Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Frank Tallis – Teuflischer Walzer

Frank Tallis – Teuflischer Walzer

Vor dem Beginn der eigentlichen Geschichte beschreibt der Autor in einem Vorspiel den Mord an Elisabeth, der Kaiserin von Österreich, der im September 1898 in Genf von einem italienischen Anarchisten namens Luigi Lucheni verübt wurde.

Dann beginnt im Wien des Jahres 1904 die eigentliche Geschichte. Während dort der Kaiser Franz- Joseph über Österreich und viele andere Ländereien herrscht, wird in einer ehemaligen Klavierfabrik, die niemand mehr bewirtschaftet, eine Leiche gefunden. Der Mann wurde durch einen Kopfschuss getötet und mit Säure übergossen, damit man ihn nicht auf Anhieb identifizieren kann.

Vor dem Toten, der auf einem Stuhl sitzt, hat man drei Stühle in Reihe aufgestellt, sodass die Vermutung naheliegt, dass man über den Toten Gericht gehalten hat, bevor man ihn tötete. Außerdem findet man auf dem Weg nach draußen an einer Tür einen blutigen Fingerabdruck, den man mit einer gerade aufgekommenen Methode zuordnen kann.

Inspektor Oskar Rheinhardt und sein Assistent Haussmann werten zunächst die Spuren aus, bevor der Inspektor seinen Freund, den Psychiater und Freud-Schüler Doktor Max Liebermann zu Hilfe ruft, der im Lauf der Geschichte viel zur Lösung des Falles beitragen kann.

Die Ermittler erfahren vom Rechtsmediziner Professor Mathias, dass der Tote mit einer Reitgerte gepeitscht wurde und es sich dabei aber nicht um Folter, sondern um sexuelle Stimulation handelt, die offenbar eine Prostituierte vornahm.

Als der Rechtsmediziner dem Toten Schuhe und Socken auszieht, stellt er zudem fest, dass er Schwimmhäute zwischen den Zehen hat. Rheinhardt ist erfreut, weil er nun ein weiteres Merkmal gefunden hat, mit dem die Identifizierung des Toten gelingen könnte.

Die weiteren Ermittlungen führen die Freunde in die Schattenwelt der Metropole, die am Anfang des neuen Jahrhunderts steht, bevölkert von Bohemiens, Künstlern, Freigeistern und Anarchisten.

In einem Keller der Vorstadt stoßen die Beamten dann auf Material, mit dem man Bomben bauen kann, und da schaltet sich der Geheimdienstes Kaisers in die Ermittlungen ein, sehr zum Leidwesen Rheinhardts. Die Männer des Geheimdienstes und auch der Inspektor vermuten nämlich an dieser Stelle, dass der berüchtigte Anarchistenanführer Mephistopheles, dessen wahre Identität nicht bekannt ist und der vermutlich aus dem Ausland kommt, eine Bombe bauen lässt, um einen Anschlag in Wien zu vollziehen.

Während der Geheimdienst die Ermittler der Polizei auszubooten versucht, wollen Rheinhardt und Max Liebermann den Anschlag verhindern.

 

Frank Tallis entführt den Leser mit seinem Roman Teuflischer Walzer in das Wien zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Psychoanalyse, Anarchie, Sozialismus und Frauenrechte sind zu dieser Zeit Thema, und die Ermittlungsarbeit der Polizei wird gerade durch die Technik, Fingerabdrücke zu identifizieren und die ersten Lügendetektoren revolutioniert.

Der Autor beschreibt die Zeit recht authentisch, und seine psychologischen Skizzen der Protagonisten und anderer Charaktere sind sehr gelungen.

Im Zentrum der Ermittlungen stehen auf der Seite des Gesetzes der Inspektor Oskar Reinhardt und seinem Freund, Doktor Max Liebermann, Psychiater und Schüler Freuds, des Gottvaters der Psychoanalyse, der sogar in einem der Kapitel persönlich auftaucht.

Der Inspektor und der Arzt pflegen eine Männerfreundschaft, die über das gemeinsame Ermitteln hinausgeht und Musik, leibliche Genüsse und Gespräche am Kamin beinhaltet. Am Ende bilden die beiden ein unschlagbares Duo, das den Fall löst und einen geplanten Bombenanschlag gerade noch rechtzeitig verhindert.

Diesem Duo steht auf der anderen Seite der Anarchistenführer Rasumowski gegenüber, der zusammen mit seinen Anhängern in Wien einen Anschlag plant und wohl auch einen Verräter getötet hat. Er wird als hochstehender russischer Erbe mit einem gigantischen Vermögen und Darwinkritiker beschrieben, der für die Beseitigung der herrschenden Mächte kämpft.

Während sein Ansinnen aus heutiger Sicht durchaus Sinn macht, gilt er im zeitgenössischen Wien als Verbrecher und Terrorist und wird von Polizei und Geheimdienst gejagt. Bombenlegen und Mord, zwei seiner Werkzeuge für den Umsturz, sind jedoch auch aus unserer Sicht eher verwerflich, selbst wenn man die Beseitigung der damals herrschenden Unrechtsverhältnisse grundsätzlich für gut hält.

Fazit:
Der Autor legt mit Teuflischer Walzer einen Roman vor, der die Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert in Wien sehr authentisch wiedergibt und auch die Menschen dieser Zeit sehr gut beschreibt.

Gut und Böse dieser Zeit ist doch etwas anders als unser heutiges Gut und Böse, wobei natürlich die Wahl der Mittel, sein Ziel zu erreichen, noch immer nicht beliebig ist.

Empfehlen möchte ich diesen historischen Krimi dem Liebhaber spannender Kriminalromane, der gerne auch in vergangene Jahrhunderte eintaucht und das Flair eines solchen beim Lesen genießen möchte.

Der Autor:

Frank Tallis wurde im September 1958 in Stoke Newington, London geboren. Er wuchs in Tottenham auf und ist heute praktizierender klinischer Psychologe, Essayist und Schriftsteller. Seit den späten 2000er Jahren ist das Schreiben sein Hauptberuf.

Tallis schrieb eine Erfolgsserie von Romanen um den Psychoanalytiker und Detektiv Max Liebermann und bekam dafür u.a. den New London Writers`Award und den Writers`Award from the Arts Council of Great Britain. Zudem veröffentlichte er mehr als 30 Aufsätze in Fachzeitschriften für Psychologie und Psychiatrie und schrieb vier populärwissenschaftliche Bücher über Psychologie.

Er lebt in London.

Quellen:

  • Frank Tallis, Teuflischer Walzer, btb Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, 1. Aufl., München, 2020.
  • de.wikipedia.org
  • www.randomhouse.de

Bilder:

  • Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Random House GmbH.
  • Foto des Autors. Copyright: privat. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung der Verlagsgruppe Random House GmbH.

(ww)