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Slatermans Westernkurier 01/2020

Auf ein Wort, Stranger, kennst du noch das Märchenland des Grafen Pourtales?

Im ersten Moment sicherlich eine seltsame Frage für eine Kolumne, die sich mit der Pionierzeit Amerikas beschäftigt. Aber sie hat ihre Berechtigung, denn gerade Pourtales’ Schicksal zeigt auf, dass der Wilde Westen viel mehr war als nur Cowboys und Indianer.

Diese Epoche war facettenreicher, großartiger, aber auch härter und grausamer, als man es sich heute vorstellen kann.

Zum besseren Verständnis dieser Ereignisse muss man jedoch einige erklärende Dinge vorausschicken.

Im Wilden Westen gab es kaum jemanden, der sich nicht im Glücksspiel versuchte. Ob Goldsucher, leichte Mädchen, Priester, Viehzüchter, einfacher Cowboy oder Revolverheld, alle trafen sich am Spieltisch, um ihren neu erworbenen Reichtum oder nicht selten sogar ihr letztes Hemd zu setzen.

Das Glücksspiel war im Westen wie eine Sucht. Es war das einzige Vergnügen, das dem zügellosen und spekulativen Lebensstil der Frontiers wirklich entsprach.

Nur unter diesem Aspekt ist die Handlungsweise des oben genannten Herrn zu verstehen.

Graf Jakob Pourtales war ein deutscher Adliger, der die Neue Welt auf der Suche nach lohnenden Investitionen durchforschte, um seinen verschuldeten Familienbesitz Glumbowitz in Niederschlesien auszulösen.

Er kaufte sich in Nevada in einen riesigen milchwirtschaftlichen Betrieb ein, entschied jedoch kurz darauf, dass er durch die Gründung eines Feriendomizils auf einem Teil seines Besitzes bedeutend mehr Gewinn erzielen würde.

Um Grundstückskäufer und Investoren anzulocken, errichtete er einen Vergnügungspalast, wie ihn der Westen noch nie gesehen hatte.

»1.200 Hektar wurden in ein Märchenland verwandelt«, schrieben die Zeitungen danach.

 

*

 

Mit der Eröffnung des Broadmoore Kasinos im Jahre 1891 nahe Pikes Peak, Nevada, erhielt das Glückspiel im Westen eine bis dahin nie gekannte feudale und glamouröse Note.

Das Kasino erstreckte sich über 80 Meter an einem sechs Hektar großen, künstlichen See. Außen war das Gebäude mit 32 korinthischen Säulen geschmückt und von der Dachterrasse aus hatte man einen grandiosen Ausblick auf die Berge.

Die Empfangshalle war mit dunkler Eiche getäfelt, ein doppelter Treppenaufgang führte zu einem prachtvollen Ball- und Konzertsaal, drei Speisesälen und einem Salon für Damen.

Das Spielzimmer befand sich im ersten Stock, wo die Gäste nur gegeneinander spielten und nicht gegen das Haus. Wenngleich der Graf dadurch am Spielbetrieb nichts verdiente, erhoffte er sich doch einen beträchtlichen Gewinn durch den Verkauf von Alkohol, einem der Anziehungspunkte in seinem Märchenland, da im nahe gelegenen Colorado Springs sowie in der gesamten Umgebung absolutes Alkoholverbot herrschte.

Pourtales verpflichtete ein Hausorchester mit bekannten europäischen Musikern, einen mehrfach ausgezeichneten französischen Maître de Maison und einen erfahrenen Manager für das gesamte Gelände. Er ließ 10.000 Bäume pflanzen und setzte Forellen in den See, sodass seine Gäste angeln konnten. Um für seine Unternehmungen zu werben, engagierte er sogar eine Fallschirmspringerin, die prompt im See landete, und organisierte Pferderennen zwischen den vermögenden Gästen und Ute-Indianern.

Die Eröffnung des Kasinos am 1. Juli 1891 war eine prunkvolle Feier, allerdings nur in einem kleinen, aber sehr erlauchten Kreis.

Einige Tage später dann, am 4. Juli, dem amerikanischen Nationalfeiertag, war allgemeine Eröffnung und mehr als 15.000 Menschen überfluteten das Gelände.

 

*

 

Der Erfolg war aber nur von kurzer Dauer.

Die Aufwendungen waren gigantisch, trotzdem kauften nur wenige Grundstücke in Broadmoor City, das sich zusammen mit dem Kasino über eine Länge von mehr als drei Kilometern erstreckte. Als mit der Krise 1893 Colorados Hauptindustrie, der Silberbergbau, zum Erliegen kam, war auch Pourtales’ Märchenland am Ende.

Der Graf erklärte seinen Bankrott.

Vier Jahre später sank sein »Monte Carlo« in den Rocky Mountains in Schutt und Asche.

Gleichzeitig begann auch der Niedergang des Glückspiels.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatten nahezu alle Staaten und Territorien bereits Gesetze auf den Weg gebracht, die das Glücksspiel regelten oder größtenteils sogar verboten.

Als letzter Staat verbot Nevada im Jahre 1909 das Glücksspiel. Es war nun sogar nicht einmal mehr erlaubt, um eine Runde Drinks eine Münze zu werfen.

Aber wie alles, das verboten, illegal oder unanständig ist, erlebte auch das Glückspiel eine neue Renaissance, wenngleich nur in Hinterzimmern und im Verborgenen. So dauerte es nicht lange, bis die Auswüchse derart groß wurden, dass man in Nevada bereits zwei Jahrzehnte später das Verbot wieder zurücknahm.

Quellenhinweis:

  • Die Glücksspieler, Time-Life International Nederland BV Original U.S. Edition 1978, aus dem Englischen übertragen von Alexander Brandenburg und Andrea Hamann, Redaktionsleitung der deutschen Ausgabe Hans Heinrich Wellmann