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Die Kirchenbuße Kaiser Ludwig des Frommen

Historische Denkwürdigkeiten

Die Kirchenbuße Kaiser Ludwig des Frommen

Ludwig kniet in der Kirche vor dem Altar, legt sein Wehrgehänge ab und empfängt von den Priestern das Büßerkleid

Nach dem Tod Kaiser Karl des Großen folgte ihm in der ungeheuren fränkischen Monarchie sein einziger noch am Leben gebliebener Sohn Ludwig, beigenannt der Fromme (le débonnaire), d. h. gutherzig aus Schwäche.

Schon dieser Beiname beweist, dass Ludwig nicht der Mann war, der ein so großes, durch unzählige Siege von seinem Vater gegründetes Reich beherrschen konnte. Selbst sein Vater dachte lange Zeit nicht daran, diesen stillen und friedliebenden Sohn einst zum Alleinherrscher des fränkischen Reichs erheben zu müssen, was auch die Ursache war, dass er ihn in seiner Jugend ganz außer Augen ließ und dann die Provinz Aquitanien gab, damit er doch einige Regierungskenntnisse erlangen konnte. Wäre nun Ludwig bloß ein Privatmann geblieben oder hätte er nur die Verwaltung der ihm allein überlassenen Provinz zu besorgen gehabt, so unterliegt es keinem Zweifel, dass er einer der liebenswürdigsten Staatsmänner oder geachteten Regenten gewesen wäre, so aber rief ihn der Tod seiner beiden älteren Brüder des tapferen Karls und des unternehmenden Pippins, an den Hof seines sterbenden Vaters, wo er plötzlich ein Reich regieren sollte, das aus den heterogensten Bestandteilen eben erst zusammengesetzt wurde, und über Völker herrschen, welche durch seines großen Vaters unablässige Kriege kampf- und streitlustig geworden waren. Beiden war der schüchterne und gefahrscheuende Ludwig nicht gewachsen, worin nun ein großer Teil seines nachmaligen Missgeschicks verborgen liegt.

Den ersten politischen Fehler beging er bei seiner Thronbesteigung dadurch, dass er auf Anraten seiner Freunde fast alle alten und erprobten Diener seines Vaters von ihren bisherigen Dienstplänen entfernte und diese mit seinen Vertrauten besetzte.

Dadurch hatte er nicht nur Männer beseitigt, welche ihn in den Tagen der Gefahr hätten retten können, sondern er machte sie noch zu seinen persönlichen Feinden.

Einen zweiten Fehler beging er damit, dass er auf dem Reichstag zu Aachen im Jahre 817 sein Reich unter seine drei Söhne Lothar, Pippin und Ludwig teilte, und Lothar als den ältesten Sohn mit dem verliehenen Kaisertitel zum Mitregenten annahm.

Bald aber nach diesem Aachener Reichstage zeigten sich auch schon die bitteren Früchte dieser unvorsichtigen Länderverteilung, nachdem sein Neffe Bernard, der

Sohn und Nachfolger Pippins, Königs von Italien, welcher der ältere Bruder Ludwigs war, Ansprüche auf die Kaiserwürde machte und behauptete, dass ihm dieselbe als Enkel Karl des Großen früher als dem Lothar gebühre. Ludwig zog ihm nun eiligst mit einem Heer entgegen, und Bernard ging von den Ansprüchen wieder ab, und bat um Gnade.

Nach dem Ausspruch der Großen wurde nun dieser Prinz als ein Empörer zum Tod verurteilt, allein Ludwig verzieh, konnte aber bei seiner Begnadigung die Strafe der Blendung, auf welcher seine Räte bestanden, nicht verhindern, die dann so unglücklich vollzogen wurde, dass er im Jahre 818 starb.

Seit diesem Augenblick machte Ludwigs Gewissensunruhe ihn immer abhängiger von den Tröstungen der Kirche. Was er tat, geschah nun nur auf den Rat seiner geistlichen Vertrauten.

Dieses merkten bald die Völker, was endlich zur Folge hatte, dass häufige Empörungen besonders in den entfernten Teilen des Reichs entstanden, die nur mit Mühe unterdrückt werden konnten. Dazu kam noch, dass Ludwig nach dem Tod seiner ersten Gemahlin sich zum zweiten Mal mit der schönen und geistreichen Judith vermählte, welche eine Tochter des Grafen Welf von Bayern war und die ihm einen vierten Sohn, Namens Karl, den Kahlen, gebar. Ludwigs Sorge war nun dahin gerichtet auch diesem geliebten Kind ein Land zu verschaffen, und wollte, da bereits alles Land schon verteilt war, dass seine Söhne erster Ehe ihrem jüngsten Bruder einen Teil ihrer Länder abtreten möchten, wozu aber keiner einwilligte.

Endlich ließ sich Lothar auf Bitten seines Vaters herbei, dem kleinen Karl ein Stück seines Landes abzutreten; aber bald kam dieser wieder auf andere Gesinnungen und widerrief sein gemachtes Versprechen, worauf auch die beiden anderen Söhne Ludwigs erklärten, nichts von ihrem Vermächtnisse abzulassen. Auf diese Äußerung, wodurch des Vaters Sorge für seinen jüngsten Sohn ganz vereitelt war, und bei dem ungünstigen Verhältnis, dass selbst die meisten Großen ohne Scheu sich mit seinen Söhnen in Verbindungen einließen, verlor nun Ludwig gänzlich den Mut und stellte auf Zureden seiner Gemahlin den Markgrafen Bernhard von Barcelona und Herzog von Septimanien, einen tüchtigen Kriegsmann, als Reichskämmerer an die Spitze der Verwaltung, während er zugleich seinen erst sechsjährigen Sohn Karl wider die erste festgeschworene Teilung des Reichs zum Herzog von Alemannien ernannte.

Darüber erbittert, griffen die Söhne erster Ehe zu den Waffen. Begünstigt durch die missvergnügten Großen, welche bereits größtenteils ihre Ämter enthoben und vom Hof entfernt waren, nötigte Pippin im Jahre 830 seinen Vater, als er gegen die stets unruhige Bretagne zu Felde zog und sich gerade zu Compiegne aufhielt, dahin einzuwilligen, dass er sich von seiner Gemahlin Judith trenne, sie in ein Kloster schicke und er selbst ein Mönch werde. Bald darauf kam auch Lothar mit einem Heer aus Italien an, worauf Ludwig nebst seinem jüngsten Sohn Karl in einer Art Gefangenschaft gehalten wurde und Mönche seine Gesellschafter waren, die ihm nun zum Mönchleben vorbereiten sollten. Ludwig blieb aber standhaft und traf im Geheimen die Anordnung, dass auf dem Reichstag zu Nimwegen, die deutschen Herren mit zahlreicher Begleitung erschienen und alles für ungültig erklärten, was geschehen war. Voll Verdruss über seine hartnäckigen Söhne dachte nun Ludwig an eine neue Teilung des Reiches, in welcher dem jüngsten Sohn Karl das Pippin gehörige Aquitanien zuteilwerden sollte. Aber kaum erfuhr Pippin diese Absicht des Vaters, so verband er sich neuerdings mit seinen Brüdern, nachdem diese bei einer neuen Teilung gleichfalls um Nachteile standen. Diese beschlossen gemeinschaftlich den wankelmütigen Vater von der Regierung gänzlich zu entfernen. Beide Teile, Vater und Söhne, lagerten sich nun im Jahre 833 mit ihren Heeren im Elsass am Rothfeld unweit Colmar (danach das Lügenfeld genannt), wo aber Ludwig den günstigen Augenblick des Kampfes verlor; denn während der Papst Gregor IV., der mit Lothar in das Frankenreich gekommen war – angeblich, um die Söhne mit dem Vater auszusöhnen – mit ihm unterhandelte, wurden seine Truppen verführt und gingen zu den Söhnen über. Nur einige Bischöfe, Äbte und Grafen blieben treu; aber auch diesen riet der verlassene Kaiser zu seinen Söhnen überzugehen, indem er nicht wollte, dass seinetwegen ein Einziger das Leben verliere. Er selbst musste sich mit seiner Gemahlin und dem Prinzen Karl in das Lager der Söhne begeben, worauf Judith nach Tortona verwiesen wurde. Als die Brüder das Reich unter sich geteilt hatten, brachte Lothar den gefangenen Vater nach Soissons in ein Kloster und schickte den jungen Karl in das Kloster Prüm zur Aufbewahrung. Hierauf wurde ein Reichstag nach Compiegne berufen, der auf Lothars Anklage beschloss, dass Ludwig sich der öffentlichen Kirchenbuße unterwerfen solle.

Dieses geschah auch am 13. November 833, wo Ludwig nach einigem Zögern unter Begleitung vieler Bischöfe, Äbte und Großen des Reiches sowie eines zahlreichen Volkes in der Kirche des Klosters St. Medardus erschien, um für seine Sünden Buße zu tun.

Vor dem Altar lag ein härenes Bußgewand, auf welchem er niederknien und in dieser Stellung weinend eine Schrift ablesen musste welche ein langes Verzeichnis seiner Übeltaten enthielt. Als dieses geschehen war, stand er auf, gürtete sein Wehrgehänge ab und legte es auf den Altar, worauf ihm die Priester das Büßerkleid anzogen und in das Kloster zurückführten.

Die Absicht bei dieser unwürdigen Handlung ging dahin, ihn in der Meinung des Volkes herabzusetzen und einem altem Gesetz zufolge als einem, der eine Kirchenbuße getan hatte, der Waffenführung, folglich auch der Königs- und Kaiserwürde unfähig zu machen. Aber dieser Zweck wurde nicht erreicht, denn das Mitleid des Volkes erwachte wieder, und auch Lothars Anmaßungen reizten die Eifersucht der Brüder, deren Plan es eigentlich gar nicht gewesen war, den Kaiser abzusetzen. Sie zogen nun gegen Lothar zu Felde. Da sich dieser zu schwach fühlte, so gab er den Vater wieder frei, bat um Gnade und erhielt sie auch, jedoch unter dem Versprechen, ohne Erlaubnis des Vaters Italien nie wieder zu verlassen.

Kaum sah sich aber Ludwig wieder in den Besitz der Macht und Judith an seiner Seite, als er eifrig das alte Streben fortsetzte, für seinen Lieblingssong Sohn Karl durch neue Reichsverteilungen zu sorgen, die abermals zu Misshelligkeiten zwischen dem Kaiser und Ludwig führten. Indessen starb Pippin und die Kaiserin, welche den herrschsüchtigen Lothar am meisten fürchtete, beschloss nun, diesen für sich und ihren Sohn zu gewinnen, damit Ludwig von Bayern der Übermacht weichen musste. So überredete sie den schwachen Kaiser zu einem neuen Plan, dass nämlich Ludwig nichts als Bayern erhalten, die nachgelassenen Söhne Pippins ganz übergegangen werden und Lothar und Karl der Kahle sich das Übrige teilen sollten. Darüber standen aber die Aquitanier im Namen der Söhne Pippins auf, und auch Ludwig von Bayern, der sich mit Recht beschwerte, dass er, der es bisher mit seinem Vater am treuesten gemeint hatte, nun aber am schlechtesten belohnt werden solle, erhob sich, nahm Alemannien in Besitz und überzog den alten betrübten Vater mit Krieg. Darüber wurde der Unglückliche von Schmerz ganz zusammengedrückt und starb auf einer Rheininsel, Ingelheim gegenüber, im Jahre 840.

An seinem Sterbelager stand ermahnend und tröstend sein natürlicher Bruder, der Bischof von Metz, der nun den Kaiser aufforderte, nicht mit Zorn im Herzen von der Welt zu scheiden; Ludwig wollte aber nichts hören.

Endlich sprach er: »Nun wohl, ich will meinem Sohn Ludwig vor Gott und vor Euch vergeben, aber Eure Sache wird es sein, ihn zu erinnern, dass er die grauen Haare seines Vaters mit Kram in die Grube gebracht habe.«

Schwer hatten sich die Kinder an dem Vater versündigt, doch ist die Hauptquelle der Verwirrung, welche die bürgerlichen Kriege über das Reich gebracht hatte, mehr in der sträflichen Nachgiebigkeit des Kaisers für seine zweite Gemahlin Judith und deren ehrgeizige Plan zugunsten ihres Sohnes zu suchen.

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