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Der Welt-Detektiv Band 6

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Deutsche Märchen und Sagen 84

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

106. Von viel anderen, welche gleicherweise vor Gottes Gericht geladen worden

Im Jahr Christi 1003 wollte Meinwerkus, der zehnte Bischof von Paderborn, die sinkende Zucht im Kloster Korvei wiederum erheben und aufrichten, kam deshalb dahin und wollte des Reformierens einen Anfang machen. Es widerstand ihm aber darin der Abt Walo, der durchaus keine strengere Regel gestatten oder zulassen wollte. Der Handel kam vor den Kaiser und wurde die Sache so weit gebracht, dass der Abt seines Amtes entsetzt wurde. Nun getraute sich der Bischof, beharrlich in seinem guten Vornehmen von Neuem, eine andere Ordnung zu Korvei einzuführen und wollt beim Gottesdienst in der Kirche den Anfang machen. Es war aber im Kloster ein Kustos oder Sakristeimeister, mit Namen Boso, der wollte ihm die priesterlichen Gewänder zum Altar folgen lassen, warf auch alles vom Altar hinweg, was der Bischof selbst an Kleidern mitgebracht hatte. Er blieb auch darin halsstarrig, obwohl man ihn zweimal deswegen ermahnte und ihm das verwies.

Der Bischof, durch so große Unbill bewegt, forderte den gottlosen Mönch vor Gottes Gericht und sprach: »Du musst dem höchsten Gott über diese freventliche Tat Rechenschaft ablegen.«

Solches Drohen achtete der Mönch für nichts und lachte den Bischof nur aus, der aber nicht gefehlt in seiner Situation, denn in derselben Stunde, in welcher der Bischof gestorben war, starb auch der Mönch Boso eines jähen Todes unter des Barbiers Hand, während man ihm den Bart schor. Es ist bei uns Deutschen ein altes Sprichwort: Gott richt’t, wenn niemand spricht.

Sankt Benno war ein Bischof in Meißen und hatte seinem Bistum vierzig Jahre mit solch heiligem Wandel vorgestanden, dass er mit großen Wunderzeichen leuchtete.

Darunter ist das Folgende nicht das Geringste: Otto Markgraf zu Meißen zog widerrechtlich die Kirchengüter des Bistums an sich. Sankt Benno ermahnte ihn freundlich, dieselben wieder zu erstatten, sprach dabei, falls er das nicht tue, gäbe es einen gerechten Richter, bei welchem man Recht suchen müsse; der wisse wohl um all Unrecht und räche es zu seiner Zeit. Der Markgraf, der ein wilder Mensch war, nahm die Zurede übel auf und gab dem heiligen Benno einen Backenstreich.

Darauf sprach Sankt Benno: »Von heute ab übers Jahr eben auf diese Zeit wird Gott diese Unbill rächen.«

Der Markgraf lachte indessen und sprach: »Sage mir, Bischof, wer hat dich zum Kanzler im Himmel bestellt! Oder bist du unseres Herrn Geheimer Rat?«

Nicht lang danach fing Sankt Benno an zu kränkeln und endete nicht lang darauf im Gebet sein Leben. Das war im Jahr Christi 1106.

Als nun das Jahr herum war und der von Sankt Benno bestimmte Tag erschien, da sprach der Markgraf: »Seht, heute ist der gefährliche Tag, mit dem Benno mir gedroht hat. Er ist fast herum und mit ihm auch die Weissagung hin.« Kaum hatte er aber die Worte aus dem Mund, als er jählings zu Boden stürzte und schrie, man sollte ihm helfen. Aber der Tod tat das seine. Er riss den seufzenden und streitenden Markgrafen vors Gericht, wie Sankt Benno geweissagt hatte.

Kaiser Otto I. wurde von seinem Sohn Wilhelm, Bischof zu Mainz, wegen der Heirat mit Frau Adelheid mit scharfen Worten gestraft, weswegen der Kaiser ihn in das Gefängnis werfen ließ.

Da rief Wilhelm seinen Vater vor Christi Gericht und sprach: »Am heiligen Pfingsttag wollen wir beide vor dem Herrn Jesu, unserem Richter, erscheinen und den Handel ausmachen.«

Und wahrlich, der Kaiser ist am 7. Mai am heiligen Pfingsttag in Sachsen an einer schnellen Krankheit gestorben, nachdem sein Sohn Wilhelm ihm einige Monate früher dahin vorgegangen war.