Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Der Alte vom Berge – Kapitel 14

C. F. Fröhlich
Der Alte vom Berge
Oder: Taten und Schicksale des tapferen Templers Hogo von Maltitz und seiner geliebten Mirza
Ein Gemälde aus den Zeiten der Kreuzzüge
Nordhausen, bei Ernst Friedrich Fürst, 1828

XIV.

Die Trauer um den so geachteten Großmeister war sowohl unter den Templern als auch bei den übrigen Kriegern gleich groß. Der Patriarch von Jerusalem sprach den Bann über den schändlichen Komtur aus. Der allgemeine Wunsch war, dass der Elende gefangen würde.

Schon wollte man zur Wahl eines neuen Großmeisters schreiten. Brömser von Pleissenburg äußerte spöttisch laut, Hugo von Maltiz müsse Großmeister werden, als die Kunde durch einen entflohenen Knecht sich verbreitete, dass der Großmeister, den man in der Veste am Tal Josaphat getötet wähnte, von seinen Wunden wieder ziemlich genesen sei und sich gegenwärtig in Kahira befinde. Man wollte zwar dieser Kunde wenig Glauben beimessen, doch bestätigte sie sich bald. Aus dieser Ursache wurde also kein Großmeister gewählt und das ganze Kapitel beratschlagte sich in schwierigen Fällen.

Hugo erhielt in dieser Zeit die Würde eines Marschalls, doch gewährte sie ihm keine Freude. Ein Kuss, eine Umarmung der geliebten Mirza wäre ihm lieber gewesen. In seinem Unmut ging er zu dem Käfig des Alten vom Berge. Er sah schrecklich aus. Seit seiner Gefangenschaft war er noch dürrer und der Bart ganz grau geworden. »Nun Alter«, fragte er, »werde ich bald aus der Sklaverei durch deine Tochter befreit werden?«

»Früher als du wähnst, wirst du Sklave«, entgegnete der Alte im prophetischen Ton.

Hugo lächelte.

Da trat Brömser recht vertraulich zu ihm. »Bruder«, sagte er, »unter uns gesprochen, es ist mir recht fatal, dass unser alte Großmeister noch leben soll. Ihr müsstet seine Stelle erhalten. Heidi! Wie würde da der Orden in Aufnahme kommen.«

»Schmeichler«, entgegnete Hugo, »wie kann sich ein solcher junger Hitzkopf wie ich zu solch einem Amt passen?«

»Gerade nur Ihr passt Euch zu diesem Amt«, fuhr Brömser fort, »denn Ihr seid großmütig und fest im Charakter. Ihr wisst es, ehe ich Euch so genau kannte, dass ich oftmals gegen Euch handelte. Aber bei allen Heiligen, es geschah nicht aus böser Meinung, sondern aus eigener Ansicht der Sache!«

»Es ist alles vergessen«, erwiderte jener, »selbst die Szene in der Laube sei aus dem Gedächtnis verwischt. Die gute Suleima ruht nun schon lange im Schoß der Erde. Man hätte wahrlich ein Engel sein müssen, um fest an dem Gelübde zu halten und der Sinnen Lust nicht Raum zu geben.«

»O, schweigt nur davon«, rief Brömser, »nur mit Schaudern denke ich an jene Zeit, wo ich so tief, so unendlich tief unter Euch stand, aber ich habe mich gebessert und will versuchen, mich immer noch mehr zu bessern.«

»Ihr lügt!«, kreischte die Stimme des Alten vom Berge.

Brömser entfärbte sich ob dieser Worte und sah sich verlegen nach allen Seiten um.

Der Ton einer dumpfen Glocke berief wieder das Kapitel zusammen. Arm in Arm, wie zwei Freunde, schlenderten auch Hugo und Brömser dahin. Nur langsam versammelten sich die Häupter des Ordens und setzten sich neugierig auf ihre Plätze. Ein ehrwürdiger Marschall wandte sich mit folgenden Worten an die Versammlung: »Brüder! Die Nachricht, dass unser würdige Großmeister noch lebt, hat sich abermals bestätigt. Ich halte es daher für Pflicht, Euch aufmerksam zu machen, dass es unsere Schuldigkeit ist, ihn wo möglich aus der Sklaverei loszukaufen, selbst wenn man die bedeutendste Summe forderte. Seid Ihr aber dieser Meinung nicht, so könnte man den Alten vom Berge gegen ihn auswechseln, denn viel Schaden kann uns dieser nicht mehr tun, weil er zu alt ist.«

»Es ist allerdings unsere Schuldigkeit«, erwiderte Hugo, »den braven Großmeister aus der Sklaverei zu erretten, allein ich bin fest von ihm überzeugt, dass er die Sklaverei der Freiheit vorzieht, wenn wir ihm den Preis seiner Rettung sagen!«

»Er mag dann nach seinem Gutdünken handeln«, fuhr der Sprecher fort, »wir tun unsere Pflicht. Eine Gesandtschaft von uns mag sich daher recht bald auf den Weg nach Kahira machen, um mit dem Sultan zu unterhandeln.«

Der Marschall Hugo, der fantastische Drapier und zwei Komture erboten sich zur Reise dahin. Man unterhielt sich noch lange über diesen Gegenstand und schickte augenblicklich einen Waffenträger ab, um für die Gesandtschaft eine Sicherheitskarte zu holen.

Gedankenvoll irrte Hugo am Abende desselben Tages im Tempelhof umher. So erreichte er das Quartier des Waffenträgers, wollte zu dem seinen, um ihn zu fragen: ob seine Rüstung vom Waffenschmied schon ausgebessert sei, öffnete die Tür einer falschen Zelle und bebte fast erschrocken zurück, denn ein Mädchen mit entblößtem Busen stand an einem Tisch.

Der Schein der Lampe beleuchtete ihr Antlitz, er lächelte, stürzte auf sie zu und schrie: »Mirza! meine Mirza!«

Sprachlos sank sie in seine Arme. Die Liebe feierte eine herrliche Minute.

Dass nicht andere Templer diese Entdeckung auch machen sollten, so schnallte sie den Brustharnisch um, als der erste Rausch des Entzückens verflogen war. In aller Kürze erzählte sie dem Geliebten, dass sie seit der Gefangenschaft ihres Vaters hier als Waffenträger sei, ihn aus dem Getümmel der Schlacht befreit und die Warnerin wegen den bösen Brömser sei.

»Es kann keine Sünde sein, ein so herrliches Mädchen zu küssen«, meinte Hugo, »sonst hätte Gott diesen Trieb nicht in unsere Herzen gelegt. Ach, Mirza, Mirza! Wüsste ich doch nur ein Mittel, um dich erringen zu können!«

»Ich weiß eins, wenn du wirklich liebst«, sagte sie so recht gutmütig.

»Ob ich dich liebe?« fragte er. »Mirza! Seit ich dich sah, umschwebte mich dein geliebtes Bild Tag und Nacht. Aber – ob du mich liebst?«

»Wenn ich dich nicht unendlich liebte«, entgegnete sie, die schönen Augen auf die Erde heftend, »so wäre ich nicht hier.«

Umarmungen und Küsse vertraten noch lange die Stelle der nichtssagenden Sprache, denn in solchen Momenten ist sie unbedeutend. Endlich, als das Licht im Verlöschen war, schlich sich Hugo überselig zu seiner Zelle.

Von nun an sprach er die schöne Mirza fast täglich, doch achteten beide auf jeden Gegenstand, um keinen Verdacht zu erregen.

Die mit Sehnsucht erwartete Sicherheitskarte kam endlich an. Schon den nächsten Tag reiste die Gesandtschaft nach Kahira zu. Lieb wäre es nun unseren Hugo gewesen, wenn er daheim hätte bleiben können, doch dies ging nicht gut.

»Wenn du bei deiner Rückkehr mich nicht im Tempelhof triffst«, sagte Mirza beim Abschiede, »so denke, ich bin auf dem Weg unseres Glückes!«

Diese sonderbaren Worte beschäftigten noch lange Hugos Fantasie.