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Die Sternkammer – Band 1 – Kapitel 7

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 1
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Wie Lord Roos Sir Francis Mitchells Unterschrift erhielt.

»Was, mein Fürst, der Wucherer«, rief Lord Roos in scherzendem Ton, »mein würdiger Geldverleiher, der niemals mehr als hundert Prozent Zinsen nimmt und mit weniger nicht zufrieden ist; der niemals mehr fordert, als die Verschreibung verspricht – wenn nicht mehr zu haben ist; der nie einen harten Handel mit einem bedürftigen Mann macht, wie er selber sagt; der nie einen Schuldner verfolgt, wie die Gefängnisse beweisen können; der gerecht ist in all seinen Verhandlungen – wie jeder bezeugen wird, der nur einmal mit ihm zu tun gehabt hat; und der nicht lügt und betrügt, wie andere Wucherer dies tun.«

»Ihr beliebt zu scherzen, Mylord«, entgegnete Sir Francis.

»Gewiss«, sagte Lord Roos, »denn ich achte Euch wegen Eurer seltenen Eigenschaften. Ich kenne nicht Euresgleichen an List und Schurkerei. Eure boshaften Pläne sind so gut ausgedacht, dass sie beweisen, dass Ihr eine große Anlage zum Schurken habt. Gewissensskrupel habt Ihr keine und Rücksichten und Gefühle, welche weniger verhärtete Männer als Ihr möchten bewegen können, haben keinen Einfluss bei Euch. Einen Menschen zu Grunde zu richten, ist für Euch bloßer Zeitvertreib, und das Seufzen der Unterdrückten ist Musik für Eure Ohren!«

»Aha! Ein guter Scherz! Ihr seid immer sehr spaßhaft, wenn Ihr mit mir redet, Mylord.«

»Ja, als ich Geld von Euch borgte, aber nicht, als ich es zwei Mal zurückzahlen musste. Damals lachte ich nicht, sondern war töricht genug, Euch zu drohen, Euch das Leben zu nehmen. Mein Zorn ist jetzt vorüber. Aber wir müssen miteinander trinken – einen kräftigen Toast.«

»Nach Eurer Herrlichkeit Belieben«, versetzte Sir Francis.

»Cyprien eine Flasche Wein und deinen größten Becher«, rief Lord Roos. »Es ist gut! Nun schenkt ein. Tut mir Bescheid in diesem Becher, Sir Francis!«

»Was! In diesem mächtigen Becher, Mylord?«, versetzte der Ritter. »Nein, es ist zu viel für mich. Wenn ich betrunken werde, liegt die Sünde vor Eurer Tür.«

»Hinunter damit, ohne Weiteres! Und möge der Toast sein, was Ihr treibt: Plünderung und Erpressung!«

»Den Toast kann ich nicht trinken, Mylord. Ich werde daran ersticken.«

»Zum Henker! Schurke, Ihr sollt es oder Ihr werdet nie einen Tropfen Wein mehr trinken. Hinunter damit! Und nun Eure Unterschrift unter dieses Papier!«

»Meine Unterschrift!«, rief Sir Francis, von der Wirkung des Weines taumelnd. »Nein, Mylord, ich kann nichts unterzeichnen, was ich nicht gelesen habe. Was ist es?«

»Ein weißes Blatt Papier«, versetzte Lord Roos. »Ich will es später ausfüllen.«

»Dann muss ich es verweigern, Mylord – das heißt, ich lehne es ab – das heißt, ich möchte es lieber nicht, wenn es Eurer Herrlichkeit belieben möchte.«

»Aber meiner Herrlichkeit beliebt es anders. Gebt ihm Feder und Tinte und setzt ihn an den Tisch.«

Dies geschah und Sir Francis sah das Papier mit verschwommenen Augen an.«

»Nun schreibt Euren Namen dort unten auf das Blatt«, rief Lord Roos.

»Dies ist Zwa… Zwa… Zwang, und ich pro… pro… protestiere dagegen.«

»Unterzeichnet, sage ich!«, rief der junge Edelmann, gebieterisch auf den Tisch schlagend.

Hierauf schrieb Sir Francis seinen Namen auf die angedeutete Stelle.

»Genug!«, rief Lord Roos, ihm das Papier entreißend. »Dies ist alles, was ich wollte. Nun setzt ihn auf den Tisch, damit sein Kumpan ihn sogleich sehen möge, wenn er ankommt. Es wird ihm einen Vorgeschmack von dem verleihen, was er selber zu erwarten hat.«

»Was wollt Ihr, Schur… Schurken? Dies ist eine Be… Behandlung, der ich mich nicht unterwerfen werde«, rief Sir Francis, der nun zu weit weg war, um Widerstand zu leisten.

Es fand sich ein lederner Gürtel, womit man ihn an den Stuhl festband, um ihn zu verhindern herunterzugleiten. In diesem Zustand wurde er auf den Tisch gehoben und mit dem Gesicht zur Tür gesetzt. Er erschien völlig wie das Bild der Trunkenheit, indem sein Kopf sich auf die eine Seite neigte, seine Arme nutzlos niederhingen und seine dünnen Beine sich untätig ausstreckten. Nachdem er einige unzusammenhängende Entgegnungen gemacht hatte, verstummte er gänzlich und schien eingeschlafen zu sein. Seine Erhebung wurde von der ganzen Gesellschaft mit lautem Gelächter begrüßt.

Wenige Minuten nach diesem Vorfall und nachdem die Gäste kaum einen Becher geleert hatten, hörte man eine laute und gebieterische Aufforderung an der Tür. Das Geräusch erweckte selbst den armen Trunkenbold auf seinem Stuhl, der seinen Kopf erhob und mit leeren Augen um sich blickte.

»Lasst die Tür öffnen«, rief dieselbe gebieterische Stimme, welche vorher die Tür zu schließen befohlen hatte.

Der Befehl wurde befolgt, und bei tiefem Schweigen, welches plötzlich auf das Klirren der Gläser und die Ausdrücke der Heiterkeit folgte, trat Sir Giles Mompesson, von einer Söldnerschar begleitet, herein.

Schwarz gekleidet, wie es seine Gewohnheit war, einen Samtmantel um seine Schultern und einen langen Degen an der Seite, kam er mit gemessenem Schritt und sicherem Benehmen näher. Obwohl er notwendig von der Gesellschaft, die er dort fand, überrascht sein musste, da sie so viel zahlreicher und glänzender war, als er hatte erwarten können, so zeigte er doch keine Verlegenheit. Sein rasches Auge entdeckte Sir Francis sogleich. Er erriet augenblicklich, warum der arme Ritter auf so skandalöse Weise behandelt worden sei, aber er gab kein Missfallen zu erkennen und nahm keine Notiz von dem Umstand, den er zu berücksichtigen dachte, wenn sein erstes Geschäft beendet sei. Sein Gesicht möchte sich noch verdunkelt haben, aber es war schon so streng und düster, dass keine Veränderung daran zu erkennen war, wenn nicht vielleicht in den sprühenden Blicken, die er um sich warf, als suche er jemand, den er sogleich wegen der Beleidigung zur Rechenschaft ziehen könne. Aber niemand schien bereit, auf die Herausforderung zu antworten. Obwohl kühn genug, ehe er kam, und prahlend, was sie tun wollten, sahen alle erschrocken aus bei seiner Gegenwart und wendeten ihren Blick von ihm ab. Der Mann hatte in der Tat etwas so Furchtbares, dass es mehr eine Sache der Klugheit als der Feigheit war, einen Streit mit ihm zu vermeiden. Bei gegenwärtiger Gelegenheit wollte ihn niemand zuerst reizen, denn jeder verließ sich auf seinen Nachbarn, dass er den Angriff beginnen werde oder erwartete den allgemeinen Ausbruch.

Eine Ausnahme gab es indessen, und das war Jocelyn Mounchensey, welcher den forschenden Blicken des Sir Giles begegnete, anstatt denselben auszuweichen.

Als des Ritters Adlersauge die Tafel überschaute und auf ihn fiel, stand der junge Mann, ungeachtet der Bemühungen seines friedlichen Nachbarn in dem Pelzrock, ihn zurückzuhalten, plötzlich auf, drückte alle Verachtung und allen Trotz, die ihm zu Gebote standen, in seinem Gesicht aus und erwiderte Mompessons Blick mit einem ebenso wilden und drohenden Blick.

Ein bitteres Lächeln verzog die Lippe des Sir Giles bei dieser Erwiderung seiner Herausforderung und er sah den jungen Mann starr an, als wollte er die Züge desselben seinem Gedächtnis einprägen. Vielleicht erinnerten sie ihn an Mounchenseys Vater, denn Sir Giles wendete auf eine Sekunde seinen Blick ab, um nachzudenken, und sah dann Jocelyn wieder mit frischer Neugierde an.

Wenn er irgendeinen Zweifel hegte, wen er vor sich habe, so wurde derselbe durch Sir Francis entfernt, welcher hervorstotterte: »Er ist es, Sir Giles – es ist Jocelyn Mounchensey.«

»Ich dachte es mir«, murmelte Sir Giles. »Einen Augenblick, junger Mann«, rief er, eine gebieterische Bewegung mit der Hand machend, »Ihr werdet auch sogleich an die Reihe kommen.«

Und ohne weiter auf Jocelyn zu achten, der allen Bitten seines Nachbarn, sich niederzusetzen, widerstand, näherte sich Sir Giles der Mitte des Zimmers, wo er stehen blieb und seinen Hut abnahm, da er bisher bedeckt gewesen war.

In dieser Stellung sah er einem Großinquisitor, von seinen Söldnern begleitet, ähnlich.