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Teufelswahn mit hysterischen Erscheinungen

Teufelswahn mit hysterischen Erscheinungen
Aus: Der Wahnsinn in den vier letzten Jahrhunderten. Nach dem Französischen des Calmeil. Bearbeitet von Dr. Rudolf Leubuscher. Halle. 1848

In der Mitte des 16. Jahrhunderts brachen an vielen Orten und besonders in den Nonnenklöstern und den Instituten zur Erziehung der Kinder epidemische Konvulsionen aus, mit ähnlichen Zufällen, wie sie früher bei der Dämonopathie beobachtet worden waren. Beim Ausbruch der Pest traten diese Erscheinungen in den Hintergrund zurück.

Die Hystero-Dämonopathie wird in der Grafschaft Hoom epidemisch. (1551)

Im Kloster Uvertet in der Grafschaft Hoorn brach die Krankheit der Nonnen gegen das Ende der Fastenzeit aus. Die Mehrzahl der Nonnen hatte damals länger als fünfzig Tage nur von Rübensaft gelebt. Ihre Krankheit begann damit, dass sie eine schwarze Flüssigkeit ausbrachen, die so scharf und bitter war, dass sich die Epidermis der Zunge und der Lippen dadurch loslöste. Bald wurden ihre Nächte unruhig, sie fuhren plötzlich im Schlaf auf. Sie glaubten die klagenden Laute einer menschlichen Person zu hören, und wenn sie zu Hilfe eilten, so fanden sie niemand. Wenn sie Urin gelassen hatten, so floss ihnen dann der Urin noch unwillkürlich auf das Bett und die Wäsche. Manchmal hatten sie die Empfindung, als ob sie an der Fußsohle gekitzelt würden, und sie mussten unaufhörlich lachen. Sie wurden aus den Betten herausgeschleudert und rollten auf dem Fußboden hin, als ob man sie bei den Füßen fortgezogen hätte. Die Arme, die unteren Extremitäten wurden nach allen Richtungen hin verdreht und das Gesicht konvulsivisch verzogen. Sie sprangen in die Höhe und warfen sich mit Gewalt wieder gegen den Fußboden. Mehrere trugen an ihrem Körper Spuren von Schlägen. Oft, wenn sie ganz ruhig und gesund zu sein schienen, fielen sie plötzlich um, verloren den Gebrauch der Sprache und blieben ausgestreckt auf dem Boden liegen, als ob das Bewusstsein vollkommen aufgehoben wäre. Dann warfen sie sich aus ihrer scheinbaren Unbeweglichkeit konvulsivisch in die Höhe, mit solcher Heftigkeit und Gewalt, dass die Umstehenden sie kaum halten konnten. Manchen wurde es zu schwer, sich aufrecht zu halten: Sie krochen deshalb auf den Knien. Andere kletterten an den Bäumen in die Höhe und ließen sich mit dem Kopf unten und den Füssen oben wieder herab.

Die Nonnen schrieben ihr Leiden einer alten Frau in der Nachbarschaft zu, die, sonst sehr brav und redlich, das Unglück gehabt hatte, die Aufmerksamkeit der Besessenen auf sich zu ziehen. Sie wurde nebst sieben anderen Frauen, die man ebenfalls eines Bündnisses mit dem Teufel beschuldigte, ins Gefängnis geworfen, und da sie durchaus nichts gestehen wollte, auf die Folter gespannt. Unmittelbar nach der peinlichen Frage starb sie. Die hysterischen Anfälle der Nonnen von Uvertet hörten nach drei Jahren auf. Man unterließ damals, Fremde als Zuschauer zuzulassen.

Die Sache soll nach Johann Weyer so gekommen sein: Die arme Frau hatte sich in der Fastenzeit von den Nonnen ein Viertel Salz, was ungefähr drei Pfund wog, geborgt und hatte kurz vor Ostern ungefähr doppelt so viel wiedergegeben. Seitdem fanden die Nonnen in ihren Schlafzimmern weiße Kugeln, die wie mit Zucker überzogen aussahen, aber salzig schmeckten, von denen kein Mensch wusste, wo sie hergekommen waren.

Hystero-Dämonopathie im Kloster Keutorp. Das Übel verbreitet sich in die Nachbarschaft. (1552)

Das Kloster Kentorp (prope urbem Hammonem) in der alten Mark wurde der Schauplatz einer wunderlichen Krankheit. Einzelne Nonnen in dem Kloster waren aus den vornehmsten Familien entsprossen. Am Anfang wurde bloß eine geringe Zahl der Nonnen von Konvulsionen befallen. Dann verbreiteten sich durch psychische Kontagion die Nervenzufälle auf die Übrigen. Im Anfall selbst und bald nach dem Paroxysmus, bei manchen auch in der Zwischenzeit, hatte der Atem einen üblen Geruch. Wenn der Anfall ausbrach, so verloren sie den Gebrauch ihrer Vernunft, obwohl sie ein teilweises Bewusstsein behielten, stießen ein heftiges Geschrei aus, wanden sich in den heftigsten Konvulsionen und empfanden die Sucht zu beißen. Die Muskeln des Rachens waren vom Krampf mit ergriffen.

Die Dauer und die Häufigkeit der Anfälle war verschieden. Es war eigentümlich, dass, sobald eine Nonne ihre Anfälle bekommen hatte, die Übrigen auch auf entfernten Lagerstätten ebenfalls davon befallen wurden, sobald sie nur das Geräusch der Befallenen hörten. Willenskraft besaßen die Nonnen gar nicht. Sie bissen sich selbst, schlugen und bissen ihre Gefährtinnen, stürzten sich aufeinander, versuchten Fremde gewalttätig zu verwunden. Versuchte man der Zügellosigkeit ihrer Handlungen Einhalt zu gebieten, so wurde der Tumult und die Exaltation noch ärger. Ließ man sie gewähren, so kam es wirklich zu Bissen und Verwundungen, ohne dass es ihnen indessen besondere Schmerzen zu verursachen schien. Anna Langon (Weyer nennt sie Lemgon), die zuerst an einem Schmerz in der linken oberen Bauchregion litt und von Epilepsie befallen zu sein glaubte, machte eine Pilgerfahrt zum Kloster Nonhertic. Man ließ sie dort aus dem Schädel des heiligen Cornelius trinken, aber das Übel wurde ärger. In ihren hysterischen Anfällen sprach sie manchmal laut. Sie wusste dann sehr gut, dass sie Töne von sich gab, aber ein anderes Wesen schien in ihrem Inneren zu sprechen. Nach dem Anfall schien sie die ihr während des Paroxysmus entfallenen Worte vergessen zu haben oder nur mit Beschämung sich ihrer zu erinnern. Weder über Gutes noch Böses konnte sie nachdenken, sie schien ohne Sinn und Urteil. Wenn ein gottergebener Mensch zu ihr sprach, so schien ihr dies wie eine Strafe des Teufels. Wenn aber die Frauen mit ihr über nichtige Dinge redeten, so gewährte es ihr Erleichterung. Als man sie exorzisierte, warf sie eine Menge Blut aus. Später wurde sie im Schoß ihrer Familie gesund, wohin der Wille ihres Vaters sie zurückgenommen hatte; aber lange Zeit nachher rief der bloße Anblick eines Briefes aus dem Kloster noch ein allgemeines Muskelzittern bei ihr hervor. Die Besessenen klagten alle über eine brennende Empfindung auf der Fußsohle, als ob man kochendes Wasser darauf gegossen hätte.

Trotz aller Qualen wurden sie aber dick und fett. Die jüngeren Mädchen hatten einfache persönliche Anfechtungen vom Teufel. Sie sahen Teufel unter der Form von Katzen, unter der Form der Köchin des Klosters oder mit den Zügen der Mutter und des Bruders derselben.

Die Köchin des Klosters Else wurde nämlich allgemein als die Urheberin des ganzen Unheils, als eine ausgemachte Hexe betrachtet. Sie war zwar selbst den nämlichen Anfällen wie die Nonnen unterworfen, man beschuldigte sie aber der Simulation, damit sie durch ihre Krankheit desto besser ihr Verbrechen verbergen könne. Sie wurde mit ihrer Mutter festgenommen und gestand, sie habe Gift unter die Nahrungsmittel der Nonnen gemischt, widerrief aber ihre Angabe auf dem Scheiterhaufen und wollte alles durch Beschwörung zustande gebracht haben. Nach ihrem Tod wuchs die Kühnheit des Teufels. Die Dämonopathie verbreitete sich auf die Umgebung des Klosters. Es kamen wunderliche Konvulsionen vor. Einer will auf einem schwarzen Bock zu einer Frau in der Nachbarschaft reiten. Auch in dem nahen Flecken Howel und noch in einem anderen Nachbarort ereigneten sich ähnliche Krankheitsfälle. Es wurden, wie überall, auch hier mehrere unglückliche Frauen von den Besessenen angeklagt, die den Wahnsinn der Besessenen mit Gefängnis und ihrem Tod büßen mussten.

Hysterische Konvulsionen, Nymphomanie und Dämonopathie in Köln (1561)

Um das Jahr 1560 litten fast alle Nonnen im Kloster Nazareth in Köln an heftigen hysterischen Anfällen. 1564 nahmen die Anfälle an Heftigkeit zu. Sie warfen sich oft auf den Rücken und machten ganz gemeine Bewegungen. Eine junge Nonne, Namens Gertrude, die seit ihrem vierzehnten Jahr im Kloster eingeschlossen war, war zuerst von der Nymphomanie befallen worden. Sie glaubte, mit einem Inkubus Umgang zu haben. Obwohl sie sich mit einer heiligen Stola zudeckte, um die fleischliche Annäherung des Dämons abzuhalten, konnte sie gewisse schimpfliche Bewegungen doch nicht unterlassen.

Die nächste Befallene war ihre Bettnachbarin. Sie bekam fürchterliche Konvulsionen und schwatzte unverständliches Zeug durcheinander und tat, als ob sie verdammt wäre.

Von da kroch die Ansteckung weiter. Weyer, der die Sache selbst an Ort und Stelle untersucht hatte, erklärte sie für wahnsinnig. Er fügte die Vermutung hinzu, dass junge Männer sich früher ins Kloster eingeschlichen, mit den Nonnen Umgang gehabt und dass ihre spätere Entfernung und Ausschließung aus dem Kloster die eigentümliche Form der Paroxysmen bei den Nonnen hervorgerufen hätten.

Louis-Florentin Calmeil erzählt noch nach Gerolamo Cardano und Jean Bodin von einer Krankheit, die 1554 in Rom 80 Mädchen befiel. Es waren Jüdinnen, die vor Kurzem getauft worden waren. Sie glaubten alle Sprachen reden zu können. Als sie Bodin exorzisierte, so antwortete der Teufel aus ihnen, dass ihn die anderen Juden aus Ärger über die Taufe in die Mädchen hinein geschickt hätten. Man hoffte durch diese Aussage des Teufels den Papst zu vermögen, die Juden verbrennen zu lassen. Zum Glück für die Juden bewies ein Jesuit dem Papst, Menschen besäßen nicht die Macht, den Teufel in andere Menschen zu schicken.

Als Anhang zu der Nymphomanie der Nonnen mag noch ein anderer Fall von Erotomanie, den Johann Weyer beobachtete, Platz finden. Einem Mädchen, welches einer vornehmen Dame im Kloster diente, war ihr Geliebter untreu geworden, wodurch sie tief erschüttert und traurig wurde. Als sie sich einmal eine Strecke weit vom Kloster entfernt hatte, so trat ihr ein Dämon unter der Gestalt eines schönen Jünglings entgegen, sprach schmeichelnd zu ihr, erzählte ihr alle Geheimnisse ihres früheren Geliebten, die Gespräche, die er mit einer anderen geführt hatte, unterstützte sie freundlich auf einem schwierigen Weg und lud sie endlich ein, ihn an einen gewissen Ort zu begleiten.

»Wie aber soll ich dahin gelangen«, fragte das Mädchen, «wo nur Sümpfe sind?«

Da verschwand jener plötzlich und das Mädchen fiel in Raserei, wo sie fortwährend von einem Dämon sich verfolgt glaubte, der sie durch das Fenster entführen wollte. Sie wurde vollkommen geheilt und heiratete ihren früheren Geliebten.

Weyer sagte, dass der Teufel die ihm so günstige Gelegenheit, den meditabundus animi moeror ob amoris impotentiam (eifrig auf den Schmerz aufgrund der Unfähigkeit der Liebe sinnend) zu einem Streich benutzt habe; ein Fall von Liebeswahn mit einer Halluzination. Dass nicht eine wirkliche Begebenheit, etwa ein Mann, der dem Mädchen aufgelauert, dahinter gesteckt habe, schließe ich aus der Seltsamkeit der Erscheinung. Der Mann gibt einen Sumpf als den Ort der Zusammenkunft an, er verschwindet plötzlich. Endlich, der Hauptinhalt seines Gesprächs ist die Mitteilung der Liebkosungen, die der Ungetreue einer anderen zugewendet hatte. Das sind gerade die Gedanken, die das trauernde Gemüt des Mädchens mit sich herumträgt, sich zur eigenen Qual ausmalt, die es nach außen hin als einen lebendigen Mann verkörpert.

Hystero-Dämonopathie unter den Findelkindern in Amsterdam (1566)

Gegen Ende des Winters 1566 wurde der größte Teil der Findelkinder in dein Hospital von Amsterdam von Konvulsionen und Delirien ergriffen.

Dreißig Kinder litten an der Krankheit. Sie stürzten plötzlich zu Boden, wälzten sich eine Stunde oder eine halbe Stunde lang wie Besessene auf dem Fußboden und wenn sie dann aufstanden, so erwachten sie wie aus einem tiefen Schlaf. Sie wussten nicht mehr, was ihnen begegnet war. Gebete, Beschwörungen und Exorzismen, die den Teufel austreiben sollten, waren ohne Erfolg. Bei längerer Dauer der Krankheit fingen die Kinder endlich an zu brechen. Sie entleerten dabei Nägel, Nadeln, Wolle, alte Leinwandstücke, Fetzen von Haut und andere fremde Körper, die sie heimlich heruntergeschlungen hatten. Sie kletterten wie Katzen auf den Mauern und Dächern umher, sprachen in unverständlichen Zungen und hatten einen so abschreckenden Blick, dass sie keiner ohne Furcht ansehen konnte. Das war mehr als hinreichend, um sie für Besessene zu halten. Beim Anblick von manchen Frauen machten sie eigentümliche Gesten, und solche Frauen wurden für Hexen gehalten.

So erzählt Georg Conrad Horst in Zauber-Bibliothek.

 

Die wissenschaftliche und pathologische Analyse der angeführten Erscheinungen zeigt eine zusammenhängende Reihe von hysterischen und nymphomanischen Zufällen, die wir nicht erst nochmals im Einzelnen nacheinander aufführen wollen. Die Anfälle treten bei den Nonnen gewöhnlich paroxysmenweise auf, bei vielen ist das Bewusstsein selbst auf der Höhe des Anfalls nur teilweise aufgehoben. In dem Kloster Uvertet sollen die Glieder der Kranken auch außerhalb der Zeit des Paroxysmus oft von allgemeinem Zittern befallen gewesen sein, wie bei der Chorea; die Koordination der Bewegungen war gestört.

Es ist sehr leicht möglich, dass der lange fortgesetzte Gebrauch des Rübensaftes eine derartige Wirkung mit erzeugt habe. Es ist bekannt, dass die Beimischung der Körner einer des Löffelkrauts verwandten Pflanze zu den Nahrungsmitteln oft Konvulsionen verursacht hat.

Bodin glaubt, dass die nymphomanische Aufregung zur wirklichen Vermischung mit Tieren Veranlassung gegeben habe; aber es ist durch nichts bewiesen, dass die Katzen und Hunde, welche die Nonnen auf ihren Betten sahen, mehr als Sinnestäuschungen gewesen seien.

Eine Geisteskranke, von Calmeil selbst beobachtet, behauptete lange Zeit, Affen und Hunde besuchten sie jede Nacht, und sie würde eines Tages eine Tracht von Tieren gebären.

Anna Langon hatte zuerst die Empfindung, als ob ein anderes Wesen in ihrem Inneren zu sprechen schiene, dann wurde daraus der Teufel.

Als analoges Beispiel für die Krankheit der Findelkinder in Amsterdam führt Calmeil aus seiner eigenen Beobachtung folgenden Fall an: In einer Schule wurde ein junger Mann infolge einiger Exzesse von heftigen Konvulsionen befallen. Sechs oder sieben seiner Miteleven hatten Mühe, ihn im Anfall vor Verletzungen zu behüten. Er lag ausgestreckt auf dem Rücken mit geschlossenen Augen, hatte fortwährend Krämpfe der Schlingmuskeln, streckte bald einen Arm, bald ein Bein aus, schrie heftig, und dann kam auf einmal eine allgemeine, gewaltsame Erschütterung des ganzen Körpers. Der Anblick machte den tiefsten Eindruck auf die Zuschauer. Schon nach vierundzwanzig Stunden befanden sich fünf andere in einem ähnlichen Zustand; nach wenigen Tagen waren es schon zehn, und wenn man nicht sorgsam auf die Isolierung der Kranken bedacht gewesen wäre, so würde das Übel sich wahrscheinlich noch weiter verbreitet haben.

Dass die Kinder in Amsterdam simuliert haben, ist nicht wahrscheinlich; es ist kein isoliertes Faktum, sondern wir finden eben an vielen Orten zu gleicher Zeit dieselben Erscheinungen wieder. Das Verschlingen von unverdaulichen Stoffen ist in den heutigen Irrenhäusern gar nicht selten. Calmeil fand bei der Sektion einer Irren den ganzen Darmkanal vom Anfang bis zum Ende mit Stroh vollgestopft. In den Stuhlgängen einer Irren fand er mit Dr. Pouzin mehr als zwanzig Kiesel von der Größe einer Kastanie.