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Die Büffeljäger am Lagerfeuer – Kapitel 15

Thomas Mayne Reid
Die Büffeljäger am Lagerfeuer
Reisebilder und Naturschilderungen aus dem Westen
Verlag Schmidt & Spring. Stuttgart.1858

Fünfzehntes Kapitel

Ein Abenteuer auf der Entenjagd

Während der folgenden Tagereise stießen wir wieder auf mehrere Züge wilder Tauben und erneuerten aus ihnen unsere Vorräte. Wir waren recht froh darüber, denn des trockenen, gesalzenen Schweinefleisches wurden wir nachgerade überdrüssig. Eine Wiederholung des Taubenfrikassees aus Lantys Küche erschien uns ganz willkommen.

Auf dem Marsch hatten wir auch einen Flug der schönen kleinen Sommerenten angetroffen und das Glück gehabt, mehrere derselben zu schießen. Diese kleinen Tiere lenkten unsere Aufmerksamkeit auf die berühmten sogenannten Kanevas-Enten.

Von den zwei Dutzend Arten der amerikanischen wilden Enten genießt keine eine größere Berühmtheit, wie die Kanevas-Ente. Selbst die Eidergans findet weniger Beachtung, da sich die Amerikaner wenig aus Daunenbetten machen; aber das wohlschmeckende, würzige Fleisch der Kanevas-Ente wird von sämtlichen Klassen des Volkes geschätzt, und zwar höher als alles andere Geflügel, mit Ausnahme vielleicht des Reisvogels und des Präriehuhns. Dieses Letztere genießt eine fast gleiche Berühmtheit, findet sich jedoch nur im Westen, während die Kanevas-Ente an den amerikanischen Küsten des ganzen Atlantischen Ozeans vorkommt.

Die Kanevas-Ente ist kein großer Vogel, da sie selten mehr als drei Pfund wiegt. In der Farbe gleicht sie sehr der gewöhnlichen wilden Ente in Europa. Ihr Kopf ist gleichförmig dunkel-kastanienbraun und die Brust schwarz, während der Rücken und die obere Seite der Flügel eine blaugraue Oberfläche zeigen, die so gestreift und gefleckt ist, dass sie einigermaßen dem Gewebe des Kanevas gleicht, wovon der Name des Vogels herrührt. Die Kanevas-Ente ist, wie die meisten amerikanischen Wasservögel, ein Zugvogel. Sie begibt sich im Frühling nach den kalten Gegenden des Hudson Bay-Gebietes und kehrt im Oktober nach Süden zurück, wo sie in ungeheuren Zügen längs den Ufern des Atlantischen Ozeans erscheint. Sie verbreitet sich nicht über die Süßwasserseen der Vereinigten Staaten, sondern beschränkt sich auf drei bis vier wohlbekannte Plätze, deren vorzüglichster die große Chesapeak Bay ist. Diese Vorliebe für die Chesapeak Bay erklärt sich leicht dadurch, dass sie hier ihre Lieblingsnahrung in der größten Menge vorfindet. Rings um die Mündungen der Flüsse, welche sich in diese Bucht ergießen, gibt es breite Untiefen mit brackigem Wasser, welche das Wachstum einer gewissen Pflanze aus dem Geschlecht der Vallisnerien begünstigen, ein grasartiges Gewächs mit dunkelgrünen Blättern und Stängeln, das mehrere Fuß hoch aus dem Wasser hervorsteht und eine zarte weiße Wurzel hat. Von dieser Wurzel, welche einen sellerieähnlichen Geschmack besitzt und deshalb auch wilder Sellerie genannt wird, ernährt sich die Kanevas-Ente ausschließlich, denn wo sich dieselbe nicht vorfindet, zeigt sich auch der Vogel nicht. Die Ente taucht nach derselben unter, bringt sie im Schnabel mit herauf und bricht die langen, lanzettförmigen Blätter ab, welche davonschwimmen, um entweder von einer anderen Art wilder Enten verzehrt zu werden oder ungeheure Trümmerbänke zu bilden, welche auf das umliegende Gestade gespült werden.

Der Wurzel des wilden Sellerie verdankt das Fleisch der Kanevas-Ente seinen geschätzten Wohlgeschmack, der eine solche Nachfrage nach ihnen veranlasst, dass ein Paar auf den Märkten von New York und Philadelphia nicht selten mit drei Dollar bezahlt wird. Da man den schönsten Truthahn für weniger als den dritten Teil dieses Preises haben kann, so kann man sich einen ungefähren Begriff von der Wertschätzung machen, in welchem diese schwimmfüßigen Lieblinge der Amerikaner stehen. Die Jagd der Kanevas-Ente wird natürlicherweise nicht allein zum Vergnügen, sondern auch als Erwerbszweig in großer Ausdehnung getrieben. Man wendet verschiedene Mittel an, sich ihrer zu bemächtigen: Lockung mit Hunden, Entenboote mit einer Art von Höllenmaschinen aus Flintenläufen und dann Verkleidungen aller Art. Die Vögel sind übrigens außerordentlich scheu. Nur durch großen Scharfsinn und wirkliche Kunstgriffe gelangt man zum Schuss auf sie. Als ausgezeichnete Taucher bewerkstelligen sie fast stets ihre Flucht, wenn man sie nur verwundet. Ihre Furchtsamkeit wird nur von ihrer Neugierde noch überwogen. Ein Hund, den man am Ufer in ihrer Nähe aufstellt und der abgerichtet ist, fortwährend hin und her zu laufen, wird sie fast stets auf Schussnähe heranlocken. Wenn es dem Hund allein nicht gelingen sollte, so bringt ein um seinen Körper gewickelter oder an seinen Schwanz gebundener roter Lappen desto sicherer die gewünschte Wirkung hervor. Zu Zeiten jedoch, wo die Enten sehr stark gejagt worden sind, bleibt selbst diese Lockung zuweilen unwirksam.

Infolge des hohen Preises der Kanevas-Enten auf den Märkten werden sie von den Jägern mit großem Eifer verfolgt und als eine Quelle ansehnlichen Gewinnes betrachtet.

Mir war einst ein merkwürdiges Abenteuer bei der Entenjagd auf der Chesapeak Bay zugestoßen. Ich verweilte nämlich einige Tage in dem Haus eines Freundes, eines Pflanzers, der in der Nähe der Mündung eines Flüsschens wohnte, welches sich in die Chesapeak Bay ergießt. Ich trug das Verlangen danach, einen Schuss auf die weitberühmten Kanevas-Enten zu tun, da ich wohl oft schon von diesen Vögeln gegessen, aber noch nie einen geschossen und sie überhaupt noch nicht im Naturzustand gesehen hatte. Deshalb verlangte es mich danach, meine Geschicklichkeit an ihnen zu versuchen. Ich machte mich demzufolge eines Morgens in dieser Absicht auf den Weg.

Mein Freund wohnte am Ufer des Flusses, aber in einiger Entfernung über der Fluthöhe. Da der wilde Sellerie nur in brackigem Wasser wächst, d. h. weder im salzigen Meer selbst noch auch in den Süßwasserflüssen, so musste ich auf dem Flüsschen eine Meile oder darüber abwärtsfahren, ehe ich an die richtige Stelle gelangte, wo die Enten zu finden sein sollten. Ich fuhr in einem kleinen Nachen, ohne anderen Begleiter als einen hässlichen Köter, welchen man mir als einen der besten Entenhunde bezeichnet hatte.

Mein Freund war anderwärts beschäftigt und konnte mich deshalb an diesem Tag unglücklicherweise nicht begleiten; aber da ich den Ort einmal kannte und mit den meisten Listen der Entenjagd vertraut war, glaubte ich vollkommen imstande zu sein, die Sache auch allein durchzuführen. Indem ich mich abwechselnd vom Wasser treiben ließ und ruderte, erblickte ich bald die Bucht und die wilden Selleriefelder sowie einen Flug von Wasservögeln verschiedener Gattung, unter welchen ich gewöhnliche wilde Enten, Kanevas-Enten und den gemeinen amerikanischen Rothals erkennen konnte. Ich suchte mir in der Nähe der Flussmündung einen geeigneten Platz zum Landen, band den Kahn an einem Zweig fest und suchte mir ein Versteck. Dieses war bald hinter einigen Büschen gefunden. Als ich meine Stellung eingenommen hatte, schickte ich den Hund ans Geschäft. Das Tier nahm jedoch wenig Notiz von meinen ermunternden Worten und Gebärden. Er sah wild und erschrocken aus; aber ich schrieb dies dem Umstande zu, dass ich ihm noch fremd war, und hoffte, dass er anders arbeiten würde, sobald wir nur erst besser miteinander bekannt wären. Hierin täuschte ich mich jedoch, denn er war nicht zu bewegen. Ich mochte tun, was ich wollte, weder an das Wasser zu gehen noch auch seine Geschicklichkeit im Hin- und Herlaufen in Ausübung zu bringen. Er kroch vielmehr nahe bei mir in das Gebüsch und schien völlig abgeneigt zu sein, dasselbe wieder zu verlassen. Ich zog ihn zwei bis drei Mal heraus und schickte ihn nach dem Wasser zu; aber er eilte immer wieder zurück und verbarg sich in das Unterholz.

Ich war höchst ärgerlich über dieses Benehmen des Hundes, und zwar umso mehr, da ein Flug von mehreren tausend Kanevas-Enten nicht weiter als eine halbe Meile vom Ufer auf dem Wasser saß. Wenn mein Hund seine Schuldigkeit getan hätte, so wären sie ohne Zweifel in Schussnähe gelockt worden, und im Vertrauen hierauf hatte ich mir auf einen guten Schuss Rechnung gemacht. Meine Erwartungen wurden jedoch durch den Eigensinn des Hundes getäuscht. Ich sah bald ein, dass nichts mit ihm anzufangen sein würde.

Als ich nach einigen unnütz verschwendeten Stunden zu keinem Schuss kam, verließ ich meinen Anstand und kehrte zum Kahn zurück. Ich kümmerte mich nicht darum, ob der erbärmliche Köter mir folgte; aber ohne Aufforderung trabte er von selbst hinter mir her und sprang aus freien Stücken in den Nachen. Ich war über das Tier so aufgebracht, dass ich anfänglich große Neigung verspürte, es wieder hinauszuwerfen.

Mein Ärger verschwand jedoch allmählich und ich stellte mich im Kahn aufrecht, um zu überlegen, welches Verfahren ich nun zunächst einschlagen sollte. Ich blickte zu den Kanevas-Enten aus — ein sehr verlockender Anblick, denn sie saßen leicht wie Korkstücken auf dem Wasser und hielten sich so dicht beisammen, wie es ein Jäger zum Schuss nur wünschen konnte.

Eine gut gezielte Ladung hätte nicht verfehlen können, wenigstens zwanzig von ihnen zu töten.

Gab es denn gar kein Mittel, sich ihnen zu nähern?

Diese Frage hatte ich mir nun schon zum zwanzigsten Mal vorgelegt, ohne eine befriedigende Antwort darauf zu finden. Endlich schoss mir, wie ich glaubte, ein glücklicher Gedanke durch den Kopf. Häufig schon hatte ich mich der gemeinen wilden Ente in der Weise genähert, dass ich mein Boot unter Zweige verbarg und dann, entweder vom Wind oder von der Strömung getrieben, auf sie zu schwamm. Die nämliche List konnte vielleicht auch bei den Kanevas-Enten gelingen. Ich beschloss, den Versuch zu machen, da sich die Vögel in einer Stellung befanden, welche dies füglich gestattete. Sie saßen auf der Windseite eines Vallisnerie-Feldes. Der Wind sollte nun meinen Kahn auf dasselbe zutreiben. Ich hoffte, dass die grünen Büsche, mit welchen ich den Nachen zu bedecken beabsichtigte, von dem gleichfalls grünen Feld nicht zu unterscheiden sein würden. Die Sache war ausführbar, wenigstens hielt ich sie dafür.

Sofort machte ich mich daran, einige belaubte Zweige abzuschneiden und um den Rand meines kleinen Fahrzeuges herum zu befestigen. Nach weniger als einer halben Stunde war ich damit fertig. Als ich den Kahn vom Ufer abstieß, konnte ihn aus der Entfernung niemand für etwas anderes als eine kleine, grüne, schwimmende Insel halten.

Ich ruderte nun ruhig weiter, bis ich nur etwa noch eine halbe Meile weit von dem Entenschwarm entfernt war. Nun zog ich die Ruder ein und ließ den Kahn unter dem Wind dahintreiben, wobei ich die Vorsicht beobachtete, mich niederzukauern und vollständig zu verbergen, während ich doch zwischen den Zweigen hindurch die Sicht auf das Wasser nach allen Seiten hin frei behielt. Die Zweige fingen den Wind, wie Segel. Ich sah mich bald zwischen die wilden Selleriepflanzen hinabgetrieben. Anfangs fürchtete ich, dass diese mein Vorwärtskommen hindern würden, weil der Wind nicht sehr stark wehte; doch die Pflanzen standen gerade an dieser Stelle ungewöhnlich dünn. Ich bemerkte zu meiner Genugtuung, dass ich mich, wenn auch langsam, in der beabsichtigten Richtung vorwärtsbewegte.

Ich erinnere mich, dass mir nun die Hitze lästig fiel. Wir befanden uns zwar im Monat November, aber noch war der sogenannte indianische Sommer nicht vorüber und die Hitze ungewöhnlich stark. Das mich einschließende Laub hielt jedes kühlende Lüftchen von meinem Körper ab und die Strahlen der Mittagssonne fielen fast senkrecht auf mich nieder und rösteten mich, während ich auf dem Grund des Bootes ausgestreckt lag. Unter andern Umständen würde ich eine solche Sonnenglut wohl nicht geduldig ertragen haben; aber mit der Aussicht auf einen prächtigen Schuss ertrug ich es eben, so gut ich konnte.

Der Kahn brauchte fast eine Stunde für seinen Weg durch das Vallisneriefeld. Ein paar Mal blieb er sogar geraume Zeit lang völlig regungslos. Dann jedoch erhob sich wohl wieder ein stärkerer Wind, und das Anstreifen der Pflanzen an den Seiten des Bootes benachrichtigte mich, dass es wieder besser vorwärts ging. Endlich bemerkte ich zu meinem großen Vergnügen, dass ich mich dem Rand des Feldes näherte und dass die Vögel sogar mir entgegenkamen. Viele von ihnen tauchten und schwammen in der Richtung auf meinen Kahn zu.

Ich lag ruhig, beobachtete sie mit Aufmerksamkeit und bemerkte bald, dass die Kanevas-Enten von einem anderen sehr verschieden gefärbten Vogel begleitet wurden, nämlich von dem amerikanischen Rothals. Es gewährte einen fesselnden Anblick, den Krieg mit anzusehen, welcher zwischen diesen beiden Arten von Vögeln fortwährend geführt wurde. Der Rothals zählt nur zu den mittelmäßigen Tauchern, während die Kanevas-Ente zu den besten gehört. Gleichwohl liebt jedoch der Rothals die Wurzeln des wilden Sellerie nicht weniger als jene, obgleich er kein anderes Mittel zu ihrer Erlangung hat als die Beraubung der Enten. Da er ein kleinerer und minder kräftiger Vogel ist, so kann er nicht offene Gewalt anwenden, und merkwürdig war es, die Art und Weise zu beobachten, wie er doch seinen Zweck erreichte. Dies geschah in folgender Weise. Wenn die Kanevas-Ente untertaucht, so muss sie notwendigerweise eine Zeitlang unter dem Wasser verweilen, um die Pflanze zu packen und mit der Wurzel auszureißen. Infolgedessen kommt sie gewöhnlich in einem Zustand halber Blindheit an die Oberfläche zurück, indem sie den köstlichen Bissen im Schnabel hält. Der Rothals hat sie mittlerweile untertauchen sehen und macht sich, indem er ganz genau den Ort berechnet, wo sie wieder erscheinen wird, zu ihrem Empfang bereit. Im Augenblick, wo sie auftaucht, und noch ehe sie recht wieder zur Besinnung gelangen kann, eilt der behände Räuber herbei, packt den Sellerie mit seinem Schnabel, entreißt ihn der Ente und fliegt dann, so schnell ihn seine Ruderfüße fortbringen können. Wenn die Kanevas-Ente auch darüber ärgerlich ist, dass sie auf diese unverschämte Art beraubt wird, so weiß sie doch, dass jede Verfolgung nutzlos sein würde; sie gibt die Wurzel verloren, holt frischen Atem und taucht nach einer anderen Pflanze unter.

Ich beobachtete geraume Zeit die fortwährende Wiederholung solcher Szenen, bis eine dritte Art von Vögeln meine Aufmerksamkeit auf sich zog, nämlich die gewöhnlichen wilden Enten, oder, wie sie von den Schützen der Chesapeak Bay genannt werden, die Rotköpfe. Dieselben haben eine große Ähnlichkeit mit den Kanevas-Enten und können von ihnen fast nur durch ihre Schnäbel unterschieden werden, da dieser bei Ersteren auf der oberen Seite etwas eingebogen ist, während der Schnabel der Kanevas-Ente fast eine gerade Linie bildet. Ich sah, dass die wilden Enten sich mit den beiden anderen Arten nichts zu schaffen machten, sondern sich damit begnügten, die grünen Blätter der Vallisnerien zu verzehren, welche, von den Übrigen verschmäht, ohne Wurzel in großer Menge auf der Oberfläche des Wassers umherschwammen. Trotz dieser Verschiedenheit ihrer Nahrung werden auch diese wilden Enten für die Tafel ebenso sehr geschätzt, wie ihre Vettern, die Kanevas-Enten. Es kommt sogar nicht selten vor, dass sie von den Geflügelhändlern in New York und Philadelphia für Kanevas-Enten verkauft werden. Die Gestalt und Farbe des Schnabels können indessen als sicheres Unterscheidungsmittel dienen, da dieser bei der wilden Ente von bläulicher Farbe, bei der Kanevas-Ente dagegen dunkelgrün ist. Außerdem hat Erstere gelbe und Letztere feuerrote Augen.

Nun bemerkte ich mit Vergnügen, dass ich endlich in Schussweite eines dichten Haufens von Enten getrieben war. Ich brauchte nun nichts weiter zu tun, als meine Flinte geräuschlos durch die Büsche zu schieben, beide Hähne zu spannen, zu zielen und loszudrücken. Meine Absicht war, den einen Lauf meiner Flinte auf die sitzenden Vögel abzuschießen und den zweiten ihnen dann beim Auffliegen zu geben. Dies war im nächsten Augenblick ausgeführt. Mit Vergnügen sah ich wohl 15 bis 20 Enten als meine Beute über das Wasser hin zerstreut. Der Rest des Fluges erhob sich in die Lüfte, und das Klatschen, ihrer Flügel verursachte einen fast betäubenden Lärmen.

Wie gesagt, es schienen etwa 15 bis 20 Enten getötet worden zu sein, wie viel es aber in Wirklichkeit waren, erfuhr ich nie, denn ich habe kein einziges Stück von ihnen in die Hand bekommen. Ich wurde bald anderweitig beschäftigt, und zwar in einer Angelegenheit, die mir sofort Kanevas-Enten, Rothälse und wilde Enten so vollständig aus dem Sinn brachte, als ob ich nie in meinem Leben solche Tiere gesehen hätte.

Während ich nämlich durch die Pflanzen trieb, hatte das sonderbare Benehmen meines Hundes mehrmals meine Verwunderung erregt. Er lag nahe am Vorderteil des Bootes, von den Zweigen halb verdeckt, geduckt da, sprang aber von Zeit zu Zeit in die Höhe, blickte verstört um sich, ließ ein sonderbares Winseln hören und nahm dann seine liegende Stellung wieder ein. Ich bemerkte noch außerdem, dass er einige Male so heftig zitterte, als ob er seine Zähne aus dem Rachen schütteln wolle. Dies alles hatte zwar meine Aufmerksamkeit gelegentlich auf sich gezogen, doch war ich zu sehr mit der Beobachtung der Vögel beschäftigt, um weiter über die Ursache nachzudenken. Ich nahm an, dass der Hund vielleicht niemals zur See gewesen war und nun entweder seekrank sei oder sich überhaupt vor dem Meer fürchte.

Bei dieser Erklärung hatte ich mich bisher beruhigt, und wie gesagt, ich dachte nicht weiter über die Sache nach. Ich hatte jedoch kaum den zweiten Lauf meiner Flinte abgeschossen, als meine Aufmerksamkeit von Neuem auf den Hund gelenkt und dieses Mal dermaßen gefesselt wurde, dass ich binnen einer halben Sekunde an nichts anderes mehr dachte. Das Tier hatte sich erhoben und stand kläglich heulend nur drei Schritte weit vor mir. Seine Augen stierten mich mit wildem und unnatürlichem Ausdruck an, die Zunge hing ihm aus dem Hals und von seinen Lippen träufte Schaum und Geifer.

Nun sah ich, der Hund war toll! Ja, er musste toll sein, so gewiss wie er vor mir stand, denn ich hatte früher schon tolle Hunde gesehen und kannte die Merkmale dieser Krankheit ganz gut. Das Tier hatte die Wasserscheu im höchsten Grade und in der gefährlichsten Art.

Mich erfasste eine schnelle und plötzliche Furcht oder vielmehr nicht Furcht, denn Furcht ist nur ein nichtssagendes Wort — Entsetzen, Grausen packte und schüttelte mich. Selbst dieser Ausdruck ist kaum stark und bezeichnend genug, um die Gefühle auszudrücken, welche in jenem Augenblick mich durchbebten.

Ich wusste sehr klar, dass ich mich in einer äußerst gefährlichen Lage befand, und sah dabei keinen Ausweg, mich derselben zu entziehen. Der Tod, und zwar ein schmerzlicher und fürchterlicher Tod, drohte mir, schien mir unmittelbar gegenüber zu stehen und mich aus den Augen des grässlichen Tieres anzuglotzen. Instinktmäßig suchte ich mich in Verteidigungsstand zu setzen und erhob die Flinte, indem ich zu gleicher Zeit den Hahn berührte, um ihn zu spannen. In der Verwirrung des Schreckens hatte ich ganz und gar vergessen, dass beide Läufe abgeschossen waren und ich eben erst die Ladung über das Meer verstreut hatte. Nun dachte ich daran, wieder zu laden; aber eine Bewegung des Hundes zeigte mir, dass dies ein gefährlicher Versuch sein würde. Mir blieb nichts übrig, als das Gewehr verkehrt zu nehmen, um mich im Notfall mit dem Kolben verteidigen zu können.

Dieses tat ich nun augenblicklich, stand in der Zeit von einer Sekunde mit umgekehrter Flinte schlagfertig da und zog mich langsam von dem Hund zurück, bis ich im Hinterteil des Bootes stand.

Der Hund hatte bisher dicht am Bug gelegen, war aber nach dem Abfeuern meiner beiden Schüsse aufgesprungen und näher zur Mitte des Bootes gekommen. Ja, er hatte in der Tat mir schon so nahe gestanden, um zubeißen zu können, ehe ich seine Tollheit nur bemerkte.

Meine Lage, welche ich notgedrungen einnehmen musste, bot mir nur geringe Sicherheit dar. Mein Boot war klein, leicht und schwankend, ein unvorsichtiger Schritt konnte es zum Umschlagen bringen. Es erforderte daher die größte Aufmerksamkeit, wenn man sich stehend darin erhalten wollte. Nun vollends aber einen tollen Hund darin zu bekämpfen, ohne gebissen zu werden, das musste die ganze Gewandtheit und Geschicklichkeit eines Seiltänzers erfordern. Während ich im Hinterteil halb stand, halb kniete, schwankte der Kahn trotz aller meiner Vorsicht von einer Seite zur anderen. Ich lief jeden Augenblick Gefahr, herauszustürzen. Wenn der Hund etwa auf mich lossprang, so musste jede heftige Anstrengung zu seiner Abwehr mich entweder über Bord werfen oder, was womöglich noch schlimmer war, das Boot schlug um.

Diese Gedanken flogen in einem Augenblick durch meinen Kopf, aber, so kurz auch dieser Zeitraum in Wirklichkeit war, mir erschien er doch wie eine Ewigkeit, denn der Hund bewahrte noch immer seine drohende Stellung, wobei seine Vorderpfoten auf einem der Sitze lagen, während seine Augen mich fortwährend verstört und unstet anstierten.

Ich verharrte eine Zeitlang in furchtbarer Spannung, denn ich war durch den Schrecken halb gelähmt und unsicher über die Schritte, welche ich am besten tun mochte. Ich fürchtete, dass jede Bewegung das grimmige Tier reizen und ihm ein Anlass sein würde, auf mich loszustürzen. Wohl dachte ich daran, aus dem Boote ins Wasser zu springen, aber ich konnte leider nicht darin waten. Seicht genug war es wohl, nicht über fünf Fuß tief; aber der Grund schien ganz aus weichem Schlamm zu bestehen, in den ich vielleicht noch fußtief einsinken konnte. Diese Gedanken wurden also aufgegeben.

Sollte ich an das Ufer schwimmen?

Ich blickte zur Seite nach dieser Richtung hin, aber das Ufer lag fast eine halbe Meile entfernt. Ich konnte es, vollends in meinen Kleidern, niemals erreichen. Diese Kleider aber abzulegen, würde nicht weniger geheißen haben, als einen Angriff vonseiten des tollen Hundes herauszufordern. Und dann konnte mir ja auch das Tier, selbst wenn ich es wagte, in das Wasser folgen und mich dort packen. Ein schauderhafter Gedanke!

So gab ich denn alle Hoffnung auf Flucht völlig auf.

Überhaupt war ich nicht imstande, irgendetwas zu meiner Rettung zu tun, sondern musste mich darin ergeben, ruhig das Ende abzuwarten.

Unter dem Eindruck dieses Gedankens blieb ich regungslos wie eine Bildsäule und rührte weder Hand noch Fuß aus der Stellung, welche ich zuerst angenommen hatte. Ja, ich wagte kaum zu atmen, so sehr fürchtete ich, die weitere Aufmerksamkeit meines schrecklichen Gefährten zu erregen und den bestehenden Waffenstillstand zu unterbrechen.

Dies dauerte so einige Minuten, die mir wie Stunden vorkamen. Der Hund stand noch immer da, die Vorderpfoten auf die Bank gestemmt und die Ruder zwischen seinen Beinen.

In dieser Stellung verblieb er und starrte wild, obwohl nicht fest, in mein Gesicht. Einige Male glaubte ich, dass er im Begriff stehe, auf mich loszuspringen, und packte dann meine Flinte mit festerem Griff, obwohl ich sorgfältig vermied, dabei eine Bewegung zu machen. Um meine Bestürzung noch zu erhöhen, bemerkte ich, dass ich schnell seewärts trieb. Das Boot war bereits aus den Pflanzen heraus und schwamm im offenen Wasser. Zu meinem Schrecken bemerkte ich außerdem in der Entfernung von weniger als einer Meile eine Reihe von Klippen. Es war leicht zu sehen, dass der Kahn, wenn ich ihn sich selbst überließ, in der Zeit von zehn Minuten auf dieselben getrieben werden musste. Nun hatte ich eine fürchterliche Wahl zu treffen: Entweder musste ich den Hund von den Rudern wegtreiben oder den Kahn an dem Riff zerschellen lassen. Letzteres wäre sicherer Tod gewesen; Ersteres gewährte wenigstens eine Möglichkeit der Rettung. Ich beschloss deshalb, sofort einen Angriff zu machen.

Ob der Hund meine Absicht mir in den Augen las oder ob er bemerkt hatte, dass meine Finger die Flinte fester ergriffen, weiß ich nicht, aber gerade in diesem Augenblick schien er plötzlich Furcht zu empfinden, sprang von der Bank herunter, lief zurück zum Bug und kauerte sich dort, wie vorher, nieder.

Mein erster Antrieb war, nach den Rudern zu greifen, da das Rauschen der Brandung bereits zu meinen Ohren drang. Aber noch besser mochte es sein, zuerst meine Flinte zu laden. Dies war allerdings ein bedenkliches Geschäft, aber ich begann es mit aller möglichen Vorsicht, indem ich die Augen fest auf das Tier gerichtet hielt. Es gelang mir, einen Lauf zu laden und das Zündhütchen aufzusetzen.

Nun hatte ich wenigstens etwas, was mir Sicherheit und Schutz versprach, konnte daher mit größerem Selbstvertrauen verfahren und lud den zweiten Lauf mit mehr Sorgfalt, wobei mich der Hund fortwährend anblickte. Wenn ihn die Wasserscheu nicht des Verstandes beraubt hätte, so würde er ohne Zweifel meine Bewegungen durch einen Angriff unterbrochen haben. So aber blieb er ruhig, bis beide Läufe geladen, mit Zündhütchen versehen und die Hähne gespannt waren.

Ich hatte keine Zeit mehr zu verlieren. Das Rauschen der Brandung verkündigte mir die gefährliche Nähe des Riffes. Nach wenigen Minuten schon musste der kleine Kahn entweder wie eine Eierschale umhertanzen oder ganz und gar gesunken sein. Also, die Zeit drängte, und gleichwohl musste ich vorsichtig zu Werke gehen. Ich durfte nicht wagen, weder die Flinte zur Schulter zu bringen noch überhaupt zu zielen, denn jede Bewegung konnte das gefährliche Tier zu einem Sprung aufreizen. So hielt ich denn die Flinte gesenkt, brachte die Mündungen in möglichst gleiche Linie mit der Bestie und gab, als ich die rechte Richtung zu haben glaubte, Feuer. Den Knall hörte ich kaum vor dem Brüllen der Brandung, aber ich sah den Hund sich überstürzen und krampfhaft mit den Beinen zucken. Auch bemerkte ich einen bläulichen Flecken über den Rippen, wo das Schrot vermutlich eingedrungen war. Er hatte genug, aber um ganz sicher zu gehen, brachte ich doch noch die Flinte an die Schulter, zielte und schickte dem gefährlichen Tiere auch meine zweite Ladung durch die Rippen. Die Zuckungen hörten nun fast augenblicklich auf und die Bestie lag tot aus dem Boden des Kahns.

Nun ließ ich die Flinte fallen und eilte zu den Rudern. Es war ein haarscharfes Entrinnen, denn der Kahn befand sich

schon im weißen Wasser und tanzte wie eine Feder. Indessen gelang es mir, ihn mit ein paar Ruderschlägen rückwärts zu treiben und ruderte nun in gerader Linie zum Ufer. An meine Kanevas-Enten dachte ich nicht mehr; sie waren nun fortgetrieben, wohin, mochte der Himmel wissen. Mich kümmerte es nicht. Meinetwegen konnten sie die Haifische bekommen. Meine einzige Sorge war, so schnell wie möglich an das Ufer zu gelangen. Ich erreichte es endlich mit dem Entschluss, nie wieder mit einem Hund, den ich nicht ganz genau kannte, auf die Entenjagd zu gehen.