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Der Welt-Detektiv Band 6

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Eine Räuberfamilie – Achtes Kapitel

Emilie Heinrichs
Eine Räuberfamilie
Erzählung der Neuzeit nach wahren Tatsachen
Verlag von A. Sacco Nachfolger, Berlin, 1867
Achtes Kapitel

Das Schwert des Damokles

Am nächsten Tag wusste man es in ganz Bisaccia, dass der Major der Garnison auf offener Landstraße gefährlich verwundet worden sei, und nun, von Signor Rapo aufgefunden, in seiner Villa gepflegt werde.

Man kannte vielfach seine Leidenschaft für Seraphine Rapo, und so fiel der nächste Verdacht auf Lupparelli, den man allgemein für ihren heimlichen Verlobten hielt.

Letzterer blieb indessen, wie immer, völlig unbehelligt. Seine Freundschaft mit der Familie Rapo schützte ihn, als stände er unmittelbar unter dem Schutz des Königs.

Als der Major endlich zur Besinnung gelangt war, blickte er erschreckt um sich und dann in Seraphines lächelndes Gesicht.

»Ah, Schlange!«, flüsterte er matt, »ich habe den Verräter erkannt. Er soll an den höchsten Galgen, so wahr meine Seele lebt.«

»Er fantasiert«, sagte Seraphine im mitleidigen Ton. »Armer Freund! Welcher Schändliche mag seine tückische Rache an dir ausgeübt haben. Aber nein, du sollst nicht sterben. Auf meinen Knien will ich die Heiligen anflehen, dich leben zu lassen oder auch mir den Tod zu geben.«

Die Schlaue eilte in eine Nische, wo ein Muttergottesbild stand, um sich vor demselben niederzuwerfen und mit erhobenen Händen leise zu beten.

Die Sonne warf ihre ersten goldenen Strahlen in diese Nische hinein auf die Betende. Die weiten Ärmel ihres schneeweißen Gewandes waren zurückgefallen und ließen die schönsten Arme sehen. Alle Formen des herrlichen Körpers traten in dieser Stellung hervor, während das etwas zurückgebeugte Haupt wie von einem Heiligenschein umgeben schien.

Des Verwundeten Blick ruhte mit neu erwachter Leidenschaft auf der Knienden, von der er nach ihren berechneten Worten annehmen musste, dass alles, was sie sagte und tat, der Ausdruck ihres Innern sei, wähnte sie ja, er rede im Fieber.

Als sie sich endlich erhob und wieder ans Bett trat, streckte er ihr die Hand entgegen und sagte leise, indem er zu lächeln versuchte: »Wie bin ich denn eigentlich hierher gekommen, teure Seraphine? Ich suche in meiner Erinnerung und bleibe bei einer versteckten Grotte im Garten stehen, in der Sie sich mit jenem Menschen befanden, der mir der Verhassteste auf Erden ist. Ich meine Lupparelli, er war es, ich habe ihn im Mondenschein deutlich erkannt, der an mir vorbeisprang und mir dabei einen Stich versetzte.«

»Ihr Gedächtnis scheint sich merkwürdig zu verwirren, lieber Freund!«, entgegnete Seraphine mit weicher, mitleidiger Stimme. »Beruhigen Sie sich. Der Arzt hat jede, auch die geringste Aufregung streng untersagt. Wir müssen ihm gehorchen und nicht mehr reden. Nur so viel will ich Ihnen noch mitteilen, lieber Major, dass mein Bruder in der verflossenen Nacht, als das Fest beendet war und sich alle Gäste verabschiedet hatten, noch nach Bisaccia gehen wollte, was er immer tut und als Leutnant der Nationalgarde für seine Pflicht hält. Sie wissen, lieber Freund, wie pflichtgetreu der gute Bruder in dieser Hinsicht ist. Er kam indessen nicht nach Bisaccia, sondern fand Sie ungefähr hundert Schritte von der Villa entfernt, blutend und bewusstlos, worauf er Sie, entschlossen wie er ist, hierher schleppte, meiner Pflege übergab und dann den Arzt aus Bisaccia holen ließ, der Ihre Wunde, Madonna sei dafür tausend Mal gepriesen, bei guter sorgfältiger Pflege nicht für gefährlich erklärte. Und nun kein Wort weiter«, setzte sie rasch hinzu, als der Major reden wollte, und legte ihm schmeichelnd ihre kleine weiche Hand auf den Mund, welche er entzückt festhielt und küsste. »Sie bleiben hier unter meiner Pflege, bis Sie vollständig genesen sind. Ah, da kommt der gute Doktor und mein Bruder!« Sie grüßte freundlich und verließ das Krankenzimmer, von den glühenden Blicken des Majors verfolgt.

»Aha, wir sind wohl schon ganz munter, Herr Major!«, rief der Arzt, ihm lächelnd den Puls fühlend, »viel zu viel Aufregung, der Puls jagt, wir haben Fieber, wollen lieber einen anderen Krankenwärter anstellen.«

»Nein, nein«, versetzte der Major ängstlich, »dann sterbe ich gewiss, Doktor! Signor Rapo, ich danke Ihnen herzlich für Ihre Freundschaft. Sie fanden mich auf der Landstraße? So hat mich der Schuft dorthin geschleppt. Ich schwöre …«

»Still, still«, sagte Michel Rapo, mit dem Finger drohend, »Signor Dottore, verbieten Sie dem Major doch das viele Reden. Er ist fieberkrank.«

»Ich fantasiere durchaus nicht«, murmelte der Kranke, die Augen schließend, während der Arzt nach der Wunde sah und einen neuen Verband anlegte.

»Jetzt kein Wort mehr reden, sonst bestelle ich einen taubstummen Krankenwärter«, sprach der Arzt, und verließ dann mit Michel Rapo das Zimmer.

Seraphine ging unruhig im Garten auf und nieder.

»Da hat uns der Guido einen schlimmen Streich und mir den allerschlimmsten gespielt« sagte sie, als sie den Bruder erblickte. »Er bleibt dabei, dass Lupparelli, den er erkannt hatte, ihm den Stoß versetzt habe. Und nun für mich diese Qual einer Krankenwärterin, bei der heiligen Mutter Gottes! Ich teile mich mit den Schwestern darin. Eufemia ist verliebt in den Narren, mag sie ihn zu gewinnen versuchen. Deinen Segen wirst du ihr doch nicht verweigern, Bruder Michel.«

Dieser schritt nachdenkend an ihrer Seite in dem schönen schattigen Laubgang dahin.

»Tue, wie du willst«, versetzte Michel Rapo zerstreut, »Lupparelli ist ein Taugenichts, den ich nächstens aus der guten Gesellschaft streichen und irgendeiner Bande übergeben werde. Schiavone und Filomena lassen grüßen. Sie bringen in der nächsten Nacht ihren Gefangenen hierher. Er soll deiner Pflege übergeben werden, womit ich keineswegs einverstanden bin.«

»Und warum nicht?«, fragte Seraphine, spöttisch lächelnd, »bin ich doch nun einmal zur Krankenwärterin ernannt worden, und vielleicht gefällt mir der Tedesco besser als der hässliche Major.«

»So meinte Filomena, doch das ist alles Nebensache. Pasquale hat einen Boten aus Neapel gesandt.«

»Schiavone …«

»Noch einen anderen Boten, den Marco, den Schiavone auf seine Bitte aus der Bande stieß, um ehrlicher Bedienter oder Türsteher eines reichen, vornehmen Herrn zu werden. Ich traue jedoch dem Hund, dem Marco nicht. Der Bruder Pasquale leidet immer an großer Vertrauensseligkeit.«

»Lass hören, was bringt denn der Marco, das dich in so große Aufregung versetzt, mein Bruder?«

»Eine neue Tollheit des Pasquale, ein richtiges va banque des übermütigen Spielers. Höre nur den Brief, welchen er mir darüber schreibt.«

Und Michel Rapo las:

Mein teurer Bruder!

Ich befinde mich augenblicklich im Palast des Marchese Cantonelli, der soeben durch einen noch unaufgeklärten Zufall wahnsinnig geworden ist. In zwei Worten lass dir sagen, wie ich dorthin gekommen bin, nämlich durch den braven Carlo Schiavone, welcher den klugen Einfall hatte, einen Handstreich gegen die Signorina Marchesa Cantonelli in Gegenwart des Oheims und des Liebhabers sowie vier Lakaien auszuführen, um ein würdiges Lösegeld zu erpressen. Es fiel mir, der ich zufällig herbeikam, natürlich nicht allzu schwer, die Signorina zu befreien und ihrem jammernden Oheim zurückzubringen, wofür mich der Alte gern auf der Stelle kanonisiert hätte. Nun gut, ich bin hier, und hoffe in allernächster Zeit die Marchesa zur Signorina Rapo zu machen. Den Liebhaber, einen deutschen Hund, werde ich erst ins Grab spedieren, obwohl ich ihn schon aus dem Sattel gehoben habe. Er muss sterben! Sollte es mir nicht gelingen, wird Schiavone das Übrige tun.

»Ah, das ist der Tedesco, den Filomena mir mitgebracht hat«, rief Seraphine, vor Freuden wie ein Kind in die Hände klatschend.

»Er wird es wohl sein«, versetzte Michel Rapo. »Höre zu, was der Bruder weiter schreibt.«

Nun hatte ich eigentlich im Sinn, unsere teure Seraphine hierher kommen zu lassen, um die Herzensfreundin der schönen Arabella della Cantonelli zu werden. Bei reiferer Überlegung habe ich jedoch gefunden, es sei besser, mit dem wahnsinnigen Marchese und meiner künftigen Gemahlin nach Bisaccia zu reisen, woselbst ich innerhalb acht Tagen einzutreffen gedenke. Bis dahin, usw.

»Nun, Schwester, was sagst du zu dem Studenten?«

»Dass er, wie immer, zum Küssen ist«, rief Seraphine begeistert, »eine solche Verbindung sichert uns die Zukunft, und wenn der Oheim erst die erste Stufe zum Heiligen Stuhl, welche Crocco ihm schon erbaut, bestiegen hat, dann soll er auch für Lupparelli sorgen. Ich heirate keinen anderen als ihn.«

»Das wird sich finden«, meinte Michel finster. »Mittlerweile hat er uns ganz allerliebste Geschichten eingebrockt, die nur mit der größten Vorsicht und Klugheit behandelt werden können. Onkel Gennaro ist außer sich über seinen Streich und verlangt, ihn auszustoßen. Er kompromittiere uns so schon genug; er mag sich hüten, meine brüderliche Liebe zu ihm könnte sich in Hass verwandeln. Es ist mir, als hätte er uns beiden was angetan.«

Seraphine blickte nachdenkend vor sich hin und neigte langsam bejahend den Kopf.

»Lass dir überhaupt nichts von den Plänen des Onkels anmerken«, fuhr jener rasch fort, »du kennst seinen Zorn in solchen Dingen, er verschont dann nichts.«

»Ich weiß«, murmelte Seraphine, in sich zusammenschauernd.

»Nun, lassen wir das; meine schöne, kluge Schwester wird auch hierin schon das Rechte treffen, ebenso mit Lupparelli, der in der Nacht schon wieder fortgeschickt ist, zum Sacchetiello glaube ich, dessen Bande jetzt in den Abruzzen haust. Mich graut nur vor unserem Bruder Pasquale, der so tollkühn sein konnte, ein solches Schreiben irgendeiner Menschenseele und noch dazu diesem Schuft von Marco anzuvertrauen. Wenn er nun zufällig, wer kann für Nachlässigkeit, dasselbe verloren hätte.«

»Ist der Brief unterschrieben?«

»Das nicht, auch sind die Namen der Briganten nicht ausgeschrieben, aber der Marchese Cantonelli genannt und folglich Anhaltspunkte genug gegeben.«

Er blickte noch einmal in den Brief, stampfte mit dem Fuß und zerriss ihn dann in kleine Fetzen, welche er mit einer wahren Wut in alle Winde zerstreute.

»Ei, der Marco hat doch seinen Auftrag ehrlich ausgeführt«, bemerkte Seraphine, »so vergib es dem guten Pasquale für diesmal und verschweige es dem Onkel Gennaro. Kennst du den Marchese Cantonelli?«

»Er ist steinreich.«

»Das ist prächtig, und die Signorina Marchesa?«

»Die schönste Dame von ganz Neapel, sie ist eine Berühmtheit der Hauptstadt.«

»Unbegreiflich, und du bewunderst unseren Pasquale nicht?«, rief Seraphine erstaunt, »ich bin außer mir vor Entzücken.«

»Er wird uns mit seiner stolzen Signorina ins Unglück bringen«, versetzte Michel Rapo heftig, »weiß nicht, aber es ahnt mir seit der letzten Nacht nichts Gutes. Es ist mir, als stände uns ein schweres Unglück bevor, zu welchem Pasquale und Lupparelli den Zündstoff liefern. Lieber möchte ich sie vorher mit diesen meinen Händen erwürgen.«

Seraphine legte erschreckt ihre Hand auf seinen Arm und schaute ihm begütigend ins wildrollende Auge.

»Du bist krank, teurer Bruder!«, sprach sie in ihrer sanften, einschmeichelnden Manier, »leg dich ein wenig schlafen, dann werden die finsteren Geister fliehen.«

»Ja, der Kopf ist mir dumpf und schmerzt sehr«, versetzte er etwas leiser, »der ganze Morgen ist mir in Aufregung vergangen. In der Nacht ließ mich die Verwundung des Majors mit den gravierenden Nebenumständen nicht ruhen. Und als ich zum Onkel in Bisaccia hineinkam, hatte ich alle Mühe, ihn zu beruhigen. Dann ging ich in ein Café, wo bereits durch das alte Plappermaul von Doktor jedermann von dem Unfall des Majors in Kenntnis gesetzt war, und man mich förmlich mit Fragen bombardierte. Nun kommt der deutsche Gefangene noch hinzu, welchen Schiavone auf Filomenas Wunsch hat leben lassen, um ihn gegen ein Lösegeld von 5000 Scudi auszuwechseln. Wäre der Pasquale so vernünftig gewesen, den Schiavone mit der reichen Marchesa gewähren zu lassen, wir hätten das halbe Vermögen des alten Cantonelli als Lösegeld erhalten, während wir so, besonders mit dem Tedesco, der, wie er selber schreibt, ein Liebhaber der Marchesa gewesen war, von einer Verlegenheit in die andere geraten ist. Wo willst du ihn pflegen, wenn Signorina Cantonelli selber kommt? Beim Blut des heiligen Januarius! Mir ist, als schwebe das Schwert des Damokles über meinem Haupt, um jede Minute herabzustürzen und uns alle zu vernichten.«

»Welch ein finsterer Dämon beherrscht dich, mein Bruder?«, fragte Seraphine leise. »Du wirst einige Stunden schlafen und dann gestärkt und heiterer wieder erwachen. Nur eins ist mir unerklärlich, dass Onkel Gennaro nämlich die Erlaubnis zur Pflege des deutschen Gefangenen gegeben hat. Er kommt doch nur mit seiner Erlaubnis?«

»Du weißt, Seraphinchen, dass er Filomenas schönen Augen nichts abschlagen kann, und sie besteht mit ihrem ganzen Eigensinn darauf.«

»Weil sie mir einen Tedesco versprochen hat«, sprach die Schwester lachend.

»Weiberlaunen, denen man niemals nachgeben müsste«, versetzte Rapo verächtlich, »aber das ist des frommen Pfarrers größte Schwäche. Gut, nun merke auf, mein Seraphinchen, wie wir die Sache arrangiert haben. Der Tedesco wird in der nächsten Mitternacht von des Onkels Haus fortgebracht, mit verbundenen Augen natürlich. In der Nähe der Villa komme ich mit einigen Dienern zu Pferd ihnen entgegen. Wir befreien den Tedesco und bringen ihn hierher.«

»Und das Lösegeld?«, fragte Seraphine nachdenklich.

»Das mag Schiavones Sorge sein. Er will es schon bekommen, der Bursche ist listig wie ein Pfaffe.«

Seraphine lachte, indem sie ihres Bruders Arm ergriff und ihn, lustig plaudernd, mit sich fortzog.

»Höre, Michel«, sagte sie schmeichelnd, »du solltest dir doch nun auch bald eine Marchesa aussuchen. Der Name Rapo ist geachtet genug, denke ich.«

»Und doch willst du dich an Lupparelli, dessen Name halb geächtet ist, hängen?«, fragte dieser spöttisch.

»Hm, du hast ihn mir schon halb verleidet. Wenn der Tedesco schön und reich ist, verliebe ich mich in ihn.«

»Man sieht, du kennst keinen Deutschen, Kind!«, sprach Michel Rapo achselzuckend, »der ist treu wie Gold, und du hörtest doch aus dem Brief, als er ein Liebhaber der Signorina Marchesa Cantonelli gewesen war. Verlass dich darauf, der wechselt mit seinem Herzen nicht wie ein Italiano!«

»Dann werde ich ihn zwingen, mich zu lieben«, rief Seraphine drohend.

»Torheit! Der ließe sich lieber töten. Deutsch und Italienisch passt auch nimmermehr zusammen. Es ist wie ein Eisgletscher und ein Vulkan.«

»Der schmilzt das Eis mit seiner Glut«, rief Seraphine leidenschaftlich, »bei der Heiligen Jungfrau, wen ich mit meiner Liebe beglücken will, soll es nimmer wagen, mich zu verschmähen. Er würde sein Vaterland zum letzten Mal gesehen haben.«

Michel Rapo schüttelte missmutig den Kopf und schritt langsam mit der Schwester der Villa zu. Ihm gefiel an diesem Morgen nichts mehr in der Welt.

Zum ersten Mal fühlte der so hoch geachtete Mann das Damoklesschwert dicht über seinem Haupt.

Während der ernsten Unterhaltung der beiden Geschwister lag der Major in seinem Bett und kämpfte wie ein Verzweifelter mit den Gedanken, welche wild und wüst sein glühendes Haupt umflatterten und sein Gehirn zu verwirren drohten.

Oft wandte er sein Blick hin zu dem Muttergottesbild, um hier Verständnis und Erleuchtung zu empfangen. Wie gern wollte er sich überreden, dass nur die Fieberfantasien sein Gedächtnis verwirrt hätten und jene Vorstellung von der Grotte und Lupparelli nur ein wüstes Traumbild sei.

Er sann dann nach, voll Unruhe und tödlicher Angst, und wenn die Überzeugung des wirklich Erlebten sich ihm mit ihrer ganzen Wucht aufdrängte, dann schloss er die Augen und betete um Ruhe und Schlummer, weil ihm jede Aufregung tödlich sei.

Da sah er die versteckte Grotte im Mondlicht, sah Seraphine hinauseilen, leichtfüßig wie eine Elfe, und mit der Gesellschaft lachen und scherzen. Und dann aus derselben den Mann, welchen er wie sich selber erkannt hatte, diesen Verhassten, der ihm das Banditen-Stilett in die Seite gerammt, ihn hatte ermorden wollen!

»Ja, es ist so«, murmelte er, sich den Schweiß von der Stirn trocknend, »der Lupparelli ist ihr Geliebter. Sie ist eine Schlange, welche mich immer und immer wieder mit ihren falschen Reizen umringelt. Weg, ihr Gedanken, wie starrt ihr mich scheußlich an, weg, sage ich; wie sprach der alte Amavi, welche Stimme klang genauso wie seines Räubers Stimme im Garten? Sie ging vorüber im weißen Gewand, das Bild der Unschuld, und er war ihr Begleiter! Weg, ihr Nattern, ihr erwürgt mich.«

Er hatte Fieber, der arme Major. Die furchtbare Aufregung musste ihm schaden und die Fantasien herbeirufen.

Er wollte sich angstvoll erheben, aus dem Bett springen. Stöhnend vor Schmerz sank er zurück und fiel bald in einen unruhigen, von wilden Fantasien durchwebten Schlummer.

Als Seraphine zurückkehrte, fand sie ihren Kranken in einem Zustand, der sie mit Besorgnis erfüllte, aber ihr auch zugleich die Befriedigung gewährte, einen der Diener an sein Bett bestellen zu können, um fortan die Pflege zu übernehmen.