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Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel XLII

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

XLII. Auf dem Pazifik. San Diego. San Diego-Mission. Julian Goldminen. Rauch im Ballena Valley. Pferdezucht. Von San Diego nach Los Angeles. San Bernardino. Eine Nacht in einem Keller. Hartköpfiger Schwarzer. Mexikanisches Dorf Aqua Mansa am Santa Anna River. Temperenz-Prediger. Schuhputzer in San Bernardino. Über Land. Indianerdörfer Temecula, Pala-Mission und San Pasqual. Pazifik-Hotel. San Diego. Öffentliche Lesezimmer.

Nach acht Tagen nahm ich Passage auf dem Dampfschiff Orizaba und fuhr die Pazifikküste hinab. Wir legten einige Stunden in den Häfen von Santa Barbara und San Pedro (Los Angeles) an. Der vierte Abend sah uns in der schönen Bay von San Diego, welches die südlichste Stadt von Kalifornien und nur fünfzehn Meilen von der mexikanischen Grenze entfernt ist.

Hier begab ich mich in die wunderschön gelegene Stadt, um ein Hotel aufzusuchen, an welchen es nicht fehlte. Obwohl sehr nahe an Weihnachten, war es doch so warm, dass man getrost seinen Rock ablegen konnte. San Diego ist wie das ganze südliche Kalifornien der Zufluchtsort vieler Kranken für den Winter. In der Tat gewinnen da nicht wenige durch den Einfluss des milden und schönen Klimas ihre Gesundheit wieder. Das Horton House, welches das feinste Hotel der Stadt ist, war zum Erdrücken voll. Auch machten die vielen anderen Gasthäuser gute Geschäfte.

Nördlich und etwa vier Meilen von New San Diego war die alte Stadt, die seiner Zeit von den Spaniern gebaut, nun aber beinahe ganz verlassen und nur noch von einigen Mexikanern und Indianern bewohnt war.

Der San Diego River, welcher nur während der einen Hälfte des Jahres Wasser führt, hat seine Mündung in das Meer bei der alten Stadt. Sechs Meilen weiter oben am Fluss und fünf lange Meilen östlich von der neuen Stadt an einer großen Biegung des Flusses liegt die alte San Diego-Mission, die ebenfalls, gleichwie tausende im Land zerstreute Missionen von der spanischen Zeit Mexikos herstammt. Die alten Adobe-Gebäude sind noch ziemlich gut erhalten sowie nahe an sechzig Olivenbäume, welche gute Früchte bringen. Strecken von Kaktushecken, dreißig Fuß hoch und undurchdringlich, findet man sehr häufig, unter deren Schutz Tausende von kleinen Hasen (Kaninchengröße) leben. Rebhühner und Hasen sind fast das einzige Wild hier, doch sind diese so zahlreich, dass man oft auf einer Fläche von dreißig Quadratfuß fast ebenso viele Hasen sehen kann. Sie richten den Farmern vielen Schaden an, wozu auch ein großes graues Eichhorn, welches seinen Bau unter der Erde hat, und der Gopher (ein dem Maulwurf ähnliches Tier) sehr viel beiträgt. An Schlangen fehlt es ebenso wenig und besonders die Klapperschlange erreicht hier eine enorme Größe. Digger-Indianer stehen und sitzen auf den Straßen herum und häufig begegnet man alten Squaws, die eine Ladung von altem Brot, Fleisch und anderen erbettelten Nahrungsmitteln mitschleppen.

Nach einer Woche machte ich mich auf den Weg, um die Julian- Minen, welche sechzig Meilen von San Diego liegen, zu besuchen. Früh um fünf Uhr fuhr die vierspännige Post aus der Stadt, mit elf Passagieren besetzt. Über eine hohe Hügelkette gehend, kamen wir bald in das San Diego River Valley an der Mission vorbei, dann durch eine sieben bis neun Meilen lange Schlucht, dicht mit Kakteen bewachsen, nach den Bergen zu. Bald mussten wir aussteigen und zu Fuß klettern, da die Berge steil und die Postkutsche zu stark beladen war. Mittags wurde an einer Bienenranch zum Essen angehalten und die Pferde gewechselt, dann ging es weiter durch Schluchten und über Berge, die mit dichtem Gesträuch, Gras und Eichbäumen bewachsen waren. Viele Sträucher und Bäume waren bereits in Blüte und auf allen Farmen, an denen wir vorbeikamen, wurde emsig gepflügt und gesät. An Weihnachten beginnt die Regenzeit an, dann regnet es ein bis zwei Monate abwechselnd. Danach bekommt man in der Nähe von San Diego oft das ganze Jahr hindurch keinen Regen mehr zu sehen. Die junge Saat schießt während der Regenzeit empor und bedarf danach nur noch der nächtlichen Nebel, die an der Pazifikküste sehr häufig sind, um bis Anfang Juni reif und fertig für die Ernte zu sein. Gemüse wächst mit einiger Irrigation oder auf feuchtem Boden das ganze Jahr hindurch und neue Kartoffel essen mir hier im März.

Immer höher ging es, je näher wir den Minen kamen. Der Quayamac ragte wie ein Riese über seine Kameraden hervor. Endlich ging es steil bergab und vor uns lag das Tal, Ballena genannt, wo wir wieder die Pferde wechselten. Wir ließen die Eichen hinter uns und befanden uns nun unter den Tannen, als die Sonne unterging. Sechzehn Meilen weiter durch den Wald erreichten wir gegen neun Uhr die Stadt Julian, wo wir im Hotel abstiegen. Die Stadt besteht wie alle Minenstädte aus Kaufladen, Trink- und Spielhäusern, in welchen es am Abend unserer Ankunft noch sehr lebhaft herging. Die Minen liegen einige Meilen von der Stadt Julian. Der Weg dahin führt eine Schlucht entlang, bis man ein anderes kleines Städtchen, Banner genannt, erreicht, wo die Minen sind. Am Morgen nach meiner Ankunft fuhr ich nach Banner und berichtigte die Minen. Diese fand ich als schlecht zahlend, weil sich die Adern alle Augenblicke verlieren und dann mit viel Arbeit und Kosten wieder aufgesucht werden müssen. Abends kehrte ich in mein Hotel zurück und beschloss, Julian sobald wie möglich wieder zu verlassen.

Am nächsten Tag traf ich B. Warnock von der Ballena, mit welchem ich nach Hause fuhr. Er hatte nahe an siebenhundert Pferde und viel Vieh, betrieb dabei aber noch bedeutenden Ackerbau, welchen er als Mitarbeiter selbst beaufsichtigte. Von wilden Pferden und dergleichen Vieh verstand er nicht sehr viel, war auch kein Reiter, deshalb sollte ich diese Branche des Geschäftes übernehmen. Nach den Pferden war schon ein paar Jahre nicht gesehen worden, sie waren daher über das ganze Land bis nach Mexiko verstreut und einige Gruppen so wild, dass man ihnen nicht nahe genug kommen konnte, um ihre Farbe zu unterscheiden. Doch fehlte es nicht an Reitpferden, um jeden Tag zu wechseln. Auch kam es oft vor, dass wir an einem Tag zweimal die Pferde wechseln mussten. Anstatt Vaqueros hatten wir Indianer, welche wir auch dazu verwendeten, um Wildpferde einzureiten; doch musste man immer hinter ihnen her sein, um sie zur Arbeit anzuhalten. B. Warnock war vor siebzehn Jahren hierhergekommen, als das Land noch eine Wildnis war. Ein großes Erdbeben hatte vor einigen Jahren sein Wohnhaus beinahe zerstört, zu gleicher Zeit aber auch auf seiner Farm neue Quellen eröffnet. Das früher trockene Land ist nun reichlich von diesen Quellen bewässert, sodass es an Fruchtbarkeit keinem anderen in Kalifornien nachsteht. Auch brannte sie einmal ab, was bei den Häusern in hiesiger Gegend mehr Nutzen als Schaden bringt. Denn in einigen Wochen steht ein neues Haus fertig da, während mit dem alten Milliarden von Wanzen und anderen Schädlingen verbrennen. Jeder Bewohner dieser Gegend hat einige hundert Schweine, welche markiert sind und in die Berge laufen, wo sie sich von Eicheln, Gras, Wurzeln usw. nähren. Diese werden zwei bis drei Mal das Jahr zusammengesucht und in Einzäunungen getrieben, um die Jungen zu markieren. Jedoch verwildern die Schweine sehr, und viele werden nicht gefunden oder entkommen wieder, wenn gefunden, ehe man sie markieren kann. Daher sind die Berge voll wilder Schweine, die weder Marke noch Brand haben, sich schnell vermehren und von jedem gejagt werden können, der Lust auf einem Schweinebraten hat.

San Diego County und angrenzende Countys sind die Heimat vieler Bienen. Das reichliche Futter in den Bergen, das milde Klima, in welchem Bienen das ganze Jahr hindurch Honig sammeln, macht es für Bienenzucht zum geeignetsten Land in der Welt. Der Honig ist besser und reiner als irgendwo. Somit gilt San Diego-Honig als der feinste sowohl auf dem europäischen als auch auf dem amerikanischen Markt.

In hohlen Baumstämmen, Höhlen und Felsriffen nisten die Bienen ein und häufig findet man Plätze, wo sie schon seit einem halben Jahrhundert Honig aufgehäuft haben. Wahrscheinlich wurde die Biene zuerst von den Spaniern hier eingeführt und hat sich seitdem über das ganze Land verbreitet. Nun, nachdem ich sechs Monate bei Bill Warnock gelebt hatte, wurden die Pferde verkauft. Das setzte einige Wochen harter Arbeit.

Sie waren schwer zu fangen, und einige konnten wir gar nicht hereinbringen, obwohl wir in großer Zahl und wohlberitten waren. Sobald die Herde abgeliefert war, nahm ich ebenfalls Abschied und fuhr nach San Diego zurück. Da sich die Reiselust in mir regte, so bestieg ich das Dampfschiff und fuhr nach San Pedro, ein Hafen, von welchem aus man in einer Stunde per Bahn nach Los Angeles fährt. Dort logierte ich mich in einem Hotel ein. Da ich aber bei jeder Mahlzeit eine oder mehrere Fliegen mit meinen Speisen bekam, an welche sich mein Magen nicht gewöhnen wollte, so suchte ich ein anderes Gasthaus auf. Hier traf ich, wie überall, einige Bekannte, welche beabsichtigten, nach San Bernardino zu gehen, und schloss mich sogleich der Gesellschaft an. Nachmittags um zwei Uhr verließen wir Los Angeles per Bahn und einige Stunden darauf befanden wir uns in Spadra, welches damals der Terminus dieser Zweigbahn war. Es bestand aus wenigen Häusern, von denen beinahe jedes einen Trinksalon repräsentierte. Wir begaben uns zum Hotel, wo wir reichlich mit Speck und Bohnen bewirtet wurden. Hier traf ich andere Bekannte, welche Wagen bei sich hatten und nach San Bernardino Fracht holten. Am Morgen fuhr ich mit einem dieser Wagen ab. In einigen Stunden erreichten wir die berühmte Weinranch Cucamonga, welche wir nicht passieren konnten, ohne ein kleines Fässchen mit Wein füllen zu lassen. Dann übergingen wir eine öde Strecke oder Sandwüste von etwa zwanzig Meilen, über welche uns der mitgebrachte Wein die Reise sehr erleichterte. Die Nacht brachten wir in einem spanischen Städtchen, Aqua Mansa genannt, zu, welches am Santa Anna River liegt und früher nur von Pferdedieben bewohnt war. Ein Marsch von vier Meilen brachte uns zu dem hübschen und lebhaften San Bernardino mit seinen großen Baumgärten von Orangen, Zitronen, Mandeln usw. Ein Teil der Stadt ist sehr alt und stammt von spanischen Zeiten her. Artesische Brunnen laufen in allen Straßen und es hat eher zu viel als zu wenig Wasser. Der Ort war zum Erdrücken voll wegen der Entdeckung der Panamint-Minen, die etwa dreihundert Meilen nordöstlich lagen.

San Bernardino war der letzte Punkt der Zivilisation. Hier waren Goldgräber, Spekulanten und Abenteurer aller Art versammelt, um sich vollständig auszurüsten, ehe sie die Reise zu den ferngelegenen Minen antraten. Alle Gasthäuser waren so voll, dass man weder Betten noch einen Platz, um seine eigenen Decken auszubreiten, bekommen konnte. Da es tüchtig regnete, so wollten wir auch nicht im Freien übernachten. Endlich bekam ich Platz in einem Keller, der in der Eile zu einem Schlafzimmer eingerichtet war, und für welchen man so viel bezahlen musste wie für ein Zimmer im besten Hotel. Bei meinem Eintritt fand ich bereits eine große und gemischte Gesellschaft anwesend. Einige lagen in den Armen Morpheus und schnarchten, dass es in dem dunklen Gewölbe einem Erdbeben gleich lautete, andere saßen in Gruppen und plauderten. In einer Ecke lag ein Verwundeter, der am vergangenen Abend in der Straße angefallen, beraubt und durchgeprügelt worden war. Man hatte einen Schwarzen als Krankenwärter engagiert, welcher vorsichtigerweise einige Flaschen schlechten Whiskey mitgebracht hatte, aus welchen er sich selbst Stärkung und seinem Patienten Trost einflößte. Sie waren nun auf einem Standpunkt angelangt, wo sie sich alle Augenblicke umarmten und ewige Freundschaft schworen. Trotz alledem brachte ich es doch fertig, einige Stunden zu schlafen, und stand am Morgen wieder frisch und munter auf. Nach eingenommenem Frühstück spazierte ich in der Stadt umher und war bald Zeuge eines interessanten Kampfes. Einige Spaßvögel hatten den betrunkenen Pfleger auf einen Chinesen gehetzt, welcher ein Messer zu seiner Verteidigung zog, doch musste er sich bald vor dem dickköpfigen Gegner zurückziehen. Kurz darauf hatten sie den Schwarzen in einem der Kaufläden, wo sie ihn gegen einen Laib Käse mit dem Kopf stoßen ließen. Die Afrikaner haben bekanntlich sehr dicke Schädel, so dick, dass man sie gar nicht hart genug auf den Kopf hauen kann, um ihnen weh zu tun. Dieser hatte nun einen extra harten Kopf, was er bereits unter Beweis stellte, indem er gegen Balken gestoßen und jedes Mal den Abdruck seiner Stirn im Holz zurückgelassen hatte. Weit schwerer ist es an einem Laib Käse, welcher in Tuch eingenäht ist, auf diese Weise einen Abdruck hervorzubringen. Der Schwarze machte sich daran, denn wenn er die Wette gewann, so war der Käse sein Eigen. Er hatte schon zweimal tüchtig mit dem Kopf darauf gestoßen, als man den Käse unbemerkt mit einem Schleifstein vertauschte. Der Afrikaner nahm einen tüchtigen Anlauf und rannte mit dem Kopf so gegen den Schleifstein, dass dieser Risse bekam. Der unzerbrechliche Kopf erlitt ebenfalls einigen Schaden, sodass ihn der Eigentümer zum Doktor tragen und verbinden lassen musste.

Die Central-Pacific-Eisenbahn-Company war im Begriff, eine Bahn von Los Angeles zum Colorado River, der die Grenze zwischen Arizona und California bildet, zu bauen. Die Arbeit hatte schon vor einigen Monaten begonnen und war bereits in vollem Gang. Ich traf Herrn Hall, der den Kontrakt hatte, einhundert Meilen der Bahn zu bauen, und nahm von ihm eine Vormannsstelle an. Am nächsten Morgen fuhren wir zum Lager, welches acht Meilen südlich von Cucamonga lag und aus einigen hundert Mann und vielen Fuhrwerken bestand. Die Arbeit wurde alle mit Pferdekraft getan, auf neun Mann kam ein Vormann, welcher die Arbeit zu beaufsichtigen hatte. Es gehört zu diesem Geschäft ein genaues Auge, um den Grad richtig nach den Vorschriften des Ingenieurs zu bauen. Mit meinen Leuten hatte ich das Geschäft, einige Meilen hinten nachzugehen und den Bahnkörper zu ebnen, was sehr akkurat und genau getan werden musste. Um gutes Wasser zu erlangen, hatte man Röhren zu dem acht Meilen entfernten Flüsschen in Cucamonga gelegt, durch welche uns ein anständiger Strom Wasser zufloss. Etwa zehn Meilen vor uns war das Lager der chinesischen Arbeiter, deren Geschäft es war, die Büsche, Bäume und Wurzeln aus dem Weg zu räumen. Es bestand aus dreihundert Tee trinkenden Celestialen. Bald war ein Stück vollendet, dann wurde das Lager neben das mexikanische Dorf Aqua Mansa verlegt. Hier hatten wir es mit viel Sand zu tun. Oft machten wir einen Einschnitt durch einen Hügel, um ihn am nächsten Morgen wieder mit Sand aufgefüllt zu finden, den ein heftiger Windsturm hineingetrieben hatte. Abends gingen wir zum Dorf, wo wir schlechten Wein tranken und noch schlechtere Witze verfertigten. Glücklicherweise machte ein mexikanischer Zirkus seine Aufwartung in Aqua Mansa, wo er eine Woche verweilte und jeden Abend eine Vorstellung gab, denen wir auch regelmäßig beiwohnten. Der Zirkus war ein großes Zelt, gegen die Wand der Kantina oder Schenke gebaut, sodass man von dieser in jenen gehen konnte. Die Sitze bestanden aus einigen alten Kisten, ein paar Bänken, Holzblöcken, Steinen und dem Boden. Die Vorstellung bestand hauptsächlich in Seiltanzen, worin sie große Gewandtheit zeigten. Auch hatten sie einen guten Clown, der sich allerlei schlechte Witze mit der mexikanischen Audienz erlaubte. Bald verließen wir dieses Lager, um weiter vorzurücken, und schlugen unser neues Lager in einer beinahe unbewohnten Gegend auf. Hier gesellte sich ein alter Kerl zu uns, der, seiner Aussage nach, durch eine Offenbarung berufen war, das Wort Gottes unter den Arbeitern zu verkündigen. Jeden Sonntagvormittag hielt er daher eine Predigt und nachmittags Vorlesungen über Temperanz. Wir hatten sehr viel Heu, welches in Ballen gepresst, von zwei- bis fünfhundert Pfund schwer, in großen Haufen lag. Auf einen dieser Ballen legte der Prediger sein Buch, stand selbst dahinter, und da er ein kleiner Mann war, konnte er kaum darüber hinaus auf seine Kongregation sehen, die auf dem Heu herumlag und rauchte. Die ganze Mannschaft war immer versammelt, da kein Wirtshaus in der Nähe war, in das sie gehen konnte. Alle Augenblicke wurde der Alte in seiner Predigt mit schlechten Witzen unterbrochen. Brauchte er seine Brille, so war sie versteckt, ja einmal, während er im Sprechen war, rollten einige Kerle einen Ballen Heu von hinten gegen ihn, sodass er zwischen zwei Ballen eingezwängt war und lange nicht herauskommen konnte. Kurz darauf, an einem Samstag, rückten wir wieder zehn Meilen weiter vor, und dieser Prediger fuhr mit mir auf demselben Wagen. Wir kamen an einem Weinkeller vorbei, wo ich anhielt und ein Fässchen mit Wein füllen ließ. Mein frommer Herr stieg ebenfalls aus, trank fünf bis sechs Gläser Schnaps und kam zum Wagen zurück, beladen mit fünf bis sechs Flaschen, welche er beinahe alle leerte, ehe wir am neuen Halteplatz ankamen. Hier mussten wir ihn vom Wagen heben und ihn im Schatten einiger Büsche seinen Brand ausschlafen lassen.

Am nächsten Sonntagnachmittag hatte er die Frechheit, wieder eine Temperanz-Predigt zu halten. Als er so recht daran war, die Audienz zu ermahnen, dass sie kein geistiges Getränk zu sich nehme, da stand ich auf einem Ballen Heu und fragte ihn, ob das Getränk, welches ihn gestern unter den Tisch gelegt worden war, auch zu den genannten gehöre. Ein furchtbares Hallo begann. Rufe wie Schmeißt ihn raus, Werft ihn ins Wasser usw. ertönten von allen Seiten. Sobald die Ruhe wieder hergestellt war, erzählte ich die Geschichte und forderte den Alten auf, sich zu verteidigen, aber er konnte vor den vielen schlechten Witzen gar nicht zum Sprechen kommen. Doch ermahnte er die Zuhörer, zu tun, was er sagte, und nicht, was er selbst tat. Am nächsten Morgen verließ er das Lager, um sich ein anderes Feld für seine Arbeiten zu suchen.

Nach einigen Monaten erreichten wir die Colorado-Wüste; da musste die Arbeit wegen der fürchterlichen Hitze auf dieser Sandfläche bis zum nächsten Winter eingestellt werden. So begab ich mich zurück nach San Bernardino, das sich in dieser kurzen Zeit vergrößert hatte. Ein Schuhputzer hatte sich ebenfalls in der jungen Stadt etabliert. Ich fand ihn in der Hauptstraße, wo eine große Menge versammelt war. Ein alter Goldgräber von den Bergen saß auf einem Stuhl, anscheinend etwas angeraucht, und ließ seine Stiefel putzen. Dabei hielt er eine Ansprache an das Publikum, erzählte, dass dies der erste Stiefelputzer sei, den er je gesehen habe, und forderte ihn auf, allen Anwesenden auf seine Kosten die Stiefel zu putzen. Der Junge ging an die Arbeit, ein Paar nach dem anderen wurde abgefertigt, aber immer größer wurde die Versammlung. Nachdem der Putzer etwa einhundertfünfzig Paar Stiefel geputzt hatte, wurde er müde und der Alte bezahlte die Zeche, welche nahe an vierzig Dollar betrug. Dies war das erste und letzte Mal, dass meine Stiefel seit vielen Jahren gewichst waren. Nachdem ich ein Pferd, Sattelzeug usw. gekauft hatte, trat ich den Weg nach San Diego an. Von San Bernardino ritt ich durch Aqua Mansa über den Santa Anna River, kam an der feinen Ansiedlung Riverside vorbei und übernachtete in einer Schlucht, in welcher sich eine kleine Quelle befand. Am nächsten Tag hatte ich hohes Mesa oder Tafelland zu überqueren, welches im Sommer sehr trocken ist. Da war auf vierzig englische Meilen kein Tropfen Wasser zu bekommen. Der Abend fand mich in Temecula, einer Ansiedlung von Indianern, welche hier an einem Fluss in einem großen fruchtbaren Tal Ackerbau betrieben. Am Fluss befindet sich der große Kaufladen mit Hotel und Postoffice, welches das Eigentum der Gebrüder Levy ist. Am nächsten Morgen ging ich über schöne Gebirge und fand, in einem Tal von hohen Bergen eingeschlossen, wohin man nur zu Pferde auf engen Pfaden gelangen konnte, Pala Mission, eine der vielen alten spanischen Missionen. Hier wohnten noch einige Indianerfamilien, aber etwas weiter über dem Fluss fand ich einen Deutschen, welcher hier Bienenzucht betrieb. Seine freundliche Einladung, bei ihm zu übernachten, nahm ich mit großem Vergnügen an. Da hier wenig Gras war wegen der vielen Schafe, so führte ich mein Pferd ganz ruhig in ein nahe stehendes Feld und ließ es bis am Morgen laufen. Von Pala Mission aus ritt ich auf engen Pfaden durch die Gebirge, welche mich nach San Pasqual, einer Indianer-Ansiedlung, in einem wunderschönen, fruchtbaren Tal gelegen, brachten. Hier betrat ich wieder die Hauptstraße, welche von Bear Valley nach San Diego führt, und nahm am fünften Tag meinen gewöhnlichen Platz im Pacific-Hotel ein. Die nächsten acht Tage verbrachte ich in der Stadt und hielt mich meistens im öffentlichen Lesezimmer, welches man fast in jeder Stadt und in jedem Dorf findet, auf. Diese Lesezimmer werden von freien Beitragen erhalten. Man findet da nicht nur alle möglichen Zeitungen, Journale usw., sondern auch große Kollektionen von Büchern usw. Los Angeles insbesondere hat eines der feinsten öffentlichen Lesezimmer im Staat, welches wie alle anderen von frühmorgens neun bis abends neun Uhr geöffnet ist. In jedem sind bequeme Stühle, Tische und einige Schreibpulte mit Tinte und Federn versehen. Auch besuchte ich ein Konzert, welches von einer Gesellschaft, die sich Vieux Temps Brüder nannte, gegeben wurde. Sie unterhielten uns mit einer schauderhaften Musik und noch schlechterem Gesang; so schlecht, dass mich mein Eintrittsgeld noch nach Jahren reute. Diese musikalische Gesellschaft verließ San Diego, ohne ihre Rechnungen zu bezahlen. Sie wurde aber in Los Angeles aufgehalten und zur Rede gestellt.

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