Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Sternkammer – Band 2 – Kapitel 6

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 2
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Sechstes Kapitel

Die Gattin und die Schwiegermutter

Rasche Schritte stiegen die schmale Treppe herunter – so leichte und vorsichtige Schritte, dass sie kein Geräusch hervorbrachten. Ehe sie den Vorhang auf die Seite zog, der den geheimen Eingang des Zimmers bedeckte, blieb die Dame stehen, um zu horchen. Da sie nichts hörte, was sie beunruhigen konnte, so erhob sie leise eine Ecke des Vorhanges und schaute hinein.

Was erblickte sie? Einen jungen Mann, der, den Rücken zu ihr gewendet, an einem geschnitzten eichenen Tisch saß. Er las einen Brief, dessen Inhalt ihn sehr aufzuregen schien, denn er warf ihn mehrmals auf den Tisch nieder und zwang sich dann, mit dem Lesen fortzufahren. Es befand sich sonst niemand im Zimmer, welches hoch und geräumig, wenn gleich ein wenig düster war, denn es war ganz mit Hausgeräten von dunklem Eichenholz möbliert, während die Wände mit altertümlichen Tapeten behängt waren. Schwere Vorhänge bedeckten die tiefen Erkerfenster, wodurch das Düster noch erhöht wurde. Das Zimmer wurde von einer Messinglampe erhellt, die von der Gipsdecke niederhing, deren Rippen bemalt, und deren Leisten vergoldet waren. In der Nähe des verborgenen Einganges, durch welchen die Dame eingetreten war, stand ein großer zierlich geschnitzter Schrank von Ebenholz, an welchem eine Karussellrüstung und Lanze lehnte, während oben darauf eine Pickelhaube, eine Brustplatte, Beinschienen, Panzerhandschuhe und andere Waffenstückelagen. Zur Rechten des Schrankes war die Tapete zurückgeschlagen und zeigte eine kurze Treppe, die mit der Tür eines Vorzimmers endete.

Fast in demselben Augenblick, als die Dame ihren Fuß in das Zimmer setzte, was sie nach kurzem Bedenken tat, indem sie den Vorhang geräuschlos hinter sich fallen ließ, stand der junge Mann auf. Er war so heftig aufgeregt, dass er ihren Eintreten nicht bemerkte. Den Brief, der ihn so sehr beunruhigt hatte, zwischen den Fingern zusammendrückend, warf er ihn wütend von sich und stieß einen unzusammenhängenden Ausdruck der Wut aus. Obwohl von Natur außerordentlich schön, waren seine Züge in diesem Augenblick so von Leidenschaft verzerrt, dass sie fast abschreckend erschienen. Er war von schlanker und schöner Gestalt und seine reiche Kleidung verkündete seinen Rang.

Die Dame, die unbemerkt Zeugin seiner heftigen Gemütsbewegung gewesen, war auffallend schön. Sie besaß eine stolze Figur, hatte den weißesten Hals, die zartesten Arme und sehr kleine zierlich gebildete Hände. Die etwas gebogene Nase und die kurze aufgeworfene Oberlippe verliehen ihren Zügen etwas Stolzes. Ihre Augen waren groß, dunkel und an Form und Glanz fast orientalisch. Schwarze Augenbrauen und volles, glänzendes Rabenhaar vollendeten das Verzeichnis ihrer Reize. Ihr Kleid bestand aus weißem Brokat, worüber sie ein weites Gewand von violettem Samt mit offenen hängenden Ärmeln trug, die wohl darauf berechnet waren, die Schönheit ihrer Arme zu zeigen. Ihre Halskrause war von Spitzen und dazu trug sie ein Perlenhalsband, während andere kostbare Steine in ihren dunklen Haarlocken schimmerten.

Diese schöne Dame, deren stolze Lippen nun mehr als gewöhnlich zusammengedrückt waren, und deren dunkle Augen Strahlen von sich warfen – sehr verschieden von ihren gewohnten zärtlichen Blicken – war die Gräfin von Exeter. Er, den sie ansah, war Lord Roos, und das Zimmer, in welches sie eben eingetreten, war das, welches der junge Edelmann in Theobalds bewohnte.

Sie beobachtete ihn einige Zeit mit Neugierde. Endlich machte sich seine Wut in Worten Luft.

»Verderben über sie beide!« rief er, indem er sich mit der geballten Faust auf die Stirn schlug. »Hatte je ein Mann ein solches Weib und eine solche Schwiegermutter! Sie werden mich noch mit Gewalt zu verzweifelten Maßregeln treiben, die ich gern vermeiden möchte; aber wenn sonst nichts sie zur Ruhe bringen kann, so muss es das Grab. Ja, das Grab«, wiederholte er mit dumpfer Stimme. »Es ist nicht meine Schuld, wenn ich gezwungen werde, sie dorthin zu schicken. Töricht genug, mich so zu quälen!«

Da sie fühlte, dass sie mehr gehört hatte, als sie hören sollte, so hätte die Gräfin sich gern entfernt. Da die Entfernung sie aber hätte verraten können, so hielt sie es für besser, ihre Gegenwart anzukündigen, indem sie sagte: »Ihr seid nicht allein, Mylord.«

Bei ihrer Stimme erschreckend, wendete sich Lord Roos augenblicklich um und sah sie verstört an.

»Ihr hier, Franziska?«, rief er, »ich erwartete Euch nicht so bald.«

»Ich kam vor der bestimmten Stunde, weil – aber Ihr scheint sehr aufgeregt. Ist irgendetwas geschehen?«

»Wenig mehr, als was täglich geschieht«, versetzte er. »Und doch ist es mehr, denn die Krisis ist gekommen, und eine furchtbare Krisis ist es. O, Franziska!«, fuhr er heftig fort, »wie teuer seid Ihr mir! Um mir Eure Liebe zu bewahren, würde ich alles wagen, selbst mein Seelenheil. Ich würde vor keinem Verbrechen zurückbeben, um Euch immer in meiner Nähe zu behalten. Die mögen sich hüten, welche mich von Euch trennen wollen.«

»Was bedeutet diese Leidenschaft, Mylord?«, fragte die Gräfin.

»Sie bedeutet, dass es Personen gibt, die unser Glück stören wollen, die eifersüchtig auf unsere Liebe sind und sie gänzlich vernichten wollen, die uns mit Gewalt auseinander zu reißen versuchen, ohne an die Qual zu denken, die sie verursachen – da wir Feinde haben, die dies tun wollen, die uns tödlich zu verwunden beabsichtigen, so wollen wir nicht länger zaudern, sondern den ersten Schlag tun. Wir müssen uns von ihm befreien, koste es, was es wolle.«

»Ich will mich nicht stellen, als ob ich Euch missverstehe, Mylord«, versetzte die Gräfin, deren schönes Gesicht Spuren von Schrecken zu zeigen begann. »Aber ist es dahin gekommen? Ist die Gefahr drohend und unvermeidlich?«

»Drohend, aber nicht unvermeidlich«, versetzte Lord Roos. »Sie kann vermieden werden, wie ich schon angedeutet habe, aber nur durch ein Mittel. Eben habe ich einen Brief von meiner Frau erhalten, worin sie mir nach ihren gewöhnlichen Vorwürfen und Bitten endlich sagt, wenn ich taub für ihr Flehen bleibe und mich weigere, gänzlich mit Euch zu brechen und zu ihr zurückzukehren, so solle unser verbrecherisches Verhältnis – so nennt sie unsere Liebe – dem getäuschten Grafen von Exeter bekannt gemacht werden, der schon wissen werde, wie er seine beleidigte Ehre zu rächen habe. Welche andere Antwort als eine einzige, lässt sich auf jenen Brief erteilen, Franziska? Wenn wir ihr Trotz bieten, wie wir es bisher getan haben, so wird sie handeln, denn sie wird von jener Furie, ihrer Mutter, angetrieben. Wir müssen ein wenig Zeit gewinnen, damit die Schwierigkeiten beseitigt werden können, die uns jetzt umringen.«

»Ich denke mit Schaudern daran, William!«, sagte die Gräfin zitternd und totenblass werdend. »Nein, es darf nicht geschehen. Lieber, als dass ein solches Verbrechen begangen werden sollte, will ich ihre Forderung erfüllen.«

»Und mich verlassen?«, rief Lord Roos mit Bitterkeit. »Franziska, Eure Neigung kommt nicht der meinen gleich, sonst könntet Ihr keinen Augenblick einen solchen Gedanken hegen. Ihr bringt mich fast auf die Vermutung«, fügte er streng hinzu, »dass Ihr Eure Liebe auf einen anderen übertragen habt. Ah! Hütet Euch! Hütet Euch! Mit mir dürft Ihr nicht Euer Spiel treiben wie mit Eurem Gemahl.«

»Ich verzeihe Euch Euren Zweifel, Mylord – so ungerecht er auch ist – weil Euer Geist gestört ist; aber wäret Ihr ruhig genug, um die Sache anzusehen, wie sie wirklich ist, so würdet Ihr bemerken, dass mein Entschluss nichts enthält, was mit der zärtlichen Neigung für Euch unverträglich ist, sondern vielmehr, dass gerade meine Liebe mich zu diesem Schritt treibt. Was ich vorschlage, ist das Beste für uns beide. Das Mittel, welches Ihr wählen wollt, würde uns hier und jenseits den Untergang bereiten, würde uns aus der Gesellschaft treiben und uns einander verhasst machen. Meine Seele empört sich darüber. Und obwohl ich selber von Eurer Schwiegermutter, der Lady Lake eine tödliche Beleidigung erfahren habe, obwohl sie alle Bosheit, deren sie fähig ist, über mein Haupt ausgeschüttet hat, möchte ich ihr doch lieber verzeihen – lieber um Mitleid für sie bitten, als Euren schrecklichen Vorschlag annehmen. Nein, William. Der Schmerz, mich von Euch zu trennen, wird in der Tat furchtbar sein, aber er muss erduldet werden. Das Schicksal will es so, und es ist daher nutzlos, dagegen anzukämpfen.«

»O! Nehmt diese Worte zurück, Franziska!«, rief der junge Edelmann, sich zu ihren Füßen niederwerfend und leidenschaftlich ihre Hände fassend. »Nehmt sie zurück, ich flehe Euch an. Ihr sprecht darin mein Urteil aus – ein Urteil, schrecklicher als der Tod, der im Vergleich mit Eurem Verlust leicht sein würde. Stoßt diesen Degen in mein Herz«, rief er, indem er die glänzende Waffe zog und sie ihr reichte. »Befreit mich sogleich von meinem Elend, aber verurteilt mich nicht zu langwieriger Qual.«

»Steht auf, William! Steht auf, ich bitte Euch!«, rief die Gräfin, überwältigt von der Heftigkeit seiner Gemütsbewegung, »und steckt Euren Degen ein. Die Liebe, die Ihr für mich zeigt, verdient eine angemessene Erwiderung und sie soll Euch zuteilwerden. Es komme, was will, ich werde Euch nicht verlassen. Aber o! Wir wollen uns nicht tiefer in Schuld stürzen, wenn es zu vermeiden ist.«

»Aber wie ist es zu vermeiden?«, rief Lord Roos. »Werden sie auf unser Flehen hören? Werden sie Mitleid mit uns haben? Werden sie Bedenken tragen, uns den Untergang zu bereiten?«

»Ich weiß nicht – ich weiß nicht«, versetzte die Gräfin verwirrt, »aber ich stehe erschrocken vor der Größe des Verbrechens da.«

»Sie werden uns nicht verschonen«, fuhr Lord Roos fort, »und darum können wir sie auch nicht verschonen.«

»Ich beuge mich vor Euch, William«, sagte die Gräfin, indem sie vor ihm auf die Knie sank und seine Hand fasste. »Bei der Liebe zu mir beschwöre ich Euch, Eurer Gemahlin nichts zuleide zu tun! Wir haben sie schwer gekränkt – wir wollen nicht auch noch an ihrem Tod schuldig sein. Wenn der Schlag fallen muss, so mag er auf das Haupt der Mutter fallen. Mit ihr habe ich weniger Mitleid.«

»Lady Lake verdient kein Mitleid«, versetzte Lord Roos, die Gräfin erhebend und zärtlich umarmend, »denn sie ist die Ursache von all diesem Unheil. Ihrer Wirksamkeit verdanken wir den Sturm, der uns den Untergang droht. Aber wir sind zu weit gegangen, um Mitleid mit einer von beiden zu zeigen. Unsere Sicherheit fordert, dass beide weggeschafft werden.«

»Ich kann jetzt sagen, wie Ihr eben gesagt habt, William, und mit viel mehr Grund, dass Ihr mich nicht liebt«, rief die Gräfin, »sonst würdet Ihr mir meine Bitte nicht abschlagen.«

»Wie kann ich dieselbe erfüllen?«, entgegnete er. »Durch halbe Mittel ist nichts geschehen. Kennt Ihr die Beschuldigung, die Lady Roos gegen Euch zu erheben gedenkt? Obwohl ebenso falsch, wie sie unwahrscheinlich ist, wird sie doch beim König leicht Glauben finden, und sie ist in der Absicht entworfen worden. Ihr werdet dies begreifen, wenn ich Euch sage, was es ist. In diesem Brief«, fügte er hinzu, indem er das Papier aufhob, welches er niedergeworfen hatte, und es entfaltete, »beschuldigt sie Euch, Zauberei geübt zu haben, um Euch meine Liebe zu erwerben. Sie behauptet, Ihr habt mich bezaubert, und sie habe Beweise von der Art, wie es geschehen, und von dem sündhaften Vertrag, den Ihr zu dem Zweck eingegangen seid.«

»O, William! Dies ist falsch – völlig falsch!«, rief die Gräfin in Verzweiflung.

»Ich weiß es, « entgegnete er. »Es ist nicht nötig, dass Ihr andere Zaubereien gegen mich ausübt, wie Ihr von Natur besitzt. Aber was ich Euch sage, wird Euch den Umfang ihrer Bosheit zeigen und Euer Herz gegen sie stählen, wie sie bereits das meine gestählt hat.«

»Aber diese Beschuldigung ist zu monströs. Sie wird nicht geglaubt werden«, rief die Gräfin.

»So monströs sie ist, wird man sie doch noch eher glauben und aufrecht halten, als die andere, die man uns zur Last legt. Wir können alle ihre Behauptungen leugnen, die Zeugen, die sie gegen uns stellen, einschüchtern oder Lügen strafen, Eure Briefe, die unglücklicherweise in ihre Hände gefallen sind, für nachgemacht erklären, aber wenn diese Beschuldigung der Zauberei einmal gegen Euch vorgebracht wird, kann sie nicht auf den Boden fallen. Der König wird darauf hören, weil es seinen Vorurteilen schmeichelt, und selbst meine Stimme würde Euch nicht von der Verurteilung, vom Scheiterhaufen retten.«

»Entsetzlich!«, rief Lady Exeter, ihre Augen mit den Händen bedeckend, als wollte sie einen schrecklichen Gegenstand ausschließen. »O! Dass wir in einem Jahrhundert leben, wo solche Gräuel geschehen, wo so furchtbare Waffen gegen die Unschuldigen – denn ich bin wenigstens an diesem Vergehen unschuldig – können angewendet werden. Alles scheint gegen mich zu sein! Alle Türen, durch die ich entfliehen könnte – bis auf eine – sind geschlossen. Und wohin führt diese Tür? Zu dem bodenlosen Abgrund, wenn Wahrheit ist in dem, was der Himmel uns sagt.«

Lord Roos schien nicht imstande zu sein, zu antworten oder nicht zu wollen, und auf einige Augenblicke trat eine tiefe Pause ein, während welcher jedes den Blicken des anderen auswich. Endlich brach Lady Exeter das Schweigen und sagte vorwurfsvoll: »Ihr hättet meine Briefe verbrennen sollen, William. Ohne sie hätte man keinen Beweis gegen mich gehabt. Es war sehr unvorsichtig von Euch, Ihr habt mich zu Grunde gerichtet!«

»Macht mir keine Vorwürfe, Franziska«, entgegnete er. »Ich gebe meine Unbesonnenheit zu und tadle mich deshalb streng. Aber ich konnte mich von keiner Zeile trennen, die ich von Euch erhalten habe. Ich schloss die Briefe in ein kleines Kästchen, welches ich in ein verborgenes Fach jenes Schrankes stellte, wo ich es völlig sicher glaubte. Das Kästchen mit seinem Inhalt ist auf geheimnisvolle Weise verschwunden. Wie es geschehen ist, kann ich Euch nicht sagen.«

»Fällt Euer Verdacht auf niemand?«, fragte sie.

»Er ist auf mehrere gefallen, aber ich habe keine Gewissheit, dass ich in irgendeinem Fall recht gehabt habe«, versetzte er. »Dass ich einen Spion in meiner Nähe habe, weiß ich wohl und wenn ich ihn entdecke, soll er mit seinem Leben für seine Treulosigkeit zahlen.«

»Still!«, rief Lady Exeter. »Hörtet Ihr kein Geräusch?«

»Nein«, entgegnete er. »Wo?«

Sie deutete auf den kleinen Gang, der in das Vorzimmer führte. Er ging augenblicklich dorthin und untersuchte den Ort, ohne einen Horcher zu entdecken.

»Es ist niemand da«, sagte er zurückkehrend. »Es könnte in der Tat niemand ohne mein Wissen hereinkommen, denn mein spanischer Diener Diego, in den ich volles Vertrauen setze, steht draußen.«

»Ich hege Misstrauen gegen jenen Mann, William«, entgegnete sie. »Als ich fragte, von wem Ihr glaubtet, wer die Briefe weggenommen habe, fiel mein Verdacht auf ihn.«

»Ich denke nicht, dass er es getan haben würde«, versetzte Lord Roos. »Er hat mir immer treu gedient, und überdies habe ich ein Pfand für seine Treue in dem Besitz eines Geheimnisses, wovon sein Leben abhängt. Ich kann nach Gefallen über ihn verfügen.«

»Schon wieder dieses Geräusch!«, rief die Gräfin. »Es ist gewiss jemand dort.«

»Eure Ohren haben Euch getäuscht«, sagte der junge Edelmann, nachdem er den Ort noch einmal untersucht hatte, so wie auch den geheimen Eingang, durch welchen die Gräfin sich dem Zimmer genähert hatte.

»Ich hörte nichts und kann nichts finden. Eure Nerven sind erschüttert und verursachen Täuschungen.«

»Es mag sein«, versetzte sie. Aber es war klar, dass sie nicht überzeugt war, denn als sie fortfuhr, sprach sie fast flüsternd. Indessen war es eine Frage, die sie vielleicht nicht laut auszusprechen wagte. »Welches Mittel beabsichtigt Ihr zur Ausführung Eures Planes anzuwenden?«

»Dasselbe, welches Somerset und seine Gräfin zur Entfernung des Sir Thomas Overbury anwendeten, aber schneller und sicherer«, entgegnete er leise.

»Schrecklich!«, rief sie mit einem Schauder. »Aber dieselbe Strafe, welche die Somersets ereilte, könnte auch uns ereilen. Solche Verbrechen bleiben nie verborgen.«

»Noch schlimmere Verbrechen als die ihren sind nie ans Licht gekommen und werden auch nie ans Licht kommen. Da war eins, in welches Somerset selber verwickelt war und welches den Untergang einer viel höheren Person als Overbury bezweckte, und dies wagt man kaum anzudeuten.«

»Weil die größte Person im Land damit in Verbindung stand«, entgegnete die Gräfin. »Ich vermute, Ihr meint den Tod des Prinzen Heinrich?«

»Ja«, antwortete Lord Roos. »Somerset wäre nie wegen Overbury verhört worden, hätte der König nicht seinen Fall beschlossen.«

»Noch eine Frage, und ich frage nicht weiter«, sagte die Gräfin, die kaum imstande war, ihre Worte hervorzubringen. »Wer soll den tödlichen Trank reichen?«

»Lukas Hatton, Lady Lakes Apotheker. Er ist eine von meinen Kreaturen und mir völlig ergeben.«

»Unser Leben wird auch später noch in seinen Händen sein«, sagte die Gräfin in leisem Geflüster.

»Es wird in sicherem Gewahrsam sein«, versetzte er, indem er sie wieder zu beruhigen versuchte.

»O William! Ich wollte, ich könnte Euch bewegen, diesen Plan aufzuschieben.«

»Zu welchem Zweck? Je eher es geschieht, desto besser. Es kann in der Tat nicht aufgeschoben werden. Ich werde Lucas Hatton noch diesen Abend kommen lassen.«

Bei dieser Ankündigung verlor die Gräfin, die nach und nach matter und blässer wurde, alle Kraft, sich aufrecht zu halten, stieß einen Schrei aus und sank in völliger Bewusstlosigkeit in seine ausgestreckten Arme.

Während Lord Roos überlegte, welche Mittel er anwenden sollte, um sie wieder zum Bewusstsein zu bringen, trat plötzlich ein Mann von gelber Gesichtsfarbe, mit schwarzem Haar und Augen, der die rot und weiße Livree des jungen Edelmannes trug, vom Vorzimmer herein.

»Wie kannst du es wagen, unaufgefordert hereinzukommen, Diego?«, rief Lord Roos wütend. »Geh augenblicklich, Kerl!«

»Ich bitte Eure Herrlichkeit um Verzeihung«, versetzte der spanische Diener, »aber ich war genötigt, Euch in Kenntnis zu setzen, dass Eure Gemahlin und Lady Lake draußen sind und sich nicht zurückweisen lassen wollen.«

»Verdammt!«, rief Lord Roos. »Was führt sie zu dieser Stunde hierher? Aber du darfst sie auf keinen Fall einlassen, Diego – wenigstens nicht eher, bis ich Zeit gehabt habe, die Gräfin in ihr Zimmer zu bringen. Welch ein verwünschter Zufall!«

Diego entfernte sich augenblicklich, um scheinbar den Befehl seines Herrn zu befolgen; aber kaum war er in den kleinen Gang getreten, als die beiden Damen sich an ihm vorüberdrängten und ins Zimmer traten. Sie kamen gerade in dem Augenblick, als Lord Roos seine bewusstlose Last auf die geheime Treppe zutrug.

Der junge Edelmann war so bestürzt bei ihrer Erscheinung, als ob sich zwei Gespenster vor ihm erhoben hätten. Beide Damen waren sehr reich gekleidet und die Jüngere von beiden war durchaus nicht ohne Schönheit, wenn gleich blass und schwermütig. Die Ältere hatte eine volle und edle Figur und stolze Züge, die nun, als sie Lord Roos anblickte, vom Lächeln des Triumphes erhellt waren. Sehr verschieden war der Ausdruck der anderen, die durch das, was sie sah, so gekränkt und aufgeregt schien, dass sie nahe daran war, in denselben Zustand wie die Gräfin zu versinken.

Wenn Lord Roos das Grinsen in Diegos schwärzlichem Gesicht hätte sehen können, als er am Eingang des Ganges stand, der zum Vorzimmer führte, so würde er wenig gezweifelt haben, wem er diese Überraschung zu verdanken habe.

Es ist nutzlos zu sagen, dass die Damen, die sich auf diese Weise in das Zimmer des Lord Roos gedrängt hatten und eine vollständige Bestätigung ihres Verdachts erhalten hatten – wenn ihnen irgend noch ein Zweifel übrig blieb – seine Gemahlin und Schwiegermutter waren.