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Deutsche Märchen und Sagen 88

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

110. Die Gereonkiste in Köln

Noch häufig erzählt man sich bis zum heutigen Tag (gegen 1240) die Geschichte eines Wucherers, der in der Kirche des heiligen Gereon zu Köln begraben liegt.

Lange hatte derselbe reich und geizig in seinen Sünden gelebt. Endlich aber führte ihm die Gnade Gottes einen Priester zu, dem er beichtete und in seiner Zerknirschung versprach, all seine Schätze und Güter den Armen zu geben. Der Priester gebot ihm darauf, all das Geld in eine Kiste zu legen, diese zu schließen und den folgenden Tag abzuwarten. Als der Wucherer nun die Kiste wieder öffnete, da fand er zu seinem größten Schrecken nicht mehr das Geld, wohl aber statt desselben Tausende von Kröten darin. Da sprach der Priester: »Siehst du nun, wie deine Almosen so gefällig vor Gott sind? Willst du aber dein Heil, dann entkleide dich und lege dich diese Nacht zu den Kröten.« Das versprach der Wucherer gern und der Priester blieb dabei, bis er in der Kiste lag, und schloss diese alsdann und ging weg. Am folgenden Morgen kehrte er zurück, um dieselbe wieder aufzuschließen; aber da war von dem Wucherer nichts mehr zu sehen als die nackten, noch feuchten Knochen. Alles Fleisch hatten die Kröten weggefressen. Da ließ der Priester die Kiste unter dem Portal der Kirche Sankt Gereon eingraben und seit der Zeit hat man dort keine Kröte mehr gesehen, denn keine konnte lebend die Schwelle des Portals überspringen.