass Ihr Eure Wort wahr machen könnt.«

»Pah! Habe ich Euch je getäuscht, Mann? Aber beruhigt Euch. Ihr sollt völlig zufrieden gestellt werden.«

»Dann ruft Lupo Vulp und lasst ihn den Vertrag sogleich aufsetzen«, rief Sir Francis. »Ich werde einen seltenen Preis erlangen und mich schwer an dem verabscheuten Mounchensey rächen!«

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