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Der Welt-Detektiv Band 6

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Hannikel – 4. Teil

Christian Friedrich Wittich
Hannikel
oder die Räuber- und Mörderbande, welche in Sulz am Neckar in Verhaft genommen und daselbst am 17. Juli 1787 daselbst justifiziert wurde
Verlag Jacob Friderich Heerbrandt, Tübingen, 1787

Währenddessen, dass die jungen Leute so recht schwärmerisch lustig waren, stopften sich die alten Mütterchen ihre Stumpfpfeifgen, schmauchten nach aller Herrlichkeit und ließen sich ihren Schnaps trefflich dazu schmecken.

Erst spät begaben sie sich in ihr schon voraus in einem benachbarten Dorf auf dem Heuboden einer neugebauten Scheuer bestelltes Nachtquartier.

Allem Vermuten nach bekamen die jungen Gäste bei dieser Feierlichkeit die Zigeunerweihe und ihre Benennungen Hannikel, Geuder und Denzel, denn der eigentliche Name des Ersten ist, wie ich schon berührt habe, Jakob, des anderen Johann Jakob und des dritten Franz.

Mutter und Söhne konnten sich nur gar zu gut in ihre neue Lage schicken. Sie fingen an, alles mitzumachen, und erlangten in Kurzem eine besondere Fertigkeit bei ihrem neuen Gewerbe.

Hannikel machte sich vorzüglich durch seine Ränke, launigen Einfälle, Behändigkeit und Courage bei der ganzen Bande, die in allem aus nicht weniger als 400 Personen bestand, sehr beliebt und schwang sich auch bald zum Heerführer und ersten Befehlshaber derselben empor.

Seit dieser Zeit trennte sich die Reinhardtische Familie nicht mehr von diesem Komplott und wenn gleich Hannikel danach sich eine Zeitlang zu Wolfersweiler im Zweibrückischen als Jägerbursche brauchen ließ, um die Wilddiebe einzufangen, so behielt er sich doch immer den Zutritt zu demselben offen. Alle zusammen lebten so recht zigeunerisch; das heißt, sie gingen dem Müßiggang und der Wollust nach, stahlen, tyrannisierten mitunter, wo sie konnten und betrogen die Leute mit Wahrsagen, dass ihnen die Augen übergingen. Sie kannten nunmehr auch keine Gesetze als die, die in ihrer Mitte gezeugt wurden, nämlich zu rauben, wo sie zukommen kommen, und jeden mit Gewalt über den Haufen zu stoßen, der sich ihnen auch nur im Geringsten widersetzen würde. Nicht ein einziges Mal kränkten sie sich über ihre dabei verlorene Unschuld, dachten auch niemals darüber ernstlich nach, wie es ihnen auch wohl zuletzt noch ergehen werde. Wenn gleich manchmal ein Glied aus ihrer Kette an den Nagel gehängt wurde, so machte das weiter keinen anderen Eindruck auf sie, als dass sie ihre bösen Streiche in Zukunft mit mehr Vorsicht ausübten und sich hie und da falsche Pässe machen ließen, die sie unter dem Schein, als ob sie ehrliche Leute seien, allenthalben vorwiesen und unter eben diesem Schein auch den Porzellanhandel trieben und böhmisches Glas fail hatten.

Hannikel wurde nun auch nach und nach mannbar. Ehe er aber zu dieser völligen Reife kam legte er sich mit Christine, welche auch Zigeunerin war und in ihrer Sprache Galimensch auch Nanti hieß, eine Beischläferin zu. Sie lebten zufrieden miteinander und trieben das hier unten weitläufig beschriebene böse Handwerk. Sie zeugten 2 Kinder. Das erste, Christine, mit dem Beinamen Dennele, kam im Jahr 1765 zu Wingen bei Lützelstein auf die Welt und das andere, Johann Carl, auf gut zigeunerisch Bastardi, wurde 2 Jahre danach am nämlichen Ort geboren.

Beide lagen mit ihrem Vater im Arrest zu Sulz und erwarteten dort ihr weiteres Schicksal. Christine war nicht länger als 9 Jahre Hannikels Gefährtin. Sie kam einem Streif in die Hände, wurde nach Mannheim ins Zuchthaus verwiesen und beendete in demselben bald ihr Leben.

Zigeuner bleiben nicht lange ledig. So bald ihnen eine Beischläferin abgeht, auf welche Art es wolle so, nehmen sie auf der Stelle wieder eine andere, ohne sich lange an eine Trauerzeit zu binden.

Oft geschieht es auch, dass sie ihrer zwei oder noch mehr nebeneinander halten. Hannikel nahm es in diesem Punkt auch nicht allzu genau. Noch ehe seine Christine im Zuchthaus hingeschieden war, strich er sich den Bart, bürstete sich das Wams und begab sich auf die Freierei.

Er nahm seinen Weg über die Landstuhler Höhe. Ob er schon im Voraus Bestellungen gemacht hatte, weiß ich nicht. Doch lässt es sich vermuten, denn er war kaum etliche Stunden weit gekommen, so begegnete ihm ein schwarzgelbes Zigeunermädchen, das von seinen Leuten auf den Bettel ausgeschickt wurde. Ihre Blicke kannten sich, sobald sie einander näher kamen.

Feddricho, so hie? das Mädchen, hatte auch wirklich ein gutes Aussehen. Sie war gut gewachsen, noch jung und hatte viel Offenes in ihrem Gesicht. Hannikel stellte sich ihr in den Weg, fragte, wo sie her komme und hin wolle, und beredete sie, sich neben ihm auf den Rasen hinzusetzen und auszuruhen. Hannikel half ihr auch sogleich einige an ihrem sehr zerlumpten Rock allzu weit aufgerissene Nähte zusammenheften. Sie erwiderte ihm diese Gefälligkeit durch ein Stück Speck, das sie aus ihrem Schubsack hervorzog und ihm hinstreckte.

Ohne weiteres Zurückhalten tat ihr Hannikel eine förmliche Liebeserklärung. Er sagte ihr, in welchem Ansehen er unter den Zigeunern stehe und was es ihr für eine Ehre sein würde, die seine zu werden.

Er bezeugte ihr auch, wie sie es bei ihm so gut haben, und wie er ihr für die besten Kleider, Hausgeräte und Viktualien sorgen wolle. Er zog auch sogleich einen schönen mit Diamanten besetzten Ring aus der Tasche und streifte ihr denselben an den Finger.

Hannikel hätte weniger Umstände machen dürfen, und Feddricho würde ihm ihr Jawort nicht verweigert haben. Nun was geschah – in weniger als einer Viertelstunde waren sie über den Ehevertrag einig, Proklamation und Kopulation vorbei und die Hochzeit vollzogen. Nun packten sie wieder auf und Hannikel führte seine Geliebte zu seiner Familie zurück, nachdem sie unterwegs die Schwüre ihrer Liebe durch etliche Gläser Branntwein in verschiedenen Wirtshäusern feierlich erneuert und bestätigt hatten.