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Der Welt-Detektiv Band 6

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Madelaine de Mandol und Louys Gaufridi (1611)

Das 17. Jahrhundert

5. Madelaine de Mandol und Louys Gaufridi (1611)

Gegen Ende des Jahres 1609 machte Magdalene von Mandol oder Mandouls, eine Nonne der heiligen Ursula, die Tochter eines provenzalischen Edelmanns, ihrem Beichtvater das Geständnis, dass sie in die Gewalt einer großen Zahl von Dämonen gefallen sei, und dass ein Zauberer sie schon vor ihrem zehnten Jahr verführt habe. Sie war damals 19 Jahre alt. Eine andere Nonne aus demselben Kloster, Louise Capel oder Capeau, erklärte fast zu derselben Zeit, auch sie sei von drei Teufeln besessen, von denen einer Verrine hieße. Der Vater Romillon ließ darauf beide Mädchen heimlich in seiner Kapelle exorzisieren. Da sich aber nach einem Jahr und einigen Monaten gar kein Erfolg seiner Bemühungen zeigte und er die Teufel nicht einmal zum Reden bringen konnte, so führte er die Madeleine als die am schlimmsten Besessene nach Maximin, um sich beim Vater Michaëlis Rat einzuholen. Dann wurden beide Nonnen zum Kloster de la Sainte-Baume gebracht, wo Louise oder vielmehr der Teufel Verrine durch ihren Mund einen heftigen Ausfall gegen den Priester Gaufridi machte, ihn anklagte, der Fürst aller Hexenmeister von Spanien, Frankreich, England und der Türkei zu sein und Luzifer als seinen leibeigenen Dämon zu besitzen. Michaëlis, der sich niemals die Gelegenheit hatte entgehen lassen, einen Unglücklichen zu verderben, der sich wohl überlegt hatte, dass die beiden Mädchen wirklich besessen seien, machte dem ersten Präsidenten des Parlamentshofes der Provence, du Vair, Anzeige. Das Parlament ließ Gaufridi, Pfarrer an der Kirche des Acoulés in Marseille, gefangen nehmen und der Rat Thoron leitete den Prozess ein, dessen blutige Entscheidung nur zu bald die Wünsche des Pater Michaelis krönte. Am 30. April 1611, um fünf Uhr abends, wurde Gaufridi auf einem Schafott zu Aix öffentlich seiner Würden entkleidet. Der Henker führte ihn unter dem Zuströmen des Volkes durch alle Straßen der Stadt. Er ging barfuß und barhäuptig, einen Strick um den Hals und eine brennende Fackel in der Hand. Vor der Tür der erzbischöflichen Kirche musste er Gott, den König und den Gerichtshof laut um Verzeihung bitten. Auf dem Platz des Prêcheurs war der Scheiterhaufen aufgerichtet, seine noch nicht erkaltete Asche wurde in alle Winde gestreut.

Viele haben Gaufridi falsch beurteilt und sind ohne Mitleid über sein Schicksal hinweggegangen. Bis zu der von den Nonnen erhobenen Anklage war Gaufridi, selbst nach dem Zeugnis von Michaëlis, von den vornehmsten Personen geehrt und geachtet. Madelaine von Mandouls aber zeigte nach der Erzählung der Exorzisten eine Reihe von hysterischen, kataleptischen und nymphomanischen Symptomen, die sich nicht leicht verkennen lassen und ihre Angaben als Delirien deutlich herausstellen.

Am 1. Februar, erzählt Michaëlis, fuhr Beelzebub fort, Madelaine zu quälen. Er warf sie zur Erde auf den Bauch, dann auf den Rücken, packte sie auch drei- oder viermal an der Gurgel, um sie zu erdrosseln.

Am 9. März wurde ein neuer Zauber auf Madelaine geworfen. Sie wurde am Genuss von Fleisch, Fischen und Wein gehindert, damit sie vor Hunger sterbe oder wenigstens von ihren Aussagen gegen den Zauberer ablasse. Sobald sie nämlich das Geringste von jenen Speisen anrühren wollte, so zog sie der Teufel von der Tafel fort, verdrehte ihr Arme und Beine, machte ihr die Finger krumm, sodass ihr die Knochen im Leib krachten (faisant cliquer les os). Das dauerte eine Viertel-, eine halbe, ja auch eine ganze Stunde. Am 9. April waren die Martern ungewöhnlich stark. Zum Mittagessen beugten ihr die Teufel den Kopf immer bis zur Erde, beim Abendessen drehten sie ihr alle Eingeweide im Leibe um; man konnte sogar das Geräusch hören. Nachher wurde sie in eine solche Ermattung versetzt, dass sie tot dalag. Als sie später, nachdem sie wieder zu sich gekommen war, wieder zu essen anfangen wollte, so begannen die Teufel das alte Spiel mit ihren Gliedern wieder. Ihr Gesicht wurde dabei flammend rot. Am 10. April ließ sie der Teufel bei den Exorzismen fürchterlich heulen; am 19. ließ er sie, wenn sie kniete, in die Höhe springen und warf sie dann mit solcher Gewalt wieder auf die Knie, dass sie den Fußschemel zerbrach, obwohl man ihr zwei Mäntel untergebreitet hatte. Am Abend beschwor man den Teufel und befahl ihm, sie essen zu lassen, worauf sie die ihr dargereichten Bissen so gierig wie ein Hund herunterschlang und immerfort rülpste.

Es sind in dieser Schilderung die Symptome hysterischer Konvulsionen, mit Krämpfen des Pharynx, mit allgemeinen unwillkürlichen Muskelbewegungen nicht zu verkennen. Auch zu unzüchtigen Bewegungen zwang sie der Teufel.

Am 20. Januar hatte der Teufel schon am Morgen aus ihr heraus seine große Angst ausgesprochen, in die Kirche de la Baume zu kommen, hatte mit lautem Geschrei die Beichte unterbrochen und gesagt, dass ihn das höllische Feuer nicht so brenne wie die Absolution. Am Abend fand man sie, als sie zum Exorzisieren in die Kirche kommen sollte, steif und kalt wie eine Marmorstatue, sodass sie vier Männer forttragen mussten. Auch vor dem Altar blieb sie lange Zeit so liegen, bis man ihr das heilige Ziborium auf das Antlitz gelegt hatte. Ähnliche Erscheinungen wiederholten sich am 4. Februar und 2. April. Am 10. März sah sie sich leibhaftig von einer Menge von Teufeln umgeben, die ihr zuredeten, nach Aix zurückzukehren. Am 21., nachdem sie schon in der Kapelle und in der Zelle große Qualen ausgestanden hatte, kam nach dem Abendessen noch Leviathan zu ihr und erklärte ihr, sie sei noch gar nicht ordentlich gequält worden, weil weder er noch Beelzebub dabei gewesen sei. Darauf sah sie leibhaftig vier Teufel, die sie wohl eine Dreiviertelstunde lang so heftig quälten, dass drei Männer, die sie hielten, ganz in Schweiß gebadet waren. Öfters ließ sie der Teufel laut heulen. Man musste sie von Louyse Capeau trennen, »weil die Teufel, die in verschiedenen Körpern sitzen, sich gegenseitig nicht leiden können und sich wie Wölfe oder Wildschweine aufzufressen versuchen.«

Einmal bewog Beelzebub Madelaine, sich ein Messer in den Busen zu stecken, um sich mit eigener Hand zu töten. Da man ihr das Messer wegnahm, packte er sie wieder an der Gurgel und wollte sie erdrosseln. Eine Menge derartiger Zufälle findet sich in den Berichten von Michaëlis mitgeteilt. Bald fühlt sie den Teufel als eine Kröte. Er spricht in ihr, dass er sie erdrosseln wolle, wenn sie den Mund öffnete. Ganze Herden von Zauberern, Gaufridi immer an ihrer Spitze, steigen durch den Kamin herab, blasen ihr durch Röhren Pulver zu; ihre Nächte sind schlaflos; auf jede mögliche Weise versucht sie sich zu verwunden oder zu töten. Sie klagt Gaufridi an, dass er ihr in ihrem neunten Jahr ihre Unschuld geraubt, in einer dunklen Höhle in Gegenwart noch anderer Anbeter des Teufels, dass er sie oft in die Synagoge der Zauberer geführt, sie dort im Namen des Teufels getauft, auf ihren Körper die Teufelsmarke aufgedrückt und endlich die Teufel, von denen sie nun besessen sei, in sie hineingeschickt habe. Sie glaubt die Fürstin des Sabbats zu sein, wie Gaufridi der Fürst ist.

Ausdiesen Angaben kann man einen Schluss auf die Klarheit ihres geistigen Zustandes machen. Auch die Angaben von Louise Capel sind nicht geeignet, Gaufridi zu retten. Wenn man sie fragt, warum Gaufridi so traurig sei und fast gar nichts äße, so erwiderte sie ebenso wie Madelaine: Das wäre bloß äußerer Schein; er täte nur so, als ob er sich des Fleischgenusses enthielte, während er doch heimlich kleine Kinder tötete, die begrabenen ausgrübe und sich an ihrem Fleisch sättigte. Wenn der Unglückliche beim Namen Gottes, der Heiligen Jungfrau und des heiligen Baptists schwor, dass die ihm zur Last gelegten Anklagen falsch seien, so sagte Madelaine: »Ich verstehe dich gut, das ist der Schwur der Synagoge. Wenn du von Gott sprichst, so verstehst du Luzifer darunter; unter dem Sohn Beelzebub; unter dem Heiligen Geist Leviathan; die Heilige Jungfrau ist dir die Mutter des Antichrist und den Teufel, den Vorläufer des Antichrist, nennst du den heiligen Jean Baptiste.«

Gaufridi wies zuerst alle Anklagen zurück; aber er wurde müde von Sorge und Kummer, niedergedrückt durch unaufhörliche Drohungen, dass Kain und Judas weniger schuldig seien als er; dass Gott für ihn eine viel schrecklichere Hölle erschaffen müsse. Er wurde moralisch durch das Geplärre von zwei Mönchen tot gemacht, die ihm immerwährend vorerzählten, es sei noch Zeit, sich mit Gott auszusöhnen.

Er verlor den Kopf und gestand, dass er seit seinem 14. Jahr dem Teufel angehöre; bei der Lektüre eines Buches aus der Bibliothek seines Oheims sei ihm der Teufel zum ersten Mal erschienen und habe ihm angeboten, alle Frauen, die er mit seinem Hauch berührte, in ihn verliebt zu machen, wofür er ihm Leib und Seele mit seinem Blut verschrieb. So habe er mehr als tausend Frauen mit dem Zauber seines Atems vergiftet, und Madelaine habe eine wahnsinnige Liebe für ihn gefasst und sich rückhaltlos ihm hingegeben usw. Man muss bei diesen Geständnissen hinzufügen, dass Gaufridi während seines Prozesses unaufhörlich weinte, wenig schlief und wenig Nahrung zu sich nahm. Er wusste sehr wohl, dass er mit diesen Geständnissen sein Todesurteil unterschrieb.

Auch nach Gaufridis Tod fuhren die beiden Nonnen fort, zu delirieren. Ein blindes Mädchen, mit Namen Honorée, wurde von Louise Capel ebenfalls der Hexerei angeklagt und musste auf dem Scheiterhaufen enden.

Madelaine von Mandouls lief drei Monate nach Gaufridis Tod barfuß in den Straßen von Carpentras umher und bettelte von Tür zu Tür um Almosen. Später verkaufte sie auf einem Platz kleines Holz, welches sie in den Wäldern gesammelt hatte.

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