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Der Detektiv – Die Zauberhand der Matani – 5. Kapitel

Walter Kabel
Der Detektiv
Kriminalerzählungen, Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1920
Harald Harst gegen Cecil Warbatty
Des berühmten Liebhaberdetektivs Abenteuer im Orient
Die Zauberhand der Matani

5. Kapitel

Die andere Hand

Nun kam Harst vereinbarungsgemäß an die Reihe. Er hatte sich bisher ganz im Hintergrund gehalten. Er trat vor, und zwar dicht an die Dame heran.

Ein Griff, ein Ruck, und er hielt deren Hut, graue Frauenperücke und den Schleier in der Hand.

Sofort sprangen die Detektive wieder zu, packten den entlarvten Warbatty fest bei den Armen.

Und Cecil Warbatty?

Ehe noch Harst etwas sagen konnte, nickte der Verbrecher seinem erbitterten Feinde ganz freundlich zu und meinte: »Das haben Sie gut gemacht, Harst, sehr gut. Darauf war ich nicht vorbereitet!«

Inspektor Plumper befühlte schon den großen Pompadour, den Warbatty über dem Arm hängen hatte, fasste hinein und holte die echte Zauberhand der Matani hervor.

»Also auch dahinter sind Sie gekommen!«, rief dieser Abgebrühteste aller Verbrecher nun aus. »In der Tat, diesmal haben Sie sich selbst übertroffen, verehrtester Gegner!«

Harst griff durch das Loch der Glasplatte in den Kasten hinein und nahm die andere, täuschend ähnliche Hand heraus.

»Diese Hand hat gestern noch einem braunen Mädchen gehört«, sagte er in steigender Erregung. »Sie … Sie Ungeheuer haben sie der Betäubten abgehackt. Sie wollten die Verstümmelte in die See werfen, flüchteten aber mit Graavenjongs Motorkutter vor dem plötzlich auftauchenden Dampfer.«

»Ich bestreite das alles«, meinte Warbatty achselzuckend. »Die Hand habe ich von einem Unbekannten gekauft.«

»So? Gekauft!« Harsts Augen flammten.

Ich sah, welch maßlose Verachtung, welch grenzenloser Ingrimm gegen diesen Massenmörder und dessen zynische Frechheit in seinem Innern auflohten.

»Also gekauft! Ah, lerne ich Sie endlich auch von einer neuen Seite kennen, Warbatty! Bisher hielt ich Sie wenigstens noch für mutig, traute ich Ihnen jenen Mut zu, den die verspielten Leute besitzen, die ihre Sache auf nichts gestellt haben!«

Ihm entging das blitzschnelle Verziehen des Mundes mit dem Warbatty über diesen Vorwurf der Feigheit quittierte.

»Eine Art von Mut, die diesen Namen gar nicht verdient«, fuhr er fort.

Er war weiter wie ausgewechselt. Nun erst erkannte ich, was für ihn seine bisherigen halben Fehlschläge gegen Warbatty bedeutet hatten.

»Dass Sie bei Ihrem ungeheuren Schuldkonto plötzlich so lächerliche Ausflüchte machen, dass Sie mit dem großen Unbekannten zu operieren beginnen, das wirft Sie vollends zu der Zahl der gemeinen Mörder aus gemeiner Habgier! Denken Sie nicht, dass ich Ihnen heute hier mit halber Kenntnis der Einzelheiten Ihres neuesten Streiches gegenübergetreten bin. Nein, jeden Schritt, den Sie gestern getan, haben wir festgestellt, jeden! Sie und Ihr Komplize da, dessen wahren Namen wir auch noch herausbringen werden, wohnen als Ehepaar Doktor Palwerlan seit drei Tagen im Hotel Imperial, Zimmer Nr. 34. Nebenan in Nr. 33 wohnt ein gewisser Charles Gausterby, und dieser Kaufmann Gausterby sind ebenfalls Sie. Es ist die zweite Rolle, die Sie hier spielen! Gausterby mit angeklebtem, würdigem grauen Vollbart und einem grüngrauen Touristenanzug! Von diesem Anzug fand ich Stofffäden in dem Bretternachen, in welchem Arawura, das hübsche Stubenmädchen aus dem Imperial mit den zierlichen Händen, lag. Dort fand ich auch ein kleines Büschel Haare eines falschen Bartes, ebenso einen Zigarettenstummel. Und der Zimmerkellner im Imperial hat bestätigt, dass Charles Gausterby hauptsächlich Zigaretten der Firma Karigni Freres, Bombay, raucht, weiter, dass auch Frau Doktor Palwerlan dieselbe Marke bevorzugt. Weiter: Arawura erwachte noch für einen Moment aus ihrer Betäubung, fand gerade noch die Kraft, zu fragen, wo denn Master Palwerlan sei. Das genügte uns. Ein Ehepaar Palwerlan war heute früh sehr bald im Imperial ermittelt, ebenso, dass es gestern Vormittag einen längeren Autoausflug gemacht hatte und dass seit vorgestern Abend das Stubenmädchen Arawura verschwunden war. Eine Gegenüberstellung mit dem Holländer Graavenjong wird genügen, auch einen Zeugen dafür zu haben, dass der Motorkutter von Ihnen, Warbatty, in Gestalt Gausterbys geliehen wurde! Ich denke, all das genügt. Nun noch das Letzte, nämlich wie ich herausfand, wozu die frische Leichenhand benutzt werden sollte. Im Kutter lagen alte Zeitungen. In einem dieser Blätter stieß ich auf einen längeren Aufsatz über die Raritäten des hiesigen Museums. Auch die Zauberhand der Fürstin Matani war dort erwähnt und genau beschrieben. Ganz besonders war darauf hingewiesen, dass sie geradezu grausig echt einer natürlichen, frischen Hand gliche. Und in dem Augenblick, als ich diese Zeilen las, dachte ich sofort an Sie – nur an Sie, Warbatty! Denn nur Ihr verbrecherisches Genie konnte den Plan ausgeklügelt haben, die goldene Hand zu rauben und schnell dafür eine frische Totenhand mit falschem Schmuck hinzulegen, damit der Diebstahl zunächst verschleiert und Ihnen Gelegenheit gegeben würde, zu flüchten. Dazu also brauchten Sie die Hand einer Inderin; deshalb haben Sie Arawura aus Madras unter irgendwelchen Vorspiegelungen fortgelockt, haben Sie betäubt! Das ist in großen Zügen Ihr hiesiges Verbrechen – abermals ein Mord. Von dem gegen mich geplanten Mordanschlag mithilfe der Giftpfeile will ich schweigen; ebenso von Ihrem Versuch, mich mithilfe des falschen Hafenpolizeibootes in Ihre Gewalt zu bekommen. Ich erkannte Sie in diesem Boot noch zur rechten Zeit. Wenn man an der Linken nur vier Finger hat, darf man diese Hand nicht gerade in den Lichtkreis einer Laterne bringen! Es gibt eben Augen, die alles sehen, Warbatty!«

Cecil Warbatty verbeugte sich. Und völlig ernst erklärte er nun: »Master Harst, der Vorwurf der Feigheit trifft mich nicht. Ich wollte Sie nur zum Reden bringen. Mir war es interessant zu hören, wie Sie auch jetzt wieder meine Pläne durchkreuzen konnten. Sie haben ein wenig Glück gehabt. Ohne den Zeitungsartikel …«

»… wäre ich genauso schnell auf die richtige Spur gekommen«, vollendete Harst kalt. »Dass die Hand zu irgendeinem Betrug dienen sollte, war klar, nachdem erwiesen war, dass Europäer bei der Sache beteiligt seien. Eine Aussprache mit Inspektor Plumper hierüber hätte diesen dann fraglos die Zauberhand erwähnen lassen …«

Warbatty und sein Helfershelfer wurden zur Polizeidirektion gebracht, wo man Ersteren ganz besonders scharf auf etwa in seinen Kleidern oder an seinem Körper verstecktes Gift untersuchte. Man fand nichts.

Abends aber – wir saßen gerade auf Plumpers Veranda bei einer noch besseren Bowle – kam ein Beamter des Polizeigefängnisses angelaufen und meldete, dass Warbatty tot in seiner Zelle liege. Gleichzeitig überbrachte er uns des Verbrechers Testament, wenn man dieses Schriftstück so bezeichnen will.

Er hatte sich Bleistift und Papier geben lassen, angeblich um eine Verteidigungsschrift aufzusetzen.

Das Schriftstück lautete:

Master Harald Harst, zur Zeit Madras.
Die kleine Giftpille, mit der ich meinem Leben ein Ende machen werde, war in einem falschen hohlen Backenzahn verborgen, dessen Goldplombe sie völlig bedeckte. Das Gift, das ich benutzen werde, gehört zu jenen der Wissenschaft noch unbekannten Giften, die die Bewohner der Andamanen herzustellen wissen. Es hat selbst bei einer noch so geringen Dosis die Eigenschaft die Verwesung mindestens drei Monate zu hindern. Die Leiche bleibt völlig frisch.
Ich setze Sie, Master Harst, zu meinem Erben ein. Meine Hinterlassenschaft besteht erstens in meiner Leiche. Diese soll erst nach drei Monaten den Ärzten zur Untersuchung meines Hirns übergeben werden. Ich selbst halte mich für geistig nicht normal. Mein Hirn wird dies vielleicht durch krankhafte Veränderungen bestätigen. Zweitens in einem Geheimnis. Ich rate Ihnen, Master Harst, in der Nähe von Haidarabad die sogenannten Indra-Ruinen aufzusuchen. Dort scheint die Sonne dem Affen ins Gesicht, und der dunkle Strich, während der Mittagsmahlzeit dreimal verlängert, findet den singenden Vogel, dessen Schnabel den Weg weist, dessen Ende der Anfang ist. Sie, Master Harst, werden aus diesen Andeutungen, so hoffe ich, das Richtige herausfinden.
Ich habe Sie stets als Genie geachtet, als meinen Feind bekämpft. Der tote Warbatty bewundert nur noch Ihr Genie.
Leben Sie wohl! Cecil Warbatty.

»Eine tolle Urkunde«, meinte Plumper.

Harst nickte. »Und ein seltsamer Mensch! Es wäre jedoch angebracht, die Leiche Warbattys erst mal sorgfältig untersuchen zu lassen. Vielleicht …«

»… ist er gar nicht tot«, vollendete der Inspektor. »Keine Sorge! Ich werde die besten Ärzte der Stadt hinzuziehen.«

Es geschah. Drei Ärzte bestätigten am anderen Vormittag, dass das Leben entflohen und die Leichenstarre bereits eingetreten sei.

Der tote Verbrecher wurde in ein Kellergelass der Polizeidirektion gebracht und dort in einem einfachen Holzsarg hinter einer eisernen Doppeltür für drei Monate aufbewahrt. Man wollte feststellen, ob der Verwesungsprozess wirklich ausblieb.

Drei Tage darauf fuhren Harst und ich nach Haidarabad.

Beim Abschied auf dem Bahnhof sagte Harst zu Plumper: »Lieber Inspektor, ich rate Ihnen, jeden Tag sich den Toten anzusehen. Man kann nicht wissen …«

Plumper lachte! »Ich bitte Sie! Glauben Sie etwa, Warbatty könnte …«

Harst zuckte die Achseln. »Warten wir ab …«

Wir begaben uns also nach Haidarabad, um das Vermächtnis Warbattys nachzuprüfen. Und dort …

Aber das will ich unter einem besonderen Titel schildern.