Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Büffeljäger am Lagerfeuer – Kapitel 24

Thomas Mayne Reid
Die Büffeljäger am Lagerfeuer
Reisebilder und Naturschilderungen aus dem Westen
Verlag Schmidt & Spring. Stuttgart.1858

Vierundzwanzigstes Kapitel

Der alte Ike und der graue Bär

Da sich Audubons Geschichte mit einem Abenteuer von einem grauen Bären endete, so lenkte sich das Gespräch auf dieses berühmte Tier, und wir horchten mit mehr als gewöhnlichem Interesse auf die vielen Belehrungen, die uns über denselben zuteilwurden. Der graue Bär ist unzweifelhaft das Gefährlichste aller wilden Tiere, welche das Festland von Amerika bewohnen, selbst ohne Ausnahme des Jaguars und Kuguars. Wenn er die Behändigkeit des Tigers oder des Löwen der alten Welt besäße, so würde er ein ebenso gefährlicher Feind des Menschen sein, denn an Kraft gleicht er dem Letzteren und übertrifft den Ersteren an Grausamkeit. Glücklicherweise läuft das Pferd schneller als er. Wäre dies nicht der Fall, so würde ihm gar mancher Mensch zum Opfer fallen, denn er kann leicht einen Mann zu Fuß einholen. Es gibt kaum einen Gebirgsmann in Amerika, der nicht eine Reihe gefährlicher Abenteuer vom grauen Bären erzählen könnte, und man hat zahlreiche Beispiele, dass Menschen im Kampf mit diesen wilden Bestien gefallen sind. Der graue Bär ist ein Tier von beträchtlicher Größe. Man hat deren getötet, welche dem größten Eisbären vollkommen gleichkamen. Etwa fünfhundert Pfund können als das durchschnittliche Gewicht des grauen Bären angenommen werden. Die Gestalt desselben ist viel gedrungener als die des schwarzen oder des Eisbären. Seine Ohren sind großer, seine Vorderbeine kräftiger und sein Aussehen grimmiger. Seine Zähne sind scharf und groß, aber was seine Feinde am meisten fürchten, sind die Krallen seiner Pranken. Diese selbst sind so groß, dass sie oft im Schlamm eine 12 Zoll lange und 8 Zoll breite Spur zurücklassen. Aus den Zehen dieser ungeheuren Tatzen ragen hörnerartige, volle sechs Zoll lange Krallen hervor. Sie sind halbmondförmig und würden noch länger sein, wenn nicht jederzeit fast ein Zoll davon abgenutzt wäre. Das Tier wühlt den Boden auf, um Murmeltiere, Erdeichhörnchen und verschiedene essbare Wurzeln aufzusuchen. Diese Gewohnheit erklärt die Stumpfheit seiner Krallen. Sie sind jedoch immer noch scharf genug, um einem Pferd oder Büffel das Fell oder einem Jäger den Skalp herunterzureißen, was schon mehr als ein grauer Bär in Wirklichkeit getan hat. Seine Farbe ist größtenteils bräunlich, mit weißen Haaren vermischt, was ihm das grauliche Aussehen gibt, von dem er den Namen hat. Aber obwohl dies die gewöhnliche Farbe ist, so gibt es doch auch mancherlei Spielarten. Einige sind fast weiß, andere gelblichrot und noch andere fast schwarz. Auch die Jahreszeit ist von großem Einfluss auf die Farbe; immer aber ist das Haar zottiger und länger als bei dem schwarzen Bären. Die Augen sind im Verhältnis zu der Größe des Tieres klein, aber dunkel und stechend. Der Aufenthalt des grauen Bären ist sehr ausgedehnt. Man weiß, dass die große Kette der Felsengebirge am Ufer des Polarmeeres anfängt und sich nach Süden durch das nordamerikanische Festland zieht. In diesem Gebirge findet sich der graue Bär, von ihrem nördlichen Ende an bis wenigstens zu dem Punkt, wo der Rio Grande seinen großen Bogen zum mexikanischen Meerbusen zu macht. In den Vereinigten Staaten und in Kanada ist er noch niemals im wilden Zustand gesehen worden, und man darf sich darüber nicht wundern. Der graue Bär ist kein Freund des Waldes und das erwähnte Gebiet war, bevor es angebaut wurde, überall mit Wald bedeckt. Der graue Bär findet sich nur sehr selten in dichten Waldungen und ist kein Baumkletterer wie der schwarze Bär. Dieser ersteigt die Bäume durch Umklammern und erdrückt seine Opfer gewöhnlich durch seine Umarmung. Der graue Bär besitzt diese Fähigkeit in weit geringerem Grade, sodass er nicht imstande ist, einen Baumstamm zu erklettern, zu welchem Zweck seine ungeheuren stumpfen Krallen überhaupt völlig nutzlos sind. Sein Lieblingsaufenthalt sind das Haselnuss- und Johannisbeerdickicht, in deren Schatten er sein Lager aufschlägt und von deren Früchten er zum Teil lebt. Häufig hält er sich an Flussufern auf und jagt dort zwischen den Weiden oder wandert aus den steilen und zackigen Klippen umher, wo buschige Fichten und Zwergwachholder mit ihren wurzelartigen Zweigen ein fast undurchdringliches Dickicht bilden.

Der graue Bär frisst alles; Fische, Fleisch und Geflügel verzehrt er anscheinend mit gleichem Wohlbehagen, verschlingt Frösche, Eidechsen und andere Reptilien und liebt auch Insektenlarven, die sich oft in großer Zahl an den untern Seiten umgestürzter Stämme finden. Um ihnen beizukommen, wendet der graue Bär Stämme von solchem Umfang und Gewicht um, dass sie die Kräfte eines Jochochsen auf eine schwere Probe setzen würden. Er kann wühlen wie ein Schwein und pflügt oft ganze Acker Prärie nach indianischen Rüben um. Auch liebt er wie der schwarze Bär, Süßigkeiten und Waldbeeren, welche aus vielen Arten Johannis-, Stachel- und Vogelbeeren bestehen, werden gierig von ihm verschlungen.

Nicht schnellfüßig genug, um Büffel, Elentiere oder Hirsche einzuholen, überfällt er doch manchmal diese Tiere unvermutet und reißt den größten Büffel nieder, wenn er ihn nur unter seine Klauen bekommen kann. Selbst den Puma beraubt er nicht selten seiner Mahlzeit und leicht jagt er ein ganzes Rudel Wölfe von ihrer Beute weg, die zu erlegen ihnen eben erst gelungen ist. Es sind mehrfache Versuche gemacht worden, junge graue Bären aufzuziehen, aber ohne Erfolg, da sie sich keineswegs als besonders angenehme Schoßtierchen erwiesen haben. Sobald sie eine gewisse Größe erreichen, entwickelt sich ihre angeborene Wildheit und ihre gefährlichen Eigenschaften führen gewöhnlich die Notwendigkeit herbei, sie zu töten.

Der große Eisbär ist lange Zeit das berühmteste Tier seiner Art gewesen und von den Walfischfängern und Polarreisenden sind viele wunderbare Geschichten von seiner Tapferkeit und Wildheit erzählt worden. Es scheint jedoch, als ob seine Berühmtheit durch seinen weniger bekannten Vetter, den grauen Bären, wesentlich beeinträchtigt werden sollte. Der goldene Köder, der die halbe Welt nach Kalifornien geführt hat, ist auch das Mittel gewesen, dieses grimmige Tier bekannter zu machen, denn die Gebirgstäler der Sierra Nevada gehören zu seinem Lieblingsaufenthalt. Außerdem haben auch die Auswanderergesellschaften, welche die großen Ebenen und Wüstengegenden zwischen dem Mississippi und den Küsten der Südsee durchzogen, manches Abenteuer mit dem grauen Bären bestehen müssen. In neuerer Zeit sind Hunderte mehr oder weniger wahrer Geschichten von diesem Tier durch die Zeitungen und durch Reisende in Umlauf gekommen, sodass der graue Bär ein fast ebenso interessanter Gegenstand wie der Elefant, das Nilpferd oder der König der Tiere selbst geworden ist. Jedenfalls ist er, ganz ernst gesprochen, ein sehr gefährlicher Feind. Die weißen Jäger greifen ihn niemals an, außer wenn sie beritten und gut bewaffnet sind. Die Indianer betrachten die Erlegung eines grauen Bären als eine ebenso große Heldentat wie das Skalpieren eines menschlichen Feindes. Sie versuchen es nie, ihn anzugreifen, wenn nicht eine große Gesellschaft beisammen ist. Bei manchen Stämmen geht der Jagd ein friedliches Mahl und ein Bärentanz voraus. Es ist nicht selten das Schicksal des einsamen Trappers, diesem schlimmen Feind zu begegnen; dies gilt für eine ebenso große Gefahr, wie ein Zusammentreffen mit zwei feindseligen Indianern.

Natürlicherweise hatte sowohl Redwood als auch der alte Ike mehr als ein Bären-Abenteuer erlebt, und Letzterer ließ sich leicht bewegen, uns eins seiner besten zu erzählen.

»Fremde,« begann er, «wenn Sie einen Grauen aufstören, so lassen Sie sich von mir raten und geben Sie ihm weites Feld, das heißt, wenn Sie nicht ganz besonders gut beritten sind.

Natürlicherweise sind Sie sicher genug, wenn Sie sich auf Ihr Tier verlassen können und kein Gebüsch vorhanden ist, um es aufzuhalten, da kein Grauer, wie ich immer gesehen habe, einem Pferd nachkommen kann, wo der Boden offen und klar ist. Wo aber das Holz dicht und geschlossen und der Boden so beschaffen ist, dass ein Pferd straucheln könnte, da ist es immer das Beste, den alten Burschen laufen zu lassen. Ich habe einen Grauen eins der besten Pferde niederreißen sehen, das jemals durch die Prärie jagte, weil sich das Tier im dichten Unterholz verwickelt hatte. Der Reiter rettete sich nur dadurch, dass er einen Baumzweig packte und sich hinaufschwang. Es geschah dies nicht zwei Minuten vorher, ehe ich hinzukam und das Spektakel hörte. Ich nahm ein gutes Ziel auf den Bären und schickte ihm eine Kugel in den Schädel, sodass er augenblicklich umfiel. Aber es war zu spät zur Rettung des armen Pferdes. Dies hatte bereits genug. Der Bär hatte ihm das halbe Fell abgerissen und zerrte an seinen Eingeweiden. Ein trauriger Anblick war es!«

Hier klappte der Trapper sein Taschenmesser auf, schnitt sich ein Prümchen von einem Stück echten Kautabaks ab, schob es in den Backen und fuhr in seiner Erzählung folgendermaßen fort: »Ich denke, dass ich ziemlich genug von dem grauen Bären in meiner Zeit gesehen habe. Wenn die Burschen, die von allen Arten Tieren schreiben, so viel vom Grauen gesehen hätten, wie ich, so könnten sie ein ganzes Buch über die Bestie zusammenbringen. Wenn ich eine Rolle Tabak für jeden Grauen bekäme, dem ich das Lebenslicht ausgeblasen, so würden meine Kinnbacken ein gutes Jahr lang in Bewegung gehalten werden, meine ich. Ja … ja, Fremde, ich habe etliche Bären erlegt, das habe ich, daran ist nicht zu zweifeln! Nicht wahr, Mark?

Nun, ich wollte Ihnen einen Umstand erzählen, der mir vor ungefähr zwei Jahren zugestoßen ist. Das war am Platte River, zwischen dem Chiemney Rock und Fort Laramie. Ich war Jäger und Führer bei einer Karawane von Auswanderern, die nach Oregon zogen. Ich blieb natürlicherweise immer ein Stück vor der Karawane voraus und suchte ihr den Platz zum Lagern auf. Nun, eines Nachmittags hatte ich an einer Stelle Halt gemacht, wo ich etwas Gehölz sah, was um den Chiemney Rock herum ein seltener Artikel ist. Ich dachte, das wird eine gute Lagerstätte sein. Und so stieg ich ab, nahm den Sattel von meiner alten Stute herunter und band das Tier auf dem besten Grasfleck an, den es in der Nähe gab, damit es den Bauch voll bekäme, ehe das Lagervieh heranzöge und es belästigte. Ich hatte einen Schwarzwedelbock geschossen, zündete mir ein Feuer an, röstete mir ein Stück und aß es. Es war noch immer keine Spur von der Karawane zu sehen. Ich hängte also den Bock außer den Bereich der Wölfe aus, nahm meine Büchse und schickte mich an, die Nachbarschaft zu durchspüren. Da meine Stute etwas ermüdet war, so ließ ich sie weiter grasen und ging zu Fuß, obwohl, dies kann ich Ihnen versichern, Fremde, das zu Fuß gehen so ziemlich das Dümmste ist, was man auf einer Prärie tun kann. Es dauerte nicht lange, bis ich diese Erfahrung machte, und Sie werden es gleich hören. Nun, ich kletterte zuerst auf einen ansehnlichen Hügel, von dem ich die Aussicht zur anderen Seite hatte. Nach Süden und Westen zu lag eine ziemlich große Prärie und es gab keine anderen Bäume da, wie hier und da am Hügelabhang einen einzelnen Baumwollbaum. Ungefähr eine Meile davon erblickte ich eine Herde Ziegen, was Sie Antilopen nennen würden, obwohl es so gewiss Ziegen waren, als eine Ziege eine Ziege ist. Es gab in ihrer Nähe keine Deckung, nicht ein Blatt oder ein Reis, denn die Prärie war so kahl wie Ihre Hand. Ich sah also auf den ersten Blick, dass es nichts nützen würde, an sie heranzuschleichen, wenn ich nicht einen Plan erfände, die Tiere anzulocken. Ich besann mich bald auf eine List und ging zum Lager zurück, um meine Decke zu holen, die von roter Wolle gewebt war. Ich wusste, dass dies gerade das rechte Mittel sein würde, die Ziegen damit anzulocken, und so marschierte ich denn auf sie los.

Die erste halbe Meile oder so etwas trug ich die Decke unter dem Arme, dann breitete ich sie aus und ging hinter derselben weiter, bis ich den Tieren auf 300 bis 400 Schritte nahe gekommen war.

Durch ein Loch in der Decke hielt ich die Augen auf sie gerichtet. Sie fingen an, unruhig zu werden, und liefen im Kreis umher. Sobald ich das sah, wusste ich, es sei Zeit, anzuhalten. Nun denn, ich kauerte mich nieder und hing die Decke, die ich noch immer vor mir ausgebreitet hielt, auf eine Stange, die ich aus dem Lager mitgebracht hatte. Hierauf steckte ich die Stange senkrecht in die Erde, gerade keine leichte Arbeit, denn die Prärie war fast ausgedörrt und ich musste mich bequemen, mit meinem Messer ein Loch zu graben. Trotzdem brachte ich das Ding endlich zum Stehen und die Decke, die vorn darauf hing, bedeckte meinen Körper vollständig. Nun hatte ich weiter nichts mehr zu tun, als zu warten, bis die Ziegen in die Schussweite kämen. Das dauerte nicht lange. Wie Sie alle wissen, sind die Ziegen mächtig neugierige Tiere. Nachdem sie ein wenig hin und her gelaufen waren, die Köpfe zurückgeworfen und in die Luft geschnüffelt hatten, trabte eine von den fettesten, ein junger Bock, auf fünfzig Schritte von mir heran. Ich guckte nur oben einmal durch das Visier und ehe die Ziege Zeit gehabt hätte, nur zweimal zu blinzeln, hatte ich sie gerade zwischen die Augen getroffen.

Natürlicherweise stürzte sie nieder. Nun würden Sie vielleicht aufgesprungen sein und die Übrigen davongescheucht haben. Das würden Sie vielleicht getan haben, Fremde. Aber sehen Sie, ich verstand das besser. Ich wusste, dass die Tiere sich um das Knallen der Flinte nicht kümmern würden, solange sie meinen Körper nicht sähen. Also blieb ich ruhig liegen und gedachte, noch einige mehr von ihnen zu bekommen.

Ganz wie ich es berechnet hatte, liefen die Ziegen nicht davon und ich stampfte meine Ladung so schnell wie möglich in die Flinte ein. Aber wie ich sie nun eben erhob, um auf eine Geiß zu zielen, die nahe genug herangekommen war, wurde plötzlich die ganze Herde scheu und trabte davon, als ob ein Rudel Präriewölfe hinter ihnen wäre. Dies brachte mich nicht wenig in Verwunderung, denn ich wusste, dass ich nichts getan hatte, um sie zu erschrecken. Aber es dauerte nicht lange, so wurde ich die Ursache ihrer Unruhe gewahr. Zu meinem Erstaunen hörte ich nämlich ein Schnauben, wie das Husten eines lungensüchtigen Pferdes. Als ich mich schnell umdrehte, sah ich den größten Bären, den ich noch jemals erblickt

hatte. Er kam geradewegs auf mich zu und befand sich in jenem Augenblick nicht mehr als zwanzig Schritte weit von meinem Lagerplatz. Bei dem ersten Blick erkannte ich, dass es ein Grauer war.

Es würde nichts nützen, wenn ich sagen wollte, ich sei nicht erschrocken gewesen. Ja, ich war erschrocken, und zwar tüchtig erschrocken, das kann ich Ihnen zuschwören. Zuerst dachte ich daran, auf die Beine zu springen und Fersengeld zu geben, aber eine augenblickliche Überlegung zeigte mir, dass mir das wenig nützen würde. Rings um mich lag eine halbe Meile weit die offene Prärie. Ich wusste zu gut, dass der Graue mich einholen konnte, ehe ich in irgendeiner Richtung nur dreihundert Schritte weit gekommen wäre. Auch wusste ich, dass mich das Untier ganz gewiss verfolgen würde, wenn ich davonlief, denn es war deutlich zu sehen, dass der Bär Unheil im Schilde führte. Ich konnte dies aus dem Funkeln seiner Augen erkennen. Gleichwohl, ich hatte keine Zeit mit Nachdenken zu verlieren. Die Bestie kam immer näher, aber ich bemerkte plötzlich, dass sie langsamer lief, sich von Zeit zu Zeit auf den Hinterbeinen aufrichtete, sich an der Nase kratzte und in die Luft schnüffelte. Ich sah, dass den Burschen die rote Decke in Verlegenheit setzte. Sobald ich das bemerkte, kroch ich besser dahinter und versteckte so viel von meinem Körper darunter, wie ich irgend bedecken konnte. Als der Bär mir bis auf ungefähr zehn Schritte nahe gekommen war, machte er ganz und gar Halt und richtete sich mit dem ganzen Leib nach mir zu auf. Dies war mir dann aber doch ein wenig zu viel, mir, dem noch nie ein Indianer oder ein Bär Trotz geboten hatte. Es war ein schöner Schuss und ich musste ihn versuchen, und wenn es mein Letzter gewesen wäre. Also steckte ich die Mündung der Büchse durch das Loch in der Decke und schickte dem Untier eine Kugel in die Rippen. Aber ich merkte sogleich, dass dies vielleicht der törischste und schlechteste Schuss war, den ich jemals getan hatte; denn wenn ich nicht gefeuert hätte, so wäre der Bär wahrscheinlich aus Furcht vor der Decke davongelaufen. Gleichwohl feuerte ich, und da meine Nerven ein wenig aufgeregt waren, so tat ich einen schlechten Schuss. Ich hätte auf das Herz gezielt und das Tier nur in die Schulter getroffen. Da der Bär jetzt verwundet war, so wurde er natürlicherweise wild und kümmerte sich nicht weiter um die Decke. Er brüllte wie ein Stier, fasste nach der Stelle, wo ich ihn getroffen hatte, und kam dann so schnell heran, wie ihn seine vier Beine tragen konnten. Nun sah die Sache windig aus. Ich warf die leere Büchse weg, zog mein Messer und erwartete nichts anderes als eine regelmäßige richtige Balgerei mit dem Bären. Ich wusste, dass es jetzt nichts nütze, Fersengeld zu geben, und machte mich daher auf einen verzweifelten Kampf gefasst. Aber noch grade zu rechter Zeit fuhr mir plötzlich ein Gedanke durch den Kopf. Ich war in Santa Fé unter den gelbhäutigen Mexikanern gewesen und hatte dort zwei bis drei Stiergefechte mit angesehen. Ich hatte die Matadore ihre roten Mäntel den Stieren über den Kopf werfen sehen, gerade wo man eben dachte, dass sie von den Hörnern des grimmigen Tieres aufgespießt werden würden. An diesen Trick erinnerte ich mich in diesem Augenblick. Ehe mich der Bär packen konnte, erfasste ich die Decke und breitete sie dabei aus. Fremde, das war eine Decke, soviel steht fest. Es war eine der schönsten Decken, die noch jemals die Feistrippen eines Nordwest-Pelzhändlers bedeckt haben. Ich pflegte sie, wenn es regnete, nach mexikanischer Art zu tragen, und deshalb befand sich in der Mitte ein Loch, um den Kopf hindurchzustecken. Nun gut, gerade als der Bär auf mich lossprang, warf ich ihm die Decke ins Gesicht und sah seine Schnauze durch das Loch heraus kommen; aber weiter bemerkte ich nichts, denn ich fühlte, wie mich die Klauen der Bestie berührten, und so ließ ich los. Nun, dachte ich, ist es für mich Zeit zum Laufen. Die Decke konnte den Burschen eine Weile blind machen, und ich erlangte vielleicht einen Vorsprung. Mit diesem Gedanken glitt ich hinter dem Tier herum und griff aus, immer über die Prärie hin. Zufälligerweise war dies die Richtung, welche zum Lager führte, das eine halbe Meile davon lag. Aber es stand am Hügelabhang näher noch ein Baum. Wenn ich den erreichen konnte, so wusste ich, dass ich mich in Sicherheit befand, weil der Bär nicht hinaufklettert. Die ersten hundert Schritte sah ich mich nicht ein einziges Mal um, dann schielte ich einmal rückwärts, lief aber immer dabei fort. Ich konnte eben sehen, dass der Bär sich nicht von der Stelle gerührt hatte, wo wir uns getrennt hatten, und sich noch immer mit der Decke herumbalgte. Das kam mir zwar ein wenig sonderbar vor, aber ich hielt mich nicht damit auf, nachzuforschen, was es zu bedeuten hätte, bis ich noch hundert Schritte weiter zwischen uns gebracht hatte. Dann drehte ich mich halb um, besah mir die Sache ordentlich, und Sie können mir glauben, Fremde, der Anblick, den ich da hatte, würde einen Griesgram zum Lachen gebracht haben. Obwohl ich nur eine Minute vorher beinahe aus allen meinen sieben Sinnen herausgeschreckt worden war, so musste ich doch über das Schauspiel lachen, lachen, sage ich, bis ich mir beinahe die Seele aus dem Leib gelacht hatte.

Dort war nämlich der Bär und hatte den Kopf gerade durch die Decke gesteckt. In dem einen Augenblick stellte er sich auf die Hinterbeine, und dann hing das Ding wie ein mexikanischer Zeltlappen um ihn herum. Im folgenden Augenblick fiel er wieder auf alle viere nieder und versuchte, mir zu folgen. Dann verwickelte er sich in die Decke, pur zelte um und um und zappelte, um sich frei zu machen, wobei er fortwährend wie ein wahnsinniger Büffel brüllte. Iosaphat!

Es war der lächerlichste Anblick, den ich jemals gehabt habe. Woph! Nun ich sah dem Spiel eine Weile zu, nur eine kleine Weile, denn ich wusste, dass mich der Bär immer noch einholen und auf den Baum jagen konnte, wenn er die Decke los würde.

Daran war mir aber gar nichts gelegen; also machte ich mich wieder auf die Strümpfe und erreichte bald das Lager. Dort sattelte ich meine Stute und ritt zurück, um meine Büchse zu holen und vielleicht den alten Ephraim noch einmal Blei kosten zu lassen. Als ich wieder auf den Hügel kam, war der Bär immer noch draußen auf der Prärie. Ich konnte sehen, dass die Decke um ihn herum hing. Er trabte aber trotzdem zu den Hügeln zu, da er wahrscheinlich von meiner Gesellschaft genug hatte. Ich spürte keine Lust, ihn so wohlfeilen Kaufes davon zu lassen, besonders wegen des Schreckens, den er mir eingejagt hatte. Außerdem schleppte er auch meine Decke mit fort. Also galoppierte ich auf die Stelle zu, wo meine Büchse lag. Nachdem ich eine Kugel hinein getan hatte, sprengte ich dem alten Grauen nach. Ich holte ihn bald ein. Er wendete sich so wild, wie zuvor, gegen mich. Aber diesmal waren meine Nerven fester, da ich mich auf dem Rücken meiner Stute sicher fühlte. Ich schoss den Burschen geradewegs durch den Schädel, was ihn, noch immer in die Decke gewickelt, zu Boden brachte. Aber, was war das nun für eine Decke, ja, was für eine Decke? Ich habe niemals eine solche Decke gesehen! Es gab darin keinen Fuß breit, der nicht in Fetzen zerrissen gewesen wäre. Ach, Fremde, Sie wissen nicht, was es heißt, eine solche Decke zu verlieren, nein, das wissen Sie nicht! Hol der Teufel den Bären und alle seine Brüder!«

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert