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Die Sternkammer – Band 2 – Kapitel 10

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 2
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Zehntes Kapitel

Das verfälschte Bekenntnis

Eine kurze Zeit war nach Avelines Entfernung vergangen und Sir Thomas Lake war noch allein und versenkte sich wieder in die Betrachtung des Dokuments, welches ihm so viel Unruhe verursacht hatte. Das Gefühl wurde nicht vermindert, als der Türsteher eintrat und Lady Lake anmeldete. So streng und unbeugsam, wie wir ihn geschildert haben, war der Staatssekretär im Allgemeinen nachgiebig genug gegen seine Dame, vor welcher er große Furcht empfand, und die er mit der äußersten Rücksicht behandelte; aber gegen seine Gewohnheit empfing er sie bei dieser Gelegenheit sehr kalt und deutete ihr, ohne aufzustehen, an, neben ihm Platz zu nehmen. Den Mangel an Aufmerksamkeit, den sie unter anderen Umständen sehr übel genommen hätte, nicht beachtend, nahm Lady Lake den ihr angedeuteten Platz, ohne eine Bemerkung zu machen, ein und schwieg, bis der Türsteher sich entfernt hatte. Dann wendete sie sich rasch zu ihrem Gemahl, richtete einen fragenden Blick auf ihn und sagte mit leiser Stimme: »Was haltet Ihr von diesem Dokument, Sir Thomas?«

»Von dieser Fälschung?«, versetzte er in demselben Ton, aber ohne seine Augen zu ihr zu erheben.

»Ja, von dieser Fälschung, wenn Ihr es so nennen wollt«, entgegnete sie. »Sagt mir Eure Meinung darüber. Ist sie so, wie sie sein sollte? Sind die Ausdrücke von der Art, wie sie eine schuldige Frau, wie die Gräfin, anwenden würde, indem sie um Mitleid bittet und sich vor Schande zu schützen sucht? Findet Ihr Fehler daran? Ist irgendetwas daran zu verbessern?«

»Ich finde einen so großen Fehler daran«, versetzte der Staatssekretär, der noch immer nicht aufblickte, »dass ich es dadurch verbessern möchte, indem ich es in die Flammen würfe. Lady Lake, es ist meine Pflicht, Euch zu warnen. Dies ist ein furchtbares Verbrechen, welches Ihr begehen wollt und welches von dem Gesetz schwer bestraft wird. Ihr mögt es vor Euch selber entschuldigen, weil Ihr einen Zweck im Auge habt, der die Mittel zu rechtfertigen scheint; aber die Entschuldigung wird Euch bei anderen nicht helfen. Ihr habt gesagt, in einem Streit mit einem so listigen und gewissenlosen Mann, wie unser edler Schwiegersohn, wäret Ihr genötigt, mit seinen eigenen Waffen zu kämpfen – List mit List zu erwidern; aber ich gebe Euch mein Wort, Ihr würdet ihn leichter durch gerade Mittel schlagen. Lasst Euch in diesem einen Fall von mir leiten. Gebt einen Plan auf, der unvermeidlich zu Folgen führen muss, die ich nur mit Schaudern betrachten kann, und gestattet mir, dieses nachgemachte Bekenntnis zu vernichten.«

»Gebt es mir zurück«, rief sie, ihm das Papier entreißend. »Ihr seid zu furchtsam, Sir Thomas; und wenn es Euch nicht an Mut gefehlt hätte, wäre dieses Mittel nicht nötig gewesen. So verhasst und gefährlich es ist, werde ich zu der Maßregel genötigt und will nicht davor zurückbeben. Aber Ihr werdet nicht aufgefordert werden, eine Rolle in dieser Verhandlung zu spielen. Ich allein will es tun. Ich allein will für alles verantwortlich sein, was daraus folgen mag.«

»Wir werden alle verantwortlich sein müssen«, entgegnete er. »Ihr werdet nicht nur Euch selber, sondern auch Eure ganze Familie zu Grunde richten, wenn dieser furchtbare Schritt getan wird. Bisher haben wir das Recht auf unserer Seite gehabt, aber von jetzt an werden wir strafbarer sein als die anderen.«

»Ich bin zu der Handlung entschlossen«, rief Lady Lake, »und alle Eure Warnungen werden mich nicht davon abbringen. Darum könnt Ihr Eure Worte sparen, Sir Thomas. Wie Ihr seht, habe ich die Beschuldigung der Zauberei weggelassen und nur die Gräfin ihren schuldigen Umgang mit Lord Roos, wovon wir reichliche Beweise haben, bekennen lassen. Ja, wir würden sie noch haben, wenn ihre Briefe, die in unseren Besitz gekommen sind, nicht gestohlen wären. Jenes Missgeschick macht die gegenwärtige Maßregel notwendig. Nachdem es Lord Roos gelungen ist, uns unserer Waffen zu berauben, hält er sich für sicher. Aber er wird seinen Irrtum erkennen, wenn dieses Dokument vorgelegt wird, um ihn zu überführen.«

»Ich zittere bei dem Gedanken«, stöhnte der Staatssekretär.

»Diese Furcht ist mehr als weibisch«, rief seine Dame. »Werft sie von Euch und seid Eurer würdig! Wer wird denn beweisen können, dass das Geständnis nicht von der Gräfin ausgeht? Nicht sie selber, denn ihr wird niemand glauben. Nicht Lord Roos, denn er ist ebenso wenig glaubwürdig. Nicht Diego, denn sein Zeugnis würde wertlos sein. Die Handschrift der Gräfin ist so geschickt nachgeahmt, dass die Fälschung nicht entdeckt werden kann. Vergleicht sie mit diesem Brief, den sie selber an Lady Roos geschrieben hat, und der, wenn er auch nichts beweist, soweit meinen Zweck befördert hat. Vergleicht, sage ich, die Handschrift des Geständnisses und die Unterschrift mit diesem Brief und erklärt, ob Ihr einen Unterschied zwischen beiden entdecken könnt. Was die Unterschriften des Lord Roos und Diegos betrifft, die sich unter dem Dokument befinden, die sind ebenso gut nachgemacht.«

»Dass die Fälschung geschickt ausgeführt ist, leugne ich nicht«, versetzte der Staatssekretär »und dieser Umstand, wenn er auch das Verbrechen nicht vermindert, kann die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung vermindern. Da nichts, was ich anführen kann, Euch von Eurem Vorhaben abbringen wird, und Ihr entschlossen seid, dieses gefährliche Dokument anzuwenden, so seid wenigstens vorsichtig in der Anwendung desselben. Erschreckt Lord Roos damit, wenn Ihr wollt. Droht, es dem Grafen von Exeter und selbst dem König vorzulegen, im Fall, dass unser Schwiegersohn nicht in Eure Forderung einwilligen sollte. Aber hütet Euch, weiter zu gehen. Gebt es keinen Augenblick aus den Händen, sodass Ihr es immer vernichten könnt, wenn Ihr wollt. Hört Ihr, Mylady.«

»Ja, Sir Thomas«, versetzte sie. »Haltet Euch überzeugt, dass ich mit gehöriger Vorsicht handeln werde. Es ist mir lieb, dass Ihr allmählich zu meinen Ansichten übergeht und geneigt seid, die Maßregel zu unterstützen.«

»Ich sollte die Maßregel unterstützen!«, rief der Staatssekretär erschrocken. »Nichts dergleichen. Ich missbillige sie völlig und kann sie nicht ganz begreifen. Aber ich weiß wohl, wenn Ihr Euch einmal zu etwas entschlossen habt, kann Euch der Teufel selber nicht von Eurem Vorhaben abbringen. Ich gebe Euch den besten Rat, den ich Euch unter diesen Umständen geben kann. Sonst wasche ich die Hände. Wollte der Himmel, Ihr hättet mich nie darüber um Rat gefragt, mich nie mit dem Plan bekannt gemacht. Da Ihr aber so weit mit mir gegangen seid, könnt Ihr auch noch einen Schritt weiter gehen und mir mitteilen, welche Geschichte Ihr zu diesem Geständnis hinzufügen wollt? Wie wollt Ihr vorgeben, sie erhalten zu haben?«

»Die Angabe, die ich machen werde, wird Folgende sein, und sie wird von so vielen Umständen bestätigt, dass es unmöglich wird, ihr zu widersprechen. Ihr bemerkt, dass das Dokument vom letzten zehnten April datiert ist. Dies ist nicht ohne Grund geschehen. An dem Tage gingen ich und unsere Tochter, Lady Roos, von ihrem Mädchen, Sara Swarton, begleitet, in die Wohnung des Grafen von Exeter in Wimbledon, in der Absicht, eine Unterredung mit der Gräfin zu haben. Wir sprachen sie in Gegenwart des Lord Roos und seines Dieners Diego.«

»Aber Ihr habt nichts durch die Reise gewonnen?«, fragte ihr Gemahl.

»Bitte um Verzeihung, Sir Thomas«, versetzte sie, »ich gewann dieses Geständnis. Auf dem Rückweg dachte ich über das Geschehene nach und es fiel mir ein, welchen Triumph ich empfinden würde, wenn ich meinen Zweck erreicht, wenn ich die stolze Gräfin auf ihre Knie gebracht und sie genötigt hätte, ein Bekenntnis ihrer Schuld zu unterzeichnen und meine beleidigte Tochter und mich um Verzeihung zu bitten und als eine noch höhere Rache Lord Roos und seinen Diener genötigt, die Wahrheit des Geständnisses durch ihre Unterschriften zu beglaubigen! Ich dachte daran – und erbittert, dass es nicht geschehen sei, beschloss ich, dass es geschehen solle.«

»Ein übler Entschluss!«, murmelte ihr Gemahl.

»In Lucas Hatton, unserem Apotheker, hatte ich den rechten Mann zu unserem Vorhaben«, fuhr Lady Lake fort. »Da ich sein wunderbares Talent, jede beliebige Handschrift nachzuahmen, kannte und wusste, dass ich mich völlig auf ihn verlassen könne, so beschloss ich ihn zu Hilfe zu rufen.«

»Unbesonnenes Weib! Ihr habt Euch gänzlich in seine Macht begeben«, seufzte Sir Thomas. »Gesetzt, er verriete das schreckliche Vertrauen, welches Ihr in ihn gesetzt habt?«

»Er wird es nicht verraten«, entgegnete Lady Lake. »Er ist zu sehr in die Sache verwickelt, um nicht um seiner selbst willen zu schweigen. Aber wir wollen fortfahren. Das Dokument, wie Ihr es hier seht, wurde von mir selber aufgesetzt, von Lucas Hatton abgeschrieben und die Handschrift so bewundernswürdig nachgemacht, dass Lady Exeter selber zweifeln dürfte, ob es nicht ihre eigene sei. Die Umstände werden mich unterstützen. Es ist bekannt, dass wir an dem erwähnten Tage in Wimbledon waren. Es ist bekannt, dass wir eine Unterredung mit Lady Exeter hatten, wobei Lord Roos und Diego zugegen waren. Die Unterredung war geheim und daher kann niemand sagen, was darin vorging; aber die Wahrscheinlichkeit spricht für das, was ich behaupten werde, dass es wirklich geschah.«

Sir Thomas gab seine Zustimmung zu erkennen und sie fuhr fort.

»Der Plan ist gut ausgedacht, und bei guter Leitung kann das Gelingen nicht fehlen. Wir haben die Zeit des angeblichen Ereignisses – die handelnden Personen und die Szene – denn ich werde das Zimmer beschreiben, wo die Unterredung wirklich stattfand, und ferner Sara Swarton stellen, welche erklären wird, dass sie hinter dem Vorhang verborgen war und die Gräfin das Geständnis vorlesen hörte, ehe sie es unterzeichnete.«

»Noch eine Teilnehmerin an der Sache, und zwar ein Weib!«, rief Sir Thomas. »Die Gefahr der Entdeckung wird dadurch hundertfach vermehrt.«

»Die Gefahr ist nur in Eurer Einbildung vorhanden«, sagte die Dame. »Gebt zu, Sir Thomas, dass der Plan gut angelegt ist, und dass sie in der Tat listig sein müssen, wenn sie dem für sie bestimmten Netze entgehen wollen.«

»Ich muss gestehen, Ihr habt Erfindungsgabe genug gezeigt, wenn sie nur zu einem besseren Zweck an gewendet würde; aber an dem am besten erfundenen Plan wird immer ein Fehler entdeckt, der ihn gewiss zerstört.«

»Ihr könnt keinen Fehler an diesem entdecken, davon bin ich überzeugt, Sir Thomas. Wenn Ihr es könnt, so lasst es mich wissen.«

»Nun, solche Dinge werden nur entdeckt, wenn es zu spät ist. Die vermeintliche undurchdringliche Rüstung wird an einem wesentlichen Punkt mangelhaft gefunden. Indessen will ich nichts mehr sagen«, fuhr er fort, als er ihre Ungeduld bemerkte. »Was geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Habt Ihr unsere Tochter vorbereitet? Wird sie einwilligen, Euch zu unterstützen?«

»Sie wird es«, versetzte Lady Lake. »Anfangs hatte ich einige Schwierigkeit mit ihr, aber ich fand Mittel, ihre Bedenklichkeiten zu überwinden, und sie willigte endlich ein, zu handeln, wie ich es wünschte, vorausgesetzt, dass alle anderen Mittel, den Zweck zu erreichen, fehlschlagen sollten. Dies ist geschehen, seit dem wir diese Briefe verloren haben, denn wenn ich auch noch einen Beweis übrig habe, der vielleicht angeführt werden könnte, so lege ich doch nicht viel Gewicht darauf.«

»Was ist es?«, fragte Sir Thomas rasch.

»Ihr sollt es sogleich erfahren«, antwortete sie. »Es mag hinreichen, zu sagen, dass ich alles getan, um die gegenwärtige Maßregel nicht anwenden zu dürfen und die Ausführung bis auf den letzten Augenblick verzögert habe.«

»Aber jener Beweis, von dem Ihr gesprochen habt?«, rief Sir Thomas. »Lasst mich ihn hören! Vielleicht mag dieses gefährliche Verfahren dann nicht nötig sein.«

»Ich denke nicht so. Aber Ihr sollt urteilen. Am letzten Abend erhielten unsere Tochter und ich geheimen Eintritt in das Zimmer des Lord Roos und wir fanden die Gräfin dort ohnmächtig in seinen Armen.«

»Ei, das ist genug, um sie zu überführen. Ihr bedürft nichts weiter.«

»Hört mich zu Ende, und Ihr werdet Eure Meinung ändern. Die leblose Gräfin auf ein Sofa niederlegend und ihr Gesicht mit einem Taschentuch bedeckend, hatte Lord Roos die Frechheit, zu behaupten, dass wir uns irrten, und dass es nicht Lady Exeter, sondern ihr Kammermädchen Gillian Greenford sei, und er wendete sich an den treulosen Schurken Diego, der sein Behauptung bestätigte.«

»Aber Ihr seid doch nicht gegangen, ohne Euch von der Wahrheit zu überzeugen?«, fragte Sir Thomas.

»Seine Herrlichkeit trug Sorge, dass wir keine Gelegenheit dazu hatten. Er ließ Diego sie über die geheime Treppe forttragen.«

»Henker! Das war unglücklich. Ihr habt also keinen Beweis, dass es die Gräfin war, die Ihr vor Euch gesehen habt?«

»Nichts, als eine Haarlocke, die Lady Roos sich zu verschaffen wusste, als der Mann sie wegtrug.«

»Das mag genug sein«, rief der Staatssekretär, »und die Notwendigkeit verhindern, zu diesem schrecklichen Mittel zu schreiten. Wir müssen das Mädchen sehen und sie befragen. Gillian Greenford, sagt Ihr, heißt sie? Sie soll sogleich hierhergebracht werden.«

»Es ist möglich, dass sie schon draußen ist«, entgegnete Lady Lake. »Ehe ich hierher kam, ließ ich sie in Eurem Namen rufen.«

»Wir wollen sehen«, rief Sir Thomas klingelnd.

Der Türsteher, welcher infolge der Aufforderung erschien, benachrichtigte ihn, dass das erwähnte junge Mädchen in der Tat draußen warte.

»Sie scheint sehr unruhig zu sein, Sir Thomas«, sagte der Türsteher, »und hat einen jungen Mann bei sich, der ein zärtliches Interesse an ihr zu nehmen scheint und bei dem Verhör zugegen zu sein wünscht.«

»Lasst ihn mit ihr hereinkommen«, sagte der Staatssekretär. Als er bemerkte, dass der Türsteher zauderte, fragte er, ob er noch weiter etwas zu sagen habe.

»Seine Excellenz, der spanische Gesandte, und Lord Roos sind draußen und wünschen eingelassen zu werden«, versetzte der Mann.

Sir Thomas befragte seine Gemahlin mit einem Blick. Als sie keine Einwendung machte, sprach er seine Erlaubnis aus, sie einzulassen. Hierauf wurde die Tür weit geöffnet, um die erwähnten Personen einzulassen.

Gillian kam zuerst und schien sehr verlegen wegen der Lage, in der sie sich befand. Sie war gut instruiert worden wegen der Rolle, die sie zu spielen hatte, aber die Instruktionen, die sie empfangen hatte, waren gänzlich vergessen beim Anblick zweier so schrecklicher Personen, wie Sir Thomas Lake und seine Dame, welche sie beide scharf ansahen. Sie war im Begriff vor Schrecken umzusinken und sah Dick Taverner an, als flehe sie um seinen Beistand. Aber den gewährte ihr Dick nicht, denn seine Eifersucht war durch das, was er gehört hatte, erregt worden. Er beschloss, seine Handlungsweise nach dem Erfolg der Untersuchung einzurichten.

Er hielt sich daher zurück, obwohl er eine Anstrengung dabei anwenden musste. Als der Graf von Gondomar erschien, stand Sir Thomas auf und machte ihm eine tiefe Verbeugung, die ebenso zeremoniös von dem spanischen Gesandten erwidert wurde. Der Letztere nahm aber nicht Platz, sondern blieb mit Lord Roos stehen, dessen Gegenwart von seinem Schwiegervater mit einer kalten und fremden Verbeugung anerkannt wurde. Der junge Edelmann schien nicht im Geringsten verlegen zu werden durch den kalten Empfang, noch auch furchtsam wegen des Erfolges der Untersuchung. Er scherzte leise mit Gondomar, und er und der spanische Gesandte schienen sich sehr an Gillians Verlegenheit zu ergötzen.

Hinter ihm stand sein Diener Diego.

»Ihr seid vermutlich Kammermädchen bei der Gräfin von Exeter?«, fragte Lady Lake das Mädchen.

»Ja, Mylady«, antwortete sie.

»Das Mädchen sieht nicht aus, als wenn die Beschuldigungen, die man gegen ihren Ruf erhoben hat, wahr sein könnten«, bemerkte Sir Thomas Lake.

Bei diesen Worten wurde die arme Gillian von Erröten übergossen und ließ den Kopf hängen.

»Ehe ich ihr weitere Fragen vorlege«, sagte Lady Lake, »will ich Lord Roos fragen, ob er noch bei der Behauptung bleibt, dass dieses Mädchen ihn am letzten Abend besucht habe?«

Dick Taverner sah aus, als ob sein Schicksal von der Antwort des jungen Edelmannes auf diese Frage abhängig wäre.

»Ich muss es ablehnen, die Frage Ihrer Herrlichkeit zu beantworten«, entgegnete Lord Roos.

»Warum kann er nicht gerade heraussprechen«, murmelte Dick. »Diese Ungewissheit ist schlimmer als alles.«

»Was sagt das Mädchen selber?«, bemerkte Sir Thomas Lake. »Gesteht sie die Beschuldigung ein.«

»Das könnt Ihr nicht von ihr erwarten, Sir Thomas«, fiel Lord Roos ein.

»Ich erwarte, dass sie meine Frage beantworten wird«, versetzte der Staatssekretär heftig. »Wart Ihr am letzten Abend im Zimmer des Lord Roos?«, fügte er zu Gillian gewendet hinzu.

»O Himmel! Ich werde ohnmächtig«, rief sie.

»Halte mich, Dick, halte mich!«

»Antworte, ja oder nein, oder ich tue es nicht«, versetzte er.

»Nun denn, ja! Wenn ich doch sprechen muss«, entgegnete sie.

Der arme Dick fuhr zurück, als hätte ihn eine Kugel getroffen.

»Ich glaube es nicht«, rief Sir Thomas.

»Ich auch nicht«, sagte Dick, sich fassend. »Ich glaube nicht, dass sie etwas so Schlechtes begehen konnte. Überdies war es der fremde Gesandte dort«, setzte er, auf Gondomar deutend, hinzu, »der gestern am meisten in sie verliebt zu sein schien, und ich würde nicht so sehr überrascht sein, wenn sie ihn besucht hätte. Vielleicht geschah es auch«, fuhr er fort, indem er das arme Mädchen anredete, welches wieder den Kopf hängen ließ.

»Ich kann versichern, dass dies nicht der Fall war«, sagte Gondomar.

»Habt Ihr die Haarlocke bei Euch?«, flüsterte Sir Thomas seiner Gemahlin zu.

»Ja«, versetzte sie, ein kleines zusammengelegtes Papier aus dem Busen ziehend.

Die Bewegung blieb nicht unbemerkt von Lord Roos und dem spanischen Gesandten, die ein fast unmerkliches Lächeln wechselten.

»Wenn Ihr Gillian alle Fragen vorgelegt habt, die Ihr beabsichtigt, Madame«, sagte Lord Roos zu seiner Schwiegermutter, »so wird es ihr vielleicht gestattet sein, sich zu entfernen? Die Lage kann nicht angenehm für sie sein.«

»Noch einen Augenblick, Mylord«, rief Lady Lake. »Wenn ich sie zurückhalte, geschieht es nur, um ihren Ruf zu retten. Ich weiß, dass sie vollkommen unschuldig ist.«

Bei dieser Ankündigung erhellte sich Dick Taverners Gesicht. Er streckte seine Arme gegen Gillian aus, die gern seine Unterstützung annahm.

»Ich bin völlig gewiss, dass sie nicht die Person ist, die man am letzten Abend in Eurem Zimmer fand«, fuhr Lady Lake fort.

»Wirklich Madame! Wie kommt Ihr zu dieser Überzeugung?«

»Weil das Haar jener Person pechschwarz war, wogegen Gillians Haar, wie Ihr seht, gerade von der entgegengesetzten Farbe ist.«

Dick Taverner konnte nicht umhin, seine Lippen auf den Nacken des hübschen Mädchens zu drücken, als diese Worte ausgesprochen wurden.

»Euer Beweis davon, Madame?«, fragte Lord Roos.

»Seht hier!«, rief sie. »Diese Haarlocke wurde abgeschnitten, ehe Euer Gast entfloh, und sie ist seitdem immer in meinem Besitz gewesen. Ha! Was ist dies!«, rief sie, als sie das Papier entfaltete und eine blonde Haarlocke zum Vorschein brachte, die genau zu Gillians flachsfarbigen Locken passte. »Welche Verwandlung ist geschehen! Es ist Zauberei geübt worden. Dies ist das Werk der Gräfin.«

»Die Dirne muss doch am Ende dort gewesen sein«, rief Dick Taverner, Gillian von sich stoßend.

»Die Beschuldigung der Zauberei wird Euch nicht helfen, Madame«, sagte Lord Roos höhnisch. »Die Erklärung ist einfach. Eure Augen haben Euch getäuscht.«

»Sehr einleuchtend!«, rief der Graf von Gondomar, der Gillian in seine Arme genommen, als der eifersüchtige Lehrling sie von sich gestoßen hatte. »Ich fürchte, Ihre Herrlichkeit haben kein besonders klares Gesicht.«

»Mein Gesicht ist klar genug, um zu sehen, dass mir ein Streich gespielt worden ist«, versetzte Lady Lake heftig. »Aber Lord Roos mag sich vorsehen. Ich will meine Rache haben und eine schreckliche soll es sein.«

»Verratet Euch nicht«, sagte Sir Thomas leise.

»Euer Geschäft hier ist zu Ende, schönes Mädchen«, sagte der Graf von Gondomar zu Gillian, »und da Euer Liebhaber Euch verlässt, bin ich bereit, für Euch Sorge zu tragen.«

Hierauf führte er sie hinaus, und es folgte ihm Lord Roos, dessen triumphierendes Lächeln seine Schwiegermutter so erbitterte, dass sie es kaum ertragen konnte.

Einen Augenblick blieb Dick Taverner unentschlossen; aber kaum war seine Geliebte verschwunden, als er ihr nacheilte und gelobte, er wolle sie wiederhaben, und wenn es sein Leben koste.

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