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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Blume der Prärie – Das Blockhaus

Gabriel Ferry
Die Blume der Prärie
oder die deutschen Kolonisten an den Ufern des Colorado
Grimme und Leipzig, Druck und Verlag des Verlags-Comptoirs, 1852

Viertes Kapitel

Das Blockhaus

Der Major hatte sich nach einem Blick auf die hohe Gestalt und die schönen unbemalten Züge des indianischen Häuptlings unbemerkt, aber mit einer Eile zurückgezogen, die selbst die drohenden Nachrichten kaum entschuldigen konnten, welche der Hausierer mitgebracht hatte.

Nicht zufrieden mit der Eile des Stallknechts, legte er selbst den Sattel auf den Rücken seines kräftigen mexikanischen Renners, prüfte sorgfältig die Ladung seiner Büchse und der langen Pistolen in den Holstern, schwang sich, kaum den Bügel berührend, in den Sattel und sprengte mit verhängten Zügeln wie der wilde Jäger der Prärien, den Hügel hinab.

Bald verschwand der gebahnte Weg unter den nackten Hufen seines unermüdlichen Rosses. Über Steine und umgestürzte Stämme, über Erdspalten und die steinigen Betten der Waldströme, welche die glühenden Strahlen der Sonne aufgesogen hatten, ging der rastlose Lauf. Die graue Kongoschlange schoss fliehend über den Weg des nächtlichen Reiters und ringelte sich zischend empor, wenn der Schatten seines Rosses dem Reiter pfeilschnell nachflog. Der Jaguar zog sich mit dumpfem Gebrüll vom Sprung zurück und die Rudel grauer Wölfe stoben mit lautem Geheul auseinander, wenn die Ladung einer der langen Sattelpistolen unter sie knallte, ohne dass der Reiter den eiligen Lauf seines Rosses deshalb gemäßigt hätte.

Erst als der Morgen zu dämmern begann und die geflügelten Bewohner des Waldes sich flatternd von ihren Sitzen erhoben, zog er die Zügel an und das ermüdende Ross schnob in die Nüstern und streckte wiehernd den schönen, mit weißen Flocken bedeckten Hals, als erkenne es die Nähe einer willkommenen Ruhestätte.

In der Tat lenkte der Major die Schritte seines Pferdes durch dichtes Gebüsch, einem halb verfallenen Blockhaus zu, das einst die Wohnung eines vertriebenen Trappers gewesen sein mochte. Nachdem er sich durch eine scharfe Prüfung der betauten grasigen Umgebung von der Verlassenheit des Ortes überzeugt hatte, stieg er langsam vom Pferd, nahm ihm Zaum und Sattel ab, bedeckte es sorgfältig mit der langen wollenen Serape, die zugleich als Satteldecke diente und rührte es dann in einen offenen Schuppen hinter dem Haus, wo ein mit Mais gefüllter Trog und das niedergetretene und noch nicht vertrocknete Gras den Beweis gaben, dass nicht lange zuvor Tiere von derselben Rasse hier ihre Mahlzeit gehalten hatten.

»Friss, Morton, und lass deine Kinnbacken schnell sein wie deine Hufe«, sagte er, mit den gereckten Ohren des schönen Tieres spielend, »meine Sporen werden noch manchmal deine Flanke stechen, braver Bursche, bevor deine Glieder sich wieder auf weicher Streu strecken können.«

Dann löste er den leichten Mantelsack vom Sattel, nahm die Pistolen aus den Holstern und trat in die Hütte, deren einziges Gemach außer einem Feuerherd, einem rohen Tisch und einigen Klötzen, welche die Stelle der Stühle vertraten, kein Gerät weiter enthielt.

Nachdem der Major den Mantelsack und die Pistolen auf den Tisch gelegt hatte, hob er mithilfe seines starken Messers eine der Herdplatten auf und nahm aus einem darunter angebrachtem Versteck ein Säckchen mit Maismehl, ein Stück Schinken, eine eiserne Pfanne nebst einer Kürbisschale und einer Rumflasche, die unentbehrlichsten Requisiten zu einer Mahlzeit in einer Gegend, die auf sechzig Meilen in der Runde keine Spur einer menschlichen Wohnung bot.

Mit der Geschicklichkeit eines alten Jägers beschäftigt, einen jener wohlschmeckenden und nahrhaften Reiskuchen zu backen, welche in der Wildnis die Stelle des Brotes vertreten, vernahm sein scharfes an stetes Horchen gewöhntes Ohr plötzlich in der Ferne den trompetenartigen Ton, welchen die Pferde auszustoßen pflegen, wenn sie die Nähe eines befreundeten Wesens ihrer Rasse durch ihr feines Geruchsorgan wittern.

Der Major horchte mit gespannter Aufmerksamkeit, indem seine Rechte sich unwillkürlich nach den Pistolen ausstreckte, ohne dass die Linke den Stiel der Bratpfanne fahren ließ, in welcher der Kuchen eben zu bräunen begann, als ein ähnlicher Ton Mortons dem fernen Ruf zu antworten schien.

Ein lautes und freudiges Gewieher folgte dieser Antwort und bald ließ sich deutlich das klappernde Geräusch von Hufschlägen vernehmen, die im munteren Galopp über den grasigen Waldgrund heran kamen.

Sobald der Major überzeugt war, dass nur ein einzelner Mann sich dem Blockhaus näherte und dass dieser Einzelne, dem Erkennungswiehern der Pferde nach zu urteilen, höchstwahrscheinlich kein Fremder sei, setzte er ruhig seine bald beendete Beschäftigung fort, nur von Zeit zu Zeit einen Blick durch die offene, dem Herd gegenüber befindliche Tür und auf die Büchse werfend, die an der Seite des Tisches lehnte.

Plötzlich verstummte der Hufschlag, aber niemand erschien innerhalb des Kreises von undurchdringlichem Gebüsch, welches das Blockhaus umgab und nur zwei oder drei schwer aufzufindende Durchgänge hatte.

Eine Viertelstunde, während welcher der Reisende sein einfaches Mahl beendet hatte, war fast vergangen, ohne dass der geheimnisvolle Reiter erschienen wäre.

»Er ist nicht umgekehrt«, murmelte er vor sich hin, »oder sein Pferd müsste auf Samtschuhen gegangen sein … ich höre es schnaufen … Sollte es ein Fremder sein und den Eingang nicht finden können? … Jedenfalls ist es nur einer … die Zeit ist kostbar … wir wollen sehen.«

Mit diesen Worten ergriff der Major die lange doppelläufige Rifle, steckte die Pistolen in den Gürtel und trat vor die Tür.

Seine Blicke ruhten forschend auf den dichten, von Lianengeflecht undurchdringlich umsponnenen Gebüschen und erhoben sich dann sorgsam spähend zu den Kronen der gigantischen Pekannussbäume, die hier in urwaldlicher Majestät in dichten Gruppen ihre hundertjährigen Wipfel zum Himmel erhoben.

Plötzlich richtete er langsam den Lauf seiner Büchse zu der mittleren Höhe eines dieser Bäume empor.

»Mensch oder Affe! Wir werden sehen!« murmelte der Major mit dem Lächeln eines Mannes, der einem unberufenen Späher zuvorgekommen ist.

Aber bevor noch sein Finger sich dem verhängnisvollen Drücker genähert hatte, tönte ein Erkennungszeichen ängstlich aus dem dichten Laub hernieder. Als der Major seine Büchse gesenkt hatte, erschien, wie ein Eichhörnchen hinter dem dicken Stamm hervorschlüpfend, ein Mulattenknabe von fünfzehn bis sechzehn Jahren auf einem der Äste und ließ noch einmal das erwähnte Erkennungs­zeichen vernehmen.

»Herunter, du Teufelsrange, herunter, Franzisko, oder ich werde dich wie eine reife Nuss herabfallen machen!«

Mit der Geschwindigkeit und Sicherheit eines Affen kletterte der Knabe zur Erde und stand in wenigen Minuten, sein schaumbedecktes Pferd an der Hand, vor dem Gebieter.

»Pardon, Major Harschgun! Ich sah die Spuren Eures Pferdes im Gras und den Rauch Eures Feuers in der Luft und wollte den Platz rekognoszieren, bevor ich mich näher wagte.«

»Und wohin willst du und auf wessen Ordre hast du mein bestes Pferd in diesen Zustand versetzt, junger Schelm?«, fragte der Major, das furchtbar ermüdete Tier mit mitleidigem Staunen betrachtend.

»Ich wollte zu Euch … und besser das Pferd als den Herrn!«, antwortete keck der junge Mulatte.

»Aber was gibt es was ist vorgefallen?«, fragte der Major nicht ohne den Ausdruck lebhafter Unruhe.

»Der Teufel ist los, Onkel Harschgun … bei unserem Handwerk dürft Ihr nicht auf Hausfrieden rechnen, während Ihr Vergnügungsreisen macht.«

»Führe das Pferd hinter das Haus und komm herein, Knabe«, sagte der Major nicht ohne Teilnahme, als er den Knaben plötzlich erbleichen und vor Mattigkeit fast umsinken sah. »Geh hinein«, fuhr er fort und ergriff die Zügel des Pferdes, um es selbst in den Schuppen zu führen, »nimm einen Schluck aus der Flasche und iss den Rest des Kuchens, der auf dem Tisch steht.«

Ein Schluck Rum und ein wenig Speise stellten die Kräfte des jungen Menschen bald wieder her. Als der Major nach einigen Minuten in das Blockhaus zurückkehrte, hatte Franzisko sich bereits von der plötzlichen Abspannung erholt, welche bei jungen Leuten häufig als Folge übermäßiger Anstrengungen erscheint.

»Nun sprich!«, begann der Major, nachdem er sich auf einen Block am Herd niedergelassen und die letzten Kinnbackenanstrengungen des Knaben ruhig abgewartet hatte.

»Lieutenant Plunkett schickte mich fort«, antwortete der Knabe, sein strohgelbes Halstuch lösend, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, »Euch auf den Pflanzungen an den oberen Ufern des Colorado zu suchen.«

»Und weshalb, Knabe, Mr. Plunkett hatte für alle Fälle seine Ordres!«

»Ihr hattet kaum den Rücken gewandt, als es war, als sei der Teufel unter die Kerle gefahren, und der spanische Kerl schürte das Feuer und hetzte sie gegen Plunkett und Hawkins auf, die ihnen Einhalt tun wollten.«

»Der Sohn Isaaks wird zu seinen Vätern gehen!«, sagte ruhig der Major und spielte mit dem Griff seines Messers. »Weiter, Franzisko!«

»In zweimal vierundzwanzig Stunden waren fünf oder sechs Pflanzungen oder Farmen geplündert und niedergebrannt … und das alles ganz ohne Nutzen, denn der Spanier hatte sich in der unsinnigen Unordnung des Geldes bemächtigt und der andere Plunder verbrannte.«

»Ich werde Gericht über sie halten«, sagte der Major mit dem Ausdruck einer furchtbaren Entschlossenheit, die den Knaben mit Entsetzen erfüllte. »Weiter, Franzisko!«

»Nach abermals vierundzwanzig Stunden saßen uns die Miliz von Washington und die Pflanzer und Farmer von vierzig Meilen in der Runde auf dem Nacken. Fünf oder sechs, die betrunken in Liversfarm lagen, nachdem sie den Mann, die Frau und die Kinder zum Vergnügen wie Schweine abgeschlachtet hatten … ich sage, wie Schweine, Onkel Harschgun, gebunden und abgestochen, wie Schweine …!«

»O diese Bestien!«, rief der Major mit funkelnden Augen.

»… wurden gefangen und gehängt, bevor sie noch ein Vaterunser gebetet hatten. Acht oder zehn flohen in die Wälder am Brazos und die Übrigen sind mit dem Spanier in der Steinhöhle an den Fällen.«

Gestern belauschte ich ein Gespräch zwischen dem Juden und José Parilla, wo sie verabredeten, mich und den Lieutenant zu töten, Parilla zum Anführer zu machen und die deutsche Pflanzung am Colorado zu plündern.«

»Ohne mich, Señor Parilla? … Ihr habt die Rechnung ohne den Wirt gemacht ..  weiter, Franzisko!«

»Ich erzählte dem Lieutenant und Hawkins, was ich gehört hatte. Sie beschlossen auf ihrer Hut zu sein und schickten mich auf Eurem Rappen, Euch zu suchen und so schnell wie möglich zur Steinhöhle zu bringen. Gestern mit Einbruch der Nacht ritt ich durch die Palmettos und … das Übrige wisst Ihr, Onkel Harschgun!«

Der Major erhob sich mit der zornigen Ruhe eines Pflanzers, der die Peitsche von der Wand nimmt, um seinen aufrührerischen Sklaven eine Lektion in der Ausübung patriarchalischer Pflichten zu geben oder wie ein europäischer Landesvater, der sein Lever mit der Ordre beschließt, die allzu feurige Freiheitsliebe einiger tausend Landeskinder durch einen wohltätigen Kartätschenregen abzukühlen.

In der Tat waren die physische und geistige Überlegenheit dieses Mannes hinreichend gewesen, eine jener zügellosen Banden in Unterwürfigkeit zu halten, welche der Krieg mit Mexiko zusammengewürfelt und über Texas ausgespien hatte. Nur seine öfteren und längeren Entfernungen hatten in der letzten Zeit das Band des Gehorsams gelockert und jene Meutereien herbeigeführt, die er durch sein bloßes Erscheinen unterdrücken zu können glaubte.

»Ruhe dich aus, mein guter Bursche«, sagte er freundlich, mit seiner schweren Hand die schwarzen Locken des Knaben streichelnd, »ruhe dich aus, Franzisko, und dann hinüber zu meinem Haus am Brazos. Halte die Augen offen und bring mir Kunde, ob die Lynch den Tomahawk wieder eingesperrt hat «

Dann schritt er hinaus, legte den Sattel auf sein gestärktes Ross und bald verhallte sein eiliger Hufschlag unter dem grünen Gewölbe des Urwalds.

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