Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Die Sternkammer – Band 1 – Kapitel 10

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 1
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Während der Marquis von Buckingham und seine Begleitung unter dem Beifall der Menge auf den Landungsplatz zugingen – denn während des ersten Teils seiner glänzenden Laufbahn war der stolze Günstling außerordentlich beliebt bei der Menge, was wahrscheinlich von den fürstlichen Geschenken herrührte, die er unter sie zu verteilen die Gewohnheit hatte – wurde denen, welche folgten, ein sehr verschiedener Empfang zuteil. Das Hurra und die anderen Ausrufungen der Freude und Begeisterung wurden in Zischen und widerwärtiges Geschrei verwandelt, als Sir Francis Mitchell, von zwei starken Söldnern unterstützt, erschien. Er konnte sich kaum aufrecht halten, als er von ihnen zu der Jolle geführt wurde, die in der Nähe der Treppe auf ihr wartete. Obwohl der Ritter von Kapitän Bludder und seinen Elsässern begleitet wurde, schienen doch mehrere von der Menge nicht geneigt, sich auf Zischen und höhnisches Zurufen zu beschränken, sondern bedrohten ihn mit rauer Behandlung. Sich ihm in den Weg stellend, drohten sie ihm mit den Fäusten und konnten nur mit Gewalt entfernt werden. Kapitän Bludder und seine brüllenden Söldlinge zeigten ihre wildesten Blicke, stießen ihre lautesten Flüche aus, drehten ihre struppigen Schnurrbärte und schlugen an ihre Schwerter, doch hüteten sie sich wohl, ihre Waffen zu ziehen, da sie wohl wussten, dass dies ein Signal zu einer Schlägerei sein und dass man sogleich den Ruf Knittel erheben werde.

Unter den Ersten, welche Sir Francis und seiner Begleitung in den Weg traten, befand sich ein junger Mann von gewandter Gestalt, hellen schwarzen Augen voll Lebhaftigkeit und Schelmerei, mit olivfarbigem Teint und zigeunerartigem Gesicht. Er trug eine eng anliegende braune Friesjacke mit steinernen Knöpfen und purpurrote Beinkleider. Sein Kopf war mit einer Reitermütze bedeckt, vorn mit einer Hahnenfeder versehen. Er war weder mit Schwert noch Dolch bewaffnet, sondern trug einen mächtigen Knittel, die wohlbekannte furchtbare Waffe der Londoner Lehrlinge, in deren Anwendung sowohl zum Fechten als zum Werfen sie außerordentlich geschickt waren. Selbst ein gewandter Fechter hatte einen schweren Stand bei ihnen. Außer diesem kühnen Burschen, den seine Kameraden Dick Taverner nannten, waren noch viele andere da, die, nach ihrer Kleidung und ihren Knitteln zu urteilen zu derselben Bruderschaft gehörten, das heißt, es waren Lehrlinge von Materialhändlern, Tuchhändlern, Bandhändlern, Kürschnern, Eisenhändlern, Goldarbeitern und anderen achtbaren Handwerkern und Gewerbetreibenden.

Dick Taverner hatte einen besonderen Groll gegen unsere beiden Erpresser, denn obwohl er selber als Lehrling eines Buchhändlers am St. Paulskirchhof wenig mit ihnen zu tun hatte, war er doch der Sohn eines Gastwirts – Simon Taverner im Kaisershaupt auf Garlick Hill – der erst kürzlich durch ihre übertriebenen Anforderungen zu Grunde gerichtet worden war, den man die Konzession genommen und das Haus geschlossen hatte – genug, um einen weniger kampflustigen Burschen als Dick, zu reizen, welcher gelobt hatte, das seinem Vater widerfahrene Unrecht bei der ersten Gelegenheit zu rächen. Nun schien die Veranlassung günstig und sie durfte nicht versäumt werden. Dick spielte an dem erwähnten Tag im Gang hinter den drei Kranichen mit einigen Kameraden Kegel und erfuhr von Cyprien, was vorgehe, worauf sich die Gesellschaft entschloss, an der Belustigung teilzunehmen. Sie versprachen dem Kellner, wenn es nötig sei, seine Herrin aus den Klauen ihrer Gegner zu erretten und diese von ihrem Gebiet zu vertreiben. Aber hinsichtlich ihrer waren ihre Dienste nicht erforderlich.

Zunächst entschlossen sie sich, Sir Francis Mitchell in die Themse zu tauchen.

Ihre Maßregeln wurden rasch und mit Vorsicht genommen. Aus einem bogenförmigen Torweg zur Seite des Gasthauses hervorkommend, stellten sich einige von ihnen in der Nähe desselben auf, während die größere Anzahl vor dem Haupteingang ihren Platz einnahm. Im Innern des Hauses wurden Spione aufgestellt, um die Verbindung mit Cyprien zu unterhalten, und Boten ausgeschickt, um die benachbarten Lehrlinge aus Queenhithe, Thames Street, Trinity Lane, Old Fish Street und Dowgate Hill herbeizurufen, sodass beständig neue Hilfstruppen ankamen. Buckingham nebst den jungen Edelleuten ließen sie natürlich frei passieren und begrüßten sie mit lautem Beifall; aber bald erfuhren die Lehrlinge von ihren Kundschaftern, dass Sir Francis herauskomme. Sie machten sich bereit, um ihn zu empfangen.

Völlig unbekannt mit seiner Gefahr erwiderte der betrunkene Ritter auf den Spott und die Drohungen, die an ihn gerichtet wurden, indem er mit den Fingern vor den Gesichtern seiner Gegner Schnippchen schlug und sie dadurch noch mehr reizte. Wenn er aber nicht um seine Gefahr wusste, so waren doch seine Begleiter nicht unbekannt damit und sie versuchten, ihn rasch mit sich fortzuziehen. Sich heftig ihren Anstrengungen widersetzend, versuchte er sich von ihnen loszumachen und hielt mehrmals an, bis er genötigt wurde, weiterzugehen. Als er an der Treppe ankam, wollte er nicht ins Boot steigen. Es erfolgte ein heftiger Wortwechsel zwischen ihm und seinen Begleitern. Viele Boote lagen am Ufer und ein Paar Barken waren ganz nahe. Die Bootsleute und Ruderer richteten sich in ihren Fahrzeugen empor und horchten mit großer Belustigung auf das, was vorging.

Hastig die Stufen hinuntersteigend, stellte sich Kapitän Bludder in die Nähe der für den Ritter bestimmten Jolle und rief den anderen zu, die Sache kurz zu machen und ihn herunterzubringen. In diesem Augenblick erteilte Dick Taverner, der als Anführer handelte, den Befehl zum Angriff und in weniger als zwei Minuten wurde Sir Francis von den Händen seiner Söldner denen der Lehrlinge überliefert. Um dies zu bewerkstelligen, war eine kräftige Anwendung von Knittel erforderlich und einige zerschlagene Schädel waren die Folge des Widerstandes, aber der Angriff war vollkommen gelungen. Die Söldner und Elsässer waren geschlagen, die Lehrlinge blieben Herren des Feldes und hatten den Gefangenen in ihrer Gewalt. Von Wut und Erstaunen betäubt, sah Kapitän Bludder zu. Einmal fiel es ihm ein, sein Schwert zu ziehen und an dem Kampf teilzunehmen. Dann aber bemerkte er, dass seine Leute geschlagen waren und entschloss sich zur Flucht. In dieser Absicht war er im Begriff, in die Jolle zu springen, als sein Vorhaben von Dick Taverner und einigen seiner kühnsten Kameraden verhindert wurde, welche die Stufen heruntersprangen und auf ihn zueilten. Der Kapitän hatte schon einen Fuß in der Jolle, und die Bootsleute, die ebenfalls erschrocken waren, versuchten abzustoßen, als die Verfolger in das Boot sprangen, sich der Ruder bemächtigten und Bludder an Händen und Füßen zappelnd in die Themse warfen, wo er bis an die Schultern einsank, im Morast stecken blieb und kläglich um Hilfe schrie.

Kaum hatten sich die Lehrlinge niedergesetzt, als Sir Francis Mitchell zu ihnen heruntergebracht wurde. Der arme Ritter, der nun die Gefahr bemerkte, worin er sich befand, brüllte ebenso lustig, wie der halb ertrunkene Kapitän, und ebenso vergeblich um Hilfe.

Dem Letzteren blieb es überlassen, für sich selber zu sorgen, aber der Erstere wurde zwanzig bis dreißig Klafter vom Ufer weggerudert, wo man einen starken Strick an seinen Gürtel band und ihn mit dem Kopf voran in den Fluss warf. Nachdem man ihn dreimal untergetaucht und ebenso oft wieder heraufgezogen hatte, schleppte man ihn wieder an Bord und ließ ihn zitternd und bebend in seinen nassen Kleidern im Hinterteil des Bootes sitzen. Das Bad hatte ihn völlig nüchtern gemacht. Er beklagte sich selber bitter und erklärte, wenn er nicht an der Erkältung sterbe, werde er während des Restes seiner Tage von Krämpfen und Rheumatismus geplagt werden. Er wagte nicht, Drohungen gegen seine Verfolger auszusprechen, doch gelobte er sich innerlich, sich an ihnen zu rächen, möge es kosten, was es wolle. Die Lehrlinge lachten über seine Klagen und Dick Taverner sagte ihm, da er das kalte Wasser nicht liebe, hätte er ihr Bier und ihren Wein verschonen sollen. Da er sich aber mit ihren Getränken und mit denen, die sie verkauft hatten, bemengt, so hätten sie ihm einen Geschmack von einem verschiedenen Getränk geben wollen, welches sie allen denen, die sich um ihre Belustigungen kümmerten und die Rechte des Publikums beeinträchtigten, kostenfrei verabreichen wollten. Dick fügte hinzu, sein letztes Untertauchen sei wegen der Aufhebung des Kaiserhaupts geschehen, und wenn es nach seinem Willen gegangen wäre, hätte er ihn mit einem Stein um den Hals unter dem Wasser gelassen.

Als die Maßregel der Wiedervergeltung geschehen war, näherten sich die Lehrlinge wieder der Treppe, wo sie landeten, nachdem sie den Bootsleuten gesagt hatten, die möchten den Ritter zu der Stellen hin rudern, die seiner Wohnung am nächsten sei, welchen Befehl Sir Francis unterstützte, da er weitere Beleidigungen fürchtete. Auch wollte er nicht warten, um Kapitän Bludder mitzunehmen, obwohl dieser ihn lebhaft anflehte, es zu tun, weil er vermöge seiner Anstrengungen immer tiefer in den Schlamm versank und sein bärtiges Kinn und seinen Mund nur eben über dem Wasser halten konnte. Dick Taverner hatte Mitleid mit ihm und warf ihm ein Ruder zu, welches dieser sogleich ergriff und ans Ufer gezogen wurde. Der Eisenfresser stellte einen kläglichen Anblick dar, denn seine unteren Glieder waren mit Schlamm bedeckt, während das Wasser von seinen Kleidern niederströmte wie vom Fell eines Hundes. Sein Hut war den Strom hinuntergetrieben und einen Stiefel hatte er im Morast stecken lassen, während seine lederne Jacke so durch nässt war, das sie wie ein nasser Handschuh an seiner Haut klebte.

Der Anführer der Lehrlinge überließ es ihm, seinen Mantel auszuwringen und seine Kleider zu trocknen, sammelte seine Streitkräfte, verteilte sie fast auf militärische Weise, stellte sich an ihre Spitze und marschierte auf das Gasthaus zu, wo sie ein lautes Geschrei aus stießen. Bisher war ihnen keine Unterbrechung begegnet. Im Gegenteil hatten die Bootsleute und Matrosen ihren Beifall zugerufen und die Menge am Ufer schien ihnen freundlich gesinnt. Aufgeregt von ihrem glücklichen Erfolg, schienen die kühnen Burschen geneigt, ihr Werk der Wiedervergeltung aufs Äußerste zu treiben und Sir Giles eine angemessene Strafe aufzuerlegen, nachdem sie von ihren Spionen erfahren hatten, dass noch niemand von der Begleitung des Wucherers herausgekommen sei. Sie hielten sich daher ihrer Beute gewiss und entwarfen einen Angriffsplan, als einer von den Spionen die Nachricht brachte, dass eine große Störung im Inneren vorgehe, weil ein junger Herr von Sir Giles und seinen Leuten verhaftet worden sei, und dass Madame Bonaventure augenblicklich ihre Gegenwart wünsche.

Als Dick Taverner dies hörte, rief er: »Zu Hilfe! Ihm zu Hilfe!«

Hierauf stürzte er ins Haus, und die Lehrlinge, welche laut sein Geschrei wiederholten, folgten ihm.

»Par ici, Messieurs! Par ici! Hierher, hierher!«, rief Cyprien, welcher ihnen im Gang begegnete. »Zur Kegelbahn, dort sind sie!«

Aber die Anweisungen des Gascogner waren kaum nötig. Das Schwertergeklirr würde die Lehrlinge schon zu dem Schauplatz des Kampfes geführt haben.