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Die Hexen von Forres – Kapitel 4

Die Hexen von Forres
Oder: Der unglückliche König Stuart Robert III. und seine Söhne
Eine wahre Schauergeschichte aus alter Zeit
Drittes Kapitel

Prinz Rothsay und sein Onkel

Drei Jahrhunderte waren bereits verflossen, seit dem die Hexen auf der Ebene von Forres so entsetzlich gehaust hatten. Nur hie und da ein Großvater wusste seinen Enkeln noch manches Schauerliche aus jenen Zeiten zu erzählen. Da schritt eines Tages – es war ein herrlicher Septembernachmittag – ein Jüngling von hohem, schlankem Wuchs, mit blondem, lockigem Haar und großen, blauen Augen traurig und nachdenkend in den nämlichen Wald, aus welchem Macbeth und Banquo, wie eingangs erzählt, gekommen waren, wo die Hexenschar sie begrüßte. Seine Gesichtszüge waren schön und edel, aber, man merkte es auf den ersten Blick, es lag ein tiefer Kummer in denselben. Wenn auch der Bogen, welchen er auf dem Rücken trug, vermuten ließ, dass er um der Jagd willen hierhergekommen war, so konnte man doch auch bald erkennen, dass innerer Gram ihn schwer darnieder drückte und er nur herausgegangen war, um in der Stille des Waldes denselben zu bejammern oder zu verscheuchen. Hirsche und Rehe sprangen oftmals in nächster Nähe an ihm vorüber, ohne dass er sie nur eines Blickes gewürdigt hätte. Als er sich auf einen morschen Baumstamm ermüdet niederließ und sein Haupt kummervoll in die Hände stützte, bemächtigte sich seiner ein namenloses inneres Weh. Manch schmerzlicher Seufzer entrang sich seiner Brust und gar manches Mal wollte er sich erheben und forteilen, sank aber unwillkürlich wieder zurück. Dieser Jüngling, welchen der Schmerz buchstäblich zu Boden drückte, war kein anderer als der erstgeborene Prinz des Königs Robert III. von Schottland, des ersten Fürsten aus dem Haus der Stuarts, sodass sich also an ihm die Weissagung erfüllte, welche die Hexen von Forres dem Banquo gegeben hatten.

Robert III. war ein gutmütiger, liebenswürdiger Mann und hatte alle Eigenschaften, welche ihn angenehm und beliebt machen konnten bei den Menschen; nur zum Regenten war er nicht geboren. Statt daher selbst die Zügel der Regierung zu führen, überließ er dieselben seinem ehrgeizigen Bruder Albany, indem er glaubte, dass er auf dessen Redlichkeit am besten bauen dürfe. Aber Albany sah sich noch kaum im Besitz der Gewalt, als er bereits den ruchlosen Plan im Herzen hegte, seinen nichts Böses vermutenden Bruder mit dessen beiden Söhnen des Thrones zu berauben und sich selbst auf denselben zu setzen.

Weil, wie schon gesagt, Robert nicht scharfsinnig genug und viel zu wenig argwöhnisch war, so hatte er auch so lange die verräterischen Pläne seines Bruders nicht durchschaut, bis es schon zu spät war.

Rothsay allein, so hieß der erstgeborene Sohn Roberts III., geweckter an Geist wie sein Vater, erkannte vom ersten Augenblick an die Falschheit und Tücke Albanys, und so war es auch nur dieser, welchen Albany bei der Ausführung seiner Pläne zu fürchten hatte; denn das sah er wohl ein, dass ihm Rothsay mit einem Schlag alle seine Intrigen durchkreuzen könnte.

Der verräterische Schuft war indessen schnell entschlossen. Rothsay, der erstgeborene Prinz, musste um jeden Preis entfernt und aus dem Weg geräumt werden. Und Rothsay, der sonst so schlaue Rothsay, war unklug genug, sich demjenigen gegenüber, welchen er als seinen ärgsten Feind hatte kennen gelernt, manche Blöße zu geben und den Absichten desselben durch sein leichtfertiges Betragen in die Hand zu arbeiten.

Anstatt mit aller Aufmerksamkeit alle Handlungen eines Oheims zu verfolgen und ihn auf allen Wegen zu beobachten, stürzte er sich unbegreiflicher Weise in alle Vergnügen und ließ allen seinen Leidenschaften die Zügel schießen. Mit höllischer Freude bemerkte Albany das Lasterleben seines Neffen, indem er dasselbe zu dessen Untergang und Sturz verwenden wollte.

Mit scheinheiliger Heuchlermiene ging er daher zu Rothsays Vater, seinem Bruder Robert III., und machte diesem ernstliche Vorstellungen über die gräulichen Ausschweifungen des Prinzen, der ein Leben führe, an dem ganz Schottland Ärgernis nehme, so zwar, dass mehrere Große des Reiches erklärt hätten, so einen Prinzen nach des Vaters Tod nie als König anerkennen zu wollen.

»Um nun dieses entsetzliche Unglück von dir und deiner Familie abzuwenden«, fügte der elende Heuchler bei, »denn Gott weiß, wie sehr mir dein und deiner Söhne Wohl am Herzen liegt, wollte ich dir den gutgemeinten Vorschlag machen, den unbesonnenen Prinzen an eine brave, ernste Jungfrau zu verheiraten. Und welche bessere und seines königlichen Ranges würdigere Braut könntest du finden, als die holde Tochter des Grafen von Douglas, des Mächtigsten deines Reiches, um so zugleich dir und deinem Haus einen starken Freund in der Not zu erwerben!«

Robert war hoch erfreut über diesen brüderlichen Rat, wie er ihn nannte, weil er meinte, ein jeder müsste es ebenso gut mit ihm und seinen Söhnen meinen, wie er mit seinem Nebenmenschen. Er hatte ein viel zu argloses Herz.

Albany aber wusste, warum er dem Rothsay eine Douglas zur Braut bestimmte. Denn abgesehen davon, dass dem Prinzen von jeher verhasst war, was Douglas hieß, hatte dieses ihm zur Braut bestimmte Fräulein so wenig von einer anziehenden weiblichen Schönheit und einem liebenswürdigen gewinnenden Herzen, was den Prinzen an sie hätte fesseln können, dass man versucht war, sie mehr für eine Furie, denn für ein Wesen des schönen Geschlechtes zu halten.

Kein Wunder also, dass Rothsay im höchsten Zorn entbrannte, als er vernahm, wie ihm sein königlicher Vater die Douglas zur Gemahlin bestimmt und ihn gleich einem Stück Vieh hingegeben habe, um Albanys Wunsch zu entsprechen und seinen Interessen Rechnung zu tragen.

»Albany, niedriger Schurke!«, rief er zu zehn Malen, »deine Rache ist furchtbar und deine Pläne sind gut ausgedacht, aber ich will sie zerreißen wie ein Spinnengewebe.« Im selben Augenblick noch setzte er sich an sein Schreibpult und schrieb folgende Zeilen an den Grafen Douglas:

Graf Douglas!

Wie ich erfahren habe, bin ich verurteilt, Eure Tochter als Gemahlin heimzuführen. Ich weiß es, dass ich mich dem Willen meines Vaters und Königs werde fügen müssen und dass Sträuben Unsinn und Torheit wäre. Aber hört, was ich von den Douglas denke, und dann schickt mir, wenn Ihr noch Lust habt, Euer sanftes Täubchen. Ich verachte die Douglas als falsche Katzen und hasse sie, wie man

Feinde nur hassen kann. Eure eulenäugige Tochter werde ich heiraten, weil ich muss, lieben aber werde ich sie nie, sondern hassen, unsterblich hassen, wie jeden Douglas.

Rothsay.

»So«, sprach er darauf lächelnd zu sich selbst, »wollen wir sehen, ob der Graf noch gesonnen ist, mich als seinen Schwiegersohn zu erwählen und mich an seinen Teufel in Weibergestalt zu binden.«

Siegesfroh schickte er selben Tag noch einen reitenden Boten an Douglas mit diesem herausfordernden Schreiben.

Törichter hätte Rothsay nicht handeln können, denn nun machte er sich auch noch die Douglas zu offenbaren Feinden. So konnte sein Untergang nicht lange auf sich warten lassen.

Graf Douglas war rasend vor Zorn, als er Rothsays Brief durchgelesen hatte. Seine Stirn wurde blutrot, seine Augen sprühten Feuer, sein Puls verdoppelte sich an Kraft und Schnelligkeit. So zitternd vor Zorn und die Zähne krampfhaft aufeinander gebissen, durchmaß er mit langen Schritten sein Zimmer, bis er fluchend in die Worte ausbrach: »Ha, Bube, du sollst mir diesen Schimpf büßen, und soll der ganze Thron darüber in Trümmer gehen und ganz Schottland in Blut gebadet werden. Man soll erfahren, was es heißen will, einen Douglas zu beleidigen, und sollte der Frevler selbst der König sein!«

Stehenden Fußes begab er sich zum Herzog Albany und legte ihm den Brief des Prinzen vor. Ha, wie lachte der boshafte Albany in seinem Inneren, als er diese Zeilen las! So hatte er es gewollt und nicht anders erwartet. Bis auf diesen Punkt wollte er seinen Neffen treiben. Nun hatte er Grund, mit aller Strenge und Rücksichtslosigkeit gegen den unglücklichen Prinzen vorzugehen. Nun war die Zeit zum Handeln gekommen. Rothsays Untergang war entschieden. Der erbärmliche Schurke fand nicht Worte genug, um dem Douglas gegenüber die Entrüstung über diesen ungezogenen Streich des Prinzen auszudrücken und doch hatte er selbst den Prinzen bis zu diesem Schritt gedrängt. Sogleich führte er den Grafen zum König und stellte ihm alles in viel grellerem Licht dar, als die Sache sich wirklich verhielt. »Doch«, so schloss der niederträchtige Heuchler und Lügner, »was läge am Ende dem Grafen an diesen wenigen Zeilen. Er sieht darin nur einen Bubenstreich, wie deren der Prinz schon mehrere vollbracht hat. Wie könnte er auch etwas Besseres erwarten von einem Prinzen, der sich selbst nicht scheut, sich mit dem Gedanken zutragen, seinen eigenen Vater vom Thron zu stoßen und die Krone an sich zu reißen. Ja, teurer Bruder, du weißt es, wie ich dich liebe, und Gott verzeihe mir, dass ich es sein muss, welcher dir diese Trauerkunde bringt. Dein eigener Sohn steht im Begriff, ein Heer zu sammeln und es gegen deine Hauptstadt, wo er bereits alles durch seine ungeheure Verschwendung für sich gewonnen hat, heranzuführen. Säume nur noch einen Tag und lass den günstigen Augenblick vorübergehen, dann schreitet dein geliebter und verhätschelter Rothsay mit seinen wilden Horten über deinen Leichnam zum Thron hinauf.« So sprach der ausgeschämte Bösewicht und der Graf Douglas stimmte ihm bei, obwohl er von der Unwahrheit der Aussage Albanys überzeugt war, aber er hatte an Albany einen Gehilfen für seinen Racheplan gegen Rothsay gewonnen und rächen wollte er sich an Rothsay um jeden Preis für den ihm an getanen Schimpf.

Der König war ganz betroffen über diese furchtbare Anklage gegen seinen Sohn und verfügte die Gefangensetzung des Prinzen, mehr um sich dem Grafen Douglas und seinem Bruder gefällig und gefügig zu beweisen, sondern weil er etwa glaubte, dass sein Sohn wirklich so eines schändlichen Vergehens gegen ihn, seinen Vater, fähig wäre.