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Der Welt-Detektiv Band 6

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Abenteuer des Captains Bonneville 23

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Das Crow-Land. Ein Crow-Paradies. Gewohnheiten der Crow. Anekdoten von Rose, dem weißen Renegaten. Seine Gefechte mit den Blackfeet. Seine Erhebung. Sein Tod. Arapooisch, der Crow-Häuptling. Sein Adler. Abenteuer von Robert Campbell. Ehre unter den Crow.

Ehe wir Captain Bonneville in das Land der Crow begleiten, wollen wir einige wenige Tatsachen über diese wilde Region und das wilde Volk mitteilen, welche sie bewohnt. Wir sind nicht genau von den Grenzen des Landes unterrichtet, das die Crow in Anspruch nehmen, wenn es welche hat. Es scheint sich von den schwarzen Hügeln bis zum Felsgebirge zu erstrecken, einen Teil seiner hohen Gebirgsketten einzuschließen und manche der Ebenen und Täler zu umfassen, welche vom Wind River, Yellowstone River, Powder River, Little Missouri River und Nebraska River bewässert werden. Das Land wechselt im Boden und Klima ab. Es hat große Sand- und Tonwüsten, besät mit großen roten Sandsteinhügeln. Andere Teile sind grandios und malerisch: Es besitzt warmen Quellen, Kohlenminen und einen Überfluss an Wild.

Wir wollen die Beschreibung des Landes jedoch so geben, wie sie Arapooisch, der Crow-Häuptling, Mr. Robert Campbell von der Rocky Mountain Fur Trade machte.

»Das Crow-Land«, sagte er, »ist ein gutes Land. Der große Geist hat es genau an den rechten Platz verlegt. So lange Ihr in demselben seid, geht es Euch gut. Wenn Ihr aus demselben kommt, so werdet Ihr es, welchen Weg Ihr auch nehmt, schlimmer finden. Geht Ihr nach Süden, dann müsst Ihr durch große unfruchtbare Ebenen wandern. Das Wasser ist warm und schlecht, und Ihr bekommt das Fieber. Nach Norden zu ist es kalt. Die Winter sind lang und streng ohne Gras. Ihr könnt dort keine Pferde halten. Ihr müsst mit Hunden reisen. Was ist ein Land ohne Pferde! Am Columbia River sind sie arm und schmutzig, plätschern in Booten umher und essen Fische. Ihre Zähne sind verdorben. Sie nehmen beständig Fischgräten aus dem Mund. Fische sind eine armselige Speise. Nach Osten zu wohnen sie in Dörfern. Sie leben gut; allein sie trinken das Lehmwasser des Missouri, das ist schlimm. Kein Hund eines Crow würde ein solches Wasser trinken. Um die Gabeln des Missouri liegt ein schönes Land. Es hat gutes Wasser, gutes Gras und eine Menge von Büffeln. Im Sommer ist es fast ebenso gut wie das der Crow; allein im Winter ist es kalt, das Gras ist weg und kein Salzkraut für die Pferde da. Das Crow-Land steht genau auf dem rechten Fleck. Es hat verschneite Gebirge und sonnige Ebenen. Alle Gattungen von Klimaten und gute Bissen in jeder Jahreszeit. Wenn die Sommerhitze die Prärien versengt, dann könnt Ihr unten an den Gebirgen hinziehen, wo die Luft angenehm kühl, das Gras frisch ist und die klaren Ströme aus den Schneegebirgen kommen. Hier könnt Ihr das Elentier, den Hirsch und die Antilope jagen, wenn ihre Häute zu benutzen sind. Da findet Ihr eine Menge Bären und Gebirgsschafe. Im Herbst, wenn Eure Pferde fett und stark von der Gebirgsweide sind, dann könnt ihr in die Ebene hinabgehen und den Büffel jagen oder Biber an den Strömen fangen. Und wenn der Winter kommt, so könnt Ihr in der Tiefe der Gehölze längs den Flüssen Schutz finden. Hier findet Ihr das Fleisch der Büffel für Euch selbst, und die Rinde des Baumwollholzbaumes für Eure Pferde. Oder Ihr könnt im Wind River Valley überwintern, wo Salzkraut im Überfluss ist. Das Land der Crow ist genau der rechte Fleck. Alles was gut ist, ist dort anzutreffen. Es gibt kein Land, das dem Crow-Land gleichkommt.«

Dies ist das Lob, das Arapooisch seinem Land erteilte.

Wir haben mehrere Gelegenheiten gehabt, von dem rastlosen und räuberischen Geist der Crow zu sprechen. Sie können fünfzehnhundert Bewaffnete ins Feld stellen; allein ihre unaufhörlichen Kriege mit den Blackfeet und ihre herumschweifende und räuberische Lebensweise reiben sie nach und nach auf.

In einem unlängst herausgegebenen Werke haben wir eines Umstandes in Betreff eines weißen Menschen erwähnt, der ein vogelfreier, hinterlistiger Vagabund war, der Mr. Hunt und seiner Partie über die Gebirge nach Astoria zum Wegweiser und Dolmetscher diente, der sie beinahe in die Hände der Crow lieferte und unter dem Stamm blieb, indem er eine ihrer Frauen heiratete und ihre gleichartigen Gewohnheiten annahm.1

Einige Anekdoten über die nachherigen Schicksale des Renegaten mögen hier nicht am unrechten Ort sein, umso mehr, da sie mit den Schicksalen dieses Stammes im Zusammenhang stehen.

Rose war von robuster Statur und furchtlosem Geist und verschaffte sich bald durch seine verwegenen Taten einen Rang unter den ersten Helden des Stammes. Er strebte nach einer Befehlshaberstelle und wusste, dass solche nur durch verzweifelte Taten zu erlangen war. Er zeichnete sich in mehreren Gefechten mit den Blackfeet aus. In einem derselben hatte sich eine Horde jener Wilden hinter einer Brustwehr verschanzt. Man konnte ihnen nichts anhaben. Rose schlug vor, das Werk zu stürmen.

»Wer führt uns an?«, war die Frage.

»Ich«, rief er. Sich selbst an die Spitze stellend, stürmte er auf dieselbe los.

Den ersten Blackfeet, der sich ihm entgegenstellte, schoss er mit seiner Büchse nieder. Die Keule seines Opfers ergreifend, tötete er noch vier andere im Fort. Der Sieg war vollständig. Rose kehrte mit Ruhm bedeckt und fünf Hirnschädeln von Blackfeet, um solche als eine Trophäe vor seiner Hütte aufzupflanzen, in das Crow-Dorf zurück.

Von dieser Zeit an war er unter den Crow unter dem Namen des Che-ku-kaats oder als Töter der Fünf bekannt. Er wurde der Häuptling eines Dorfes oder einer Bande vielmehr und war eine Zeitlang der Abgott seines Stammes. Seine Volkstümlichkeit erregte jedoch bald Neid unter den einheimischen Braven: Er war ein fremder Aufdringling, ein weißer Mann. Eine Partie fiel von seinem Befehl ab. Es erfolgten Streitigkeiten und Bürgerkriege, die zwei oder drei Jahre dauerten, bis endlich Rose, nachdem er seine Brüder aufeinandergehetzt hatte, sie verließ und den Missouri hinabging.

Hier kam er mit einer der frühesten Fänger-Expeditionen zusammen, die General Ashley über die Gebirge geschickt hatte. Sie war von Smith, Fitzpatrick und Sublette angeführt. Rose ließ sich bei ihnen anwerben, um den Führer und Dolmetscher zu machen. Als er sie unter die Crow brachte, war er außerordentlich verschwenderisch mit ihren Gütern, indem er den Braven seines Stammes Geschenke machte, wie es einem hochherzigen Häuptling zukam.

Dies trug wahrscheinlich dazu bei, seine Popularität zu erhöhen. Auf diesem Zug wurden Smith und Fitzpatrick im Green River Valley ihrer Pferde beraubt, und der Platz, wo die Räuberei stattfand, heißt noch heute der Horse Creek. Wir sind nicht unterrichtet, ob die Pferde auf Anstiftung von Rose gestohlen wurden. Es ist jedoch nicht unwahrscheinlich, denn dies war seine treulose Absicht, bei einer früheren Gelegenheit gegen Mr. Hunt und seine Partie gewesen.

Die letzte Nachricht, die wir von Mr. Rose haben, ist von einem indianischen Pelzhändler. Als General Atkinson im Jahr 1825 seine militärische Expedition zum Schutz des Pelzhandels den Missouri hinauf unternahm, hielt er eine Konferenz mit der Crow-Nation, bei welcher Rose als ein indianischer Würdenträger und Dolmetscher der Crow figurierte. Das Militär war in einiger Entfernung von der Szene des Großsprechers aufgestellt. Während der General und die Häuptlinge Pfeifen rauchten und sich unterhielten, verließen die Offiziere in der Meinung, dass alles freundschaftlich hergehe, die Truppen und näherten sich der Zeremonie-Szene. Einige der schlauen Crow bemerkten dies und stahlen sich heimlich zum Lager. Es gelang ihnen, unvermerkt die Zündlöcher der Feldstücke mit Dreck zu verschmieren.

Bald hierauf trug sich ein Missverständnis in der Konferenz zu. Einige der Indianer, welche wussten, dass die Geschütze nicht zu gebrauchen waren, wurden unverschämt. Es entstand ein Tumult. In der Verwirrung schwang Oberst O’Fallan eine Pistole zum Gesicht eines Braven und schlug ihn mit dem Griff nieder. Die Crow waren wütend. Ein Handgemenge stand im Begriff auszubrechen, als Rose, bei welchem plötzlich seine natürliche Sympathie für die Weißen erwachte, den Kolben seiner Flinte am Kopf eines Kriegers der Crow zerschlug und ihm so tüchtig mit dem Lauf zusetzte, dass er bald das ganze Gedränge zur Flucht zwang. Da glücklicherweise dabei niemand ums Leben kam, so besänftigten diese derben Prügel die Wut der Crow und der Tumult endete, ohne ernste Folgen zu haben.

Was das endliche Schicksal dieses vagabundierenden Helden war, ist nicht genau bekannt. Einige sagen, dass er als Opfer einer Krankheit gefallen sei, die er sich durch seine ausschweifende Lebensweise zugezogen habe. Andere behaupten, dass er in einem Zwist zwischen den Crow ermordet worden wäre. Nach allem hatte sein Aufenthalt unter diesen Wilden und der Einfluss, den er über sie erlangte, eine Zeitlang eine wohltätige Wirkung. Man behauptet, dass er sie nicht allein den Blackfeet furchtbar gemacht, sondern auch ihnen die Augen geöffnet habe, wie vorteilhaft es für sie sei, Freundschaft mit den weißen Menschen zu unterhalten.

Nach Roses Tod wurde diese Politik mit ungleichem Glück von Arapooisch, dem bereits erwähnten Häuptling, fortgesetzt, der sein intimer Freund gewesen war und dessen Character er hatte entwickeln helfen. Dieser scharfsinnige Häuptling bemühte sich bei jeder Gelegenheit, den Hang seines Stammes zu Räubereien, wenn er gegen die Weißen gerichtet war, zu bezähmen.

»Wenn wir Freundschaft mit ihnen halten«, sagte er, »so haben wir nichts von den Blackfeet zu fürchten und können die Gebirge beherrschen.«

Arapooisch behauptete, ein großer Mediziner zu sein, ein Character, der bei den Indianern ein Gemisch von einem Priester, Doktor, Propheten und Beschwörer ist. Er trug einen zahmen Adler als seine Medizin oder seinen Hausgeist mit sich herum. Den Weißen bekannte er, dass dies alles Marktschreierei sei, allein er sagte, dass dieses nötig wäre, um ihm Gewicht und Ansehen unter seinem Volk zu geben.

Mr. Robert Campbell, von dem wir die meisten dieser Angaben gesammelt haben, war im Laufe einer seiner Fang-Expeditionen im Dorf von Arapooisch einquartiert und ein Gast in der Hütte des Häuptlings. Er hatte eine große Quantität Pelze gesammel. Aus Furcht, geplündert zu werden, hatte er nur einen Teil in der Hütte des Häuptlings niedergelegt; den Rest hatte er in eine Grube vergraben.

Eines Abends kam Arapooisch mit einer finsteren Stirn in die Hütte und setzte sich eine Zeitlang hin, ohne ein Wort zu sagen. Sich endlich an Campbell wendend, versetzte er: »Ihr habt mehr Pelze bei Euch, als Ihr in meine Hütte gebracht habt.«

»Ja«, erwiderte Campbell.

»Wo sind sie?«

Campbell wusste, wie vergeblich es sei, bei einem Indianer Ausflüchte gebrauchen zu wollen sowie den Wert einer völligen Aufrichtigkeit. Er beschrieb genau den Ort, wo er seine Pelze verborgen hatte.

»Es ist gut«, erwiderte Arapooisch. »Es ist so, wie Ihr sagt. Eure Versteckgrube ist Euch jedoch beraubt worden. Geht und seht, wie viele Felle herausgenommen worden waren.«

Campbell untersuchte die Grube und schätzte seinen Verlust auf ungefähr hundertfünfzig Biberfelle.

Arapooisch ließ nun das Dorf zusammenkommen, und machte seinem Volk bittere Vorwürfe deshalb, einen Fremden beraubt zu haben, der Vertrauen in ihre Ehre gesetzt habe, und befahl, dass, wer die Felle genommen habe, sie zurückbringen solle, mit der Erklärung, dass, da Campbell sein Gast und ein Bewohner seiner Hütte sei, er, weder etwas essen noch trinken würde, bis alle Felle zurückgebracht seien.

Die Versammlung brach auf und alle zerstreuten sich. Arapooisch beauftragte nun Campbell, niemand, der ihm Biberfelle zurückbringe, weder zu belohnen noch zu danken, sondern Rechnung zu halten, wie viel ihm abgeliefert worden wären.

Nach einer Weile fingen die Pelze an, sich wieder einzufinden, immer wenige auf einmal. Sie wurden in die Hütte niedergelegt, und diejenigen, welche sie brachten, gingen hinweg, ohne ein Wort zu sagen. Der Tagverstrich, Arapooisch saß in einer Ecke seiner Hütte, in sein Kleid gehüllt, und bewegte kaum eine Muskel seines Gesichtes. Als der Abend kam, fragte er, ob alle Felle eingekommen seien. Es waren über hundert überbracht worden und Campbell äußerte, damit zufrieden zu sein.

»Nicht so«, erwiderte der Crow-Häuptling. Er fastete die ganze Nacht durch und nahm keinen Tropfen Wasser zu sich. Am folgenden Morgen wurden noch mehr Felle überbracht, und sie kamen den Tag über fortwährend zu ein, zwei Fellen auf einmal ein, bis nur noch einige wenige an der vollständigen Anzahl fehlten. Campbell war nun besorgt, dem Fasten des alten Häuptlings ein Ende zu machen und erklärte abermals, vollkommen befriedigt zu sein.

Arapooisch fragte ihn, wie viele Felle ihm noch fehlten. Da ihm dieses gesagt wurde, so flüsterte er einem seiner Leute etwas in das Ohr. Dieser verschwand. Kurz darauf wurden die fehlenden hereingebracht. Offenbar waren sie aber keine der gestohlenen Felle, sondern andere, die im Dorf zusammengebracht worden waren.

»Ist nun alles richtig?«, fragte Arapooisch.

»Es ist alles richtig«, erwiderte Campbell.

»Gut, jetzt bringt mir zu Essen und zu Trinken.«

Als sie allein waren, unterhielt sich Arapooisch mit seinem Gast.

»Wenn Ihr ein anderes Mal unter die Crow kommt«, sagte er, »so versteckt Eure Waren nicht. Traut ihnen und sie werden Euch kein Unrecht tun. Bringt Eure Güter in die Hütte eines Häuptlings und sie werden dort heilig verwahrt bleiben. Versteckt Ihr sie aber in einer Grube, dann wird sie Euch ein jeder stehlen, der

sie findet. Meine Leute haben Euch nun Eure Waren meinetwegen zurückgegeben. Es gibt aber einige betörte junge Männer im Dorf, die Euch lästig werden könnten. Verweilt darum nicht länger hier, sondern bepackt Eure Pferde und zieht ab.«

Campbell befolgte diesen Rat und kam wohlbehalten aus dem Land der Crow. Seitdem behauptete er immer, dass die Crow nicht so schwarz seien, wie man sie mache.

»Traut ihrer Ehre«, sagt er, »und Ihr seid sicher. Traut ihrer Ehrlichkeit und sie werden Euch das Haar vom Kopf stehlen.«

Nachdem wir diese wenigen Angaben vorausgeschickt haben, wollen wir den Faden unserer Erzählung wieder aufnehmen.

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  1. Siehe Astoria Band 1