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Der Welt-Detektiv Band 6

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Eine Räuberfamilie – Siebzehntes Kapitel

Emilie Heinrichs
Eine Räuberfamilie
Erzählung der Neuzeit nach wahren Tatsachen
Verlag von A. Sacco Nachfolger, Berlin, 1867
Siebzehntes Kapitel

Unter den Räubern

Die Tatsachen bis zu der Verschleppung Georgs durch die Räuber sind uns bereits bekannt. Wir übergehen deshalb diesen Teil von Georgs Erzählung und lassen ihn nur von diesem Zeitpunkt an weitererzählen.

»Auf vielen Umwegen und womöglich immer durch Wald und Berge kamen wir endlich in die Nähe von Bisaccia. Hier hatten die Räuber eine unterirdische Höhle, einen richtigen Fuchsbau, den ich selber nicht wiederfinden würde und wenn mein Leben daran hinge. Hier nun wurde ich wie ein Gefangener gehalten. Es war in dem unterirdischen Palast schön, keine Bequemlichkeit fehlte, Speisen und Wein im Überfluss, ich lebte wie ein Fürst. Doch durfte ich weder an den Herrn Baron schreiben noch von Ihnen reden. Der Schiavone hatte seinen Kopf darauf gesetzt, aus mir einen tüchtigen Briganten zu machen. So sollte ich erst an diesem Schlaraffenleben Geschmack finden. Nun, ich hütete mich wohl, das Gegenteil zu zeigen, sondern war äußerst lustig und guter Dinge. Dabei war mir aber recht verzweiflungsvoll ums Herz und ich war entschlossen, lieber zu sterben, als noch lange dort zu bleiben und vielleicht gar zum Morden und Rauben gezwungen zu werden. Der Herrgott beschützte mich indessen, denn als ich mit Schiavone zum ersten Mal in der Nacht ausziehen sollte, wurde ich so krank, dass er mich brummend zu Hause lassen musste. Ich wusste, dass die ganze Bande die Höhle verlassen hatte, und war fest entschlossen, in dieser Nacht zu fliehen. Ein Lämpchen brannte vor meinem Bett, ich kleidete mich an und hielt meine Wanderung in dem wunderbaren Fuchsbau. Plötzlich hörte ich Schritte, rasch die Lampe ausgelöscht und mich in eine Ecke niedergekauert. Das Herz schlug mir gewaltig. Nun hörte ich ihn sprechen. Es war Schiavone, er sprach mit dem Signor Rapo. Darauf hätte ich schwören mögen, und wovon sprachen sie? Von Ihnen, gnädiger Herr, ich dachte laut aufzuschreien vor Freuden.«

»Das wäre sehr unvernünftig gewesen«, schaltete sich Marco ein.

»Nun, ich tat es auch nicht, sondern hörte mäuschenstill zu, und da sagte der fremde Signor: ›Ei was, wir können das Lösegeld entbehren, brauchen es nicht. Der Hund von Tedesco soll sterben, und müsste ich ihn selber mit meinen Händen erwürgen.‹

›Gut, dann tue es‹, sagte Schiavone hierauf, ›aber zahlt mir die 5000 Scudi aus.‹

›Die sollst du haben‹, versetzte der andere. ›Morgen vor Mitternacht kommt ihr alle zum Fest. Ich will Verlobung feiern, die Braut darf natürlich nicht dabei sein. Deine Filomena kann sie vorstellen.‹

Über diesen Spaß lachten beide und dann wurde verabredet, dass man erst noch mit dem Bruder reden wolle, denn der Tedesco könne nicht so ohne Weiteres verschwinden, da man in der Stadt wisse, dass Signor Leonardi sich als Gast im Haus Rapo befinde. Nach kurzer Zeit verließen sie die Höhle und ich befand mich wieder allein in einer fürchterlichen Aufregung.«

»Du vergisst, dass Pasquale Rapo auch deinethalben mit dem Schiavone wetterte, mein guter Corso!«, schaltete Marco wieder mit großer Seelenruhe ein.

»Also war es doch der Student«, rief Georg überrascht, »wahrhaftig, Freund Marco! Du weißt mehr davon, als du sagst. Jawohl, Schiavone erzählte ihm, dass er auch mich als Geisel mitgenommen habe und hier in der Höhle zum Briganten erziehen wolle, worüber der Signor ganz heidenmäßig fluchte und ihn einen Narren schalt.«

»Nun lass mich, der einen Schiavone überlisten konnte, die Geschichte fortsetzen, ehrlicher Corso«, sprach Marco ruhig, »jetzt fangen meine Heldentaten an. Lassen wir den guten Brigantenlehrling nun ein wenig im Dunkeln allein und kehren nach Neapel zurück, wohin keine Nachricht von dem guten Corso kam und der Signor Tedesco am Krankenlager des jungen Signor ganz melancholisch wurde. Da erbot ich mich eines Tages, nach Bisaccia, wohin mich der saubere Signor Rapo schon einmal als Botschafter gesandt hatte, zu reisen und mich dort ein wenig nach der Signorina Marchesa und dem Signor Leonardi umzuschauen, bei welcher Gelegenheit mir der alte Signor im Falle des Gelingens verschiedene Versprechungen machte.«

»Welche er dir auch halten wird, mein Freund!«, sagte Leonhardt.

Marco nickte und fuhr fort: »Ich sattelte mir den schnellsten Renner im Stall, steckte einige gute Waffen zu mir, bekam ein hinreichendes Reisegeld und gelangte ungefährdet nach Bisaccia. Hier suchte ich mich möglichst unsichtbar zu machen und spionierte umher, wobei ich auch unsere Signorina Marchesa erblickte, die recht traurig aussah und das Köpfchen hängen ließ. An Schlaf war für mich nicht zu denken, da die Nacht mein rechter Genosse sein musste. Das Glück war mir günstig, ich sah den guten Signor Pasquale Rapo die Stadt verlassen und draußen mit Schiavone zusammentreffen, die dann beide langsam zur Höhle zurückkehrten. Fast zugleich mit ihnen betrat auch ich dieselbe, ohne bemerkt zu werden, und hörte so alles. Als die beiden fort waren, zündete ich rasch ein Wachslicht an und suchte mir den guten Corso, den ich denn auch fand. Ersparen Sie mir die Lösung des Rätsels, wie ich den Ausgang aus der Höhle so gut zu finden wusste. Corso hatte die größte Lust, mit mir zu gehen. Ich musste sie ihm aber vertreiben, um nicht unser schönes Spiel zu verlieren. Verdacht durften unsere Briganten um keinen Preis schöpfen. Ich versprach ihm aber, in der nächsten Nacht wiederzukommen und bis dahin genau auszuforschen, wo Signor Leonardi denn eigentlich hause. War ich doch selber im Haus Rapo gewesen und kannte dort so ziemlich genau alle Räume. Dachte mir auch gleich, dass man Sie, Signor, in das gelbe Zimmer, wo man nichts als Dächer und den blauen Himmel sieht, einquartiert habe. Da hat schon mancher geschlafen, welcher später in einem Keller erwachte oder auch nicht wieder erwachte.

Wie ich dachte, so war es. Ich traf am späten Abend einen jungen Burschen aus dem Haus Rapo, welcher mich von früher kannte, und mir das Zimmer des fremden Gastes, den Leutnant Rapo aus Räuberhänden errettet habe, ganz genau beschrieb.

In der Nacht, das hatte ich ja aus des Studenten Mund vernommen, war ein großes Brigantenfest in der Villa Rapo.«

»Ha, auch du weißt es, Marco!«, unterbrach ihn Leonhardt in furchtbarer Aufregung, »hast es längst gewusst und die Verbrecher nicht der Gerechtigkeit überliefert?«

Marco blickte ihn starr an, schüttelte dann den Kopf und sagte: »Es gibt hier Dinge, welche man bis zu einer gewissen Zeit in sich verschließen muss, Signor, jetzt aber, so hoffe ich, ist endlich die Stunde gekommen und meine Schuld mit der Gefangennahme des Schiavone gesühnt. Die Gerechtigkeit soll in der nächsten Zeit volle Arbeit bekommen. Also, auf dem Fest in der Villa Rapo waren alle Räuber versammelt, und auch die ganze Familie Rapo, welche ja dort den Gastgeber machte. Wir hatten also freie Hand. Ich holte meinen Freund Corso aus der Höhle, nachdem ich vorher einen Wagen gekauft, mein Ross davor gespannt und denselben dann zu einem Versteck außerhalb der Stadt gebracht hatte. Es ist ein Wunder, dass es mein braver Gaul dort so ruhig aushielt. Ich hatte ihm aber auch aus Fürsorge einen Hafersack um den Hals gehängt. Mein junger Freund im Hause Rapo versprach mir am Abend vorher für Geld und gute Worte, eine Leiter zu beschaffen, das Haus offen zu lassen und nichts weiter zu sehen.

Es gelang alles vortrefflich! Corso hielt die Leiter und ich schleppte Sie im Schlaf heraus. Corpo di bacco! Es war kein leichtes Stück Arbeit. Ein Schreckensruf von Ihnen konnte uns verderben. Es ging alles gut, Madonna sei gepriesen, und das Übrige wissen Sie, Signor Leonardi!«

»Ja, mein braver Marco«, versetzte Leonhardt, gerührt den beiden Männern, welche so viel für ihn gewagt hatten, die Hand reichend. »Ich danke Euch wieder und wieder, meine Freunde, und werde es Euch vergelten, doch dürfen wir uns noch nicht der Ruhe hingeben, noch haben wir eine große Arbeit vor uns. Wir müssen die Signorina Marchesa aus dem Netz der Verruchten retten, bevor wir die Gerechtigkeit über sie hereinbrechen lassen. Wie wir dieses möglich machen, muss jetzt unsere Aufgabe sein.«

Marco schüttelte den Kopf. »Das wird sehr schwer auszuführen sein, Signor! Wir alle drei dürfen uns dort nicht blicken lassen.«

Leonhardt dachte einen Augenblick nach. »Wenn wir den Kammerdiener des Marchese, der keine Ahnung des fürchterlichen Geheimnisses hat, mit dem Auftrag des Arztes, die Signorina zu dem totkranken Oheim zurückzurufen, dorthin sendeten, das könnte nicht den leisesten Verdacht erregen. Natürlich dürfte dann von meinem Bruder keine Rede sein.«

»Dann senden Sie die Polizei hin nach Bisaccia, Signor Leonardi, aber nicht den Kammerdiener«, rief Marco eifrig, »die Rapos sind Schlangen, sie entwischen einem, wenn man sie schon erfasst hat.«

»Ich werde die Sache noch einmal überlegen«, sagte Leonhardt unruhig, »bis dahin reinen Mund.«

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