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Gespenster-Krimi Erstauflage Nr.2

Mit dem Gespenster-Krimi Nr. 1 Die Nacht des Hexers erschien am 13.07.1973 der erste Roman der Serie, geschrieben von Jason Dark. Zuerst nur alle vierzehn Tage, doch bereits vier Monate später wöchentlich lieferten verschieden Autoren ihre Storys als 60seitige Romane ab. Im Laufe der Veröffentlichungen wurden durch die entsprechenden Autoren Serienhelden wie John Sinclair, Tony Ballard oder der Hexer herausgearbeitet, welche auf grund ihres Erfolges in der Gespenster-Krimi-Reihe eine eigene Serienauskopplung bekamen. 1985 wurde die Serie des Bastei Verlages mit der Nummer 597 eingestellt.


Gespenster-Krimi Nr. 2
Titel:
Der Unheimliche vom Todesschloss
Autor: Rebecca LaRoche / Traute Mahn
Verlag: Bastei Bergisch-Gladbach
Titelbild: Maroto
Erschienen am 27.07.1973
66 Seiten, 1,00 DM
Synopsis:Es ist die alte Frage, die Robert L. Stevenson schon in Dr. Jekyll und Mr. Hyde aufgriff: Was beherrscht den Menschen mehr – das Gute oder das Schlechte? Ist er von Geburt an böse und zügelt seine Wildheit nur mit Zivilisation? Und wird zum Tier, wenn seine Hemmungen fallen?
Der vorliegende Roman von T. R. Mahn ist ein Psychogramm des Bösen – umso eindringlicher, wenn man sich vor Augen hält, dass solche skrupellosen Menschen, wie sie hier beschrieben werden, tatsächlich existieren. Nicht auf einem Todesschloss, sondern meist mit Funktelefon und kühlem Drink an einem Swimmingpool oder auf einer Luxusjacht vor Monte Carlo …

Leseprobe

»Geh«, peitschte die Stimme auf ihn nieder. »Und mach deine Sache gut.« Die Gestalt duckte sich. Sekundenlang nur fiel das Mondlicht auf das Gesicht des Monsters.

Ein abscheuliches, furchterregendes Gesicht war es, teilweise von der schwarzen Kapuze verborgen. Eitrig und rot war das Lid über dem linken Auge. Das rechte bestand aus einem gläsernen, mit Leuchtfarbe bemalten Augapfel.

Dort, wo die Nase sein sollte, war eine große kraterartige Höhle.

Das Ungeheuer blieb stehen und sah sich um. Die Reiterin stand auf dem Hügel und blickte ihm nach. In der Ferne pfiff der heranrasende Zug.

Der Unheimliche schlug die langen Arme um seinen Körper und stieg weiter hinab ins Tal. Seine Gestalt im schwarzen Cape verschmolz mit der Dunkelheit.

Je tiefer er kam, umso mehr Bodennebelschwaden krochen über das niedrige Heidegras.

Die Kirchturmuhr im Dorf schlug Mitternacht.

Abseits des kleines Ortes lag der Bahnhof. Er war nur spärlich beleuchtet. Soeben hielt stampfend der Nachtzug in der Station. Nur eine Person stieg aus.

Es war eine junge dunkelhaarige Frau im sportlichen Jackenkleid. Sie trug einen kleinen Koffer bei sich. Nachdem sie ausgestiegen war, setzte sich der Zug sofort wieder in Bewegung.

Bernice de Roy sah sich um. Wie einsam es hier auf dem kleinen Bahnhof war! Sie fröstelte. Was hatte in dem Brief gestanden? Zwei Minuten nach Mitternacht werden Sie in La Chenille eintreffen. Wenden Sie sich sofort nach rechts. Gehen Sie auf den Wald zu. Dicht dahinter liegt das Chateau du Faux. Ich werde Sie dort erwarten.

Nach rechts sollte sie sich also wenden.

Bernice de Roy warf den Kopf zurück und ging weiter. In der Ferne sah sie die verschwommene Silhouette des Waldes. Und dahinter sollte die Burg liegen.

Was soll hier schon passieren? dachte Bernice. Sie summte ein Lied. Bei Tag war er hier bestimmt sehr reizvoll. Die Provence sollte noch viele guterhaltene Bauten aus der Römerzeit …

Wie eine riesige Fledermaus flog etwas auf sie zu. Ein schwarzes Cape flatterte wie riesige Schwingen im Wind. Zwei dürre Hände mit langen Krallen packten Bernice de Roy. Eine Klinge blitzte auf.

Bernice rang verzweifelt mit dem Unbekannten. Der Druck auf ihre Kehle wurde härter.

Plötzlich ließ er nach. Bernices Mund war bereits zum Schrei geöffnet, da spürte sie den heißen, brennenden Schmerz an ihrem Hals.

Nur für den Bruchteil einer Sekunde kam der Mond hinter einer Wolke hervor.

Bernices Schrei erstickte. Der letzte Rest Leben wich aus ihrem Körper. Sie sank in die Knie. Das Monster riss sie hoch. Die letzte Wahrnehmung, die Bernice machte, war die teuflische Fratze mit dem glühenden Glasauge. Bernice de Roy sank nieder in ihre Blutlache.

Sie wurde gepackt und ins Gras gelegt. Ein langer Schal verdeckte nun die klaffende Wunde am Hals. Der Unheimliche wankte zum Weg zurück und schaufelte mit den langen Krallenhänden die Blutlache zu. Als genug braune Erde darüber lag, stampfte er den Boden fest, griff nach dem Koffer, kehrte zu der Leiche zurück und nahm sie mühelos auf die Schulter.

Ich hab’s gut gemacht!, dachte der Hässliche. Behände, als würde er das Gewicht des schlaffen Frauenkörpers nicht spüren, stieg er bergan.

 

***

 

Eliza Webster trug einen weißen Kittel und darüber noch eine Gummischürze. Sie war für unbedingte Hygiene bei der Arbeit.

Aufmerksam betrachtete sie das leblose Antlitz der Frau.

In der Ecke kauerte der Hässliche. Er zitterte. Nur sein zahnloser Mund war zu sehen. Den anderen Teil des Gesichtes hatte er mit der Kapuze verdeckt.

»Die Tote ist wertlos für mich«, sagte Eliza scharf. »Habe ich dir nicht oft genug gesagt, Gautier, du sollst ihr den Dolch ins Herz stoßen?« Ärgerlich ließ sie den schlaffen Arm der Leiche herab­fallen. »Sie hat zu viel Blut verloren. Und diese Wunde am Hals… Nein, Gautier, ich habe dir den Halsschnitt verboten.«

Gautier, der Hässliche, duckte sich unter der peitschenden Frauenstimme.

Eliza Webster machte ein paar Schritte auf ihn zu. Sie zwang den Hässlichen, sie anzusehen. Die Kraft, die von ihr ausging, machte ihn zu ihrem willenlosen Werkzeug.

»Schaff sie weg!«, befahl die Webster und schnippte mit der Hand, die einen Gummihandschuh trug. »Das Gesicht ist zusammengefallen wie ein Ballon, aus dem man die Luft lässt. Wirf sie in die Spinnengrube.«

Gautier stand träge auf. Er trat zur Bahre, packte die Leiche von Bernice de Roy und legte sie sich über die Schulter. Eilig verließ er das Labor.

Das kalte schöne Gesicht der Frau verzerrte sich.

»Rattigan!«, schrie sie.

Eine zweite Tür öffnete sich, und Lewis Rattigan trat ein. Er war ein schmächtiger Mann mit Stirnglatze und zuckendem, nervösem Gesicht.

»Ja, Darling?«

»Ja, Darling!«, höhnte die Frau. »Gautier hat versagt. Er hat der Frau die Kehle durchgeschnitten, obwohl ich es verboten hatte. Wann haben wir Liefertermin?«

»Genau in zwei Wochen, Eliza.«

»Zwei Wochen …! Wo sollen wir jetzt eine neue Gwendolyn Miller hernehmen?«

»Ich weiß nicht«, stammelte Rattigan. Er senkte unterwürfig den Blick.

»Du weißt nie etwas!« Eliza Webster griff nach der Peitsche auf dem Tisch. Sie ließ die lederne Peitschenschnur in der Luft wirbeln. »Du bist dümmer als Stroh.«

Rattigan versuchte, sich mit beiden Händen zu schützen. Erbarmungslos pfiffen die wütenden Hiebe auf ihn nieder.

»Lass dir was einfallen. Ich brauche eine neue Frauenleiche, Rattigan. Spätestens übermorgen Abend.«

»Ja, ja …«

Die Webster legte die Peitsche zurück und ging zur Tür. »Und jetzt muss ich Gautier bestrafen.«

Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.

Langsam sanken Lewis Rattigans Hände nieder.

Als er Eliza kennenlernte, hatte er sie für ein hübsches harmloses Mädchen gehalten. Er war schnell unter ihren Einfluss geraten.

Er hatte sie von Anfang an bewundert. Sie war Maskenbildnerin bei Holy Deadness in Los Angeles gewesen, einem exklusiven Beerdigungsinstitut. Sie war so tüchtig, dass sie den Leichen sogar ein Lächeln aufschminken konnte.

Und dann hatte Lewis Rattigan das Chateau du Faux von einer Großtante geerbt. Es lag im Norden der Provence in Frankreich mitten im Gebirge.

Erst da hatte sich die Webster mit Rattigan verlobt. Rattigan war im siebten Himmel gewesen.

Er ahnte nicht, dass sie nur in die Verlobung einwilligte, weil es in ihre Pläne passte.

»Ich brauche Reichtum um mich! Und du wirst mir dabei helfen, Rattigan.« Er hatte ihr geholfen, denn sie hatte ihm versprochen, ihn zu heiraten, wenn sie ihr Ziel erreicht hätte. Es war ihr ganz recht, dass die Leute im Dorf sie schon jetzt für Rattigans Frau hielten. Ganz gut, dass niemand ihren richtigen Namen kannte.

Gleich als die erste Anzeige in einer großen Wochenendzeitung von Paris erschienen war, hatte es acht Bestellungen gegeben.

Acht Käufer wünschten einen lieben Verstorbenen in Lebensgröße als Wachsfigur in ihr Wohnzimmer zu stellen.

Die Anzeige lautete:

Neuheit! Sensation!

Wer trauert nicht um einen lieben Hinterbliebenen? Um eine Gattin, eine Tochter, ein Elternpaar? Um den lieben Gemahl oder seinen Bräutigam?

Ich liefere Ihnen eine lebensechte Nachbildung in Lebensgröße, erstklassiges Wachs, wirkt wie lebend. Senden Sie mir mit Ihrer Bestellung eine komplette Kleidung des teuren Hinterbliebenen, ein Foto und die Größenmaße vor dem Hinscheiden. Innerhalb sechs Wochen erhalten Sie gegen Nachnahme eine lebensechte Nachbildung Ihres lieben Hinterbliebenen, der von da an immer in Ihrer Nähe weilen wird.

Lewis Rattigan fuhr zusammen, als er die Schreie des Hässlichen durch die Mauern der Burg gellen hörte.

Er schloss die Augen und stellte sich die Szene drüben im Spiegelkabinett vor.

Eliza Webster stand an der Tür des Kabinetts. Der Hässliche wimmerte.

»Zum nächsten Spiegel!«, befahl sie. »Schau dich an, Gautier. Willst du, dass ich deine Frau hole und ihr zeige, wie du aussiehst? Willst du es?«

»Nein, nein …«, wimmerte Gautier.

»Mach dein eitriges Auge auf. Geh zum nächsten Spiegel. Schau dich an. Ohne Nase. Ohne Zähne. Nur mit einem Auge. Hässlich wie die Nacht, zum Fürchten.«

»Ja …«, heulte Gautier.

»Weiter, weiter – es warten noch vier Spiegel auf dich. Deine Frau würde das Grauen vor dir bekommen. Sie würde fortlaufen, wenn sie dich sähe.«

Der Hässliche wankte von Spiegel zu Spiegel. Es schien fast so, als würde er zusammensinken, doch er schleppte sich weiter.

»Genug.« Eliza Webster wandte sich zum Gehen. »Rattigan wird dir morgen sagen, welche Frau als Nächste sterben wird. Und wie wirst du sie töten? Sag es mir, Gautier.«

»Ich steche ihr den Dolch ins Herz.«

Die Webster sandte Gautier noch einen schnellen Blick zu, dann ging sie.

Gautier krümmte sich zusammen.

Er schlug die Hände vors Gesicht. Die Spiegel rings um ihn her warfen seine Hässlichkeit vielfach zurück. Nach einer Weile schreckte er hoch. Er blies die flackernden Kerzen aus und warf sich zitternd auf den Boden.

Erst die Dunkelheit brachte ihm Erbarmen. Wenn er nicht sehen musste, was für eine armselige Kreatur aus ihm geworden war.

Die Augen fielen ihm zu. Und er träumte.

Maurice de Gautier, der bekannte Finanzmann, zweiundvierzig Jahre alt, hatte den Revuestar Madeleine Riquette geheiratet. Er war eifersüchtig. Die Riquette war eine vielumworbene Diva. Und da machte sie sich einmal lustig über seine ein wenig schiefe Nase. Aus Angst, sie zu verlieren, suchte er heimlich einen Schönheitschirurgen auf, als er für Madeleine angeblich auf einer Geschäftsreise war.

Docteur Fourchon war ein Stümper. Er hatte ihn zu dem gemacht, was er jetzt war: Die falschen Injektionen hatten Gautiers Gesicht zerstört. Die Zähne waren ihm ausgefallen. Ein Auge musste ihm genommen und durch ein Glasauge ersetzt werden. Um dem Wundfraß vorzubeugen, wurde die Nase amputiert.

Das war vor sieben Jahren gewesen.

Seitdem lebte er in der Versenkung. Er hatte das verlassene Chateau in der Provence entdeckt und sich dort verkrochen. Madeleine, seine Frau, wusste nicht, wo er steckte. Sie war noch immer seine Frau, an ihn gebunden. Sie hatte keine Ahnung, wie er jetzt aussah.

Die neuen Besitzer des Chateaus, die Amerikaner, hatten schnell erfahren, wie es um Gautier stand. Ohne Mitleid hatte die Webster ihn sofort in ihre Pläne einbezogen.

Stupide wie ein dressiertes Tier gehorchte er den Befehlen der Webster. Sie hatte ihn in der Hand. Sobald er nicht spurte, würde sie Madeleine verständigen. Er wusste und fürchtete es. Einmal nur wollte er Madeleine noch sehen, ohne von ihr erkannt zu werden. Sie sollte ihn immer so in Erinnerung behalten, wie sie ihn kannte. Als eleganten Finanzier mit einer etwas schiefen Nase.