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Abenteuer des Captains Bonneville 21

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Zwanzigstes Kapitel

Versammlung im Green River Valley. Besuche und Schmausereien der Anführer. Frohe Trinkgelage der Biberfänger. Rohe Gebirgsburschen. Indianische Schönen. Die Macht glänzender Knöpfe und roter wollener Decken. Ankunft von Vorräten. Schwelgereien und Ausschweifungen. Tolle Wölfe. Der umgekommene Indianer.

Das Green River Valley war zu dieser Zeit die Szene einer jener Generalversammlungen von Handelsleuten, Biberfängern und Indianern, deren wir bereits erwähnt haben. Die drei Nebenbuhler-Companys, die im vergangenen Jahr bemüht gewesen waren, sich im Handeln, Biberfangen etc. zu überbieten und einander zu überlisten, hatten nun ihr Lager dicht nebeneinander aufgeschlagen und erwarteten ihre jährlichen Vorräte.

Ungefähr vier Meilen vom Sammelplatz des Captains Bonneville befand sich jener der American Fur Company und dicht neben diesem war jener der Rocky Mountain Fur Trade.

Nach der heftigen Nebenbuhlerschaft und beinahe Feindschaft, die sich diese Companys in ihren letzten Jagdstreifereien bewiesen hatten, hätte man erwarten sollen, dass, nachdem sie eine so nahe Stellung genommen hatten, sie sich ernst und vorsichtig voneinander entfernt halten würden, und dass, wenn sie ja in Berührung miteinander kämen, Hader und Blutvergießen entstehen würden. Nichts von all diesem! Nie trafen sich zwei Advokaten, nachdem sie sich vor Gericht miteinander gezankt haben, mit mehr gesellig guter Laune bei einem Kränzchenschmaus. Ist die Jagdzeit vorüber, dann sind alle vergangene Streiche und angewandten Kunstgriffe vergessen, alle Zwiste und Streitigkeiten in Vergessenheit geraten. Von Mitte Juni bis Mitte September ist alles Biberfangen eingestellt, weil sie sich dann hären und ihre Felle von geringem Wert sind. Dies sind die Ferien des Biberfängers, in welchen er voller Lust und Späße und zu Saturnalien in den Gebirgen aufgelegt ist.

In gegenwärtiger Jahreszeit befanden sich alle Parteien ebenfalls in guter Laune. Das Jahr war ergiebig gewesen, und die Nebenbuhlerschaft hatte, indem sie ihren Nutzen zu vermindern drohte, ihren Witz geschärft, sie zur Tätigkeit erweckt und sie gelehrt, jede günstige Gelegenheit bestens so zu benutzen, dass, als sie an ihren gegenseitigen Versammlungsorten eingetroffen waren, eine jede Company sich im Besitz eines reichen Vorrats von Pelzwaren befand.

Die Führer der verschiedenen Companys kamen daher auf dem Fuß vollkommener guter Kameradschaft zusammen, machten sich einander Besuche und bewirteten sich so gut, wie es ihre verschiedenen Lager vermochten. Allein die beste Bewirtung für den würdigen Captain war die, die Ritter der verschiedenen Lager zu sehen, wie sie es sich im Laufen, Springen, im Schießen mit der Büchse und im Pferderennen einander zu vor zu tun suchten; und dann ihre rohen Schmausereien und Gelage! Sie tranken, sangen, lachten und schrien miteinander und versuchten einer den anderen bei Erzählung ihrer Abenteuer und Taten im Prahlen und Lügen zu überbieten. Hier befanden sich die freien Biberfänger in ihrer Herrlichkeit. Sie betrachteten sich als die Hähne der Kette und trugen immer den Kamm am höchsten. Dann und wann wurde die Vertraulichkeit etwas zu weit getrieben und artete in Zwist und Balgerei aus, die sich aber mit einer herzlichen Versöhnung und benebelten Liebkosungen endeten.

Die Gegenwart des Stammes der Shoshone gab bisweilen Veranlassung zu Eifersüchtelei und Zwist. Die Schönen der Shoshone wurden Gegenstände der Nebenbuhlerei bei einigen verliebten Gebirgsjägern. Glücklich war der Biberfänger der eine rote Decke, eine Schnur bunter Perlen oder Tütchen der köstlichen roten Farbe darbieten konnte, um das Lächeln einer Schönen der Shoshone zu gewinnen.

Die Karawanen langten gerade in diesem Augenblick der Galanterie und der guten Kameradschaft mit ihren Vorräten im Thal an. Nun wollte jedes Individuum der verschiedenen Lager es dem anderen an unbesonnener Verschwendung zuvortun. Die Ballen wurden hastig aufgeschnitten und ihr bunter Inhalt ausgepackt. Eine Kaufmanie verbreitete sich unter den verschiedenen Gruppen: Kriegs- und Jagbedarf und Putzsachen wurden mit gleicher Begierde gesucht. Büchsen, Jagdmesser, Biberfallen, Scharlachtuch, rote Decken, glänzende Knöpfe und schimmerndes Spielzeug wurden zu jedem Preis gekauft. Man ließ die Rechnungen anwachsen, ohne daran zu denken, wie sie je wieder abgetragen werden sollten. Die freien Biberfänger waren vorzüglich ausschweifend in ihren Einkäufen, denn wenn ein freier Biberfänger sich an einigen wenigen Talern und Cents stoßen wollte, um etwas zu erlangen, das ihm gefiele, so würde ihn dies in dem Ansehen seiner Kameraden zum Dümmling herabwürdigen. Wenn ein Pelzhändler sich weigern würde, einem dieser freien und großsprecherischen Burschen Kredit zu geben, so würde dies eine kaum zu vergebende, arge Beschimpfung sein, welche Rechnungen er auch noch immer unberichtigt offenstehen hätte.

Nun erfolgten neue sinnlose Verschwendungen und Ausschweifungen. Die Biberfänger waren neu ausgerüstet und gekleidet und paradierten umher mit ihren auf indianische Weise angeschirrten Pferden. Die Schönen der Shoshone stolzierten ebenfalls in allen Regenbogenfarben umher. Es wurde jeder verschwenderischen Grille in ihrer weitesten Ausdehnung Genüge geleistet. In kurzer Zeit waren die Biberfänger, die all ihren Sold verschleudert und sich vielleicht noch tief in Schulden gesteckt hatten, bereit, einen anderen beschwerlichen Feldzug in die Wildnis mitzumachen.

Während dieser Zwischenzeit fröhlicher Ausgelassenheit wurde in den beiden unteren Lagern Lärm wegen toller Wölfe gemacht. Einer oder mehrere dieser Tiere kam drei Nächte hintereinander in die Lager und biss mehrere der Leute.

Captain Bonneville erzählte den Fall von einem Indianer, der in dem unteren Lager allgemein beliebt war. Er war von einem dieser Tiere gebissen worden. Da er kurz danach mit einer Partie auf einem Streifzug aus war, wurde er still und düster und blieb hinter den Übrigen zurück, als ob er sie zu verlassen wünsche. Sie hielten still und drangen in ihn, geschwinder zu gehen. Er bat sie aber, ihm ja nicht zu nahe zu kommen. Von seinem Pferd springend, fing er an, sich wütend auf der Erde zu wälzen, mit den Zähnen zu knirschen und aus dem Mund zu schäumen. Er behielt noch immer seine Sinne bei und warnte seine Begleiter, sich ihm nicht zu nähern, weil er sich sonst nicht enthalten könne, sie zu beißen. Sie liefen weg, um Hilfe zu holen. Bei ihrer Rückkehr war er aber nirgendwo zu finden. Sein Pferd und seine Kleider waren auf dem Platz. Man sah drei oder vier Tage nachher einen einzelnen Indianer, den man für denselben hielt, durch ein Tal gehen. Er wurde verfolgt, verlor sich aber in das Gebirge und wurde nicht mehr gesehen. Ein anderes Beispiel hörten wir von einer anderen Person anführen, die sich in dem Lager befand. Einer der Leute der Rocky Mountain Fur Trade war gebissen worden. Er machte sich kurz nachher in Gesellschaft zweier weißen, Menschen auf den Weg, um zu den Niederlassungen zurückzukehren. Nach Verlauf einiger Tage zeigten sich Spuren der Wasserscheu an ihm und er wurde gegen Abend rasend. Endlich entlief er seinen Begleitern und rannte in ein Weidendickicht, wo sie ihn seinem Schicksal überließen.