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Die drei Musketiere 48

Alexander Dumas d. Ä.
Die drei Musketiere
7. bis 10. Bändchen
Historischer Roman, aus dem Französischen von August Zoller, Stuttgart 1844, überarbeitet nach der neuen deutschen Rechtschreibung

XV.

Familienangelegenheit

Athos hatte das rechte Wort gefunden: Man musste aus der Angelegenheit Buckinghams eine Familienangelegenheit machen. Eine Familienangelegenheit war nicht der Nachforschung des Kardinals unterworfen. Eine Familienangelegenheit ging niemand etwas an. Man konnte sich vor der ganzen Welt mit einer Familienangelegenheit beschäftigen.

Aramis hatte den Gedanken gefunden: die Lakaien.

Porthos hatte das Mittel gefunden: den Diamant.

D’Artagnan allein hatte nichts gefunden, obwohl er sonst der Erfindungsreichste unter den vier Freunden war, aber man muss auch bemerken, dass schon der Name Mylady ihn lähmte. Doch wir täuschen uns, er hatte einen Käufer für seinen Diamant gefunden.

Bei dem Frühstück des Monsieur de Tréville herrschte die ungezwungenste Heiterkeit. D’Artagnan hatte bereits seine Uniform. Da er beinahe von demselben Wuchs war, wie Aramis, und da Aramis infolge des reichlichen Honorars von dem Buchhändler, der ihm sein Gedicht abgekauft hatte, wie er behauptet hatte, alles doppelt besaß, so trat er d’Artagnan eine vollständige Equipierung ab.

D’Artagnan wäre auf dem Höhepunkt seiner Wünsche gestanden, wenn er nicht Mylady wie eine düstere Wolke am Horizont hätte hervortreten sehen.

Nach dem Frühstück kam man überein, sich am Abend in der Wohnung von Athos zu versammeln und dort die Angelegenheit zu Ende zu führen.

D’Artagnan brachte den Tag damit zu, seine Musketieruniform in allen Straßen des Lagers zu zeigen.

Am Abend versammelten sich die Freunde zur bestimmten Stunde. Es blieben nur noch drei Dinge zu entscheiden; was man dem Bruder von Mylady schreiben sollte; was man der geschickten Person in Tours schreiben sollte; und welche Bedienten die Briefe besorgen sollten.

Jeder bot den seinen an. Athos rühmte die Verschwiegenheit Grimauds, der nur sprach, wenn ihm sein Herr den Mund auftrennte. Porthos pries die Kraft Mousquetons, der vier Männer von gewöhnlicher Leibesbeschaffenheit durchprügeln konnte. Aramis vertraute auf die Gewandtheit Bazins und sprach mit pomphaften Lobeserhebungen von seinem Kandidaten. D’Artagnan endlich hatte ein vollkommenes Zutrauen zum Mut Planchets und erinnerte daran, wie er sich in der so kitzeligen Angelegenheit von Boulogne benommen hatte. Diese vier Tugenden stritten lang um den Preis und gaben zu glänzenden Reden Anlass, die wir in Betracht ihrer Ausdehnung nicht anführen.

»Leider«, sprach Athos, »müsste der, welchen man abschickt, die vier Tugenden vereinigt besitzen.«

»Aber wo ließe sich ein solcher Bediente finden?«

»Nicht zu finden; ich weiß wohl«, antwortete Athos; »nehmt also Grimaud.«

»Nehmt Mousqueton.«

»Nehmt Bazin.«

»Nehmt Planchet. Planchet ist ehrlich und gewandt, das sind schon zwei von den vier Eigenschaften.«

»Messieurs«, sprach Aramis, »die Hauptsache ist nicht zu ermessen, welcher von unseren vier Bedienten der Verschwiegenste, der Stärkste, der Gewandteste und der Mutigste ist. Die Hauptsache ist, dass wir ermessen, welcher das Geld am meisten liebt.«

»Was Aramis sagt, ist sehr vernünftig«, versetzte Athos, »man muss auf die Fehler der Menschen spekulieren und nicht auf ihre Tugenden. Monsieur Abbé, Ihr seid ein großer Moralist.«

»Allerdings«, erwiderte Aramis, »denn wir bedürfen guter Bedienung, nicht nur damit unser Plan gelingt, sondern dass wir nicht scheitern, weil es sonst um unsere Köpfe geht, nicht um die der Lakaien …«

»Leiser, Aramis«, sagte Athos.

»Das ist wahr«, sprach Aramis, »nicht um die der Lakaien, sondern um die der Messieurs. Sind uns unsere Bedienten so sehr ergeben, dass sie das Leben für uns wagen? Nein.«

»Meiner Treu«, entgegnete d’Artagnan, »ich wollte beinahe für Planchet stehen.«

»Gut! Mein lieber Freund, so fügt seiner natürlichen Ergebenheit eine schöne Summe bei, wodurch er zu einiger Wohlhabenheit gelangt, und steht dann zweimal für ihn.«

»Eh! Guter Gott, Ihr werdet gleichfalls betrogen werden«, sagte Athos, der Optimist war, wenn es sich um Dinge, und Pessimist, wenn es sich um Menschen handelte. »Sie werden alles versprechen, um Geld zu bekommen, und unterwegs wird sie die Furcht abhalten, zu handeln. Sind sie einmal gefangen, so bindet man sie. Sind sie gebunden, so gestehen sie. Was Teufels, wir sind keine Kinder! Um nach England zu gehen – Athos dämpfte seine Stimme – muss man ganz Frankreich durchreisen, während das Land von Spionen und Kreaturen des Kardinals wimmelt. Man muss einen Paß haben, um sich einzuschiffen. Man muss Englisch verstehen, um den Weg nach London zu erfragen. Mir kommt die Sache sehr schwierig vor.«

»Keineswegs«, entgegnete d’Artagnan, dem alles daran lag, die Sache durchzusetzen, »mir kommt sie im Gegenteil ganz leicht vor. Es versteht sich bei Gott von selbst, dass, wenn man an Lord Winter von niederträchtigen Dingen, von Abscheulichkeiten des Kardinals …«

»Leiser«, ermahnte Athos.

»Von Intrigen und Staatsgeheimnissen schriebe«, fuhr d’Artagnan sich der Ermahnung fügend fort, »es versteht sich, sage ich, dann von selbst, dass wir bei lebendigem Leibe gerädert würden. Aber vergesst doch um Gottes willen nicht, dass wir ihm, wie Ihr selbst gesagt habt, Athos, in Familienangelegenheiten schreiben, dass wir uns einzig und allein an ihn wenden, damit er Mylady bei ihrer Ankunft in London außerstandesetzt, uns zu schaden. Ich werde ihm einen Brief ungefähr in folgenden Ausdrücken schreiben.«

»Lasst hören«, sagte Aramis und nahm im Voraus das Gesicht eines Kritikers an.

»Monsieur und teuer Freund …«

»Ah, ja, teurer Freund, an einen Engländer!«, unterbrach ihn Athos. »Gut angefangen, d’Artagnan, schon wegen dieses einzigen Wortes würdet Ihr gevierteilt, statt gerädert.«

»Wohl, es sei, ich werde also ganz kurz ›Monsieur‹ sagen.«

»Ihr könnt sogar Mylord sagen«, erwiderte Athos, der große Stücke auf derartige Äußerlichkeiten hielt.

»Mylord, erinnert Ihr Euch des kleinen Ziegengeheges beim Luxemburg?«

»Gut! Jetzt kommt der Luxemburg, man wird glauben, es sei eine Anspielung auf die Königin Mutter! Das ist geistreich!«, sprach Athos.

»Wohl, setzen wir ganz einfach: Mylord, erinnert Ihr Euch eines gewissen kleinen Geheges, wo man Euch das Leben gerettet hat?«

»Mein lieber d’Artagnan«, sprach Athos, »Ihr werdet stets ein sehr schlechter Briefsteller sein. Wo man Euch das Leben rettete! Pfui! Das ist nicht würdig; einen anständigen Mann erinnert man nicht an dergleichen Dienste. Eine Wohltat vorwerfen, heißt beleidigen.«

»Ah! Mein Lieber«, erwiderte d’Artagnan, »Ihr seid unerträglich, und wenn ich unter Eurer Zensur schreiben muss, so verzichte ich darauf.«

»Und daran tut Ihr wohl. Handhabt die Muskete und den Degen, mein Freund, bei solchen Übungen benehmt Ihr Euch vortrefflich, aber überlasst die Feder dem Herrn Abbé, das ist seine Sache.«

»Ja gewiss«, sprach Porthos, »überlasst die Feder Aramis, der Thesen in lateinischer Sprache schreibt.«

»Nun wohl, es sei«, sagte d’Artagnan, »entwerft Ihr diesen Brief, Aramis, aber im Namen des Heiligen Vaters! Nehmt Euch wohl in Acht, ich hechle Euch ebenfalls durch, das sage ich Euch im Voraus.«

»Das ist mir äußerst angenehm«, antwortete Aramis mit dem naiven Selbstvertrauen, das jeder Dichter besitzt, »aber man teile mir die betreffenden Umstände mit. Ich habe wohl beiläufig gehört, diese Schwägerin sei eine schurkische Person. Ich habe sogar selbst den Beweis hierfür erhalten, als ich ihre Unterredung mit dem Kardinal hörte …«

»Leiser, Donner und Teufel!«, sprach Athos.

»Aber«, fuhr Aramis fort, »die Einzelheiten sind mir nicht bekannt.«

»Mir auch nicht«, sagte Porthos.

D’Artagnan und Athos schauten sich einige Zeit stillschweigend an. Endlich, als sich Athos etwas gesammelt hatte, machte er, noch bleicher als gewöhnlich, ein Zeichen der Einwilligung. D’Artagnan begriff, dass er sprechen konnte.

»Wohl, so hört, was zu schreiben ist«, versetzte d’Artagnan, »Mylord, Eure Schwägerin ist eine Schändliche, die Euch töten lassen wollte, um Euch zu beerben, aber sie konnte Euren Bruder nicht heiraten, da sie schon in Frankreich verheiratet war und …« D’Artagnan hielt inne, als ob er nach dem Wort suchte, und schaute Athos an.

»Von ihrem Gatten fortgejagt wurde«, sagte Athos.

»Weil sie gebrandmarkt war«, fuhr d’Artagnan fort.

»Bah!«, rief Porthos, »unmöglich! Sie wollte ihren Schwager töten lassen?«

»Ja.«

»Sie war verheiratet?«, fragte Aramis.

»Ja.«

»Und ihr Gatte bemerkte, dass sie eine Lilie auf der Schulter hatte?«, rief Porthos.

»Ja.«

Diese drei Ja wurden von Athos, jedes mit düsterer Betonung ausgesprochen.

»Und wer hat die Lilie gesehen?«, fragte Aramis.

»D’Artagnan und ich, oder vielmehr, um die chronologische Ordnung zu beobachten, ich und d’Artagnan«, antwortete Athos.

»Und der Gatte dieses abscheulichen Geschöpfes lebt noch?«, sprach Aramis.

»Er lebt noch.«

»Ihr wisst es gewiss?«

»Ich weiß es gewiss.«

Es herrschte ein kurzes Stillschweigen, während dessen jeder die Eindrücke nach seiner eigentümlichen Natur in sich verarbeitete.

»Dieses Mal«, sagte Athos, das Stillschweigen zuerst unterbrechend, »dieses Mal hat uns d’Artagnan ein vortreffliches Programm gegeben, und das muss man vor allem schreiben.«

»Teufel, Ihr habt recht, Athos«, versetzte Aramis, »und der Entwurf ist kitzelig. Der Monsieur Kanzler käme selbst in Verlegenheit, wenn er einen Brief von dieser Wichtigkeit abfassen müsste, und der Monsieur Kanzler fasst doch ein Protokoll sehr gut ab. Doch gleich viel, schweigt, ich schreibe.«

Aramis nahm eine Feder, dachte einen Augenblick nach, schrieb acht bis zehn Zeilen mit einer zierlichen Frauenhandschrift und las sodann mit weicher Stimme, als ob jedes Wort ängstlich von ihm erwogen worden wäre, wie folgt:

Mylord,
die Person, welche Euch diese Zeilen schreibt, hat die Ehre gehabt, den Degen in einem kleinen Gehege der Rue d’Enfer mit Euch zu kreuzen. Da Ihr seitdem wiederholt die Güte hattet, Euch den Freund dieser Person zu nennen, so glaubt sie Euch für diese Freundschaft durch einen guten Rat danken zu müssen. Zweimal wäret Ihr beinahe das Opfer einer nahen Verwandten geworden, die Ihr für Eure Erbin haltet, weil Ihr nicht wisst, dass sie, ehe sie in England eine Ehe eingegangen hatte, bereits in Frankreich verheiratet war; aber das dritte Mal, das Euch jetzt bevorsteht, könntet Ihr unterliegen. Eure Verwandte ist von La Rochelle nach England abgereist. Überwacht ihre Ankunft, denn sie hat große, furchtbare Pläne. Wenn Ihr durchaus wissen wollt, was sie zu tun fähig ist, so lest ihre Vergangenheit auf ihrer linken Schulter.

»Das ist vortrefflich«, rief Athos. »Ihr habt die Feder eines Staatssekretärs, mein lieber Aramis. Lord Winter wird wohl auf seiner Hut sein, wenn der Rat überhaupt zu ihm gelangt. Fiele er in die Hände seiner Eminenz, so dürften wir dadurch nicht gefährdet werden. Da jedoch der Bediente, dem die Besorgung übertragen wird, uns glauben machen könnte, er sei in London gewesen, während er in Chatelleraut angehalten hat, so wollen wir ihm nur die Hälfte der Summe geben und die andere Hälfte für die Antwort versprechen. Habt Ihr den Diamanten?«, fuhr Athos fort.

»Ich habe etwas Besseres, ich habe das Bargeld«, antwortete d’Artagnan.

Er warf den Sack auf den Tisch. Beim Klang des Goldes schlug Aramis die Augen auf. Porthos bebte, Athos blieb unempfindlich.

»Wie viel ist in diesem Säckchen?«, fragte er.

»Siebentausend Livres in Louisd’or zu zwölf Franken.«

»Siebentausend Livres!«, rief Porthos, »dieser schlechte, kleine Diamant war siebentausend Livres wert!«

»Es scheint so, Porthos, da sie hier liegen. Ich glaube nicht, dass unser Freund d’Artagnan von dem seinen dazugetan hat.«

»Aber, Messieurs, bei all dem denken wir gar nicht an die Königin. Sorgen wir doch auch ein wenig für die Gesundheit ihres lieben Buckingham, das sind wir ihm mindestens schuldig.«

»Ganz richtig«, sprach Athos, »doch das geht Aramis an.«

»Wohl«, sagte dieser errötend, »was soll ich tun?«

»Das ist ganz einfach«, antwortete Athos, »einen zweiten Brief an die gewandte Person schreiben, welche in Tours wohnt.«

Aramis nahm die Feder wieder auf, dachte abermals einen Augenblick nach und schrieb folgende Zeilen, die er sogleich der Billigung seiner Freunde unterwarf:

Meine liebe Base …

»Ah! ab!« sagte Athos, »diese gewandte Person ist mit Euch verwandt?«

»Geschwisterkind«, sprach Aramis.

»Also Base.«

Aramis fuhr fort:

Meine liebe Base, Seine Eminenz, der Kardinal, den Gott zum Wohle Frankreichs und zur Schmach der Feinde des Reiches erhalten möge, ist auf dem Punkt, den ketzerischen Rebellen von La Rochelle den Garaus zu machen. Es ist wahrscheinlich, dass die Hilfe der englischen Flotte nicht einmal vor dem Platz ankommen wird. Ich möchte beinahe sagen, ich weiß gewiss, dass Monsieur von Buckingham durch ein gewisses Ereignis verhindert sein wird, abzureisen. Seine Eminenz ist der erhabenste Politiker der Vergangenheit, der Gegenwart und wahrscheinlich auch der Zukunft. Er würde die Sonne auslöschen, wenn sie ihn genierte. Teilt diese glücklichen Nachrichten Eurer Schwester mit, meine liebe Base. Ich träumte, der verdammte Engländer wäre tot. Ich weiß nicht mehr, ob durch Eisen oder durch Gift; nur dessen bin ich gewiss, dass er tot war und Ihr wisst, meine Träume täuschen mich nie. Haltet Euch also versichert, mich bald zurückkommen zu sehen.

»Vortrefflich«, rief Athos; »Ihr seid der König der Dichter, Ihr sprecht wie die Apokalypse und seid wahr wie das Evangelium. Es braucht jetzt nur noch die Adresse auf den Brief gesetzt zu werden.

»Das ist sehr leicht«, sagte Aramis.

Er legte den Brief niedlich zusammen und schrieb:

An Mademoiselle Michon, Weißnäherin in Tours.

Die drei Freunde schauten sich lachend an. Sie waren getäuscht.

»Nun begreift Ihr wohl, Messieurs«, sagte Aramis, »dass Bazin allein diesen Brief nach Tours bringen kann. Meine Base kennt nur Bazin und hat nur zu ihm Vertrauen. Bei jedem anderen würde die Sache scheitern. Überdies ist Bazin ehrgeizig und gelehrt. Bazin hat die Geschichte gelesen, Messieurs, er weiß, dass Sixtus V. Pabst geworden ist, nachdem er Schweine gehütet hatte. Da er zugleich mit mir zur Kirche übertreten will, so verzweifelt er nicht daran, selbst einmal Pabst oder wenigstens Kardinal zu werden. Ihr begreift, dass ein Mensch, der solche Absichten hegt, sich nicht fangen lässt, oder wenn er gefangen wird, eher das Märtyrertum erduldet, als dass er spräche.«

»Sehr gut«, sagte d’Artagnan, »ich lasse Euch gerne Bazin gelten, lasst mir dagegen Planchet gelten. Mylady hat ihn einst mit Stockschlägen aus dem Haus gejagt. Planchet aber hat ein gutes Gedächtnis, und wenn er irgendwo eine Rache wittern kann, so würde er sich eher bei lebendigem Leibe rädern lassen, als darauf Verzicht leisten. Sind die Angelegenheiten von Tours die Euren, Aramis, so sind die von London die meinen. Ich bitte also, Planchet zu wählen, welcher überdies schon einmal mit mir in London gewesen war und ganz deutlich auszusprechen versteht: London, Sir, if you please und my master, Lord d’Artagnan. Mit diesem wird er seinen Weg hin und zurück machen, Ihr könnt ganz unbesorgt sein.«

»In diesem Fall«, sprach Athos, »muss Planchet siebenhundert Livres für die Hinreise und siebenhundert für die Rückreise bekommen, und Bazin dreihundert für die Hinreise und dreihundert für die Rückreise. Dadurch schmilzt die Summe auf fünftausend Livres herab. Wir nehmen jeder Tausend Livres, um sie nach Gutdünken zu verbrauchen, und behalten einen Fonds von tausend Livres übrig, den der Abbé für außerordentliche Fälle oder gemeinschaftliche Bedürfnisse aufbewahrt. Ist Euch dies genehm?«

»Mein lieber Athos«, sagte Aramis, »Ihr sprecht wie Nestor, der, wie jedermann weiß, der Weiseste der Griechen war.«

»Gut, das ist abgemacht«, versetzte Athos. »Planchet und Bazin werden reisen. Im Ganzen ist es mir nicht leid, dass Grimaud bei mir bleibt. Er ist an meine Art und Weise gewöhnt, und darauf halte ich große Stücke. Der gestrige Tag hat ihn bereits etwas erschüttert, diese Reise würde ihn zugrunde richten.«

Man ließ Planchet kommen und gab ihm seine Instruktionen. Er wurde von d’Artagnan unterrichtet, der ihm zuerst den Ruhm, dann das Geld und endlich die Gefahr ankündigte.

»Ich werde den Brief im Aufschlag meines Rockes tragen«, sagte Planchet, »und ihn verschlingen, wenn man mir ihn nehmen will.«

»Aber dann kannst du deinen Auftrag nicht besorgen«, entgegnete d’Artagnan.

»Ihr gebt mir diesen Abend eine Abschrift, die ich auswendig lerne.«

D’Artagnan schaute seine Freunde an, als wollte er sagen: »Nun, was hatte ich Euch versprochen?«

»Du hast acht Tage«, fuhr er, sich an Planchet wendend, fort, »um zu Lord Winter zu gelangen. Du hast acht Tage, um hierher zurückzukommen. Im Ganzen sechzehn Tage. Wenn du am sechszehnten Tag nach deiner Abreise abends nicht zurückgekommen bist, kein Geld, und wenn es acht Uhr fünf Minuten wäre.«

»Dann kauft mir eine Uhr, gnädiger Monsieur«, sprach Planchet.

»Nimm diese«, sagte Athos und gab ihm mit seiner sorglosen Großmut die seine, »sei ein braver Bursche und bedenke, dass du, wenn du plauderst, schuld bist, dass deinem Herrn, der so großes Vertrauen auf deine Treue setzt und für dich haftete, der Hals abgeschnitten wird. Aber bedenke auch, dass ich dich, wenn durch deine Schuld d’Artagnan ein Unglück widerfährt, überall finden werde, um dir den Bauch aufzuschlitzen.«

»Oh, gnädiger Monsieur!«, sagte Planchet, gedemütigt durch diesen Verdacht und besonders erschrocken über die ruhige Miene des Musketiers.

»Und ich«, rief Porthos, seine große Augen in ihren Höhlen rollend, »bedenke, dass ich dich lebendig erdrossle.«

»Oh, gnädiger Monsieur!«

Und Planchet fing an zu weinen. Wir vermögen nicht anzugeben, ob dies aus Schrecken wegen der Drohungen, die man gegen ihn ausstieß, oder aus Rührung darüber geschah, dass er die vier Freunde so eng verbunden sah.

D’Artagnan fasste ihn bei der Hand und sprach: »Siehst du, Planchet, diese Messieurs sagen dir dies alles aus Liebe für mich, aber im Grunde sind sie dir wohl geneigt.«

»Ah, gnädiger Monsieur«, erwiderte Planchet, »entweder schlage ich mich durch oder man schneidet mich in Stücke. Und wenn man mich in Stücke schneidet, so dürft Ihr überzeugt sein, dass keines davon sprechen wird.«

Es wurde beschlossen, dass Planchet am anderen Morgen um acht Uhr abgehen sollte, damit er, wie er gesagt hatte, während der Nacht den Brief auswendig lernen könnte. Bei dieser Anordnung gewann er gerade zwölf Stunden. Er musste am sechszehnten Tag abends acht Uhr zurückgekommen sein.

Als er am anderen Morgen zu Pferde steigen wollte, nahm d’Artagnan, der eine gewisse Vorliebe für den Herzog von Buckingham in seinem Inneren fühlte, Planchet beiseite und sprach: »Höre, wenn du den Brief Lord Winter zugestellt und er ihn gelesen hat, so sagst du ihm noch weiter: ›Wacht über Seine Herrlichkeit, Lord Buckingham, denn man will ihn ermorden!‹ Siehst du, Planchet, das ist aber so ernst und so wichtig, dass ich es nicht einmal meinen Freunden gestehen wollte. Ich vertraue nur dir dieses Geheimnis an, und ich möchte es nicht für eine Capitainesstelle niederschreiben.«

»Seid unbesorgt, gnädiger Monsieur«, sprach Planchet, »Ihr werdet sehen, ob man auf mich zählen kann.«

Auf einem vortrefflichen Pferd, von dem er sich zwanzig Meilen von da trennen sollte, um die Post zu nehmen, ritt Planchet im Galopp von dannen, das Herz ein wenig gepresst durch das traurige Versprechen, das ihm die Musketiere gemacht hatten, aber im Ganzen in der besten Stimmung.

Bazin ging am anderen Tag nach Tours ab und hatte acht Tage, um seinen Auftrag zu besorgen.

Die vier Freunde hatten, wie man sich leicht denken kann, während der ganzen Dauer dieser zwei Abwesenheiten, mehr als je ihre Augen auf der Lauer, die Nase im Wind und das Ohr im Horchwinkel.

Sie verbrachten ihre Tage damit, dass sie zu erfahren suchten, was man sagte, dass sie die Gänge des Kardinals beobachteten und die ankommenden Kuriere ausspähten. Mehr als einmal wurden sie von einer unüberwindlichen Angst befallen, wenn man sie zu irgendeinem unerwarteten Dienst rief. Sie hatten sich übrigens zu ihrer eigenen Sicherheit zu hüten: Mylady war ein Gespenst, das, wenn es einmal den Menschen erschienen war, sie nicht mehr ruhig schlafen ließ.

Am Morgen des achten Tages trat Bazin, frisch wie immer, und lächelnd wie gewöhnlich, in die Schenke Zum Parpaillot ein, wo die vier Freunde gerade beim Frühstück saßen, und sagte, wie dies verabredet war: »Monsieur Aramis, hier ist die Antwort Eurer Base.«

Die vier Freunde tauschten einen freudigen Blick aus, die Hälfte des Geschäftes war abgemacht; allerdings war es die kürzere und leichtere.

Aramis nahm unwillkürlich errötend den Brief, der von einer plumpen Handschrift und ohne Orthographie war.

»Guter Gott!«, rief er lachend, »ich gerate gewiss noch in Verzweiflung, nie wird die arme Michon wie Monsieur von Voiture schreiben.«

»Was soll das heißen: die arme Michon?«, fragte der Schweizer, welcher, als der Brief ankam, gerade in einem Gespräch mit den vier Freunden begriffen war.

»Oh! Mein Gott, weniger als nichts«, antwortete Aramis, »eine kleine reizende Nähterin, die ich sehr lieb habe und von der ich mir einige Zeilen ihrer Hand als Andenken erbat.«

»Gottes Blut!«, rief der Schweizer, »wenn ihre Seele so groß ist, wie ihre Handschrift, so sitzt Ihr sehr im Glück, mein Kamerad.«

»Lasst sehen, was sie mir schreibt«, sagte Athos.

Athos warf einen Blick auf das Papier und las, um jeden Verdacht zu entfernen, der hätte entstehen können, ganz laut:

Mein Vetter, meine Schwester und ich, wir erraten die Träume sehr gut und wir haben eine furchtbare Angst davor; aber von Eurem wird man hoffentlich sagen können: Träume, Schäume. Adieu! Bleibt gesund und macht, dass wir von Zeit zu Zeit etwas von Euch hören.

Aglaë Michon.

»Von welchem Traum spricht sie?«, fragte der Dragoner.

»Ei, bei Gott!«, rief Aramis, »das ist ganz einfach, von einem Traum, den ich gehabt und ihr erzählt habe.«

»Ah ja, bei Gott! Das ist ganz einfach, wenn man seine Träume erzählt. Aber ich, was mich betrifft, ich träume nie.«

»Ihr seid sehr glücklich«, sagte Athos aufstehend, »und ich wollte, ich könnte dasselbe von mir sagen.«

»Nie«, versetzte der Schweizer, entzückt, dass ein Mann wie Athos ihn um etwas beneidete, »nie, nie!«

Als d’Artagnan sah, dass Athos aufstand, machte er es ebenso, nahm ihn beim Arm und ging mit ihm hinaus.

Porthos und Aramis blieben zurück, um den Späßen des Dragoners und des Schweizers die Spitze zu bieten.

Bazin legte sich auf einen Bund Stroh nieder. Da er mehr Einbildungskraft als der Schweizer hatte, so träumte er, Aramis sei Papst geworden und schmücke ihn mit einem Kardinalshut.

Aber Bazin hatte, wie gesagt, durch seine glückliche Rückkehr den vier Freunden nur einen Teil der Unruhe genommen, welche auf ihnen lastete. Die Tage des Wartens sind lang und d’Artagnan besonders hätte gewettet, jeder Tag habe achtundvierzig Stunden.

Er vergaß die notwendige Langsamkeit der Schifffahrt, er stellte sich die Macht Myladys allzu groß vor, er verlieh dieser Frau, die ihm einem Dämon ähnlich zu sein schien, übernatürliche Mittel. Er bildete sich bei dem geringsten Geräusch ein, man komme, um ihn zu verhaften, und bringe Planchet herbei, um ihn mit ihm und seinen Freunden zu konfrontieren. Diese Unruhe war so groß, dass sie auch Porthos und Aramis ergriff; nur Athos blieb unempfindlich. Er war, als ob es gar keine Gefahr um ihn her gäbe und er seine gewöhnliche Atmosphäre atmete.

Am sechszehnten Tage besonders wurden diese Zeichen der Aufregung bei d’Artagnan und seinen zwei Freunden so sichtbar, dass sie nicht am Platz bleiben konnten und wie Schatten auf dem Weg umherirrten, auf welchem Planchet zurückkehren sollte.

»Wahrlich«, sagte Athos zu ihnen, »Ihr seid Kinder, dass Euch eine Frau so bange macht. Ei, was kann denn am Ende geschehen? Dass man uns einsperrt? Man wird uns auch wieder aus dem Gefängnis ziehen, wie man Madame Bonacieux herausgezogen hat. Dass man uns enthauptet? Jeden Tag setzen wir uns im Laufgraben noch viel Schlimmerem aus, denn eine Kugel kann uns das Bein zerschmettern. Ich bin überzeugt, dass uns ein Wundarzt bei Weitem größere Schmerzen verursacht, wenn er uns den Schenkel abschneidet, als ein Henker, wenn er uns den Kopf abschlägt. Seid also ruhig: In zwei Stunden, in vier, in sechs Stunden spätestens wird Planchet hier sein, denn er hat einzutreffen versprochen, und ich setze großes Vertrauen auf die Versprechungen Planchets.«

»Aber wenn er nicht kommt?«, fragte d’Artagnan.

»Wenn er nicht kommt, nun so wird er aufgehalten worden sein. Das Pferd kann ihn abgeworfen haben, es kann einen Sprung über die Brücke gemacht haben, er kann so rasch gelaufen sein, dass er eine Brustentzündung bekommen hat. Ei, Messieurs, wir müssen auch die Ereignisse in Rechnung bringen. Das Leben ist ein großer Rosenkranz von kleinen Unglücksfällen, die der Philosoph lachend abkörnt. Seid Philosophen, wie ich, Messieurs, setzt Euch zu Tisch und trinkt. Nichts lässt die Zukunft so rosenfarbig erscheinen, als wenn man sie durch ein Glas Chambertin anschaut.«

»Das ist sehr gut«, antwortete d’Artagnan, »aber ich bin es müde, bei jedem Schluck fürchten zu müssen, der Wein könnte aus Myladys Keller kommen.«

»Ihr seid sehr heikel«, sagte Athos, »eine so schöne Frau!«

»Eine Gebrandmarkte!«, rief Porthos mit seinem plumpen Lachen.

Athos bebte, strich mit der Hand über die Stirn, um den Schweiß abzutrocknen, und stand ebenfalls mit einem Nervenzittern auf, das er nicht zu bewältigen vermochte.

Der Tag ging indessen hin und der Abend kam noch langsamer heran, aber er kam doch endlich. Die Trinkstuben füllten sich mit Gästen. Athos, der seinen Anteil an dem Diamanten in die Tasche gesteckt hatte, verließ den Parpaillot nicht mehr. Er fand in Monsieur von Busigny, der ihnen übrigens ein vortreffliches Mittagsmahl gegeben hatte, einen würdigen Partner. Sie spielten wie gewöhnlich miteinander, als es sieben Uhr schlug. Man hörte die Patrouillen vorüberziehen, welche die Posten verdoppelten. Um halb acht Uhr wurde Retraite geschlagen.

»Wir sind verloren«, sagte d’Artagnan Athos in das Ohr.

»Ihr wollt sagen: Wir haben verloren«, erwiderte Athos ruhig und warf zehn Louisd’or auf den Tisch, die er aus seiner Tasche gezogen hatte. »Auf, Messieurs«, fuhr er fort, »man schlägt die Retraite, gehen wir schlafen.«

Athos verließ den Parpaillot, von d’Artagnan gefolgt. Aramis gab Porthos den Arm und kam hinter ihnen. Aramis kaute Verse und Porthos riss sich von Zeit zu Zeit ein Haar aus dem Schnurrbart als Zeichen der Verzweiflung.

Aber plötzlich zeigte sich in der Dunkelheit ein Schatten, dessen Form d’Artagnan bekannt war.

Eine Stimme sagte: »Gnädiger Monsieur, ich bringe Euch Euren Mantel, denn es ist frisch heute Abend.«

»Planchet!«, rief d’Artagnan trunken vor Freude.

»Planchet!«, riefen Porthos und Aramis.

»Jawohl, Planchet!« sagte Athos. »Was ist darüber zu staunen? Er hatte versprochen, um acht Uhr zurückzukommen, und eben schlägt es acht Uhr. Bravo, Planchet, Ihr seid ein Mann von Wort, und wenn Ihr je Euren Herrn verlasst, so nehme ich Euch in meine Dienste.«

»Oh! nein, nie«, sagte Planchet, »nie verlasse ich Monsieur d’Artagnan.«

In demselben Augenblick fühlte d’Artagnan, dass ihm Planchet ein kleines Billett in die Hand schob.

D’Artagnan hatte große Lust, seinen Planchet zu umarmen, aber er fürchtete, dieses Freundschaftszeichen gegen seinen Lakaien auf offener Straße könnte einem Vorübergehenden auffallend erscheinen. Er hielt sich zurück.

»Ich habe das Billett«, sagte er zu Athos und zu seinen Freunden.

»Das ist gut«, sprach Athos, »kehren wir nach Hause und lesen wir es.«

Das Billett brannte d’Artagnan in der Hand. Er wollte seinen Marsch beschleunigen, aber Athos nahm ihn beim Arm, fasste ihn fest. Der junge Mann war genötigt, gleichen Schritt mit seinem Freund zu halten.

Endlich trat man in das Zelt ein und zündete eine Lampe an. Während Planchet bei der Tür blieb, damit die vier Freunde nicht überrascht würden, erbrach d’Artagnan mit zitternder Hand das Siegel und öffnete den so sehnsüchtig erwarteten Brief.

Er enthielt eine halbe Zeile von echt britischer Handschrift und lakonischer Gedrängtheit:

»Thank you! Be easy.« Was sagen sollte: »Ich danke, seid ruhig.«

Athos nahm d’Artagnan den Brief aus den Händen, näherte ihn der Lampe, brannte ihn an und ließ ihn nicht aus dem Auge, bis er in Asche verwandelt war.

Dann rief er Planchet und sagte: »Nun, mein Junge, kannst du die siebenhundert Livres fordern, aber du wagtest nicht viel mit einem Billett wie dieses hier.«

»Das hielt mich nicht ab, alle möglichen Mittel zu ersinnen, um es zu bewahren«, sprach Planchet.

»Nun erzähle uns«, sagte d’Artagnan.

»Das wäre in der Tat sehr weitschweifig, gnädiger Monsieur.«

»Du hast recht, Planchet. Überdies hat man die Retraite geschlagen, und es könnte auffallen, wenn wir länger Licht behielten als die anderen.«

»Es sei«, sagte d’Artagnan, »legen wir uns nieder. Schlaf wohl, Planchet.«

»Meiner Treu, gnädiger Monsieur, das ist das erste Mal seit vierzehn Tagen.«

»Bei mir auch!«, sagte d’Artagnan.

»Bei mir auch!«, sagte Porthos.

»Bei mir auch!«, sagte Aramis.

»Nun, soll ich Euch die Wahrheit gestehen? Bei mir auch«, sagte Athos.