Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Sir Henry Morgan – Der Bukanier 35

Kapitän Marryat
Sir Henry Morgan – Der Bukanier
Aus dem Englischen von Dr. Carl Kolb
Adolf Krabbe Verlag, Stuttgart 1845

Fünfunddreißigstes Kapitel

Morgan verfolgt seine Geliebte und spielt den Heuchler, ohne damit viel zu erzielen. Er schwelgt mit einem Mann, der seine Pflicht kennt. Seltsames Ende der Schlemmerei.

Morgan konnte zwar durch augenblickliche Eindrücke ergriffen und überwunden werden. Da er aber durchaus keine sittlichen oder religiösen Grundsätze besaß, so wichen die besseren Gefühle bald wieder seinen wilderen Leidenschaften. Den Tag nach seiner Niederlage war er verstimmt und ungemein reizbar. aber mit einer Gemeinheit, zu der sich nur solch ein Mann oder kein Mann herablassen konnte, brachte er die Leute auf den Glauben, als sei er nicht nur ein begünstigter, sondern sogar ein gehätschelter Liebhaber.

Er betrieb nun seine Vorbereitungen zum Rückzug mit dem größten Eifer, indem er seine Kapitäne vor sich beschied und ihnen befahl, dass jeder so und so viele Maultiere zum Transport der Beute beizuschaffen habe. Aber in Mitte dieses Gedränges fand er doch noch hinreichend Zeit, um seine Werbung in der ihm eigentümlichen Weise zu verfolgen. Er setzte das Gerücht im Umlauf, die Schwägerin des Präsidenten stehe in eifriger Korrespondenz mit den Feinden und zettle mit denselben Komplotte an. Er brachte gefälschte Briefe, welche von ihr und an sie geschrieben sein sollten, zum Vorschein und bediente sich dann jener geschmeidigen Maschine, eines Kriegsrates, um Lynia in einen Kerker zu werfen und als Lösegeld für sie die ungeheure Summe von fünfzigtausend Piastern zu fordern. Demgemäß wurde der Gegenstand seiner Verfolgung in ein elendes, unterirdisches Loch gebracht, wo man ihm nur spärlich Brot und Wasser reichte.

Nach achtundvierzig Stunden des Hungers und der Dunkelheit begab sich der sanfte Liebhaber unter dem Anschein, als habe er sich nur heimlich und durch Bestechung Zutritt verschafft, zum Gegenstand seiner Zuneigung. Er beschwerte sich bei diesem Besuch laut gegen die Tyrannei und Unverschämtheit seiner eigenen Offiziere und drohte, wenn er nach Jamaika zurückkomme, sie alle vor ein Kriegsgericht zu stellen. Zugleich beteuerte er, dass ihm in Beziehung auf sie alle Macht genommen sei, teilte ihr mit, wessen sie beschuldigt worden war, und zeigte ihr den Befehl des  Kriegsrats, welcher unter Spezifizierung der ihr zur Last gelegten Anschuldigungen ihre strenge Einkerkerung und ihr Lösegeld anordnete.

Nachdem er das von ihm selbst herbeigeführte Missgeschick hinlänglich beklagt hatte, wurde er wieder der sanfteste und glühendste Liebhaber, obwohl er beim gegenwärtigen Anlass die Achtung nie aus den Augen ließ. Er flehte leidenschaftlich und aufs Arglistigste, indem er ihr versicherte, dass ihm noch hinreichender Einflussgeblieben sei, um ihre gemeinschaftliche Flucht bewerkstelligen zu können. Es stehe daher noch immer das höchste menschliche Glück in ihrem Bereich. Dann berührte er eine sehr empfindsame Seite ihres Herzens. Nicht länger sprach er von Eroberungen, Ruhm oder indianischen Paradiesen, machte aber dagegen den Vorschlag, sie sollten beide vergessen, dass sie je Cardigan Bay verlassen hätten. Der Wahrheit gemäß teilte er ihr mit, dass seine Schätze ungeheuer seien. Er wolle all sein Eigentum in Geld umwandeln, mit ihr nach Wales reisen, das Schloss Glenllyn wiederaufbauen und das ganze benachbarte Land ankaufen, damit sie dort den Rest ihrer Tage in gut altenglischem Baronialprunk verbringen könnten.

Das war ein sehr verlockendes Gemälde, aber die Bilder ihres Gatten und ihrer Tochter traten verdüsternd vor Lynias Seele. Was Morgan betraf, so machte ihm der Gedanke an seine eigene milde und nur zu wenig tatkräftige Gattin nicht viel Sorge.

Er handelte und sprach, als ob sie gar nie existiert hätte, wie denn auch Donna Guzman nichts von ihrem Vorhandensein erfuhr.

Morgan beunruhigte und quälte den Gegenstand seiner Bewerbung, ohne jedoch dem Ziel seiner Wünsche näher zu kommen. Er wiederholte seine Besuche mehrere Male, aber mit demselben Erfolg. Endlich begann er zu glauben, dass in der Tugend doch etwas Wirkliches sein müsse. Es fehlte wenig, dass er seine eigenen Grundsätze und seine Irreligion beklagt hätte.

Unser Held war schon einundzwanzig Tage länger in Panama geblieben, als die Klugheit es rätlich erscheinen ließ. Die moralischen Folgen davon waren für ihn, sofern sein Kommando über einen wilden Truppenhaufen infrage kam, sehr nachteilig. Die Bukanier schrieben die Zögerung zwar der richtigen Ursache, aber unter unrichtiger Voraussetzung zu, denn sie meinten, er schwelge im Taumel einer belohnten Liebe, und wurden in höchstem Grade ungehalten, bis endlich diese Stimmung in die Eiterbeule der Verschwörung ausbrach.

Einer von den lautesten Unzufriedenen, Kapitän François, ein normannischer Matrose, welcher regelmäßig zum Piraten erzogen worden war, veranlasste mehr als hundert von seinen Landsleuten, nebst einigen schurkischen Engländern, sich des großen Schiffes und des besten kleinen Fahrzeugs, das in der Bai von Panama lag und, wie oben bemerkt, von Morgan genommen worden war, zu bemächtigen.

Sie hatten unter sich ausgemacht, diese Schiffe gut zu bewaffnen, sich der Schätze der Armee zu bemächtigen, nachts in See zu stechen und Morgan nebst seinen Gefährten ganz und gar zu verlassen. Wenn sie dies bewerkstelligt hätten, wollten sie eine der fruchtbaren Inseln in der Bay von Panama in Besitz nehmen, dort ein Fort errichten und sich so ihre Schätze bewahren. Durch weitere Kreuzzüge hofften sie ihre Beute noch ungeheuer vergrößern zu können. Wenn sie dann ein Schiff, welches ihnen anstand, genommen und einen zuverlässigen Piloten aufgefangen hätten, wollten sie durch die Straße von Magellan nach Europa zurückkehren.

All dies wurde im Geheimen so bewunderungswürdig fortgeführt, dass die Verschwörer bereits große Quantitäten von Mundvorrat und Munition verborgen, auch einige von den demontieren Kanonen, welche zu Panama gehörten, beiseitegebracht hatten.

Während Morgan mit gleichem Eifer seine Vorbereitungen für die Abreise über und seine erfolglose Bewerbung im Hintergrund fortsetzte, war die Verschwörung im Begriffe sich in voller triumphierender Kraft zu entladen. Die Nacht war weit vorgerückt. Unser Held kam von seiner Geliebten herauf, von der feuchten Gefängnisluft durchkältet und durch ein abermaliges Fehlschlagen seiner Bemühungen verstimmt. Er setzte sich in seinem prachtvollen Salon nieder und nahm seine Zuflucht zum Weinbecher. Da er sich jedoch einsam fühlte, fragte er, welcher Offizier des Nachtkommando über die Hauptwache im Palast habe, und erhielt zur Antwort, dass Kapitän Wills, der Mann, welcher seine Pflicht kannte und übte, mit diesem Dienst beauftragt sei.

Der General schickte nach ihm. Da der Gehorsam ein Teil seiner Pflicht war, so setzte sich der ritterliche Kapitän bereitwillig zu seinem Oberbefehlshaber nieder, um mit demselben im raschen Leeren der Flaschen zu wetteifern.

»Nun, Kapitän Wills,« begann der General, »wir haben sehr viel Glück gehabt. Unsere Leute sehnen sich ja jetzt ganz gewaltig, nach Port Royal zu kommen, um sich dort mit größtmöglichem Aufwand zu den größten Eseln zu machen.«

»Eure Excellenz spricht sehr wahr, aber ich kenne meine Pflicht und will daher nicht erwähnen, dass die Leute sagen, man sei der größte Esel, wenn man länger hierbleibe.«

»Das gilt natürlich mir, Kapitän. Seid offen! Ist es nicht so?«

»Ich kenne meine Pflicht, und es fällt mir nicht ein, den Oberbefehlshaber auch aus zweiter Hand einen Esel zu nennen; aber natürlich meint man niemand anderes, als Euch, General.«

»Ah, gut. Die Leute verstehen nichts von solchen Dingen und denken nur an die Zögerung. Die undankbaren Schufte! Wenn sie auch nicht auf den Mann Vertrauen setzen, der sie so lange zu Sieg und Eroberung geführt hat, könnten sie sich doch auf den kürzlich abgehaltenen Kriegsrat verlassen. Ihr wünscht auch, nach Jamaika zu kommen, Kapitän?«

»Ich? Oh, ich bin ebenso gut hier. Ich habe hier meine zwei Maitressen und kann, da ich kein Oberbefehlshaber bin, natürlich nicht erwarten, dass mir ein ganzes Nonnenkloster zu Diensten stehe. Mein Anteil an der Beute wird ziemlich beträchtlich ausfallen, mein Quartier ist vortrefflich und die Kost könnte ich nicht besser wünschen. Ich kenne meine Pflicht und erfülle sie. Wonach sollte ich mich sonst noch sehnen? Ich befinde mich ganz behaglich, General, und wünschte nur, dass es andauern möchte.«

»Noch einen Becher! Das ist vortrefflicher Madeira. Glaubt mir, Kapitän, Ihr seid ein Mann ganz nach meinem Herzen – ebenso trefflich als Soldat, wie als Seemann.«

»Dem Seemann gebe ich durch die ganze Welt den Vorzug, General, kenne übrigens meine Pflicht in beiderseitiger Eigenschaft und erfülle sie.«

»Ja, das ist wahr, und ich habe Euch dies stets nachgerühmt. Auch seid Ihr keiner von jenen superfeinen Laffen, welche zu stolz sind, um mit einem teerhändigen Matrosen oder einem stämmigen Musketier zu konversieren. Haben die Leute bei dieser allgemeinen Plünderung auch auf sich Bedacht genommen?«

»Aufs Gewissenhafteste, General. Sie sind ganz ausgepolstert mit verborgenem Gold. Ist kaum ein einziger Mann unter ihnen, welchen die versteckten Juwelen nicht dermaßen stechen, dass er kaum mehr gehen kann. Tragen alles zunächst auf ihrer Haut. Wenn Ihr an ihnen vorbeigeht, wird keiner seine Kappe abziehen wollen, damit ihm nicht die Piaster und Crusadoes auf die Platte regnen. In Wahrheit, General, es sind pestilenzialische Diebe. Sie möchten gerne fort, damit sie ihre Kleider wieder bequemer tragen können.«

»Ich hoffe nicht, dass sich meine Offiziere gleichfalls so unehrlich benehmen?«

»Weiß nicht. Gehört nicht zu meiner Pflicht, auszuplaudern. Allerdings könnten sonderbare Dinge vorkommen. Aber entschuldigt mich, General, ich darf keine Namen nennen, wenn es sich nicht um ein Kriegsgericht. Nur dann fordert es meine Pflicht.«

»Ich verlange von Eurer Gewissenhaftigkeit keine Namen – durchaus keine Namen. Aber ich bitte, sprecht fort. Natürlich muss ich zu erfahren wünschen, wie ich bedient werde.«

»Da ist der frömmelnde Kapitän Odds Bob, der Mann von der fünften Monarchie – ich nenne keinen Namen – der kehrte letzte Nacht von einer lustigen Partie zurück, um, wie er sagt, den Herrn im Gebet zu suchen. Da ich neugierig war, zu erfahren, wie er dies angriff, schlich ich ihm nach und fand ihn bald nicht auf seinen Knien, sondern auf seinen Hanken in einem ganz abgeschiedenen Winkelchen, wo er emsig aus einem Ebenholzkreuz die Diamanten grübelte und sie alle an seiner Person verbarg.«

»Wir wollen ihn seiner Zeit in Stück reißen, ehrlicher Kapitän Wills. Wir wollen ihn behandeln wie eine Uhr, die ausgebessert werden soll, und ihn stückweise auseinandernehmen.«

»Letzthin bat ich einen unserer Obristen, er solle mir einen Tabakstopfer borgen. Da zog er dann ganz unschuldig aus seiner Tasche ein agnus dei von gediegenem Gold hervor und schwor einen ungeheuerlichen Eid, es sei ein Erbstück seiner Familie aus den Tagen des Heidentums.«

»Das muss ein wölscher Feind und Landsmann ap Gwydyr ap Owen ap Toryr ap und so weiter gewesen sein. Wir wollen ihn um seinen Tabakstopfer bemühen. Es fehlt jetzt in unserer Armee nicht an Riechbüchschen und Tabakdosen, die mit Diamanten verziert sind – lauter Geschenke von Freunden in Jamaika oder England. Wahrhaftig wir sind ein liebenswürdiger und viel geliebter Schlag von Kriegern.«

»Ohne Zweifel viel geliebt von unsern Freunden und Verwandten. Wollt Ihr so gut sein, mir eine Prise aus Eurer eigenen Dose zu geben?«

»Mit Vergnügen, wenn sich Eure Exzellenz herablassen will, ihn aus meinem alten schottischen Horn zu nehmen.«

»Die Prise riecht nach Eurer Dose, aber es ist der Geruch der Ehrlichkeit.«

»Ich möchte Euch untertänig den Rat erteilen, General, morgen die Armee zu mustern und eine allgemeine Personendurchsuchung vornehmen zu lassen. Wahrhaftig, ich tät es.«

»Nicht doch, sprecht kein Wort davon. Diese Gentlemen werden die sichersten und sorgfältigen Träger für die Armee machen. Zu geeigneter Zeit können wir sie schon erleichtern und ihnen noch Dank dafür wissen, dass sie für das allgemeine Wohl so große Sorge getragen haben. Ich befehle Euch bei Eurer Pflicht, diese Angelegenheit als Geheimnis zu bewahren. Ihr seid mein bester Ratgeber. Doch sagt mir auch, was von meiner Zögerung gesprochen wird.«

»Die Pflicht verbietet mir eine Rüge laut werden zu lassen, mein General. Aus meinen Schuljahren her erinnre ich mich an eine Fabel oder etwas der Art, wobei mir immer Eure Excellenz einfällt.«

»So lasst mich wenigstens die Fabel hören.«

»Es war einmal – fangen nicht alle Fabeln mit es war einmal an, General?«

»Ich denke so.«

»Ja, ja, ich meine. Nun, es war einmal eine sehr ausgemergelte Ratte mit einem sehr langen Schwanz. Die kroch durch ein sehr kleines Loch in einen sehr großen Kornspeicher.«

»Panama zum Beispiel.«

»Und als sie drinnen war, ließ sie es sich wohl sein und wurde so fett, dass sie nicht mehr durch dasselbe Loch hinauskonnte. So wurde sie dann vom Herrn des Kornspeichers gefangen, und dieser drehte ihr den Hals um.«

Morgan lachte herzlich über diese Erzählung und versprach, für seine Ratten, insbesondere für ihn, den Kapitän, Sorge zu tragen. Sie zechten nun eine Weile fort, bis endlich Kapitän Wills, durch den genossenen Wein kühner gemacht, seinen Befehlshaber plötzlich nach dem Namen der Hexe fragte, welche den Simson, jenen langen und tüchtigen Kerl, obwohl er ein Jude gewesen war, so sehr betört habe.

»Vermutlich meint Ihr die Delila? Und was ist mit dieser?«

»Nichts Besonderes, General, weiter nichts, als dass sie eine schlaue Philisterin war.«

»Nur heraus damit. Ihr habt dies nicht umsonst erwähnt. Worauf spielt Ihr an?«

»Na, jener zungenfertige Gascogner, der Kapitän Francois, hat gehässige Vergleiche angestellt. Er lügt entsetzlich von Pässen, die verlegt worden seien, von Reiterei und Fußvolk im Hinterhalt, von Nationen wilder Indianer, die sich über das Angesicht der Erde verbreiten, während elendiglicher Weise die Geschichte von Simson und der Delila im Palast nachgeahmt werde.«

»Hat er all dies gesagt?«

»Offen und unverhohlen.«

»Und keiner meiner Freunde gab ihm eins auf die Nase?«

»Ach, General, es herrscht bereits Uneinigkeit genug unter uns. Er steht an der Spitze einer gewaltigen Partei, und die Wahrheit gestanden, wir fühlten, dass sein Gerede nicht ganz ohne Grund ist.«

Morgan wurde nun stumm und ging mit sich selbst zurate. Dieser ehrliche Bursche ist mein Freund, dachte er, und ich habe mich zu lange verzaubern lassen. Ich habe weder Zeit noch Gelegenheit zu untersuchen, wie weit sich das Missvergnügen ausgedehnt haben mag. In der Tat, Lynia, ich habe für dich viel aufs Spiel gesetzt. Ich muss schnell handeln und will den Rat dieses Mannes befolgen. Doch er soll mir mit noch mehr herausrücken.

Dann erhob er seine Stimme und sagte: »Kapitän Henry Wills, zu Eurer Pflicht!«

Der Kapitän sprang von seinem Sitze auf, nahm eine bolzgerade Haltung an und leistete seinem General die militärische Begrüßung.

»Ist die Unzufriedenheit allgemein?«

»Das Murren wohl, Euer Excellenz, aber die Unzufriedenheit beschränkt sich, glaube ich, bis jetzt nur auf die Fremden.«

»Bis jetzt? Ihr glaubt also, das Missvergnügen sei bis zu Handlungen gereift?«

»In der Tat, General, das kann ich nicht sagen. Dem Kapitän Francois ist ein wichtiger Dienst anvertraut. Das westliche Viertel der Stadt und der Hafen stehen unter seinem Kommando, und Ihr wisst, dass er in seinem eigenen Quartier tun kann, was er will. Er sagt, die Sicherheit seiner Abtheilung sei ihm ausdrücklich von Euch übertragen.«

»Er ist darum eingekommen.«

»Wirklich? Dann General rate ich Euch, hinzugehen und die zwölf Apostel zählen.«

»Ah, sagt Ihr so?«, erwiderte Morgan, indem er plötzlich aufstand. »Wir wollen unsre Mäntel holen und uns als ein paar gute Freunde auf den Weg machen. Von Stunde an sind wir Brüder. Wir wollen in aller Stille Einsicht vom Stand der Dinge nehmen. Keinen Wein mehr. Wir lassen die Flaschen, wie sie sind, und können ihnen nach unsrer Rückkehr vollends den Garaus machen.«

So brachen sie, verkleidet und wohlbewaffnet, desgleichen mit der Losung für die Nacht versehen, auf, um ihre Beobachtungen anzustellen. Als sie zu dem Ort kamen, wo die zwölf Apostel stehen sollten, fanden sie nur noch drei derselben vor, während der Vierte gerade fortgeschafft wurde. Diese Apostel waren zwölf schwere Kanonen, welche von den Spaniern diesen Namen erhalten hatten und auf einer Batterie, welche die Seeseite beherrschte, aufgepflanzt waren.

Morgan und der Kapitän hielten sich so gut wie möglich im Schatten der Gebäude verborgen, lauschten und bekamen so bald Kunde von dem ganzen Anschlag. Der General ergriff augenblicklich seine Maßregeln. Von Wills begleitet, machte er sich in die Nähe des Kapitän Francois, welcher alle Bewegungen der Verschwörer leitete. Sie folgten demselben von Platz zu Platz und entdeckten in dieser Weise die verschiedenen Stellen, wo die Munition und der Mundvorrat verborgen lag. Bisweilen arbeiteten sie sogar mit den Verschwörern, denn ihre Mäntel und die Dunkelheit ließen nicht besorgen, dass sie entdeckt würden. Während sie sich mit den Lastträgern weiter drängten, ersah Morgan seine Gelegenheit, um dem Kapitän Francois seinen Dolch, Owens Todesgabe, in den Rücken zu stoßen. Die Waffe drang bis ans Heft ein. Der Rädelsführer des Komplotts sank in Mitte seiner Leute tot zusammen.

Morgan und Kapitän Wills traten bloß beiseite, während einige von den Soldaten, welche Francois fallen sahen, ihn umringten, dann aber, weil sie ihn tot fanden und sich gegenseitig beargwöhnten, flüchteten. Sobald der Platz frei war, winkte Morgan Wills zu der Leiche hin, welche sie gemeinschaftlich entkleideten. Sie fanden eine ungeheure Menge versteckter Beute, welche nur aus den kostbarsten Juwelen bestand.

Nachdem sie diese wertvollen Gegenstände an sich gebracht hatten, kehrten sie wieder zu ihrem Wein zurück und taten sich dabei ausnehmend gütlich. Der General bestand darauf, dass Wills die Juwelen als besondere Belohnung an sich nehmen sollte. Letzterer ließ sich dies nach einigem dankbaren Zögern gefallen. Sie beschlossen sodann, diesen Mord geheim zu halten und am anderen Morgen je nach den Umständen zu handeln, denn sie zweifelten nicht, dass der französischen Verschwörung damit vollständig der Garaus gemacht worden sei.

Auf des Kapitäns Bitte, die übrigens vom General selbst angedeutet worden war, versah Morgan die Juwelen mit seinem Siegel und nahm sie in seine eigene Verwahrung, da eine persönliche Durchsuchung der Besitzer einer kleinen Unannehmlichkeit hätte unterwerfen können.

Um zwei Uhr morgens verließ Kapitän Wills seinen General sehr benebelt, obwohl er sich fest überzeugt fühlte, dass er, der Mann, welcher seine Pflicht kannte und erfüllte, ganz übernatürlich nüchtern sei, da er in allen Dingen so klarsehe und ein so vernünftiges Räsonnement darauf zu gründen imstande sei.

Als er abgelöst und von seinem Diener zu Bett gebracht wurde, rief er oder versuchte wenigstens auszurufen, Morgan sei der besonnenste, vollendeste und bravste General, den es je gegeben habe, namentlich aber über die Maßen großmütig. Er habe nur einen einzigen Fehler, von dem er selbst völlig frei sei. Der General könne nämlich das Getränk nicht führen, wie ein Mann, aber ohne diesen Mangel wäre er wahrhaftig in allen Punkten ein Held.

Am andern Morgen befand sich der Mann, der sein Getränk so gut zu führen wusste, über die Maßen unwohl, während sich der schwachköpfige Zecher in bester Gesundheit befand und alle Obliegenheiten seines wichtigen Amtes mit der größten Umsicht und Ruhe übte.