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Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 51

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

51. Wie Rübezahl einen harten Schösser bestraft und einem armen Mann hilft.

Es war einmal unten am Gebirge in Böhmen ein armer Leinweber, der hatte ein Weib und ein Häuflein Kinder dazu und nährte sich doch immer redlich und arbeitete von früh bis in die Nacht hinein. So lange die Zeiten gut blieben, half sich der arme Mann schon durch. Als aber Misswuchs und Teuerung einfielen, trat auch die Not ein. Der Mann schaute mit Sorgen in die Zukunft, denn er besaß nur noch wenige Scheffel Getreide, und das will allerdings bei einem Herdlein Kinder nicht viel sagen.

Aber auch diese wenige Scheffel sollten ihnen nicht bleiben. Da er nicht so viel verdient hatte, dass er auch seine Steuern und Gaben pünktlich hätte entrichten können, so schickte der Schösser seine Schergen, die ihm sein weniges Getreide pfändeten.

Da war denn freilich große Not. Weinen und Klagen erfüllte die Hütte, in welcher bisher Fleiß und Zufriedenheit gewohnt hatten. Es blieb dem armen Hausvater nun nichts mehr übrig, als gute Menschen zu suchen, die ihn und die seinen durch Leihen von Getreide vor Hunger schützten.

Als er nun so traurig auf dem Weg dahinschritt, fügte es sich, dass Rübezahl gerade da einmal am Heidelberg hin lustwandelte. Der arme Mann fiel ihm bald durch seine kummervolle Miene auf. Er ließ sich mit ihm in ein Gespräch ein. Da erzählte ihm denn der Unglückliche seine Not und was er eben nun vorhabe. Rübezahl sprach ihm hierauf Trost ein, hieß ihn ruhig wieder nach Hause gehen und sagte ihm endlich, er werde sein Getreide schon wiedererhalten, indessen solle er nur für die seinen Brot kaufen. Damit schob er ihm ein paar Goldstücke in die Hand. Wer war froher als unser Leinweber!

Eines Morgens saß der Schösser in Starkenbach im Lehnstuhl und dachte christlich nach, wie ein rechtschaffener Schösser die Not der armen Leute zu seinem

Frommen benutzen sollte. Da ging die Tür auf und der Amtsknecht trat herein.

»Gestrenger Herr Amtmann«, sagt er, »da draußen ist ein Mensch, so sich als Knecht bei Euch vermieten will, und kommt wie gerufen, da Ihr gestern den Antoni fortgeschickt habt. Er ist ein starker Bursche, der schon für zwei arbeiten kann.«

Damit ging er hinaus, schickte den Burschen herein, und der Schösser nahm ihn in Dienst.

Er konnte in der Tat keinen fleißigeren, treueren Knecht haben, als eben den neuen. Der Schösser selbst sagte zu seiner rechten Hand, dem Amtsknecht: »Stoffel, der Kerl bringt Batzen.« Er lachte sich dabei ins Fäustchen.

Über eine Weile, der Winter war dieses Mal lang gewesen, brach Tauwetter herein. Die Erde verlor ihre Schneedecke, die Störche zogen klappernd über Stadt und Land und der Frühling schmückte schon mit den ersten Blüten Wiesen und Gärten.

Da gab der Schösser das gepfändete Korn dem Knecht zur Aussaat und schickte ihn hinaus aufs Feld.

Draußen auf dem Felde sagte der Knecht, – der günstige Leser merkt schon, wer er ist, – indem er sauber sein Hütlein abnimmt und sich gegen das Amthaus verbeugt: »Gestrenger Herr Amtmann, auf die Art sehen wir einander nimmer wieder.«

Damit nimmt er das Getreide und bringt es in aller Stille – ein Berggeist braucht zu so etwas eben nicht viel Zeit – dem armen Mann in seine Hütte zurück. Hierauf bestellte er den Acker sehr sorgfältig, nur dass er statt des Korns allerhand Unkraut ausstreute. Bald darauf nahm er seinen Abschied.

Das Korn grünte ganz lustig empor und sah gerade aus, wie ein anderes Korn. Der Schösser freute sich dessen gar sehr. »Das ist Korn für einen Schösser«, sagte er, in dem er sich lächelnd die Hände rieb und auf die dürftigen Saaten umherblickte, »und wenn dir Gott noch ein paar Jährchen«, fuhr er fort, »eine solche liebe Teuerung beschert, so kannst du getrost nach jeder Herrschaft fragen.«

Die Bauern umher wunderten sich über das Korn fast zum Entsetzen. Einige meinten, der Schösser müsse etwa ein Glücksmännlein oder Alräunchen haben.

Andere dachten, der liebe Gott möchte wohl nun gerade nicht zu Hause sein. Noch andere glaubten ohnehin schon lange, der Schösser sei der Teufel selbst.

Das Korn blühte, dass es eine Lust war, setzte Körner an, dass sich jedermann wunderte, und stand so dicht, dass niemand glaubte, ein Korn könne je so wachsen. Endlich kam die Ernte.

»Stoffel«, sagte der Schösser, »Stoffel, bestelle die Fronbauern, denn morgen muss das Korn geschnitten werden, oben bei der Kapelle, und über den anderen Tag, wenn Witterung bleibt, fahrt ihr es ein.«

Die Bauern kamen richtig den folgenden Tag und das Getreide sank unter ihren Sensen. Über den anderen Tag hielten vor dem Amthaus ein paar Erntewagen mit dürren Kühen bespann. Der Schösser führte sie selbst hinaus, und Stoffel folgte, denn er musste zugleich beim Schösser den Vogt machen, von wegen der Ersparnis.

Sie kamen aufs Feld, und der Schösser blickte vergnügt zu den Mandeln hin. Aber bald wurde sein Gesicht ganz kurios und immer kurioser, je näher sie kamen, bis er endlich zwischen den Mandeln gleich einer Bildsäule stehen blieb. Denn sämtliche Garben bestanden aus nichts anderem, als aus Disteln.

»Gott hat Zeichen und Wunder an ihm getan«, sagten die Fröner und fuhren getrost heim.

»Der liebe Gott ist wieder daheim«, riefen andere.

Und noch andere bedauerten, dass der Teufel nicht den Teufel — nämlich den Schösser — geholt habe.

Der Schösser war aber mit der Sache gar nicht zufrieden, und Stoffel meinte, das sei Hexerei. Das Korn war vom Leinweber, das wussten sie, folglich blieb die Hexerei auf ihm sitzen. Der Schösser gab also Befehl, den Mann zu greifen. Wie aber die Fronknechte in sein Haus kamen, war der Mann fort, denn Rübezahl hatte ihn bereits gewarnt. Dem Schösser war indessen am Verbrecher zu viel gelegen, und der Herr

Pfarrer freute sich auch schon darauf, den Teufel ein wenig aus ihm heraustreiben zu können, damit er seine Amtsführung verherrliche. Aufgeben konnten sie sonach den Mann nicht. Darum stellte man eine Landstreife an und fing da allerhand Männlein ein, die keinen Ausweis hatten. Man hoffte, der Übeltäter, auf den es besonders abgesehen war, würde darunter sein. Von Angesicht zu Angesicht kannten ihn die Richter nicht; aber der Schösser als ein feiner Fuchs wusste sich zu helfen und dachte: So bring ich es heraus.

Er ließ also die Gefangenen ihre Röcke ausziehen und sie in Reih und Glied stellen. Darauf besah er sie ganz gründlich von hinten, schüttelte mit dem Kopf und sagte endlich: »Da ist kein Leinweber darunter.«

Er wusste schon, warum, und entließ damit die unschuldigen Leute.

Der aufgebrachte Schösser wartete nun die anderen Berichte aus den Dörfern ab und hoffte immer, er werde sein Mütchen noch an den Leinweber kühlen können. Sie fingen auch Leinweber genug, nur nicht den rechten. Denn den sahen sie nimmer wieder. Er hatte sich auf der anderen Seite des Gebirges niedergelassen.

Die Leute in Starkenbach aber und die Bauern in der Gegend umher fassten wieder Mut. Wenn es ihnen gleich wegen der Teuerung noch traurig ging, so sagten sie doch in Hoffnung und Ergebung: »Gott lebt noch!«

Denn merke: Man muss in schlimmen Tagen nicht gleich verzweifeln, der alte Gott lebt immer noch!