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Der Welt-Detektiv Band 6

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Hannikel – 10. Teil

Christian Friedrich Wittich
Hannikel
oder die Räuber- und Mörderbande, welche in Sulz am Neckar in Verhaft genommen und daselbst am 17. Juli 1787 justifiziert wurde
Verlag Jacob Friderich Heerbrandt, Tübingen, 1787

Nun hatte es aber mit der Handfestmachung dieser Bösewichte folgende Bewandtnis:

Der in vieler Hinsicht große und verehrungswürdige Reichsgraf von Salis aus Zizers begab sich am 3. August vorigen Jahres mit dem Junker Ammann von Joost, einem anderen Kavalier und seinem Jäger in die mit vielem Gebüsch bewachsene Au, gegen der Vazer Brücke zu, unweit dem alten Schloss Neuenburg auf die Jagd, welche immer eine seiner angenehmsten Erholungen war. Er bemerkte auf einer mit allerlei Gesträuch bewachsenen Anhöhe einen dicken Rauch, welches ihn vermuten ließ, dass sich dort ein Haufen liederlicher Leute gelagert habe. Sogleich postierte er seine drei Gefährten jeden an einen besonderen Ort um die Anhöhe herum und stieg sodann leise mit ihnen hinauf. Alle vier kamen unversehens miteinander vor das Feuer hin. Und siehe da – um dasselbe saß Hannikel mit all seinen Leuten ganz nachlässig herum.

Der beherzte Graf wurde sehr aufmerksam. Es dünkte ihn, dies könnte die berüchtigte Mörderbande sein. Sogleich sagte er zu den Übrigen auf Französisch, das sie sich auf alle Fälle zum Streit rüsten sollten.

Nun richtete er verschiedene Fragen an Hannikel. Die erste betraf seine an dem Baum hängende Flinte. »Womit ist diese geladen?«, versetzte er.

»Mit Vogeldunst«, war Hannikels trotzige Antwort. »Ich bin ein gelernter Jäger, schieße mir je und je einen kleinen Braten aus der Luft herunter, und das ist ja nichts Unerlaubtes.«

Der Graf befahl seinem Jäger, den Schuss auszuziehen, um sich durch den Augenschein hiervon zu überzeugen. Allein statt des Vogeldunstes fand dieser 16 starke Fuchsposten, welches dem Grafen die Leute aufs Neue verdächtig machen musste. Er gab ihnen deswegen nicht mehr lange gute Worte, sondern rief ihnen mit rascher Stimme zu: »All ihr Kerle, plötzlich aufgepackt und voranmarschiert! Oder …«

Hannikel sah grimmig wie ein erzürnter Bär hinter sich und sagte dem Grafen ganz brutal ins Gesicht: »Wir haben niemand beleidigt und also auch nicht nötig, aufzupacken, sondern bleiben hier im Wald.« Daraufhin rückte der Graf mit seiner Doppelflinte hervor und drohte, wenn sie nicht augenblicklich aufstehen und seinem Wink folgen würden, so werden sie alle niedergeschossen.

Das machte Eindruck. Sie stellten sich nunmehr vor, dass derjenige, der so ernsthaft mit ihnen spreche, kein gemeiner Jäger sein müsse.

Da sie nun vollends die übrigen drei ihre Hähne spannen sahen, so verließ ihnen der Mut. Sie ergaben sich gutwillig und marschierten Fuß vor Fuß vor den drei Kavalieren und dem Jäger her.

An der Vazer Brücke wollte Geuder durchgehen. Da aber der Ammann von Joost schon auf dieselbe postiert war und mit der Flinte am Backen zurief »Wenn du nicht auf der Stelle stehen bleibst, schieße ich dich über den Haufen«, so machte er von selbst wiederum Halt.

Nach einer kurzen Pause kamen nicht nur die Übrigen hinzu, sondern es näherten sich auch die von Joost herbeigerufenen Bauern, welche das Gesindel in Empfang nahmen und anfänglich nach Zizers, bald darauf aber nach Chur abführen.

Hannikel und seine Gefährten verhielten sich im Gefängnis ganz ruhig. Sie hofften, bald wieder entlassen zu werden, und glaubten, eine Tracht Schläge werde nach altem Herkommen ohne alles Weitere ihre ganze Strafe sein.

Sobald man ihnen aber im Verhör Fragen von Sulz vorlegte, da kroch es ihnen auf einmal brühheiß den Rücken hinauf und der Ermordete stand in seiner ganzen Lebensgröße wieder vor ihnen.

Hannikel versuchte auch wirklich in der folgenden Nacht auszubrechen und mit dem in seinem Gefängnis verwahrten zentnerschweren Torturstein das eiserne Kreuz an der Öffnung hinauszuschlagen. Aber die Wache hörte den Lärm, machte Anzeige, und die Folge war, dass der Unruhige in den Block gesetzt wurde.

Hätten die Bösewichter freilich vermutet, dass die Sache eine so ernsthafte Wendung für sie nehmen würde, sie hätten sich bei ihrer Gefangennahme nach Hannikels eigener Erklärung bis aufs Blut gewehrt und es hätte zwischen ihnen und ihren Gegnern, die nur aus wenigen bestanden, ein schreckliches Blutbad geben können.

Inzwischen gereichte diese beherzte große Tat, dem rechtschaffenen, patriotischen Grafen von Salis zum unsterblichen Ruhm, welcher ihm nach erhaltenen Nachrichten nicht nur in ganz Württemberg schon allgemein zuerkannt worden war.

Mittlerweile nun, es war am 24. August vorigen Jahres trat Herr Oberamtmann Schäfer seine Reise nach Chur an. Ein stattliches Kommando lauter rüstiger Männer, unter welchen der Kundschafter Hanß Jerg Reinhardt auch war, begleitete ihn. Auch folgten ihm zwei Wagen nach.

Unterhaltend und wirklich interessant würde dem geneigten Leser eine umständliche Beschreibung dieser allerdings wichtigen Reise sein. Da aber die ohnehin schon über meinen Plan angewachsene Bogenzahl dieser Geschichte noch weiter dadurch ausgedehnt würde, so berühre ich nur dasjenige aus derselben, was eigentlich in meinen Zweck hineingehört.

Elf Tage dauerte diese Reise von Sulz bis nach Chur. So beschwerlich und gefahrvoll dieselbe auch war, so wurde sie dennoch dem Herrn Oberamtmann durch die vielen und großen Ehrenbezeugungen, die ihm durch die ganze Schweiz allenthalben erwiesen worden, nicht nur um sehr vieles erleichtert, sondern hier und da recht angenehm gemacht.

Schon das menschenfreundliche und sehr höfliche Betragen des verehrungswürdigen und berühmten von Maienburg, Bürgermeister in Schaffhausen, öffnete ihm gleich bei seinem Eintritt in die Schweiz die heiterste Situation durchs ganze Land. Die besondere Achtung, mit welcher ihm der verdienstvolle Geheimrat und Bürgermeister Kilchsperger in Zürch, der Fürstl. St. Gallische Pfalzrat und Stadt-Amman Gschwend zu Altstetten in Oberrheintal, ganz vorzüglich aber der nunmehrige Herzog. Württembergische Kammerherr, Landhauptmann und Stadtvogt der Herrschaft Maienfeld, auch dermalige Commissarius über die Grafschaft Cleven Baron Guggelberg von Moos zu Salmegg, der Bundespräsident Baron von Salis nebst ihren vortrefflichen Familien, der edle Reichsgraf von Salis aus Zizers und der hohe Kriminaltribunal selbsten, auch der rasche Pfleger Mathis begegnete, beweisen, dass er sich nicht getäuscht hatte.