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Das Buch der Kaisersagen, Burg- und Klostermärchen – Teil 1

Carl von Falkenstein
Das Buch der Kaisersagen, Burg- und Klostermärchen
Schwäbisch Hall. Verlag der F. F. Haspelschen Buchhandlung. 1850

Vorwort

Dieses Buch der Kaisersagen, Burg- und Klostermärchen sei zunächst bestimmt für den Reisenden als Begleiter auf seinen Wanderungen durch Deutschlands Auen und Gaue. Es umfasst die bedeutsamsten, über unser ganzes Reich sich ausbreitenden Dichtungen, in einer Zusammenstellung wie bisher noch nicht stattgefunden, sämtlich, dem Gegenstand angemessen, einfach ohne überflüssige Beigabe oder moderne Ausschmückung, häufig im Ton des Volks selbst dargestellt.

Dem Freund alter Volkspoesie nicht minder mögen diese wunderbaren Bilder, in denen das vorzeitlich deutsche Haus- und Weltleben der Großen und Geringen so ausdrucksvoll sich spiegelt, und deren Wichtigkeit für das Verständnis des Altertums nach manchen vergeblichen Versuchen, nunmehr durch lichtverbreitende mythenkundige Schriftsteller Anerkennung gewonnen, Freude und Anregung gewähren.

Die Sage gleicht der alten sinkenden Burg, von der endlich nur Fußstapfen und Name noch übrig geblieben sind. Sie vergeht immer mehr, und in den Ländern, welche durch Heerstraßen am meisten durchkreuzt sind, wo die Umwohner eine andere Lebensweise angenommen und mit vormaligen Gebräuchen und Bestimmungen auch ihrer sich zu entschlagen angefangen haben, ist ihr Abnehmen recht merklich. Sie wird auch von dem Dichter der Gegenwart mehr als je verfälscht, der bezeichnenden Grundzüge beraubt und willkürlich einem fremden Boden übertragen.

Nur in ruhigeren, von mäßigen Flüssen benetzten Gegenden mit stillen Walddörfern und einsamen Klostergründen, wird sie noch reichlich angetroffen; hier hält der echte deutsche heimatliebende Landmann noch auf alte Herkömmlichkeit und bewahrt den glücklich machenden Glauben an die goldene Deutung und die Wunder des Liedes und der Sage. Abgesehen von jenem Wert liegt auch so viel Liebliches und Mahnendes zugleich in vielen dieser kleinen Märchen, die uns bald wie rufende Alphorntöne durchdringen, bald gleich fernen ernsten Glockenklängen die frühsten Szenen der Kindheit uns wieder vergegenwärtigen. Es ist charakteristisch, wie sie Jahrhunderte hindurch dem Gedächtnis des Volkes verblieben, von denen in tausend alten Schriften nicht die geringsten Spuren zu entdecken sind.

Wie viel Bedeutendes und Aufschlüsse Bietendes überhaupt begegnet uns, wenn wir in die Mitte des Volkes gelangen, und es in Sprachen, Sitten, in allen seinen geringen Beziehungen kennen lernen; wie inhaltschwerer würden unsere Geschichtsbücher erscheinen, hätten ihre Verfasser das Berg- und Talvolk in Häusern und Hütten mehr mit eigenem Auge gesucht und betrachtet!

Bei Erwerbung des Mitgeteilten sah ich, außer alten und seltenen Werken, nicht sowohl auf mündliche Überlieferung als auf Variierendes bei schon veröffentlichten Erzählungen; daher sind etliche, mit bekannten völlig übereinstimmende, wenn auch nicht gerade wichtige, Rhein-, Harz- und Odersagen, nebst einigen von Karl dem Großen, unberücksichtigt geblieben.

Auch auf besondere, manchen wohl unbequeme Provinzialmundart ist nicht hingesehen, und nur eine Ausnahme gemacht worden im Mümmelchen, welche, die Cornelia enthaltend, Aloys Schreiber eigentümlich aufzeichnete, von dem gleichfalls das Burgfräulein von Windeck herrührt.

Was die romantische Umkleidung der Geschichts- und Ortssagen anbelangt, scheinen mir die Volksmärchen von Benedikt Naubert noch immer das vorzüglichste Buch im Feld der Märchenromantik. Wirft man ihm vor, dass es mitunter Sprachbreite habe, einen Fehler, den unsere wichtigsten Werke, zum Beispiel die Memoiren der Markgräfin von Bayreuth, Bettina von Arnims romantischer Briefwechsel, die Tausend und eine Nacht, an der unzweifelhaft weltdurchschiffte Frauen großen Anteil haben, gleichmäßig teilen, so überrascht dagegen eine überwiegende Fülle fantasiereicher, am Kern der alten Mythe haftender Volkserzählungen, unter welchen namentlich der kurze Mantel, Otbert und die Nibelungen zu den schönsten Blumen deutscher Dichtkunst gehören. Außer diesem Buch erfreut manch Wohlgelungenes von Tieck, August Apel, Fouqué – Undine und Galgenmännchen – Friedrich Kinds sehr schön verfasste, teilweise hierher gehörige Totenglocke und andere Einzelheiten bei Johannes Münch und in Peter Silberts Heiligenlegenden.

Neuer und ansehnlicher Zuwachs wurde der lebenden Volkssage zuteil. Die thüringischen Sagen von Ludwig Bechstein, welche eine Reihe Wartburglegenden edelsten Gepräges eröffnen, die Gaben aus dem Orlagau von W. Börner, welchen wiederum sich Preußensagen von v. Tettau und Temme anschließen, sind gewiss des vollsten Dankes wert; indessen das, was die Dichter Karl Geib, Th. Poscheck und Ernst Ferrand, dieser in pommerschen Sagen, dargebracht haben, als Entschädigung für die von Hoche versprochenen, aber nicht erfolgten Nachträge zu Otmar sowie die ebenfalls nicht herausgekommenen Bayernsagen vom Appellationsrat von Mann betrachtet werden kann.

Vermehrt und vervollkommnet sich nach solchen vielseitigen Bestrebungen die deutsche Sage, bringen nachträglich noch die Schweiz, Tirol und Mähren ihre Blüten – für deren Vorhandensein in jener Dalps gehaltvolle Burgen und Schlösser Beweise, für letztes Schwoys mährische Topographie Andeutungen enthalten; setzten die Brüder Grimm ihre umfangreiche, aus unbekannten Gründen liegen gebliebene Sammlung, mit Benutzung alles vorhandenen, zu einem gerundeten Ganzen notwendigen Materials fort, bereichert mit der zugesagten Abhandlung über Sagenpoesie, welche bei obwaltenden Dämmerungen und Mutmaßungen insbesondere willkommen erscheint, so wird das gekrönte Gebäude der deutschen Nationalsage, wie kein anderes Land eines zu rühmen haben dürfte, glänzend und gründlich vor uns aufgerichtet stehen.

Anmerkungen und Quellenhinweisungen, welche dem Buch mitgegeben werden sollten, bleiben für die Folge aufbewahrt. Zu spät Eingegangenes, wohin gehört: Herzog Tassel von Bayern, das Zwergenschloss zu Adersbach, Burg Bomsen, und einiges aus Ungarn, welches Gaal und Mailath nicht enthalten, konnte in dieser Sammlung noch keinen Platz finden.

Der Herausgeber

Karl der Große

1.

Des ersten deutschen Kaisers Geburt verhüllt ein sagenhaftes Dunkel.

Das Schloss Karlsberg am Wurmsee in Bayern hält man für den Ort, wo er im Jahre 742 geboren sein soll. Aber auch Ingelheim in Rheinhessen, Lüttich an der Maas und Aachen werden als seine Geburtsorte bezeichnet.

Kaiser Karl war von edlem und kraftvollem Körperbau. Aus großen hellen Augen, welche nur in leidenschaftlichen Momenten flammenden Feuern glichen, blickte er sanft und wohlwollend. Eine gerade laufende, in der Mitte ein wenig erhöhte Nase, gesunde Gesichtsfarbe und schwarzwallendes langes Haar verherrlichten sein Haupt.

Männlichen und majestätischen Ansehens erkannte man in ihm den glorreichen Weltgebieter.

Wer in die alte Burg nach Nürnberg kommt, dem leuchtet dort im großen Saal sein Bild entgegen. Es ist von Albrecht Dürer mit Liebe gemalt worden.

Selten unwohl, im Alter nur wenig leidend, ritt er gern aus. Es war sein höchstes Vergnügen. Er eilte durch den grünen Wald und sang ein Lied zum Harfenspiel der Vögel. Keiner seiner Zeitgenossen kam ihm an ungewöhnlicher Stärke gleich, wenn er im Scherz einen gewaffneten Reiter mit einer Hand von der Erde erhob und ein Hufeisen leicht auseinander brach.

Des Kaisers Kleidung war einfach und bestand aus einem seidenen Rock, engen Beinkleidern und Schuhen. Gegen das Tragen des ausländischen, besonders des französischen Gewandes, sprach er sich in einem Landgebot aus und nahm einst zu Friaul im heftigsten Sturmwetter viele seines Gefolges in kostbaren Modepelzen mit auf die Jagd durch Morast und Dornengestrüpp. Nur einmal, und zwar auf Zureden Papst Adrians, kleidete er sich römisch, liebte dagegen bei Festlichkeiten Glanz, wo ein golddurchwirktes Gewand, eine Krone mit blitzendem Gestein und sein großes wunderbares Engelschwert1 ihn schmückten. Fremde Fürsten empfing er im höchsten Staat, die Abgeordneten, durch welche ihm der große Harum-al-Raschid im 788. Jahr einen prachtreichen Säbel und ungeheuren Elefanten übersandte, mit nie gesehenem Aufwand.

Der Kaiser ruhte nur drei Stunden, dann stand er auf und berief seinen Hof zu Reichsverfügungen.

Gelassen und wortreich in der Rede, sprach er seine Herzens- und Sinnesmeinung frei und unverhohlen aus. Nächst der fränkischen in der lateinischen Sprache geübt, hing er vor allen an der seines deutschen Vaterlandes. Hohe Vorliebe bewahrte er für die Dichtkunst, dichtete selbst Lieder und sammelte die Urvolksgesänge und Landsagen der Heerkönige und Feldhelden, von welchen, außer dem alten, neuester Zeit sorglich edierten Lied des Meisters Hildebrand, nichts sich erhalten hat. Seine Hand war langsam, doch zierlich. Keine Wissenschaft beschäftigte ihn mehr als die Sternkunde, in der ihm Albin, ein englischer Geistlicher, Aufschlüsse erteilte. Mit Harum-al-Raschid, welcher in vielen Dingen ihm Muster war, unterhielt er lange einen Briefwechsel. Künstler und Gelehrte ehrte er, Pilgrime nahm er gastlich auf.

Der Kaiser las viel in den Schriften des heiligen Augustin und in einem verliehen erhaltenen reich übergoldeten Legendenbuch. Die Liebe zur christlichen Religion ging ihm über alles; oft sah man ihn im Gotteshaus, er sang in der Gemeinde leise mit, betete jedoch in der Stille seines Klosetts.

Er beschützte die Geistlichkeit und ermahnte die Mönche zur reinen wahren Frömmigkeit.

In Mainz nahm er einem Domherrn den Gold- und Seidenhut als eine Soldatenzierde vom Haupt und hieß ihn den pfäffischen Hochmut ablegen.

Zahlreiche Kirchen, Klöster, Burgen erhoben sich auf sein Geheiß. Das Kirchenlied wurde verbessert, die Irmensäule vernichtet, die Glockentaufe untersagt und alles Heidnische unterdrückt.

Nach Aachen kamen für den prachtvollen, der Mutter des Herrn geweihten Dom Marmorsäulen aus Rom und Ravenna.

In Frankreich erhielt das Seewesen durch den großen Frankenkönig Macht und Vollkommenheit.

Einfach war auch des Kaisers Kriegskleid. Feldherren und Soldaten hingen fest und mutig an ihm.

Mit gleicher Anhänglichkeit diente im Kaiserheer ein ungeheurer Riese, genannt Aenothorus. Dieser fürchterliche Jäger schritt über Seen und Gewässer, trieb und hieb die Hunnen nieder wie Gras, die Vornehmsten steckte er auf einen Spieß und zeigte dem Monarchen die gefangenen Frösche.

Karls des Großen erste Gemahlin war eine Tochter König Desiderius’ von der Lombardei. Er verließ sie nach einigen Monden und verband sich mit Hildegard, aus hohem schwäbischem Haus, von der er drei Söhne und drei Töchter, nach anderen acht Söhne und vier Töchter, erhielt. Nach deren Tod wählte er Fastrada von Ostfranken, die ihn erblos ließ. Von fünf Geliebten empfing er drei Söhne und vier Töchter.

Keiner war er herzinniger zugetan als einer lieblichen Jungfrau aus Aachen, welche ihn die wichtigsten Haus- und Staatsangelegenheiten vergessen ließ.

Plötzlich starb die Jungfrau, und vom Schmerz hingerissen, beklagte er Tag und Nacht die Tote, hielt sie in seinen Armen und schmückte ihren Leib mit den edelsten Steinen und Kostbarkeiten.

Ein Geistlicher aus Köln erkannte die Ursache der Leidenschaft des Kaisers. Er fand und nahm einen seltsamen kleinen Edelsteinring aus dem Mund der Entseelten. Als der Kaiser wieder zur Leichenkammer kam, wandte er unwillig sich von der Geliebten, indem er ihr Begräbnis befahl, äußerte aber von nun an eine große Neigung zu dem fremden frommen Mann, der ihn nicht mehr verlassen durfte.

Der Geistliche versenkte hierauf den Ring in einen See und der Kaiser zog nun dieses Gewässer und dessen Umgebung allen anderen Gegenden vor, kam täglich dahin, erbaute hier einen Palast und eine Kirche und verließ Aachen niemals wieder.

Voll Verehrung blickte der Kaiser auf seine Mutter Bertha, die ihn streng und fromm erzogen hatte, und betrübte sie nur einmal, als er jene Königstochter verließ, die sie ihm bestimmt hatte. Unwandelbare Treuliebe fesselte ihn an seine Schwester Giesela, einer gottgeweihten Klosterfrau, welche im Münster zu Aachen begraben liegt.

Seine Söhne ließ Karl in allen Wissenschaften unterrichten. In Zucht und Ehrbarkeit erwuchsen die Töchter, welche in Goldseide sticken und spinnen mussten. Der Kaiser aß niemals ohne seine Kinder, ließ sich von denselben vor Tisch Romanzen und alte Geschichten vorlesen und ging dann mit ihnen spazieren. Alle waren gar feinen und holden Wesens; er hatte sie ungemein lieb, schaute sie der Reihe nach an und sagte oft, wenn eines abwesend war: »Ich kann nicht leben ohne meine Kinder.« Manch übles Volksgerede erweckte dies wohl, aber er hatte ein so edles und sanftes Gemüt, das kein Argwohn zu verletzen imstande war.

In dem entdeckten Einverständnis seiner Tochter Ima mit dem Kabinettsschreiber Eginhard, als sie den Liebsten durch den in der Nacht gefallenen Schnee über den Hof trug, zeigt sich des Kaisers Milde und Güte. Er verzieh ihr und verband die Liebenden, welche Handlung des Vaters der Sohn Ludwig dadurch ehrte, dass er Eginhard Michelstadt zum Lustort schenkte.

2.

Zu hohen Ehren und Würden gelangte Turpinus, Erzbischof und Oberhaupt der Kirche. Wahre Frömmigkeit und die Gabe der Weissagung machten ihn dem Kaiser in heiligen Augenblicken besonders wertvoll.

Als sich Kaiser Karl von Vienne nach Paris begab, tief erschüttert über den Tod seines teuren Neffen Roland, der tapferen Grafen Nibelung und anderer Helden, welche bei Ronzevall unter dem blutigen Sarazenenschwert gefallen waren, sagte er, von düsteren Ahnungen erfüllt, zum Erzbischof, wenn er vor ihm sterbe, wolle er es ihm durch sichere Botschaft verkünden lassen.

Turpin, von diesen Worten ergriffen, gelobte dem Kaiser ein Gleiches zu tun, falls Gott ihn zuerst vom Erdenland rufen werde.2

Nun begab sich eines Frühmorgens, dass der Erzbischof eine Seelenmesse singen hörte, bei der er einen heiligen Psalm zu sprechen begann. Da erhob sich plötzlich aus der Ferne ein dumpfes Getöse, es nahte und eine Schar schwarzer Geister schwebte vorüber. Der Erzbischof entsetzte sich nicht, er rief den Letzten des Zuges und beschwor ihn im Namen des Allmächtigen, anzugeben, wohin sie auszögen.

»Nach Aachen, zum Tode des Kaisers der Deutschen, ziehen wir, der in dieser Stunde im Sterben liegt«, ertönte die Antwort.

Turpin hatte den Psalm eben beendet, als der Teufelsschwarm zurückkehrte, und nochmals fragte der gottergebene Mann den Vorigen, was in Aachen sich begeben habe.

Zwei Heilige, sagte der Teufel, hätten durch Almosen und fromme Werke alles Böse der großen Waage überwogen, und die Engel ihnen des Kaisers Seele entführt in die Hände Gottes.

Da verging die Erscheinung vor seinen Augen. Wenige Tage nachher erhielt Turpin die Meldung, der Kaiser sei eingegangen in des Himmels ewigen Freudensaal. Der dunkle Trauerbote war in der Stunde der Gesichtserscheinung an den Erzbischof abgesendet worden.

Der Kaiser starb 814 nach Christus zu Aachen im zweiundsiebzigsten Jahr.

Vor seinem Ende hatte er noch sein Vermögen in drei Teile, für das Hausgesinde, die Armen und für die Bistümer verteilt.

Gesalbt und einbalsamiert wurde sein Leichnam in der Aachener Kirche beigesetzt.

Er ruht auf einem goldenen Thron mit Krone und Schwert. Im Sarg befinden sich das Evangelienbuch, das Zepter, der goldene Schaupfennig Leos und ein Stück vom Stamm des Heiligen Kreuzes, nebst vielen kaiserlichen Kleinodien. Das Antlitz ist vom heiligen Schweißtüchlein verhüllt.

Bald nach dem Kaiser starb Erzbischof Turpinus und wurde mit großem Gepränge in der Stadtkirche zu Vienne beerdigt.

3.

Im hohen pyramidalen Untersberg bei Salzburg, der seiner Schönheit wegen auch Wunderberg genannt wird, wohnt Karl der Große. Viele haben den Kaiser gesehen. Kirchen, Klöster, Paläste und prachtreiche Gärten stehen im Inneren dieses Berges, dessen Zugänge von mächtigen Hünen beschützt, die darin enthaltenen kaiserlichen Reichtümer aber von Zwergen bewacht werden, welche man nicht selten unter dem mitternächtlichen Gottesdienst der Salzburger Domkirche wahrgenommen hat.

Des Kaisers Hofstaat ist groß. Von zahlreichen hohen Personen umgeben, sitzt er in seinem Gemach, die Goldkrone auf dem Haupt, das Zepter in der Rechten. Grau und lang hängt sein Bart, an Festtagen durch ein Perlenband geteilt, über Brust und Gewand herab.

Der Kaiser hat ein scharfes und tiefsinniges Angesicht, ist freundlich und gemeinschaftlich gegenüber seinen Untergebenen, mit denen er zuweilen auf sonniger Palastwiese sich ergeht. Hier erklingt das Gespiel lieblicher Heeresinstrumente und das kriegerische Schmettern der Trompeten.

Bis zum Jüngsten Tag wird der Kaiser im Untersberg hausen. Warum er sich hier aufhält und was seines Tuns ist, steht bei den Geheimnissen Gottes. Niemand weiß es zu sagen.

4.

Auf dem Petzenberg bei Feuchtwangen in Franken sieht man noch Grundmauern eines alten grabenumgebenen Jagdschlosses Karls des Großen, der oft diese Gegenden besuchte.

Einst, geht die Volkssage, hatte der Kaiser beim Waldjagen sich sehr erhitzt und vergeblich nach einem Trunk Wasser umgesehen. Da erblickte er endlich ein Brünnchen und dabei eine nippende weiße Taube. Freudig trank er daraus, und stiftete voll Dankbarkeit gegenüber Gott hier ein Kloster, der heiligen Maria geweiht. Dies geschah im Jahr 793.

Unweit des Dechanthofes ist der Brunnen, mit Quadersteinen eingefasst, noch heute zu sehen, und wird das Taubenbrünnlein genannt.

5.

Beim Flecken Herstalle an der Weser, nicht weit von Karlshafen, liegen die Ruinen eines alten Bergschlosses, welches die Hessen im 15. Jahrhundert zerstörten.

Im Kriegsjahr 797 war hier Kaiser Karls Heeresstelle.

Alle fünfzig Jahre in der Ostermitternacht sieht man das alte Schloss mit Türmen und Fahnen. Bei demselben weilt auf grünem Plate der Kaiser. Er hat die Krone auf und in der Hand das Schwert. Reiter kommen und gehen lautlos, in der Tiefe leuchtet der stillstehende Weserstrom wie lichtes Gold.

Zwei Prälate nähern sich dem Kaiser mit der Kunde, dass das Grab des Herrn noch im Besitz der Heiden sei. Der Kaiser faltet die Hände und erhebt sich, und alles verschwindet.

6.

Im Jahre 800 befand sich Kaiser Karl hofhaltend in seinem Palast zu Zürich.

In der Nähe der Limmat ließ er eine Säule errichten und mit einer Glocke versehen, damit ein jeder, der seines Rechtsspruchs Begehren trage, solche anziehen möge. Zwei Wächter waren dabei aufgestellt.

Eines Tages vernahm der Kaiser den Anschlag der Glocke, und da niemand gemeldet wurde, fragte er, wer an der Glockenschnur gezogen habe? Die Wächter hatten wohl den Ton der Glocke gehört, doch keinen Menschen auf dem Säulenplatz gesehen.

Zum anderen Male ertönt der Glockenklang durch die Lüfte, und nochmals ruft der Kaiser aus, wer an dem Seil eben jetzt gezogen habe. Doch gleiche Antwort gelangt in sein Gemach: Niemand habe eine lebendige Seele wahrgenommen.

Da befiehlt er ernsten Wortes, dass man verborgen forschen möge ob des kühnen Läutens drüben auf dem Platz.

Zum dritten Male und laut und ungestümer erschallt ein helles Geläute.

Da erblicken die Diener des kaiserlichen Hofes, wie eine Schlange sich zur Glocke windet und dieselbe rührt. Sie hinterbringen dem Monarchen die seltene Kunde, der befremdet zu dem Platz schreitet und hier eine mächtige Schlange erkennt, die an dem Fuß der Säule ruht, bei seiner Ankunft sich aufrichtet, demütig vor ihm sich neigt und zum Limmatstrom eilt.

Der Kaiser folgt ihr bis zum schilfigen Gestein des Ufers und findet hier über ihrem Nest mit Eiern eine giftige ungeheure Kröte ausgebreitet, auf welche nun die Schlange ihr flammendes Auge richtet. Schnell befiehlt er, das hässliche Getier zu fangen und zu töten, worauf die Schlange freudig von ihrem Eigentum wieder Besitz nimmt.

Des anderen Tages, als Karl, umgeben von der Menge seines Hofes, beim Mittagsmahl sitzt, rauscht durch die aufspringenden Flügeltüren des Saales zum Staunen und Entsetzen aller Anwesenden die große Schlange mit wunderbarem Silberglanz herein, schwingt sich empor, löst den Deckel eines goldenen Pokals der Tafel, senkt einen funkelnden Edelstein in denselben, neigt noch einmal das Haupt dankbar vor dem edlen Fürsten und wallt durch die Tür des Saales wieder hinweg.

Kaiser Karl hebt voll Dankes gegen Gott seine Hände, der durch dieses gefürchtete Tier ihn an sein hohes Richteramt gemahnt hat. Zur Erinnerung an diese Begebenheit steigt auf sein Geheiß am Limmatstrom die prachtvolle Kirche empor, welche noch heute als eine Zierde Zürichs betrachtet wird.

Den Edelstein der Schlange, von hoher Pracht und Herrlichkeit, verlieh der Kaiser seiner Gemahlin Hildegard.

7.

Herzog Wittekind schlich sich einst, um Karl den Großen in der Nähe zu sehen, in Bettlertracht gehüllt, ins königliche Lager an der Elbe und drängte sich unter dem Bettlerhaufen an den Kaiser heran, als dieser eben aus der Kirche kam. Der Blick seines Auges, die ganze stolze Haltung und ein gekrümmter Finger an der einen Hand, die er ausstreckte, machten diesen aufmerksam.

»Du bist nicht der, der du scheinen willst«, sprach Karl zu ihm. »Wer bist du?«

»Ich bin ein Fürst wie du«, antwortete unerschrocken Wittekind, »ich bin der Herzog der Sachsen.«

Diese Weise gefiel dem großen König wohl, er unterredete sich lange mit ihm über die Gebräuche der christlichen Religion, die der Heide in der Kirche des Lagers gesehen hatte. Wittekind erklärte sich bereit, die Taufe zu empfangen.

Man sagt, er habe in seinem Wappen ein schwarzes Ross geführt und nach der Taufe dasselbe in ein weißes verwandelt.

Daher soll in dem braunschweigischen und Hannoveraner Landeswappen das weiße Ross stammen.

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  1. Gladius magnifici Caroli Imperatoris ei angelica ut dicitur manu porrectus. Bulle des Papstes Martin V. 1424.
  2. Mere de Histoires et Croniques de France. Bruss. 1517