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Der Welt-Detektiv Band 6

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Abenteuer des Captains Bonneville 41

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Vierzigstes Kapitel

Erzählungen der Reisenden – Lauernde Indianer – Buckeys Prophezeiungen – Zeichen und Vorbedeutungen – Der medizinische Wolf – Ein Aufruhr – Ein Hinterhalt – Die aufgefangenen Lebensmittel – Triumph von Buckey – Ankunft von Vorräten – Großes Trinkgelage – Capitain Wyeth und seine neu angeworbene Bande

Das Entsetzen und die Empörung, die Capitain Bonneville über die Ausschweifungen der kalifornischen Abenteurer fühlte, wurde nicht von seinen Leuten geteilt; im Gegenteil wurden die Begebenheiten dieser Expedition eine Lieblingsunterhaltung in dem Lager.

Die Helden von Monterey trugen in allen Klatschereien unter den Jägern die Palme davon. Ihre lebhaften Beschreibungen, der spanischen Bärenhetzen und der Stiergefechte vornehmlich, wurden mit großem Vergnügen angehört. Wäre eine andere Expedition nach Kalifornien in Vorschlag gebracht worden, so würde die Schwierigkeit gewesen sein, all jene zurückzuhalten, die sich mit Begierde als Freiwillige dazu gemeldet hätten.

Der Capitain war noch nicht lange an dem verabredeten Sammelplatz, als er an mehreren Zeichen wahrnahm, dass Indianer in der Nähe lauerten. Offenbar war die Bande Blackfeet, die er auf seinem Marsch gesehen hatte, seiner Partie auf der Spur gefolgt und auf Unheil bedacht. Er versuchte die Wachsamkeit in seinem Lager zu erhalten. Es war aber ebenso schwierig, die Disziplin unter den Biberfängern in einem Sammelplatz aufrecht zu erhalten, wie bei den Matrosen in einem Hafen.

Buckey, der Delaware, nahm an dieser Sorglosigkeit der Jäger, wo der Feind bei der Hand war, großen Anstoß und predigte beständig Vorsicht. Er war etwas geneigt, an Zeichen und Vorbedeutungen zu glauben, was seine weißen Kameraden belustigte. Er war ein großer Träumer, der an Zauber und Talismane oder Medizin glaubte, und konnte an dem Geheul oder dem Bellen des kleinen Präriewolfes vorher sagen, wenn sich ein Fremder näherte. Wenn dieses Tier durch die größeren Wölfe von den auf den Jagdrevieren von den Jägern zurückgelassenen, getöteten Tieren verjagt wird, dann folgt es der Spur des frischen Fleisches, das man zum Lager bringt. Der Geruch des gerösteten oder gebratenen Fleisches, der von jedem Lüftchen fortgeweht wird, hält sie in der Nähe um das Lager herum, indem sie, nach jedem Luftzug schnüffelnd, die Nase wie hungrige Hunde in die Höhe strecken und durch ein wimmerndes Geheul und ungeduldiges Bellen ihren Heißhunger zu erkennen geben. Dieses wird von den abergläubischen Indianern für ein Warnzeichen angesehen, dass sich Fremde in der Nähe befinden. Wenn es sich zufällig trifft, dass solche Vorahnungen, gleich den Wetterprophezeihungen der Kalender, bisweilen in Erfüllung gehen, dann ist dieses hinlänglich, tausend fehlgeschlagene Fälle zu entschuldigen. Dieses kleine heulende, fleischwitternde Tier wird deshalb von den Indianern der medizinische Wolf genannt, und dies war eins von Buckeys unfehlbaren Orakeln.

Eines Morgens erschien der prophetische Delaware mit einem finsteren Gesicht. Er war voller Vorahnungen. Es erhellt aber nicht, ob er wahrsagerische Träume oder Anzeichen des medizinischen Wolfes gehabt hatte. »Es laure«, sagte er, »Gefahr auf ihrem Weg und ehe die Sonne untergehe, würde ein Gefecht vorfallen.« Er wurde mit seiner Prophezeiung ausgelacht, indem er, wie sie sagten, zu viel zu Abend gegessen habe und von bösen Träumen heimgesucht worden sei.

Im Laufe des Morgens brach eine Partie Jäger zur Büffeljagd auf und nahm ein Maultier mit, um das Fleisch, das sie sich verschaffen könnten, zurückzubringen. Sie waren einige Stunden abwesend gewesen, als sie in voller Eile klirrend ins Lager zurückkamen und das Kriegsgeschrei die Blackfeet, die Blackfeet! hören ließen. Es griff alles zu den Waffen.

Es erwies sich, dass die Jäger, die ihr mit den besten Stücken Büffelfleisch beladenes Maultier am Zaum führend, gemächlich zurückkehrten, dicht an einem, mit Bäumen überwachsenen, kleinen Strom vorbeikamen, der ungefähr zwei Meilen von dem Lager entfernt lag. Plötzlich sprang eine Gruppe der Blackfeet, die in den Gebüschen im Hinterhalt gelegen hatte, mit einem furchtbaren Geheul auf und feuerte eine Salve auf die Jäger ab. Die Letzteren legten sich sogleich flach auf ihre Pferde, trieben sie an und blickten nicht um sich, bis sie das Lager erreicht hatten.

Glücklicherweise waren sie ohne Schusswunden davon gekommen, allein das Maultier war, samt des Proviants, in die Hände der Feinde gefallen. Dies war ein Verlust und eine Kränkung, die unerträglich schienen.

Alle sprangen, mit der Büchse in der Hand, zu ihren Pferden und galoppierten davon, um die Blackfeet zu bestrafen und das Büffelfleisch wieder zu erobern. Sie kamen zu spät. Die Diebe hatten sich davon gemacht und alles, was sie von ihrem Maultiere noch fanden, waren die Hufabdrücke, die es hinterlassen hatte, indem es in vollem Trab mit seiner schmackhaften Ladung in das Gebirge davongeritten worden war, um den entsprungenen Wilden ein Bankett von gebratenem Fleisch auf Kosten der weißen Menschen zu verschaffen.

Die Partie kehrte, um ihre Rache getäuscht, noch schmerzlicher aber, um ihr Abendessen betrogen, in ihr Lager zurück. Buckey, der Delaware saß ganz ruhig mit seiner Pfeife beim Feuer. Als die Jäger die Umstände des Überfalls erzählten, hörte er sie schweigend und mit ruhiger Miene an, deutete dann nach Westen hin und sagte: »Die Sonne ist noch nicht untergegangen. Buckey hat nicht wie ein Narr geträumt.«

Alle Gegenwärtigen erinnerten sich nun der Vorhersagung des Indianers bei Tagesanbruch und schienen über ihre Erfüllung betroffen. Sie riefen ebenfalls in ihr Gedächtnis eine lange Reihe vorhergegangenen Vorahnungen und Wahrsagungen zurück, die zu verschiedenen Zeiten von dem Delawaren gemacht worden waren, und fingen in ihre Leichtgläubigkeit an, ihn als einen wahrhaften Propheten zu betrachten, ohne zu bedenken, wie natürlich es war, die Gefahr vorherzusagen, und welche Wahrscheinlichkeit er vor sich hatte, dass seine Prophezeiung im gegenwärtigen Fall in Erfüllung gehen werde, da mehrere Anzeichen von lauernden Feinden vorhanden waren.

Die verschiedenen Gruppen von Capitain Bonnevilles Brigade waren nun einige Zeit beisammen gewesen. Sie hatten ihre Feste und ihren Jubel und alle Arten von ungebundenen Gelagen und selbst rohen Schmausereien gehabt, wie selbige immer bei solchen Gelegenheiten stattfinden. Sowohl die Pferde als auch sie selbst hatten sich von ihrem erlittenen Hungern und ihren Strapazen erholt und waren wieder zum aktiven Dienst fähig. Es zeigte sich selbst eine Ungeduld unter den Leuten, wieder auszuziehen und auf neue wandernde Expeditionen auszugehen.

In dieser Lage der Dinge kam Herr Cerré am Sammelplatz mit einer Zufuhrpartie an, welche Güter und Ausrüstungen aus den amerikanischen Staaten überbrachte. Man wird sich erinnern, dass dieser tätige Führer sich im vorherigen Jahr, auf dem Dickhorn in einem Ochsenboot eingeschifft hatte, das mit einer jährlichen Sammlung von Pelzwaren befrachtet worden war. Es waren ihm im Laufe seiner Reise Unglücksfälle begegnet. Eine seiner gebrechlichen Barken war umgeschlagen und ein Teil der Pelzwaren verloren gegangen oder beschädigt worden.

Bei der Ankunft der Vorräte stiegen ihre rauschenden Lustbarkeiten auf das Höchste. Eine wüste Schwelgerei folgte der anderen, es wurde getrunken, getanzt, geprahlt, gespielt, sich gestritten und geschlagen. Alkohol oder Weingeist, der bei seiner verführbaren Eigenschaft die größte Menge geistigen Stoffes in dem geringsten Umfang enthält, ist der einzige Likör, der über die Felsgebirge gebracht wird, und das berauschende Getränk dieser Gelage. Er wird den Trappern zu vier Dollar die Pinte ausgemessen. Wenn sie von diesem berauschenden Trank erhitzt sind, dann machen sie alle Arten von Possen und tolle Streiche und verbrennen bisweilen alle ihre Kleider in trunkener Prahlerei. Ein Lager, das sich von diesem geräuschvollen Schwelgen erholt, bietet ein ernst-komisches Schauspiel von trüben Augen, Kopfweh und bleichen Gesichtern dar. Wie so mancher Biberfänger hat nicht schon in einem einzigen fröhlichen Rausch den sauer verdienten Lohn eines Jahres vergeudet. Wie so viele andere haben sich nicht in Schulden gestürzt und müssen sich für vergangene Vergnügungen abmühen? Alle fühlen sich übersättigt, da sie den Becher des Vergnügens bis auf den Boden geleert haben, und sehnen sich auf eine neue Biberjagd auszugehen, denn Erduldungen und schwere Mühen, gewürzt mit dem Reiz wilder Abenteuer und beendet mit einem jährlichen tollen Gelage, sind das Los des nimmer ruhenden Biberfängers.

Der Capitain traf nun seine Vorkehrungen für das laufende Jahr. Cerré und Walker sollten sich mit einer Anzahl von Leuten, welche zu Kalifornien gewesen waren, und den Packen der im vergangenen Jahr gesammelten Felle nach Saint Louis begeben; eine andere Partie unter Anführung eines gewissen Montero in das Land der Crow; an seinen verschiedenen Strömen und in den schwarzen Hügeln Biber fangen und von da an den Arkansas ziehen, wo er in die Winterquartiere zu gehen gedachte.

Der Capitain selbst behielt sich vor, für sich selbst eine ganz verschiedene Richtung einzuschlagen. Er beabsichtigte eine andere Expedition mit dreiundzwanzig Mann an den unteren Teil des Columbia River zu unternehmen und sich von da in das Tal des Multnomah zu begeben. Nachdem er in diesen Teilen überwintert und einen Handel mit jenen Stämmen, bei denen er bei seinem ersten Besuch verweilt, eingeleitet hätte, wollte er im Frühling zurückkehren, über die Felsgebirge gehen und sich mit Montero und seiner Partie im Monat Juni an dem verabredeten Sammelplatz am Arkansas vereinigen, wo er seine jährliche Zufuhr aus den amerikanischen Staaten zu erhalten hoffte.

Wenn der geneigte Leser seinen Blick auf die Karte werfen und sich die weite Ausdehnung des Landes bemerken will, das jene projektierten Wanderungen in sich begreift, so kann er sich eine Idee davon machen, wie ein Mann in diesen weiten Wildnissen die Entfernungen gering zu achten lernt.

Am 3. Juli, als eben die verschiedenen Partien im Begriff standen, zu ihren gegenseitigen Revieren aufzubrechen, erhielt Capitain Bonneville die Nachricht, dass Capitain Wyeth, der unermüdliche Anführer der Salmenfischerei-Partie, der sich vor ungefähr einem Jahr am Ufer des Dickhorn von ihm getrennt hatte, um diesen wilden Strom in einem Ochsenboot hinabzufahren, sich mit einer frisch angeworbenen Truppe von Jägern und Trappern in der Nähe und sich noch einmal auf dem Weg zu den Ufern des Columbia River befände.

Da wir an der neuen Unternehmung dieses Easternmans ein großes Interesse nehmen, uns sein beharrlich-weiterstrebender Geist gefällt und da seine Bewegungen das Leben in der Wildnis auf eine eigene Weise bezeichnen, so wollen wir, während Capitain Bonneville mit seinem Lager aufbricht und seine Pferde sattelt, uns mit des Lesers Erlaubnis, ein Jahr in der Zeit und einige hundert Meilen in der Entfernung an die Ufer des Dickhorn zurück versetzen und mit Capitain Wyeth in seinen Ochsenboot abfahren. Wenn uns seine abenteuerliche Reise nun auch Hunderte von Meilen über reißende Ströme in großen Krümmungen hinabführt, so ist doch die magische Gewalt der Feder so groß, dass wir versprechen, den Leser zurück in das Beaver River Valley zu versetzen, wenn das letzte Pferd gesattelt ist.

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