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Der Welt-Detektiv Band 6

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Sir Henry Morgan – Der Bukanier 41

Kapitän Marryat
Sir Henry Morgan – Der Bukanier
Aus dem Englischen von Dr. Carl Kolb
Adolf Krabbe Verlag, Stuttgart 1845

Einundvierzigstes Kapitel

Morgan wird zuletzt von Lynch erwischt und mit wenig Prunk als Staatsgefangener zum Tower von London abgeführt. Er trifft mit seinem Vater zusammen und hört von alten Freunden.

Während unser Held der gesetzlichen Obrigkeit Trotz bot, befand sich sein Geist in einem Zustand des verwirrenden Aufruhrs. Jeder Tag führte einen neuen Anschlag mit sich, den er nachts bei seinen gewohnten Gelagen wieder aufgab. Er wusste, dass er nur seine kühne Rechte zu erheben brauchte, um wieder der Führer von Heeren zu sein, welche bereit waren, keinen Freund anzuerkennen, als denjenigen, welchen er seines Schutzes zu würdigen beliebte. Auch hätte er leicht auf der Insel eine Rebellion anzetteln oder mit dem größten Teil seines unendlichen Reichtums entkommen können. Aber die kräftigen Entwürfe des Tages wurden unvermeidlich durch die Schlemmerei des Abends wieder untergraben. In der Tat waren, wenn er sich in einem Zustand befand, der nicht eben Nüchternheit, aber auch nicht Trunkenheit genannt werden konnte, seine Entwürfe wild und abenteuerlich. In Jamaika war die Kunde von der kühnen und erfolgreichen Schurkerei des Obristen Blood eingelaufen, welcher, nachdem er in den Tower eingebrochen und daraus die königliche Krone samt dem Zepter geraubt hatte, nicht nur begnadigt, sondern auch huldvoll vom schwachen Karl aufgenommen worden war. Dies war für Morgan kein geringes Verlockungsmittel, gleichfalls zu gewalttätigen Maßregeln zu greifen.

Gouverneur Lynch war höchlich aufgebracht über den fortgesetzten Ungehorsam des Admirals Morgan, da er dadurch nicht nur in der Achtung der Inselbewohner herabgewürdigt wurde, sondern auch besorgen musste, dass unvorteilhafte Berichte über ihn am Hofe zu St. James Gehör finden konnten. Er berief deshalb abermals einen Kabinettsrat zusammen, hielt mit ihm eine geheime Sitzung und kam bei dieser Gelegenheit zu dem Beschluss, Morgan in seinem Haus zu überraschen und ihn mit Gewalt an Bord des Kriegsschiffes zu bringen, welches damals bei Port Royal lag. Diese außerordentliche Maßregel wurde um Mitternacht ausgeführt und Morgan in seinem Bett festgenommen, sodass er sich, noch ehe er zur Besinnung gekommen war, da er an der Nachwirkung einer besonders wilden Schlemmerei litt, als Staatsgefangenen an Bord von Seiner Majestät Schiff, dem Elefanten, befand.

Der Admiral wurde von denjenigen, welchen er zur Hut übergeben war, nicht nur mit Achtung, sondern auch mit großer Ehrerbietung behandelt, und wenn er seine frühere hohe Stellung und die Lage seiner Gattin, welche er – obwohl nicht gerade mit romantischer Glut – liebte, hätte vergessen können, so würde sich ihm nur wenig Grund zur Beschwerde geboten haben. Er wurde sehr bald der Liebling des Kapitäns und aller Offiziere, welche ihm stets baten, er möchte ihnen seine verschiedenen wundervollen Taten erzählen. So langte er nach der Abwesenheit eines halben Menschenlebens Ende des Jahres 1671 in England an. Das Schiff hatte kaum in den Downs Anker geworfen, als ein Fly-Boot herankam und Morgan in Empfang nahm, um ihn augenblicklich zum Tower zu führen.

Von dem Augenblick an, als er sich an Bord dieses Bootes befand, hatte es mit allen Achtungsbezeugungen ein Ende. Sein Ruhm hatte damals die gemeinen Ohren Englands noch nicht erreicht. Er, dessen Name durch die ganze neue Welt gefürchtet und dessen Macht so schrankenlos gewesen war, wurde jetzt bloß als ein gemeiner Räuber und Übeltäter angesehen. Ohne Zeremonie setzte man ihn beim Verrätertor des Towers an Land und wies ihn in sein einsames Gemach.

Die bitterste Demütigung, welche Morgan nun zu erfahren hatte, lag in seiner gänzlichen Vernachlässigung. Seine Ankunft erregte kein Aufsehen, und man dachte damals so wenig an ihn, dass die mageren Tagesberichte ihrer nicht einmal Erwähnung taten.

Weder Hume noch irgendein anderer Schriftsteller spricht von dem Eroberer Panamas und dem Schrecken der spanischen Monarchie. Es scheint, dass damals eine Zeit fortgesetzte Betörung und Zügellosigkeit war. Bei Hof dachte man an nichts als an die sinnlichsten Vergnügungen, und das ganze Volk hatte sich nach dem Hofe gemodelt.

Drei lange schleppende Jahre lag unser Held unbeachtet im Gefängnis. Natürlich bat er ohne Unterlass, seine Verteidigung vorbringen zu dürfen, aber alles schien ihn der gänzlichen Vergessenheit überantwortet zu haben. Ohne Zweifel war sein unermesslicher Reichtum denen entgangen, welche unter gesetzlichen Vorwänden leicht einen Teil desselben hätten konfiszieren können, und so war denn Vernachlässigung in diesem Betracht sein bester Freund.

Diese drei Jahre waren zuverlässig die elendesten in Morgans Leben. Wir wollen es nicht versuchen, die abgedroschenen Vergleiche mit Adlern im Käfig oder gefesselten Löwen aufzutischen, denn nichts, was die Tier- oder Menschenwelt bieten konnte, ließ sich der Pein seiner Ungeduld an die Seite stellen.

Gegen das Ende des zweiten Jahres von Morgans Haft wurde die verzehrende Eintönigkeit seines Lebens durch folgenden rührenden Vorfall unterbrochen. Am 6. November 1674 kündigte einer der Kerkerwärter dem Gefangenen an, dass ein sehr alter Landmann die Erlaubnis erhalten habe, ihn zu besuchen, und von derselben Gebrauch zu machen wünsche.

Morgan war nun selbst ein alter Mann, zwar nicht an Jahren, aber doch seinem Äußeren, seinen Leiden und seiner untergrabenen Konstitution nach. Sein dünnes Haar war mit Grau untermengt, sein Bart lang und vernachlässigt, sein Gesicht gelb und mit tiefen Runzeln versehen. Nur der letzte Teil, der an dem Mann erlischt, sein Auge brannte noch funkelnd in unruhigem, fieberhaftem Ausdruck.

Morgan erwiderte dem Wärter: »Warum mich quälen? Was nützt es, Leute, welche die Last der Jahre drückt, zusammenzubringen, oder ist es edelmütig, die Gebrechlichkeit der Gebrechlichkeit vorzuführen? Es ist mir nicht darum zu tun, alte Leute zu sehen.«

»Aber, Admiral«, versetzte der stämmige Gefangenwärter, »der Greis hat sich die Füße wund gelaufen, kommt weit her, auch ist er aus deiner eigenen Heimat, sein Walisch wirkt so mächtig auf die Nasenlöcher wie Lauch.«

Nun zuckte eine Ahnung in Morgans Seele auf. Er fühlte sich zu tiefer Scham gedemütigt, dass er seine Familie so lang vernachlässigt und nie gefragt hatte, ob sein Vater noch am Leben sei. Er war ein glücklicher Krieger gewesen, hatte großen Ruhm geerntet und viele Schätze zusammengerafft; aber seine Seele war hart und der Tod ihm so vertraut geworden, dass er zu schließen pflegte, von allen seinen früheren Bekannten könne er allein noch am Leben sein. Er verhüllte daher das Gesicht mit seinem Mantel und forderte mit erstickter Stimme den Gefängniswärter auf, den Besuch einzuführen.

Und dann wankte ein ehrwürdiger Greis in weiter, grober Wollkleidung und an einen langen Stab gelehnt, den er fast in der Mitte hielt, in das Gemach, vor Morgan hintretend. Es war eine Zusammenkunft von Vater und Sohn. Morgan enthüllte langsam sein Gesicht und blickte stumm den Altvater an – ein langer, langer Blick, den der fast hundertjährige Greis angelegentlich erwiderte. Endlich stöhnte Letzterer tief auf und schüttelte mit der Miene so bitterer Trostlosigkeit, dass dem finsteren Wärter Tränen in die Augen traten, seinen Kopf.

Henry Morgan war selbst nicht mehr jung, aber der Ausdruck seiner Züge war stolz und hart – man hätte ihn erhaben nennen können, wenn sich nicht so viel Weltverachtung dareingemischt hätte.

»Kennst du den, der vor dir steht?«, fragte der alte Mann.

»Nein, ich kenne Euch nicht. Ja, Ihr solltet Gaffer Morgan sein. Ihr seid mein Vater.«

Die Worte klangen kalt, obwohl sie aus einer bewegten Brust kamen.

»Und dies ist alles, was du mir zu sagen hast, schlimmer Sohn?«, fragte der Vater streng.

»Vater, ich kann mich nicht freuen über ein glückliches Wiedersehen; weshalb dann überhaupt diese Zusammenkunft? Ich habe sie nicht herbeigeführt.«

»Ich bin gekommen, Henry Morgan, um dich noch einmal zu sehen, ehe ich sterbe, vielleicht dich zu segnen – wenn du es verdient hast – doch nein, sogar, wenn du es nur wünschest.«

»O, mein Vater, ich verdiene es nicht in Eurem Sinn und verlange es nicht in dem meinen.«

»Dann hat es also seine Richtigkeit, dass alle jene Abscheulichkeiten, die ich vor dir gehört habe, wahr sind. Du hast dein Herz verhärtet in Ungerechtigkeit, hast dich von Gott losgesagt und dich hinweggeworfen! O, Elend – Elend und Weh! Henry Morgan, man hat dich in gedruckte Bücher gesetzt, hat Schelmenlieder auf dich gemacht – ja, bettelhafte Landstreicher sangen sie an der Tür meines unschuldigen Hauses. Sie haben dich und mich, deine Brüder und ihre Kinder entehrt. Aber ist es wahr, was sie von dir sagen – bist du ein Seeräuber gewesen?«

Ich handelte ohne Gesetz unter den Gesetzlosen – weiter nicht.«

»Es ist zu viel. Hast du gemordet?«

»Ich habe erschlagen in gerechter Vergeltung.«

»Unbußfertiger Mensch! ›Die Rache ist mein!‹, sagt der Herr.«

»So bin ich sein Werkzeug gewesen. Er wollte es.«

Der alte Morgan hatte nun Platz genommen und sah mit schmerzerfüllten Zügen den Sohn an, den er für einen verlorenen Bösewicht hielt. Nachdem beide eine Weile stumm dagesessen hatten, ergriff der Vater wieder das Wort und befragte mit zitternder herzergreifenden Tönen unsern Helden über alle Einzelheiten seines ereignisvollen Lebens. Anfangs antwortete Morgan verdrießlich und so kurz wie möglich, obwohl keineswegs im Stil eines Bravado. Es hatte in Erzählung seiner Geschichte eine eigentümliche Methode, indem er alles, was zu abschreckend war, verhehlte und diejenigen Vorfälle, welche zu berüchtigt waren, um mit Stillschweigen übergangen werden zu können, mit einem Firnis überzog. Der heldenhafteste Mut und die vollendete Geisteskraft verliehen Handlungen, welche an sich im höchsten Grad grausam und ungerecht waren, den gleisenden Anschein der Würde.

Während er in seinem Bericht warm und beredt wurde, zeigte sich eine hektische Röte auf der verblichenen Wange des alten Manns, der missbilligend seinen Kopf schüttelte, während sein altes Herz jubelte. Der Greis rief unaufhörlich: »Ein herrlicher Junge, aber schlimm – ein herrlicher Junge, aber schlimm«, bis endlich das Wort schlimm ganz vergessen wurde und sein verzweifelter Sohn nur noch im Licht des »Herrlichen« vor ihm stand.

Nun kam die Reihe des Fragens an Morgan. Der alte Harfner war heimgegangen und lag längst schon im Grab, als sein Sohn Owen in dem von ihm eroberten Kastell Chagre den Tod fand.

Das Schloss Glenllyn war mehr als je verfallen, und der alte Morgan hoffte, sein wiedergefundener Sohn werde bald kommen und die Gebeine seines Vaters in dem Familiengrabe zu Penabock unter seinen Vorfahren beisetzen.

In seiner beschränkten Weltkenntnis meinte der ältere Morgan, als ein Gefangener müsse sein Sohn auch bitterarm sein, sodass er Nahrung und Wohnung bloß auf Kosten Sr. allergnädigsten Majestät ausschweifenden und huldreichen Andenkens beziehe. Sie hatten kaum eine Stunde beisammengesessen, als die alten Gefühle, wie sie stets zwischen Vater und Sohn bestehen sollten, wieder in aller Frische auflebten.

Der Greis stellte auch einige Fragen, um sich zu überzeugen, ob sein wilder Sohn noch immer fest an den pelagianischen Glaubensgrundsätzen halte. Die Antworten unsres Helden fielen befriedigend aus, denn es fand kein großer Unterschied statt in den Dogmen von Männern, deren einer sich für seine eigene Vorsehung hielt, während der andere alle seine himmlischen Hoffnungen unter Verwerfung anderweitiger Einmengung oder Vermittlung auf das persönliche Verdienst baute.

Die Zusammenkunft, welche unter so leidigen Anspielen begonnen hatte, gewann bald einen angenehmeren und innigeren Charakter. Dennoch schien etwas auf der Seele des alten Mannes zu liegen, was ihn ungemein bedrängte und dessen er sich in guter Weise zu entledigen wünschte. Dass er eine gewisse Scheu vor seinem Sohn hatte, konnte er sich nicht verbergen.

»Natürlich steht das gute alte Penabock noch immer fest«, sagte unser Held, »und ohne Zweifel habt Ihr mit meinen Brüdern das Besitztum viel erweitert?«

»Ja, es ist ein braver Platz, und durch unseren ehrlichen Fleiß haben wir einige Felder dazu errungen.«

»Freut mich ungemein, dies zu hören. Da fällt mir eben ein törichter Wunsch des armen Owen ein, den er mir vor seinem Sterben ans Herz legte. Ihr habt doch den Rasen vor dem alten Farmhaus nicht aufgepflügt?«

»Noch nicht, Sohn Henry, aber wir gedenken es im nächsten Herbst zu tun.«

»Das darf auf keinen Fall geschehen. Ich verbiete es. Ei, Vater war es nicht unser Spielplatz? Könnten meine Brüder je darein willigen? Nein, nein, so lange unsere Familie das Land besitzt, soll der Rasen heilig bleiben.«

»Jawohl – so lange sie im Besitz ist! Ach, Henry, das Land ist nicht länger unser Eigentum. Wir sitzen so zu sagen nur als Pächter darauf.«

»Ihr überrascht, Ihr erschreckt mich! Wahrhaftig, die Armut konnte Euch doch nicht so heimgesucht haben, während ich so reich bin. Ich bin sehr unbedacht – schnöd unüberlegt gewesen.«

»Du bist reich, mein Sohn? Na, ich will dir alles sagen, wie es steht. Vor sechs Monaten hörten wir, der König habe dich gefangen und hier eingesperrt. Glaube mir, von Zeit zu Zeit erhielten wir wohl Nachrichten von dir. Bisweilen meinten wir, du seist unser Heinrich – noch weit öfter aber hielten wir den blutigen Seeräuber für eine andere Person. Endlich kehrte einmal unser Nachbar, der Squire Trevillyan, der im Ganzen ein guter Mann ist, nur sehr habsüchtig, von einem Besuch in London zurück und sagte uns für gewiss, dass der eingesperrte Seeräuber unser Henry Morgan sei. Wir besprachen nun die Sache jeden Tag und berieten uns mit allen unseren Freunden. Jeder sagte, du seiest vielleicht doch nicht so schlimm, wie man aussprenge; aber gleichviel, gut oder schlecht, wir müssten dir beistehen. Es wurde nun der Vorschlag gemacht, ich solle hierhergehen, dich besuchen und dann wieder zurückkehren, aber ich fühlte mich zu alt für zwei solche Reisen. Meine einzige Erwiderung war: Rettet ihn und lasst mich ihn nur noch sehen, ehe ich sterbe. Überall hieß es, ohne viel Geld lasse sich nichts ausrichten. Einige Hunderte hier an die Maitresse Sr. Majestät, und einige Hunderte dort an die Günstlinge des Hofs, und deine Befreiung könne als gewiss angesehen werden. So wurden wir zuletzt darüber einig, das alte Familiengut zu verpfänden, und hier, mein Sohn Henry, ist das Geld. Benutze es, denn du weißt besser, wie man die Sache angreifen muss, als ich. Aber lass nur keine Schande auf unser Familie kommen, damit die Leute nicht mit Verachtung auf mein Grab treten und sagen, das sei der Morgan, dessen ältester Sohn als Verbrecher am Galgen starb.«

»Und All dies habt Ihr für mich getan? Oh, mein edler Vater, meine edlen Brüder, das lässt sich in der Tat nimmer vergelten!«

»Komm auf das Gut zurück, hilf es mitbebauen, damit die Verpfändung abgelöst und alle unsere Schulden bezahlt werden können.«

Morgan war von diesem Liebesbeweis tief ergriffen, Er fand, dass seine Familie die Summe von 3700 Pfund auf das Gut aufgenommen hatte. Das Geld befand sich in einem starken Ledersack, welchen der Alte den Händen seines Sohnes überlieferte.

Unser Held dachte einige Zeit nach und schrieb dann einen Brief, den er sorgfältig versiegelte und an einen der reichsten Kaufleute in London adressierte. Er bedeutete seinem Vater, den Sack mit dem Geld und den Brief an den Adressaten zu überliefern. Der darauf genannte Gentleman werde ihn belehren, wie er das Geld verwenden müsse. Ferner versprach er seinem Vater, unmittelbar nach seiner Befreiung in Penabock einen Besuch zu machen. Die beiden verbrachten noch eine Weile in inniger Unterhaltung, bis endlich der alte Mann, nachdem er zuvor aus vollem Herzen seinen Sohn gesegnet hatte, sich zu dem Kaufmann auf den Weg machte, der ihm, wie er meinte, zu Morgans Begnadigung behilflich sein konnte.

Nachdem der Kaufmann das Geld in Empfang genommen und den Brief gelesen hatte, bewirtete er den alten Morgan aufs Gastfreundlichste und Ehrenvollste und erklärte ihm am anderen Tag, es sei durchaus nötig, dass er unverzüglich wieder nach Wales zurückreise. Er wolle ihm einen zuverlässigen Mann mitgeben, der ihn nebst einem schweren Kistchen, welches er zu Penabock sehr in Acht nehmen müsse, sicher in seine Heimat geleiten werde. Dieser Schritt sei notwendig für das Wohl seines Sohnes, und es werde dann bald alles gut gehen. Der Greis solle sich aber ja nicht auf der Reise anstrengen, da der Aufwand dafür schon im Voraus bestritten sei. Auch dürfe er hoffen, Henry bald unter seiner Familie zu sehen, wenn er allen diesen Einschärfungen pünktlich Folge leiste.

Nach einer gemächlichen Fahrt langte der alte Mann in dem Farmhaus an, wo in Gegenwart aller seiner Söhne, seiner Enkel und einiger der nächsten Verwandten das geheimnisvolle Kistchen geöffnet wurde. Sie fanden darin nicht nur den Beutel mit 3700 Pfund, welche sie Henry Morgans Befreiung hatten weihen wollen, sondern auch einen anderen Sack, welcher genau dieselbe Summe enthielt und einen Brief an sie alle, in welchen unser Held nach vielen Dankes- und Liebesäußerungen fortfuhr: Es liege gegenwärtig in seinem Interesse, arm zu erscheinen, obwohl er in Wahrheit ungeheuer reich sei. Das Gut solle man augenblicklich wieder auslösen und die beiliegende Summe, je nachdem sich eine Gelegenheit biete, zum Besten aller auf die Vergrößerung des Besitzes verwenden. Was ihn betreffe, so füge er sich darein, den Gang der Dinge abzuwarten. Möge aber kommen, was da wolle, so werde er nie dulden, dass sein sauer erworbenes Vermögen zu Bereicherung der Parasiten eines zügellosen Hofes verwendet werde. Insbesondere bat er, den Spielplatz nicht aufpflügen zu lassen und drückte noch außerdem seine Hoffnung aus, dass er vor Ablauf des Jahres in ihrer Mitte eintreffen werde.

Dieser Brief, welchen Morgan am Abende vor der Abreise seines Vaters geschrieben hatte, verbreitete unter seinen Verwandten große Freude und lieferte ihnen den unwiderleglichen Beweis, dass Morgan weder Pirat noch Bukanier gewesen sei, sondern ein gerechter, ehrenhafter Mann und ein tapferer, schonungsvoller Befehlshaber.

Der alte Morgan verbrachte den kurzen Überrest seiner Tage im heitersten Glück, sich stets der Hoffnung hingebend, dass er seinen Sohn noch einmal segnen könne, ehe er sterbe. Meilenweit in die Runde wurden keine Lieder mehr über den blutigen Bukanier verkauft oder gesungen, denn der Versuch wurde gefährlich, nachdem sich Morgan durch den unanfechtbaren Beweis in dem Kistchen so vollständig gerechtfertigt hatte. Bald danach segnete der Altvater, lächelnd und ohne die Schmerzen des Todes zu spüren, des Zeitliche. Er starb trotz seiner Ketzerei den Tod eines Gerechten.

Morgan betrauerte gebührend – das heißt, sehr mäßig – im Tower den Tod seines Vaters und konnte später nie Gelegenheit finden, seinem Versprechen gemäß den Ort seiner Geburt lebend zu besuchen.